Torgau

Torgau

Torgau, 1) Kreis des Regierungsbezirks Merseburgin der preußischen Provinz Sachsen, 17,66 QM. mit 56,100 Ew.; 2) Kreisstadt am linken Ufer der Elbe mit Brücke darüber; Festung zweiten Ranges, erst 1810 gebaut, welche von einem Bache fast ganz umgeben ist u. deren Werke aus sechs ganzen u. zwei halben Bastions bestehen. Ziemlich vor der Mitte, in einiger Entfernung von dem Glacis, erhebt sich das Fort Zinnna (nach einem nahen Dorfe benannt), aus vier Bastions mit zwei Ravelins bestehend; es krönt die dortige, die Stadt bedrohende Höhe. Zwischen diesen u. der Stadt liegt das Communicationsfort Mehla, aus einem dreispitzigen tenaitlirten Werk bestehend. Jenseit der Elbe liegt ein großer gemauerter Brückenkopf, ein doppeltes Hornwerk. T. ist der Sitz der Kreisbehörden, einer Commandantur, eines Superintendenten, Steuer- u. Postamtes, Landwirthschaftlichen Vereines, Vereines zur Beförderung der Pferdezucht, hat das alte 1481 erbaute Schloß Hartenfels, seit 1771 Zucht- u. Arbeitshaus, womit 1780 eine Irrenanstalt verbunden wurde (welche Anstalten 1812 nach Lichtenburg verlegt wurden), seit der preußischen Besitznahme zu militärischen Zwecken benutzt; Gymnasium, Realschule, Armen- u. Waisenhaus, Militärlazareth, Freimaurerloge: Friedrich Wilhelm zum eisernen Kreuz, Woll- u. Leinweberei, Strumpfwirkerei, Band- u. Tuchmanufactur, Färberei, Handel mit Holz, Getreide, Garn, Gemüse- u. Hopfenbau, Schifffahrt; 9750 Ew. (davon 2540 Militär). Hier 3. Novbr. 1760 Schlacht zwischen Preußen u. Österreichern. In der Nähe sind mehre fischreiche Teiche u. Gestüte u.a. das königliche Hauptgestüt Graditz. – Grundlos ist die Annahme, daß T. das Argelia des Ptolemäos sei; zur Zeit des Kaisers Heinrich I. war es Hauptort einer Herr- od. Grafschaft u. befand sich seit Ende des 13. Jahrh. abwechselnd in den Händen der Grafen von T. u. der Markgrafen von Meißen, bis es 1305 Dietzmann eroberte u. behielt. Bis 1547 war T. abwechselnd Residenz der Kurfürsten von Sachsen; 1526 wurde hier das Torgauer Bündniß zwischen Sachsen u. Hessen gegen die katholischen Reichsstände geschlossen. Hier schrieben Luther u. seine Freunde 1530 die Torgauer Artikel, die Grundlage der Augsburgischen Confession (s.d.); das Torgauische Buch, gegen den Kryptocalvinismus gerichtet, wurde hier 1576 von mehr als 800 Geistlichen unterschrieben u. bekannt gemacht u. diente später der Concordienformel (s.d.) zur Grundlage. Am Palmsonntag 1542 zogen auf Geheiß des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmüthigen die Bürger gegen Wurzen, welche Stadt die Steuern verweigert hatte, u. eroberten die Stadt. Zur Erinnerung daran machten die Torgauer alljährlich an diesem Tage einen gewaffneten Auszug aus der Stadt (Torgauer Auszug), wobei sie ein Lager bezogen u. kriegerische Übungen veranstalteten; späterhin wurde dieser Auszug auf den Donnerstag nach Pfingsten verlegt u. mit dem Vogelschießen verbunden. Wegen der Pest wurde 1552 die Universität von Wittenberg hierher verlegt. Hier residirte von 1566 der Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar u. führte von da aus die Administration von Sachsen. Im Dreißigjährigen Kriege litt T. bes. durch Baner bedeutend, so daß es 1640 fast wüst lag, u. wurde 1643 durch den schwedischen General Königsmark gestürmt, jedoch bald wieder geräumt. 1690 wurde von hier aus die Verordnung wegen des Leipziger Münzfußes erlassen, welcher auch deshalb der Torgauer Münzfuß heißt (s.u. Münzfuß d). Am 12. u. 13. August 1759 versuchten die Österreicher unter Stolberg u. Kleefeld die von den Preußen unter Obrist Wolffersdorff vertheidigte Stadt zu. stürmen, wurden aber zurückgeschlagen, worauf die preußische Garnison wegen Mangels an Vertheidigungsmitteln am 15. August capitulirte. Am 3. November 1760 Sieg der Preußen über die Österreicher bei dem nahen Süblitz, s. Siebenjähriger Krieg S. 47. 1810 wurde T. auf Veranlassung Napoleons zur Festung u. zum Hauptwaffenplatz des Königreichs Sachsen gemacht, allein beim Ausbruch des Krieges 1813 war die Festung noch nicht ganz fertig, doch im Stande sich gegen einen Sturm u. ersten Anlauf zu wehren. Der commandirende General Thielmann erhielt vom König von Sachsen den Befehl die Festung nur mit Bewilligung des Kaisers von Österreich zu öffnen. Als aber nach dem Wiedervordringen der Franzosen bis an die Elbe Thielmann den Platz an die Franzosen überliefern sollte, gab er den Oberbefehl ab, u. T. erhielt französische Besatzung. Nach der Schlacht von [694] Leipzig wurde T. erst von Sachsen, dann von Preußen unter Tauenzien eingeschlossen u. capitulirte, nachdem der französische Commandant Narbonne gestorben war, am 26. Dec. 1813; am 10. Jan. 1814 wurde der Platz übergeben, s.u. Russisch-Deutscher Krieg S. 590. Die Festungswerke wurden nun von den Preußen vollendet. Vgl. Fr. Jos. Grulich, Denkwürdigkeiten der Stadt T. aus der Zeit der Reformation, Torgau 1833, 2. A. von Bürger, 1855; von Wolffersdorff, T. u. Wolffersdorff, ebd. 1859


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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