Gent [1]

Gent [1]

Gent (fr. Gand), 1) Bezirk mit 272,963 Ew. in der belgischen Provinz Ostflandern; 2) Hauptstadt desselben u. der Provinz, ehemalige Hauptstadt der Grafschaft Flandern, an der Schelde, welche hier mit der Lys, Lieve, Moore u.m.a. 26 Inseln bildet, auf denen die Stadt liegt; hat über zwei französische Meilen im Umfang (weshalb Karl V. sagte: er könne ganz Paris in seinen Handschuh Gant] thun), 309 Straßen u. 78 Brücken, welche die Stadttheile verbinden, Citadelle, breite Straßen, schöne Häuser, 28 öffentliche Plätze; G. hat Bischof, einen Appellationshof, ein Tribunal erster Instanz, zwei Friedensgerichte, Handelsgericht, Handelskammer; große u. prächtige Kathedrale zu St. Bavon, nebst. 37 Kirchen, darunter die zu St. Michael, St. Nikolas u. St. Jakobi; Beguinenhaus (eine kleine Stadt), viele Hospitäler, neues Zuchthaus vor der Stadt, Rathhaus, Belfried (Wachtthurm), Irrenanstalt, Börse, Universität (1816 gestiftet), sonst Jesuitercollegium, mit etwa 300 Studenten, königliches Gymnasium, höhere Bau- u. Gewerbeschule, Kunstakademie, Taubstummeninstitut, wissenschaftlichen Gesellschaften der schönen Künste, des Ackerbaues u. der Botanik, Bibliothek, Antikenmuseum, Botanischen Garten, große Fabriken in Baumwolle, Leinwand (weitläufige Bleichen innerhalb der Stadt), Spitzen (Dentelles d'Espagne), Wolle, Stärke u. Leder, Zucker, Seife, Papier, Gold u. Silberwaaren, Bierbrauereien, weltberühmte Blumenzucht, Handel, befördert durch den Kanal über Brügge nach Ostende u. durch den neuen über Sas van Gent nach der Westerschelde bei Fort Philippine führenden, so wie durch die von Mecheln über hier nach Ostende gehende Eisenbahn; 109,930 Ew. G. ist der Geburtsort Karls V.; die ausgedehnten Freiheiten u. Rechte der Stadt haben im Mittelalter zu fortwährenden Kämpfen mit den Fürsten u. blutigen Aufständen Anlaß gegeben, s. Artevelde u. Flandern. – G. kommt, nebst dem umliegenden Gau, schon im 7. Jahrh. vor. Gegen Ende des 9. Jahrh. baute Graf Balduin I. von Flandern hier eine Burg gegen die Normannen, die 949 vom Kaiser Otto dem Großen in Besitz genommen u. durch, von ihm eingesetzte Grafen verwaltet wurde, ums Jahr 1000 aber wieder an die Grafen von Flandern zurückfiel; der von diesem eingesetzte Burgvogt behauptete sich nebst seinen Nachkommen in derselben. Bald wuchs die Stadt durch Handel, wozu der 1228 gegrabene Kanal viel beitrug, ungemein, so daß G. zur Zeit Philipps von Valois u. Karls VI. 80,000 bewaffnete Bürger ins Feld stellen konnte. 1377 empörte sich G. gegen den Grafen Ludwig III. von Flandern, machte 1381 gegen die belagernden Flandrer einen Ausfall, schlug dieselben, nahm Brügge u. trieb Ludwig gänzlich aus dem Lande. Bald kehrte dieser jedoch mit einem französischen Heere wieder, allein auch gegen dieses rückten die Genter unter Philipp von Artevelde, sie wurden jedoch am 29. Nov. 1382 bei Gosebeck, wo Artevelde blieb, besiegt, empörten sich aber 1383 wieder u. hielten sich, von den Engländern unterstützt, so lange, bis es durch französische Vermittlung zum Waffenstillstand zwischen ihnen u. dem Grafen u. 1385 zum Frieden mit dem Herzog Karl dem Kühnen von Burgund, der unterdessen Flandern erhalten hatte, kam. Nach dem Tode Mariens, der Erbin Karls, 1482, empörten sich die Genter gegen deren Gemahl, Erzherzog Maximilian, welcher Vormund seines Sohnes Philipp war, erkannten aber 1485 seine vormundschaftliche Regierung an; als sie 1488 von Neuem einen Aufstand machten, wurden sie vom Papst in den Bann gethan, der Kaiser Friedrich IV. belagerte selbst G., dann für ihn der Herzog Albrecht von Sachsen, dem sich G. 1489 ergab. Eben so empörte sich G. 1539 zu Gunsten Frankreichs gegen Kaiser Karl V., welcher 1540 dreißig der edelsten Bürger hinrichten ließ, der Stadt 1,200,000 Gulden Contribution auflegte, ihr ihre Privilegien nahm u. eine Citadelle, um sie stets in Botmäßigkeit zu erhalten, in der Stadt anlegte. Hier 1576 die Genter Pacification, wo die Städte der katholischen Niederlande sich mit dem Prinzen von Oranien vereinigten u. alle Fremde aus ihrem Gebiet vertreiben u. die alten Freiheiten wieder verlangen wollten. G. wurde, als es sich dem Prinzen von Oranien ergeben hatte, 1584 von dem Herzog von Parma für Philipp II. von Spanien erobert u. die zerstörte Citadelle wieder er richtet. 1678 nahm es Ludwig XIV. ein, der es jedoch Spanien im Frieden von Nymwegen abtrat. 1706 eroberten es die Alliirten; 1708 nahmen es die Franzosen wieder, verloren es jedoch bald aufs Neue. Es kam nun 1713 durch den Frieden von Baden mit den ganzen Spanischen Niederlanden an Österreich. 1745 ergab es sich an die Franzosen. Auch 1793 u. 1795 fiel es wieder den Franzosen in die Hände u. wurde Hauptstadt des Departements Schelde; im Febr. 1814 wurde es von den Russen besetzt u. 26. März desselben Jahres von den Franzosen wieder erobert. Hier wurde am 24. Dec. 1814 der Friede zwischen Großbritannien u. Nordamerika unterzeichnet; 1814 im Frieden von Paris kam G. mit Belgien an die Niederlande; hierher flüchtete sich Ludwig XVIII. u. die französische Aristokratie 1815 während der Hundert Tage u. kehrte nach denselben von hier aus wieder nach Paris zurück; 1830 kam G. an Belgien u. war längere Zeit der Mittelpunkt der orangistischen Umtriebe im neugebildeten Reiche; am 1. Oct. 1839 hier ein Arbeiteraufstand.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • gent — (del fr. «gent», noble; ant.) adv. Gentilmente …   Enciclopedia Universal

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