Leinwand

Leinwand

Leinwand, 1) Gewebe von flächsenem od. hanfenem Garn, bei welchem Kette u. Einschlag sich einfach in rechten Winkeln durchkreuzen. Die Kette (Aufzug, Werft) ist der Faden, welcher der Länge nach geht, Schuß (Einschlag, Einschuß, Eintrag) der, welcher der Breite nach geht. Bei der Verfertigung der L. müssen die Kettenfäden vor dem eigentlichen Weben geschlichtet werden; man bestreicht sie deshalb, um sie glatter zu machen u. damit sie das Reiben zwischen den kammartigen Riedblättern des Weberstuhls, ohne auszufasern, ertragen[249] können, mittelst einer Bürste mit Mehlbrei. Dieser Mehlbrei (Vorschlichte) soll, indem er in die Fäden der Kette eindringt u. dieselben aufschwellt, sie markig, elastisch u. fähig machen, sich gleichförmig neben einander zu legen, die aufwärts stehenden seinen Fäserchen niederlegen u. überhaupt dem Gewebe selbst mehr Dichtigkeit u. Ansehen verschaffen. Später wendet man dazu Unschlitt, Schmeer u. Schweinefett (Nachschlichte) an. Um die Schlichte kein zu erhalten, wird entweder in dumpfen Kammern gearbeitet, od. der Boden mit Wasser begossen, od. Urin, Kochsalz od. eine Seetangart (Carragheen) der Schlichte zugesetzt. Ist das Gewebe auf dem Leinweberstuhl (s.u. Weberstuhl) fertig, so wird es gebleicht (s.u. Bleichen), dann appretirt (s.u. Appretur) u. mit Weizenstärke gestärkt, welcher man gewöhnlich, um stärkeren Glanz hervorzubringen, zerlassenes weißes Wachs, Talg od. ein wenig Gummi zusetzt. Oft wird die L. auch durch gereinigten Indig od. mit feiner Schmalte geblaut. Das Mangen geschieht mittelst des Calanders od. der Mange; wird die L. während desselben benetzt (doch geschieht dies nur bei gefärbten Sorten), so erhält man gewässerte (moirirte) L. Das Glätten od. Appretiren der Glanzleinwand, s.u. Glätten 3). Die L. ist entweder Handgespinnst (s.d.) od. Maschinengespinnst (s.d.). Die Güte der L. besteht in ihrer Feinheit, Dichtigkeit u. Gleichheit des Fadens. Letzter muß am Anfange, in der Mitte u. am Ende des Stückes von gleicher Güte u. Feinheit u. ohne Knoten sein; auch die neben einander laufenden Fäden müssen egal sein. Die letztere Eigenschaft erkennt man am leichtesten daran, ob die Salleiste ganz gerade od. mehr zackig ist. Den Schein der Dichtigkeit sucht man häufig dadurch hervorzubringen, daß man die L. stark mandelt, daher L. mit einem runden Faden mehr Werth hat, als mit einem breit gedrückten Faden. Ferner muß die L. gut gewebt, d. h. auf dem Webstuhle gleich u. fest geschlagen u. weder nach der Länge, noch nach der Breite ausgedehnt od. gezogen sein, was sich an der schiefen Richtung der Fäden verräth. Durch die Appretur, bes. durch das Streichen u. Glätten, wird mancher Fehler des Webens u. des Garnes versteckt. Zuweilen wird der L. eine künstliche Weiße durch Kalk, Kreide od. Bleiweiß gegeben; letzteres verräth sich durch die Bräunung od. Schwärzung der L. durch Befeuchtung mit Schwefelleberlösung, Kalk od. Kreide durch Aufschäumen, welches verdünnte Schwefel- od. Salzsäure, auf die L. gebracht, erzeugt. Eine sehr gewöhnliche Verfälschung der L. besteht darin, daß man zur Kette od. zum Einschlag baumwollenes Garn nimmt, wodurch sie seiner u. wohlfeiler wird, aber fast noch weniger hält, als ganz baumwollenes Zeug. Ein gewöhnliches Mittel, die Verfälschung der L. mit Baumwolle nachzuweisen, ist die Prüfung durch Schwefelsäure. Man taucht die von