- Baldŭin
Baldŭin, deutscher Name, bedeutet der Muthige, Kühne. I. Lateinische Kaiser. 1) B. I., geb. 1171 zu Valenciennes, Sohn des Grafen Balduin VIII. von Flandern, trat die Regierung von Flandern (s.d., Gesch.) als B. IX. u. von Hennegau als B. VI. 1195 an u. nahm 1200 an dem Kreuzzug nach Palästina Theil. Nachdem die Kreuzfahrer 1204 Constantinopel eingenommen hatten, ward B. von ihnen zum Kaiser des neuerrichteten [239] Lateinischen Kaiserthums gewählt (s. Byzantinisches Reich), später aber von den, Adrianopel belagernden Bulgaren unter Johannicus gefangen. Nach Ein. starb er in der Gefangenschaft, nach And. tödtete ihn Johannicus auf die falsche Anklage seiner Gattin, daß B. ihr Liebesanträge gemacht habe. Die über seinen Tod herrschende Ungewißheit benutzend, trat in Flandern ein falscher B. auf. 2) B. II., jüngster Sohn des Kaisers Peter II. u. der Jolante von Hennegau, geb. 1217, folgte 1228 unmündig seinem Bruder Robert als Lateinischer Kaiser, heirathete die Tochter des Königs Johann von Jerusalem u. regierte bis 1261, s. Byzantinisches Reich. Nach der Einnahme von Constantinopel durch den Kaiser von Nicäa flüchtete er nach Negroponte u. von da nach Neapel; er st. 1273. II. Könige von Jerusalem. 3) B. I., geb. 1058, Sohn des Grafen Eustachius von Boulogne u. der Ida von Lothringen, jüngster Bruder des Herzogs Gottfried v. Bouillon; war Anfangs zum geistlichen Stand bestimmt, nahm aber das Kreuz. Mit Tancred gegen Cilicien gesendet, entzweite er sich bald mit demselben, zog später nach Edessa, ward von dem dortigen Herrscher adoptirt, folgte diesem als Graf von Edessa u. wurde nach dem Tode Gottfrieds (1100) Schirmvogt des Heiligen Grabes u. Baron von Jerusalem, nahm aber bald den Titel als König von Jerusalem an u. regierte bis 1118; s.u. Jerusalem. Er hinterließ, obgleich dreimal verheirathet, keine Kinder. 4) B. II., Vetter des Vor., zog mit in das Gelobte Land u. wurde 1097 Graf von Edessa (s.d.), 1118 des Vor. Nachfolger als König von Jerusalem u. regierte bis 1131, s. Jerusalem (Gesch.). Er stiftete den Tempelherrenorden. Er hinterließ 4 Töchter, deren eine, Melisenda, an Fulco von Anjou verheirathet war, welcher ihm deshalb folgte. 5) B. III., Enkel des Vor., Sohn des Fulco von Anjou, geb. 1129, regierte 1143–62, s. Jerusalem. Er war von persönlicher Tapferkeit u. hielt die Sarazenen im Zaume; er war vermählt mit Theodora, Tochter des griechischen Kaisers Emanuel. 6) B. IV., der Aussätzige, Neffe des Vor., Sohn Amalrichs, geb. 1160, folgte 1173 seinem Vater u. st. 1185. 7) B. V., Neffe des Vor., Sohn Wilhelms von Montserrat u. Sibyllens, der Schwester B-s IV., wurde schon 1183 gekrönt, folgte 1185 seinem Oheim auf dem Throne u. st. 1186; s. Jerusalem. III. Grafen von Flandern. 8) B. I., Eisenarm, erster Graf von Flandern von 862–879, entführte Judith, Tochter Karls des Kahlen. Es galt in der Folge bei diesem Hause die Gewohnheit, daß der Vater seinem Lieblingssohn den Namen B. u. die Grafschaft ungetheilt hinterließ; s. Flandern (Gesch.). 9) B. II., der Kahle, Sohn des Vor., regierte 879–918, s. ebd. 10) B. III., der Jüngere, Sohn Arnulfs d. Gr., 958 Mitregent seines Vaters; st. aber noch vor demselben 961, s. ebd. 11) B. IV., der Bärtige, Enkel des Vor., Sohn Arnulfs II., regierte 989–1036, s. ebd. 12) B. V., von Lille od. der Gütige, Sohn des Vor., regierte 1036–1067, s. ebd. 13) B. VI., der Gute, Sohn des Vor., Graf von Flandern u. (als B. I.) von Hennegau, regierte 1067–1070, s. Flandern. 