- Fremde
Fremde, Personen, die in einem Lande od. Orte weder geboren sind, noch daselbst das Unterthanenrecht erlangt haben. Sie genießen nur Schutz- u. Gast-, nicht das Bürgerrecht. F., welche innerhalb eines Staates eine in diesem Staate verbotene Handlung vollbracht haben, werden nach den Gesetzen dieses Staates bestraft (s. Verbrechen); nachgewiesene Unwissenheit ist ein Milderungsgrund. Eine Rechtsverletzung außerhalb des Staatsgebietes kann eigentlich nicht vom Staate bestraft werden, selbst wenn sich der F. in der Gewalt dieses Staates befindet u. die That gegen ein Mitglied dieses Staates od. diesen selbst gerichtet wäre, doch weichen davon häufig die Particulargesetze ab. Obgleich die Strafgewalt hiernach auf die Grenzen des Staates beschränkt ist, so werden doch in der Regel Inländer, die in einem fremden Staat ein gemeinrechtliches Verbrechen begangen u. sich in ihre Heimath geflüchtet haben, da bestraft, weil sonst, wegen der zu verweigernden Auslieferung die Heimath ein Asyl für Verbrecher sein würde. Alle Rechtsverhältnisse F-rin einem Staate, begreift man unter dem Namen F-nrecht. Jetzt, wo die Übervölkerung in den meisten Staaten fühlbar wird, sucht man sich mehr gegen Ansiedlung F-r zu sichern, als ehedem, u. erschwert den F-n ohne Vermögen an den meisten Orten die feste Ansiedlung dadurch, daß er ein bestimmtes Vermögen nachweisen od. daß sich eine Gemeinde zu seiner Aufnahme u., im Fall der Verarmung, zu künftiger Versorgung seiner Familie bereit erklären muß. Vgl. Auswanderung etc. Im Alterthum wurden an einigen Orten, z.B. in Tauris alle F., welche der Sturm an die Küste verschlug, den Göttern geopfert; in andern wurden alle F. Sklaven, u. dasselbe findet noch bei einigen wilden Stämmen der afrikanischen Küste u. Mittelasiens Statt. Bei den Juden war jeder Nichtjude, der im Jüdischen Staate lebte, fremd, sie mochten entweder besiegte Urbewohner des Landes, od. Kriegsgefangene, die im Lande blieben, od. freiwillig ins Land Gezogene sein. Sie waren entweder Fremdlinge der Gerechtigkeit od. Fremdlinge des Thors, über ihre verschiedne Stellung s.u. Hebräer (Ant.). In Griechenland bildeten die in Handelsstädten, auch in Athen, wo sie auf 10,000 Familien stiegen, u. Korinth häufigen F-n (theils Xenoi, die sich nur kurze Zeit an einem Ort aufhielten, theils Metoikoi, Schutzverwandte, od. Gewerb- u. Handeltreibende) eine Mittelklasse zwischen den freigebornen Staatsbürgern u. den Sklaven, s.u. Athen. (Ant) I. A)) In Rom u. den übrigen Städten des Römischen Reichs hieß F-r (Peregrinus) Jeder, der nicht römischer Bürger war, wenn er auch das Jus latinum od. Jus italicum besaß; auch die Freigelassenen, die nicht das Bürgerrecht erhielten. Über ihr Verhältniß s. Rom (Ant.). Im alten Deutschland übte man gegen F. Gastfreundschaft, s.u. Deutschland (Ant.) D) e). Die einwandernden Stämme während der Völkerwanderung betrachteten Niemand als frei, als wer im siegenden Heere war, alle Andern verloren ihr Eigenthum u. wurden Leibeigene. Hörten auch diese Beraubungen des Eigenthums gegen Leute aus andern Ländern nach u. nach auf, so standen doch F. in allen Ländern, wo deutsche Stämme eingewandert waren, überall noch im Mittelalter den Eingebornen bedeutend nach; so wurde der Todtschlag eines F-n geringer bestraft, als der eines Eingebornen; der F. hatte vor Gericht selten gleiches Recht mit dem Eingebornen etc. Diese Beschränkungen des F. nahmen indessen überall in dem Verhältniß ab, als die Cultur zunahm; jedoch blieb noch bis auf die Französische Revolution das Heimfallsrecht, nach welchem die Verlassenschaft des in einem Staate verstorbenen F-n dem Fiscus des ersteren heimfällt, geltend, u. das Wildfangsrecht, nach welchem der Landesherr einen, eine gewisse Zeit in einem Lande Verweilenden als Leibeignen betrachten konnte, war an manchen Orten nicht viel früher aufgehoben worden. Auch das Recht, wonach in Concursen fremde Gläubiger den einheimischen nachstehen mußten, ist jetzt allgemein, so wie das Abzugsrecht (s. Abzugsgeld) von den Deutschen Bundesstaaten durch gegenseitige, seit 1816 geschlossene Verträge abgeschafft.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.