Anjou

Anjou

Anjou (spr. Angschuh), 1) (Geogr.), sonst Provinz Frankreichs, an den Flüssen: Loire, Sarthe, Mayenne u.a.; zwischen Touraine, Poitou, Bretagne u. Maine, in 2 Grafschaften diesseit der Mayennne mit der Hauptstadt Angers u. jenseits der Mayenne, auch Mayenne od. Mark A. gen., mit der Hauptstadt Chateau-Neuf, getheilt. Bildet jetzt das Departement Maine-Loire u. Theile der Departements Maine u. Sarthe. 2) (Gesch.). Die Bewohner von A. waren im Alterthum die Andegavi, mit der Hauptstadt Juliomagus, die von Cäsar den Römern unterworfen waren u. nach einem Befreiungsversuche wieder von dem Legaten Fabius zum Gehorsam gebracht wurden. 464 n. Chr. kamen sie unter fränkische Herrschaft. 850 erhielt Robert der Starke vom König Karl dem Kahlen die Mark A. (s. oben) zur Vertheidigung gegen die Bretagner; dieser blieb 866 u. ihm folgte Eudo, sein Sohn, in diesem Theil; dieser wurde nachher Herzog von Francien (s.d.) u. endlich König von Frankreich (s.d. Gesch.). Die diesseitige Grafschaft erhielt Ingelger, Sohn Tertullus, Seneschalls von Gatinais, von Karl dem Kahlen, u. er wurde Ahn der Grafen von A.; er st. 888; sein Sohn u. Nachfolger Fulco I., der Rothe (st. 938), vereinigte ganz A.; ihm folgte sein 3. Sohn Fulco II., der Gute (st. 958); diesem Gottfried I. Grisegonnelle, sein ältester Sohn, der dem König Lothar 978 gegen Kaiser Otto II. zu Hülfe zog u. für sich u. seine Nachkommen die Würde des Seneschalls von Frankreich erhielt; st. 987. Fulco III., der Schwarze, auch Hierosolymitanus, von seinen Reisen nach Palästina, des Vor. Sohn, eroberte 1026 Saumur u. Tours, verlor aber letzteres wieder, war mit Eudo II., Grafen von Blois, wiederholt in Kampf u. st. 1040 auf dem Rückwege von Jerusalem zu Metz; Gottfried II. Martel, d.i. der Hammer, sein Sohn, schlug 1033 Wilhelm V., Herzog von Guyenne u. Graf von Poitou, bei Montcour u. nahm ihn gefangen; 1044 kam Theobald III., Graf von Champagne, in seine Gewalt u. überließ ihm für seine Freiheit Tours u. a. Städte; gegen Heinrich I. von Frankreich war er nicht glücklich u. st. 1060 in der Abtei St. Nicolaus zu Angers. Da er keine Söhne hatte, so folgten ihm die Söhne des Grafen Gottfried von Gatinais u. seiner Schwester Ermengarde, Gottfried III., der Bärtige u. Fulco IV. Recht bald störte Fulco das anfänglich gute Verhältniß, nahm 1068 seinen Bruder gefangen, kam aber wegen Bedrängung der Kirche in Bann. Seine 4. Gemahlin, die schöne Bertrada von Montfort, ward ihm von König Philipp I. 1093 entführt u. mit diesem vermählt. 1096 befreite Gottfried IV., sein Sohn, den gefangenen Oheim Gottfried, der bald darauf ohne Erben st. u. ihm seine Ansprüche auf A. hinterließ; allein 1106 fiel Gottfried IV., schon seit 1103 mit dem Vater in Krieg; Fulco IV. st. 1109 (er schr.: Historia comitum Andegavensium et Turonensium, zum Theil erhalten u. von de Marolles ins Franz. übers., Par. 1681). Fulco V., Sohn Fulco's IV. u. Bertradas, war schon seit seines Cousins Tod 1106 von Pyilipp I. mit A. belehnt; er erbte durch seine 1. Gemahlin, Eremberga von Mans, die Grafschaft Mans u. gerieth deshalb mit Heinrich I. von England 1113 über die Lehnspflicht in Streit, welcher zu seinem Nachtheil endete. Er ward 1118 als Seneschall von Frankreich bestätigt u. zog 1129 auf Balduins II. Aufforderung nach Palästina, heirathete dessen älteste Tochter Melisenda (Melusina) u. ward 1131 König von Jerusalem. (Das Haus Anjou auf dem Throne von Jerusalem, s.d. [Gesch.]). Er st. 1142; Balduin III. u. dann