aller Appretur befreite L. einige Minuten in englisches Vitriol u. spült sie dann in Wasser. Die baumwollenen Fäden werden dadurch gelöst, während die leinenen unangegriffen bleiben. Das sicherste Erkenntnißmittel, ob L. mit Baumwolle gefälscht, ist das Mikroskop, indem man durch dasselbe die große Verschiedenheit der Lein- u. der Baumwollenfasern erkennt; die Flachsfasern sind lange, seine Fädchen, die Baumwollenfasern sehen wie breitgedrückte Schläuche aus u. sind beträchtlich breiter als die Flachsfasern. Da die L. sich leicht waschen läßt, so benutzt man sie vorzüglich zu Leibwäsche, Bettzeug etc. Die Aufbewahrung der L. geschieht, indem man sie zusammenrollt u. in Kisten an einen lustigen, trockenen Ort legt; durch langes Liegen verliert sie sehr an Haltbarkeit. Häufig wird die L. auch bedruckt (Leinwanddrucken); man hat gewöhnlich nur blau gedruckte L., blau u. weiß od. dunkelblau od. hellblau. Die weißen Muster werden, wie bei dem Kattundrucken, mit einer Druckform aufgedruckt, indem man die Form mit einem Kitt aus Pfeifenthon, Grünspan u. Terpentinöl bestreicht, der verhindert, daß die damit bedruckte Stelle beim Färben der L. Farbe annimmt. Soll die L. dunkelblau u. hellblau werden, so wird sie erst hellblau gefärbt, dann mit dem erwähnten Kitt gedruckt u. mit Blauholz dunkel gefärbt. Die gedruckte L. wird gewöhnlich gestärkt u. geglättet. Man gebraucht sie vorzüglich zu Schnupftüchern u. zu Kleidungsstücken für Frauenzimmer geringeren Standes. Bei gemeinen Leuten findet man auch schwarzgedruckte L., welche zu Hand- u. Tischtüchern u. zu Bettüberzügen benutzt u. ganz mit den Handgriffen der Kattundrucker gedruckt wird. In England machte man auch Versuche, L. mit Goldblättern zu bedrucken, wozu der Druck erst mit einer Art Firniß gemacht wird.

Ist die L. geköpert, so heißt sie nach der Stärke des Köpers Zwillich od. Drillich; sind künstliche Muster eingewebt, Damast. Die feinste L. nennt man Batist. Ist die L. ungebleicht, hat sie noch die natürliche Farbe des Garnes, woraus sie gewebt ist (daher grau, wenn sie aus Flachs, bräunlich od. gelblich, wenn sie aus Hanf gemacht ist), so heißt sie rohe L., davon ist die grobe gewöhnlich aus Garn von gesponnenem Werg gewebt, daher Wergleinwand, welche im Handel als Packleinwand vorkommt. Die Hausleinwand weben Landleute od. die Bewohner kleiner Städte aus selbst gesponnenem Garn zu eigenem Gebrauch selbst, od. lassen sie um Lohn weben u. auf besonderen Bleichen bleichen. Die zum Handel bestimmte L. heißt dagegen Kaufleinwand u. ist oft durch chemische Mittel gebleicht, daher diese zwar in der Regel weißer, aber auch weniger haltbar ist. Bei der Kaufleinwand wird gewöhnlich schon das Garn gebleicht (weißgärnige L.), welche ein feineres Ansehen bekommt. Die hanfene L. ist fester als die flächsene, aber theurer u. nicht so weich u. sein. Gemengte L. ist solche, bei welcher der Schluß von Hanf- u. die Werft von Flachsgarn od. umgekehrt genommen wird; Halbleinwand solche, bei welcher die Werft von Leinengarn u. der Schuß von Baumwollengarn ist, wie gewöhnlich bei den geringeren bunten Leinwandsorten. Endlich hat man außer der weißen L. auch buntgewebte, gewöhnlich roth u. blau gestreift od. gegattert, doch sind die rothen Streifen stets baumwollenes Garn, da nur blau, schwarz- u. lohbraun fest auf Leinengarn stehen. Die wichtigsten im Leinwandhandel vorkommenden