14) B. VII. mit der Axt od. der Strenge, Sohn Roberts II., Graf von Flandern, regierte 1111–1119, s. ebd. 15) B. VIII., der Herzhafte, Sohn Balduins IV. von Hennegau, seit 1170, eigentlich B. V. von Hennegau, heirathete Margarethe, Tochter des Grafen Dietrich von Flandern, welche ihrem Bruder Philipp in Flandern gefolgt war, wurde 1191 Graf von Flandern u. st. 1194, s. ebd. 16) B. IX., s. Balduin 1). IV. Grafen von Hennegau. 17) B. 1., so v.w. Balduin 13), erhielt die Grafschaft mit der Hand der regierenden Gräfin Richilde u. st. 1070 f. Hennegau (Gesch.). 18) B. II., genannt von Jerusalem, Sohn des Vor., regierte von 1070–1098; s. Hennegau (Gesch.). 19) B. III., Sohn des Vor., regierte von 1099–1120, s. ebd. 20) B. IV., der Baulustige, Sohn des Vor., folgte unter Vormundschaft seiner Mutter Jolante, regierte von 1120–1170, s. ebd. 21) B. V., s. Balduin 15). 22) B. VI., so v.w. B. 1). V. Erzbischöfe. 23) B., Sohn des Grafen Heinrich IV. von Luxemburg u. Bruder des Kaisers Heinrich VII., geb. 1285, wurde 1307 Erzbischof von Trier, auch 1320 zum Erzbischof von Mainz erwählt, aber in dieser Stelle vom Papst Johann XXII. nicht bestätigt, nach Johanns Tode 1328 wurde er jedoch abermals erwählt u. st. 1354; s. Mainz (Gesch.) u. Trier (Gesch.). 24) Thomas, geb. zu Exeter in Devonshire (daher Devonius), ward Cisterciensermönch, bald Abt im Kloster Forda, 1181 Bischof von Worcester, 1184 Erzbischof von Canterbury. Weil er Kirchenbesitzungen der Benedictiner zu Canonicaten verwendete, gerieth er mit ihnen in Streit, doch Richard I. vermittelte einen Vergleich. B. predigte das Kreuz, begleitete Richard 1190 auf dem Kreuzzuge u. starb bei der Belagerung von Ptolemais 1191. Er schrieb 16 Abhandlungen dogmatischen u. asketischen Inhalts, in Bertrand Tissiers Bibliotheca vett. patrum ord. cisterc., Bonosonte 1662. VI. Schriftsteller u. Gelehrte. 25) B. d'Avesnes, von seinem Geburtsorte so genannt, gab um 1289 eine lateinische u. französische Chronik heraus. 26) Franc., geb. 1520 zu Arras, wechselte dreimal den katholischen Glauben nach einander in Genf mit dem Calvinismus (daher Tritapostata genannt), war Lehrer in Bourges, dann in Straßburg, ward 1564 von dem Prinzen Wilhelm von Oranien nach Brüssel berufen, um einen Religionsvergleich zu Stande zu bringen, trat aber 1567 auf die Seite des Herzogs Alba; er ging dann nach Paris, wo er sehr besuchte Vorlesungen hielt, wurde 1569 Professor in Angers u. war 1573 wieder in Paris, wo er in demselben Jahre starb. Er schr.: Historia collationis Carthaginiensis, Par. 1556; Histoire des rois et princes de Pologne, ebd. 1573; gab den Minucius Felix, Heidelb. 1560, heraus. 27) Christian Adolf, geb. zu Döbeln 1632, starb als Schöffer zu Großenhain in Sachsen 1682; er schr.: Hermes curiosus, Lpz. 1667; Aurum aurae, ebd. 1673; Aurum superius et inferius aurae superioris et inferioris hermeticum, ebd. 1674; Phosphorus hermeticus, ebd. 1674; man hat von ihm auch Gedichte. Von ihm erfunden: Balduins Phosphor, der entsteht, wenn man Kalksalpeter in gesperrtem Gefäße, jedoch nicht allzustark, glüht; leuchtet schwach im Dunkeln.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.