- Kindbett
Kindbett (Puerperium), Zeitraum nach der Geburt, in welchem die Natur die durch die Schwangerschaft bewirkten Veränderungen in den Geschechtstheilen wieder ausgleicht, die Gebärmutter wieder aus ihren früheren Umfang zurückführt, auch die durch Trennung der Nachgeburt in ihr entstandene Verwundung heilt u. das Milchgeschäft einleitet Sowohl die vorausgegangene Geburt, als die genannten Vorgange versetzen die Entbundene od. Kindbetterin in einen Zustand, der zwar ein natürlicher ist, aber lehr leicht durch Krankheiten gestört werden kann, in Folge schwerer Geburten, vorausgegangene Krankheiten od. krankhafter Dispositionen, von üblem Verhalten, Störung der jetzt eingeleiteten Lebensprocesse u. mancherlei schädlicher Einflüsse. Es bedarf daher auch die Entbundene nach der Entbindung der strengsten körperlichen, geistigen u. gemüthlichen Ruhe, auf einem nicht zu warmen Lager, in einem mäßig erwärmten u. nicht übertrieben verdunkelten Zimmer, unter mäßiger Beförderung des Schweißes, wem: dieser schwierig erfolgt, durch leichten Thee von Lindenblüthen, Chamillen, sorgfältiger Vermeidung der Erkältung beim Wechseln der Wäschen, des Bettes, strenger, vorzüglich Anfangs karger Diät. Außerdem soll die Wöchnerin bis zum neunten Tage das Bett hüten. Die Haupterscheinungen des Wochenbettes sind: a) die durch die Verletzung der Gebärmutter bei Trennung der Nachgeburt u. die Nachwehen bewirkten Lochien od. die Kindbettreinigung ein 3–4 Tage lang blutiger, dann 4–6 Tage blutwässeriger, endlich noch 14 Tage, bei Nichtstillenden längere Zeit, schleimiger Abgang aus den Geburtstheilen, dessen Dauer sich manchmal auch verlängert, selten aber 6 Wochen überschreitet, daher man auch wohl diese ganze Zeit zum K. rechnet u. überhaupt diese Zeit als Wochen od. Sechswochen, die Kindbetterin aber auch in gleichem Bezug als Wöchnerin od. Sechswöchnerin bezeichnet. Oft erreicht derselbe auch, best beim Selbststillen, in den ersten 3–4 Tagen schon sein völliges Ende. b) Eine erhöhtere Hautthätigkeit als verstärkte Ausdünstung od. mäßiger Schweiß (Wochenschweiß) bes. gut abzuwarten u. nicht zu übertreiben, dauert gewöhnlich unter allmäliger Verminderung bis zum neunten Tag; doch bleibt die Haut oft noch bis zur sechsten Woche gegen Erkältung empfindlich, c) Die Milchabsonderung[488] in den Brüsten, schon in der letzten Schwangerschaftsperiode u. sehr bald nach der Geburt verbreitet, in den ersten 24 Stunden molkenähnlich (Colostrum, s.d.) u. erst den zweiten od. dritten Tag gehörig in Gang kommend, meist unter einiger Anspannung u. Empfindungen in den Brüsten, auch wohl mit fieberhaften Bewegungen (Milchfieber), das jedoch nicht wesentlich ist. In Folge von schweren Geburten, dabei erlittenen starken Blutverlusten, vorausgegangenen Krankheiten u. krankhaften Dispositionen, Störung der dem Wochenbette eigenthümlichen Lebensvorgänge, Erkältung etc., nimmt nicht nur dieses Fieber leicht einen ältern Charakter an, sondern es entstehen auch andere Fieber sehr verschiedenartigen Charakters, die man im Allgemeinen unter dem Namen Wochenfieber begreift. Als Kindbettfieber (Puerperalfieber, Feoris puerperalis), im engeren Sinne versteht man ein bei Wöchnerinnen epidemisch u. endemisch, selten sporadisch auftretende acute, in den meisten Fällen tödtliche Krankheit, welche durch eine Blutentartung (Puerperaldyskrasie) bedingt od. wenigstens von ihr begleitet wird, die mit der Eitervergiftung des Blutes Ähnlichkeit hat. Das Kindbettfieber verläuft mit od. ohne örtliche (meist entzündliche) Erscheinungen, mit u. ohne Störung der Kindbettreinigung u. der Milchabsonderung zumeist mit typhusähnlichen Symptomen u. Frostanfällen. Die das Kindbettfieber begleitenden Entzündungen zeigen sich gewöhnlich im Bauchfelle u. der Gebärmutter. Gewöhnlich läßt sich der miasmatische Ursprung der Krankheit nachweisen, u. oft erkranken Wöchnerinnen schon während des Kreisens, od. man muß annehmen, daß an den Wandflächen der Gebärmutter das Blut vergiftende Stoffe (Eiter, Jauche) aufgenommen werden, was zumal nach schweren od. künstlich gemachten Entbindungen geschehen kann. Jedoch auch nach Erkältungen, Gemüthsbewegungen, Diätfehlern u. Blutflüssen kann das Kindbettfieber entstehen. Die gefährlichsten Kindbettfieber sind die der ersten sieben Tage nach der Entbindung, u. deren Verlauf ist sehr rasch. Die Symptome sind verschieden, je nachdem Entzündungen des Bauchfelles (puerperale Peritonitis) od. der Schleimhautauskleidung der Gebärmutter (puerperale Endometritis) mit Geschwürbildung (Puerperalgeschwüre) od. Erscheinungen einer Eitervergiftung des Blutes (pyämisches Kindbettfieber) mit Entzündung u. Anschwellung der Venen u. Sauggesäße (puerperale Phlebitis u. Lymphangioitis) od. gleichzeitig mehrere dieser Erscheinungen eintreten. Nach dem das Kindbettfieber einleitenden Froste stellen sich bei gleichzeitiger Entzündung Schmerzen ein u. treten die sogenannten nervösen Symptome auf, zuweilen bis zur Manie gesteigert. Alsbald gibt sich im Gesicht eine auffallende Veränderung, ein Verfallen (Puerperalphysiognomie) kund. Die Haut färbt sich bisweilen gelblich u. es zeigen sich dunkelbraune od. scharlachrothe Flecken (Puerperalscharlach) u. Frieselbläschen. Dieses Kindbettfriesel ist das einzige gefährliche Friesel, keineswegs aber das die meisten Wöchnerinnen befallendes Friesel, welches lediglich durch das allzu warme Verhalten u. Forcirung des Schweißes mittelst Theeaufgüssen gewaltsam hervorgerufen wird. Sämmtliche beim Kindbettfriesel eingeschlagenen Behandlungsweisen sind unzuverlässig u. zum Theil erfolglos. Vgl. Siebold, Darstellung des Kindbettfiebers, Frkf. 1826; Tonnelle, Des fiévres puerp., Par. 1830; Hüter, Die Lehre von den Wöchnerinnenfieber, Marb. 1832; Eisemann, Das Kindbettfieber, Erl. 1834; Helm, Die Puerperalkrankheiten, Zürich 1840; Fleguson, Das Kindbettfieber, aus dem Französischen von Kolb, Stuttg. 1840; Litzmann, Das Kindbettfieber, Halle 1844; Sinogowitz, Das Kindbettfieber, Berl. 1845; Hersent, Rech. sur la compos. du sang dans les fiévres puerp., Par. 1845.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.