- Ofen [3]
Ofen (ungar. Buda, 1) Bezirk im Comitat Pesth-Pilis des ungarischen Verwaltungsgebietes Pesth-Ofen; 2) Stadt darin u. Hauptstadt des Königreichs Ungarn; Festung, königliche Freistadt, Residenz des Palatins u. des Ofener griechischen nicht unirten Bischofs, welcher aber gewöhnlich in St. Andrä residirt; Sitz eines eigenen, unmittelbar der k.k. Statthaltereiabtheilung untergeordneten Magistrates, der obersten Verwaltungsbehörden, der ungarischen Hofkammer, des Generalcommandos, der Tavernikattasel, Studiencommission, der Landesbaudirection, eines Dreißigamts, des Oberpostamts; wird von der Stadt Pesth durch die Donau, an deren rechtem Ufer es liegt, getrennt, beide Städte verbindet aber seit 1849 eine Kettenbrücke. O. theilt sich durch die sich mitten in der Stadt auf dem Festungsberge erhebende, mit alten Mauern umgebene, mit vier Thoren u. mehren Treppen, welche bedeckt od. offen in die Unterstädte hinabführen, versehene Festung in die[225] Oberstadt u. in die diese in einem langen Oval umgebenden fünf Unterstädte. Der Haupttheil O-s ist die Festung; die nach der Eroberung O-s durch das Görgeysche Corps am 21. Mai. 1849 geschleiften Festungswerke sind seitdem stärker wieder aufgerichtet; auch werden die umliegenden Höhen befestigt, wie der Blocksberg u. der Schwabenberg (so genannt nach den Reichstruppen, welche 1685 bei Vertreibung der Türken hier lagerten); Hauptkirche zu Mariä Himmelfahrt, Schloß mit 200 Zimmern, Schloßpfarrkirche St. Sigismund (seit 1790 wieder Aufbewahrungsort der ungarischen Reichskrone u. der Reichskleinodien, welche sich schon früher hier befanden, aber im 17. Jahrh. wegen der Türken nach Presburg gebracht u. nach Unterdrückung des Ungarischen Insurrectionskampfes 1849 von Kossuth bei Orsowa vergraben, aber 1853 wieder aufgefunden u. nach O. zurückgebracht wurden, s.u. Heilige Krone), u. ist auf drei Seiten, am Abhang des Festungsberges, von Gärten umgeben; ferner die Paläste des Grafen Sandor, Teleki, Erdödi, des Fürsten Bathiany etc., das Rathhaus, Zeughaus, Landhaus, Kanzleien des k.k. Generalgouvernements für Ungarn, Hofkammergebäude, Generalcommando, Theater, die zur Pesther Universität gehörige Buchdruckerei; 5 Plätze, darunter Parade-, Georgs-, Dreifaltigkeitsplatz, mit Dreifaltigkeitssäule. Eine Wasserkunst versorgt die Festung durch Druckwerke mit Wasser, eine andere mündet vor dem Theater. Denkmal des 1849 gegen das Görgey'sche Corps gebliebenen Generals Hentzi u. 419 Tapferen. Die fünf Unterstädte sind: die Wasserstadt (sonst während der Türkenzeit befestigt u. Judenstadt genannt), der schönste Stadttheil nach der Festung, reicht mit dem Fischerstädtchen von der Festung bis zur Donau hinab; in ihr die St. Annenkirche, die Elisabethskirche auf den Fundamenten der ehemaligen Hauptmoschee, Mariensäule, Militärhospital; die Landstraße (Via regia), nördlich der vorigen, mit Palast des Primas von Ungarn u. großen Waarenmagazinen; Neustift, erstreckt sich bis Altofen hin u. hat eine Pestsäule; Christinenstadt, mit Gärten, bes. dem Horvathschen, u. Landhäusern, im Thal hinter der Festung; u. Taban (Raitzenstadt), der südlichste Theil zieht sich terrassenartig u. regelmäßig bis zur Brücke hinaus. Außerdem