Leinwandsorten sind: Alemanetis (Allemagnettes, in Italien Tele Gambari); Atlas-Drell, Baras, Bastancini, Batistleinwand, Bettleinwand, Bielefelder L., Blancards (Toiles blancards, Fleurets, Florettes), Bocadittos (ital. Boccadiglie, Platillas u. Jauersche L. [Jauersche Schocke]), Bockleinen (Buchleinen), Harlemer Leinen (Libretes), Bodenwerder L., Böhmische Schocke, Bonten, Vries-Bonten (mittelfeine Bonten), Brabantes (niederländische L., die bes. in[250] der Gegend von Gent, Brügge, Ypern u. Courtray verfertigt u. nach Frankreich, Spanien, Portugal u. Amerika versandt wird); Brabantina, Bremer L., Bretagnes, Brieger L., Brins, Britannias, Butzelleinwand, Calamink, Cambraetes, Cambrik (s. Cambrays), Cannamazos, Cannos, Caroline (Stöffelleinwand), Casserillos, Cavailhos (Cavalinen, ital. Tele cavaline), Cayenne, Checks, Cholets (Canevasleinwand), Claires (Clairines, klare Schleier), Corame (Lederleinwand), Coutils, Creas (Crees, Cres, Crues), Creguelas, Damast, Dowlas, Drillich, Druckleinwand (Druckschocke), Estalins, Estopittas, Federleinwand, Flämische L., Florleinwand, Franzleinwand, Friesische L., Fulda'sche L., Futterleinwand, Gantes, Gerlachs, Glanzleinwand, Grisettas, Hedeleinwand, Herforder L., Hollandas, Hollandillas, Kennting, Kittay, Klarlinnen, Klosterleinwand (aus Lauban in der Oberlausitz u. Nachahmung der Greifenberger L. in Schlesien), Lauentlinnen (Löwendlinnen), Linon, Listados (Listaos), Mährische L., Magnettes, Magrabines (Mauguerbines), Marigui, Matrosenleinwand (Matrosentücher), Osnabrücker (Osnabrugs), Packleinwand, Platillas, Ravenstuch (Ravensdoek), Rouennes, Sackleinwand, Sangales (Sangaletten) Schleierleinen (Schlier), Segeltuch (Segelleinwand), Silesias, Steifleinwand (Steifschetter), Zwillich. Vgl. J. M. Kirschbaum, Weber-, Bild- u. Musterbuch, Heilbr. 1793, 6. Aufl. ebd. 1840.

Die ältesten Nachrichten von der L. sind aus Ägypten, wo die Priester lange, bunte leinene Kleider trugen; von dort her kannten auch die Hebräer die L. auch bei ihnen trug der Hohepriester (s.d.) Kleider von Linnen. Aus Ägypten kam auch, aber erst unter den Kaisern, L. zu den Römern, u. es wurden auf Staatskosten Flachsspinnereien, namentlich in Ravenna u. Vienne angelegt, deren Aufseher Procuratores linificiorum hießen. Im Mittelalter bildete L. u. Wolle den vorzüglichsten Stoff zu Kleidern, u. ganze, bes. bergige Fabrikgegenden betrieben die Leinwandfabrikation. Vorzüglich legte sich Deutschland hierauf, u. von den deutschen Provinzen excellirten vorzüglich Schlesien, Westfalen (die Umgegend von Bielefeld), Thüringen, die Lausitz u. die Niederlande hierin. Auch die irische L. war vorzüglich. Den größten Stoß erlitt die Leinweberei, als im 16. u. 17. Jahrh. die Baumwolle in Europa bekannter wurde u. noch mehr, als zu Ende des 18. u. Anfang des 19. Jahrh. die baumwollenen Zeuge die leinenen immer mehr verdrängten. Doch erhielt der Umstand, daß in warmen Klimaten die L. unentbehrlich ist, die deutsche Leinwandfabrikation in Schwunge u. der Handel mit L. war nach Spanien, Portugal, Amerika etc. sehr bedeutend. In neuester Zeit aber verdrängt die irische L. die deutsche immer mehr von dem Markt in Amerika, da die Briten dieselbe wohlfeiler zu liefern vermögen, ja selbst nach Deutschland wird irische L. eingeführt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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