Almerich I., seine Söhne von Melisenda, folgten ihm in Jerusalem; Gottfried V., der Schöne od. Plantagenet, sein 3. Sohn, geb. 1113, erhielt dagegen A. schon 1129 u. vermählte sich mit Mathilde, Tochter des Königs Heinrich I. von England. Als Heinrich 1135 st., folgte Stephan von Blois auf dem englischen [516] Thron, der eigentlich, zufolge Testaments des Königs, der Gemahlin Gottfrieds, Mathilde, gehörte, u. behauptete sich, s. England (Gesch.). Gottfried setzte sich indeß in der Normandie immer mehr fest, eroberte 1143 die Hauptstadt Rouen u. nahm den Titel Herzog der Normandie an; 1149 trat er sie aber an seinen Sohn Heinrich, nachherigen König von England, ab u. st. 1150. Gottfried VI., der 2. Sohn des Vor., geb. 1134, folgte ihm in A., während Heinrich, der ältere, die Ansprüche auf England erhielt. Nach langen Kämpfen traf er mit Stephan von Blois ein Abkommen, daß Stephan die Krone Englands bis zu seinem Tode behalten u. Heinrich dann dieselbe bekommen sollte, was 1154 wirklich geschah. (Das Haus A. auf dem Throne von England bis 1485, s. England [Gesch.].) Gottfried nahm 1156 Nantes ein u. st. 1158 ohne Erben, ihm folgte Wilhelm, der 3. Sohn Gottfrieds V., dieser st. 1164 zu Rouen u. nun ward A. als Eigenthum der Könige von England von diesen beherrscht, kam aber schon 1204 unter Johann ohne Land mit der Normandie, den Grafschaften Maine, Touraine u. einem Theil von Poitou, durch Philipp August mit den Waffen in Besitz genommen, an Frankreich u. ward als Lehn des Königs von ihm willkührlich vergeben. Zuerst erhielt es Johann, Sohn von Ludwig VIII., u. als derselbe zeitig st., dessen Bruder Karl 1246 zugleich mit der Grafschaft Maine. Er wurde 1268 als Karl I. König von Neapel (das Haus A. auf dem Thron von Neapel, s.d. [Gesch.]) u. A. wurde ein Nebenbesitz von Neapel. Karl I. st. 1284, u. ihm folgte Karl II. auch in A. u. Maine. Sein Enkel Karobert wurde 1301 zum König von Ungarn gewählt. (Das Haus A. auf dem Thron von Ungarn, s.d. [Gesch.].) Mit A. belehnte Karl II. seinen Eidam, Karl von Valois, 2. Sohn Philipps IV. von Frankreich, Gemahl seiner Tochter Margarethe, u. nun erhob König Philipp A. 1297 zur Pairie. Sein Sohn Philipp V., Graf von A., ward als Philipp IV. 1320 König von Frankreich, u. A. kam sonach wieder an die Krone Frankreich. König Johann erhob A. zum Herzogthum u. gab es nebst Maine seinem 2. Sohn Ludwig, der als Ludwig I. 1380 König von Neapel wurde. (Das Haus A. zum zweiten Mal auf dem Thron von Neapel.) Dessen Sohn, Ludwig II. u. dessen Enkel, Ludwig III., Könige von Neapel, besaßen es, u. mit dem Tode des Letzteren, fiel der Titel A. u. Neapel an René II., seinen jüngeren Bruder, u. als dieser unbeerbt 1480 st., vermachte er A. seinem Neffen, dem Grafen Karl II. von Maine; indeß König Ludwig XI. zog A., da Apanagegüter nicht außer der Linie vererbt werden können, wieder zur Krone Frankreich. Von nun an wurde Herzog von Anjou bloser Titel, welchen meist die zweitgebornen Söhne der Könige führten, so führte Heinrich III. vor seiner Thronbesteigung denselben als der 2. Sohn Franz I. u. übertrug ihn 1576 auf Franz von Alençon, seinen Bruder, als er mit demselben Frieden schloß; dieser st. 1584. Nun erhielt dessen Titel erst Philipp von A., 2. Sohn des Dauphins, Bruder Ludwigs XV., wieder, der 1701 als Philipp II. König von Spanien ward. Seitdem ist dieser Titel nicht wieder vergeben worden.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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