Krüdener

Krüdener

Krüdener, 1) Burchard Alexius Constantius Freiherr von K., geb. 1744 in Livland; war Gesandter in Kurland, Venedig u. Kopenhagen u. starb als russischer kaiserlicher Geheimerath, Botschafter am preußischen u. sächsischen Hofe 1802 in Berlin. 2) Barbara Juliane von K., geb. von Vietinghoff; geb. 21. Nov. 1764 in Riga, wurde in Paris erzogen u. 18 Jahr alt gegen ihre Neigung an den Vorigen verheirathet; sie lebte mit demselben in Wien u. Warschau, dann seit 1786 in Venedig, an welchen letztern Orten er russischer Gesandter war; 1789 ging sie nach Südfrankreich, um ihre Gesundheit herzustellen, u. lernte in Montpellier einen Husarenoffizier, Grafen Frégeville, kennen, welcher ihr Begleiter wurde; seit 1792 lebte sie, getrennt von ihrem Gatten, in Riga bei ihrer Mutter, dann in Berlin, Leipzig u. Süddeutschland u. seit 1794 wieder in Riga; darauf ging sie[851] in die Schweiz, wo sie des Weltlebens überdrüssig u. von Lausanne durch das Nahen des Kriegs vertrieben wurde. Ausgesöhnt mit ihrem Gatten ging sie 1800 mit demselben nach Berlin. Nach dem Tode desselben, 1802, zog sie nach Paris, wo zuerst ihr Roman Valérie ou Lettres de Gustave de Linar à Erneste de G. (Par. 1804, 2 Bde., deutsch, Lpz. 1804 u. von Müller, Hamb. 1804) erschien, in welchem sie ihr ausschweifendes Leben beschrieb u. sich schon ihre Schwärmerei deutlich aussprach, während sie auch im Leben sich immer mehr dem Pietismus hingab. 1806 lebte sie in Berlin u. suchte, wiewohl vergebens, auf die Königin Luise Einfluß zu gewinnen; desto mehr gelang es ihr bei Andern. In Karlsruhe schloß sie sich 1808 an Jung Stilling an u. kaufte sich das Gut Bönnighausen im Württembergischen, wo die Beherbergung der Prophetin Kumrin u. des schwärmerischen Pfarrers Fantaine ihr die Landesverweisung zuzog. Nun zog sie, in den Quietismus der Guyon eingeweiht, als Reisepredigerin in Baden, Elsaß u. Schweiz umher u. nahm den Pastor Empeytaz in ihr Geleit auf, mit welchem sie Gebetsvereine gründete u. zur Buße ermahnte. Als Kaiser Alexander Ende 1813 sich nach der Schlacht von Leipzig an den Rhein begab, befand sie sich zu Heilbronn; der Kaiser, eben damals trübe gestimmt, wurde durch einen Brief auf sie aufmerksam gemacht. Ihm nach Paris folgend hatte sie ihn zum Zuhörer in ihren häuslichen Bet- u. Bibelstunden u. täuschte ihn durch Prophezeihungen, ja selbst durch Geistererscheinungen u. soll den ersten Anlaß zur Heiligen Allianz gegeben haben. Endlich wurde sie von ihm als Betrügerin erkannt. 1815 ging sie nach Basel, wo sie mit Spittler die Basler Tractatengesellschaft gründete. Von Ort zu Ort verwiesen, indem sie durch ihr schwärmerisches Beginnen mit den bürgerlichen Behörden in Collision kam, durchzog sie nun die Schweiz. Ihre Begleitung mehrte sich durch den Professor Lachenal von Basel u. den Braunschweiger Kellner, welcher Letzter ihr Geschäftsführer war. 1816 sammelten sich um ihren Aufenthaltsort auf dem Grenzacher Horn unweit Basel, an der Grenze von Baden, eine solche Menge Armer u. Elender, bes. aber Landstreicher, daß 1817 diese Leute durch Militär nach Lörrach abgeführt werden mußten; vergebens legte sie Protest ein, gab auch einen Aufruf an die Armen u. eine Armenzeitung heraus (wovon jedoch nur ein Blatt erschien, 5. Mai 1817) u. verließ Baden. Nirgends geduldet, wurde sie endlich über Leipzig u. Königsberg auf russisches Gebiet gebracht, wo ihr Anfangs auch die Rückkehr nach Moskau u. Petersburg untersagt war. Man trennte Kellner u. noch 9 Personen von ihr; schon in Baden war dies mit Empeytaz u. Lachenal geschehen. Sie wandte sich nun erst nach Mitau, lebte später kurze Zeit in Petersburg, wo sie sich lebhaft für die Griechen interessirte, u. ging von Livland aus 1824 mit ihrer Tochter u. deren Mann, dem Staatsrath Berkheim, u. einer Anzahl schweizerisch-deutscher Colonisten in die Krim, wo sie den 25. Decbr. desselben Jahres in Karasubazar starb. Vgl. Brescius u. Seiler, Beiträge zu einer Charakteristik der Frau von K., Berl. 1818; Eynard, Vie de Madame de K., Par. 1849, 2 Bde. 3) Paul Freiherr v. K., geb. 1783, war seit 1815 russischer Gesandter bei der Eidgenossenschaft, zog sich beim Ausbruch des Sonderbundskriegs nach Frankfurt a. M. zurück, ging erst 1855 nach dem Regierungsantritt des Kaisers Alexander II. wieder nach Bern u. st. daselbst den 10. Febr. 1858. 4) Alexander Freiherr von K., geb. 1784 in Livland, war früher bei der russischen Gesandtschaft in München attachirt, wurde aber 1830 nach Petersburg berufen, um im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten zu arbeiten; 1840 wurde er zum wirklichen Staatsrath u. 1844 zum außerordentlichen Gesandten u. bevollmächtigten Minister Rußlands am schwedischen Hofe ernannt u. starb als solcher 1852 in Stockholm.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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