schließt sich Altofen (O-Buda), welches früher ein privilegirter Marktflecken war, seit 1850 aber der Stadt O. einverleibt ist, mit Schiffswerften der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft, Postamt u. 12,350 Ew. als Vorstadt an. Mit den genannten hat O. 13 katholische Kirchen, 1 griechische Kirche, 4 Klöster, 1 Synagoge, 2 evangelische Kirchen. Die 3 Kirchhöfe liegen auf dem Wege nach Altofen, beim Stadtmeierhofe (hier Alvinzis Denkmal) u. vor der Wiener Linie (Joseph Thimos Denkmal). Wissenschaftliche u. Kunstanstalten: O. besitzt 3 Bibliotheken, die des Palatins, der Franciscaner u. des Archigymnasiums: Archi- od. katholisches Hauptgymnasium; höhere Industrieschule, Realschule (seit 1855), Primärschule der Piaristen, Normalschulen in allen Stadttheilen, 2 illyrische, 1 ungarische Lehranstalt, Zeichnen-, Musik-, mehre Mädchenschulen, unter diesen eine lutherische, Studiencommission, 1 Buchhandlung, 2 Buchdruckereien, Lithographisches Institut, 3 Zeitschriften. Fabriken wenig, doch Stückgießerei u. Pulvermühle, auch fertigt man Kupferwaaren, Majolika, Leder, Seidenzeuge, Tuch, Leinwand, Sammt, Messer; Handel mit Ofener rothem Wein (s.u. Ungarischer Wein, der beste ist der Adelsberger); heiße Bäder: Kaiserbad (1834 neu eingerichtet), Brückbad (das besuchteste), Königs-, Voll-, Blocks-, Raizenbad etc.; Trinkquellen u. Bäder von 48,8 bis 51° R., kohlensauren Kalk u. Natron, sowie schwefelsaures Natron enthaltende Säuerlinge. Vergnügungen: Theater, Schießhaus, Spaziergänge auf den Wällen u. in die reizenden Umgegenden; 55,240 Ew. (1860). Dabei der Blocks- (St. Gerhards-) berg, auf welchem früher die zur Universität gehörige Sternwarte stand, jetzt aber eine Citadelle sich befindet.
Alt-O. soll das Acimincum der Römer sein. Die Einwohner verließen Alt-O. nach der Zerstörung durch Attila u. bauten sich in Neu-O. an, welches mit der Zeit die Hauptstadt Ungarns u. 1351 Residenz wurde; damals hieß O. Budavar. Hier 4. Juli 1411 Vergleich des Kaisers Sigismund mit dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg, in welchem er diesem die Mark verpfändete. 1526 eroberte es der Sultan Solyman, brannte es nieder u. übergab es dem von ihm zum König eingesetzten Johann Zopolya; diesen warf König Friedrich I. 1527 wieder aus der Stadt, doch nahm Solyman dieselbe 1529 wieder, u. 1530 wurde sie vergeblich von den Österreichern unter Roggendorf belagert. 1540 u. 41 wiederholten die Österreicher die Belagerung; im letzteren Jahre entsetzte Solyman II. die Stadt. Nach wiederholten Belagerungen (1551, 1598, 1599 u. 1602) eroberten die Österreicher sie am 2. Septbr. 1686 unter Herzog Karl von Lothringen, s. Ungarn (Gesch.). 1715 begann der Neubau des Schlosses. 1780 wurde die Universität von Tyrnau hierher u. von hier 1784 nach Pesth verlegt. 1810 große Feuersbrunst. Während des Ungarischen Insurrectionskrieges wurde O. am 5. Jan. 1849 von Windischgrätz besetzt u. am 7. in Belagerungszustand erklärt; Anfang Mai von den Ungarn unter Görgey eingeschlossen, bald darauf bombardirt u. am 21. Mai erobert, wobei der österreichische Festungscommandant Hentzi schwer verwundet wurde u. starb.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.