Eis

Eis

Eis, durch Kälte in festen Zustand gebrachtes Wasser. Dies geschieht in der Regel bei einem durch das Thermometer meßbaren Grad der Temperatur der Luft od. der Umgebung (Eispunkt), von dem daher auch die Scale des Réaumurschen u. Celsiusschen Thermometers anhebt, so daß die Grade aufwärts u. abwärts als Grade + u. – gezählt werden. Unter Umständen aber bleibt (in luftdicht verschlossenen Gefäßen u. bei völliger Ruhe, od. auch bei Entleerung des Wassers von Luft) auch bei stärkeren Kältegraden (bis –5, ja wohl[562] –7 bis – 11°), reines Wasser noch flussig; wird es aber dann erschüttert u. bewegt, so gefriert es, unter. Abnahme der Kälte bis zum Nullgrade. Wasser, worin Salze aufgelöst werden (bes. Salmiak,) Salpeter u. Kochsalz), wird auch erst bei höhern Kältegraden zu E., ungeachtet dadurch selbst im Wasser eine künstliche Kälte erzeugt wird, welche durch Mittheilung Gefrieren vom Wasser bewirkt; E. selbst aber, mit Salzen vermischt, schmilzt bereits bei einigen Graden unter Null; eben so friert Wasser mit Säuren od. mit Weingeist (wie Wein) vermischt, auch erst bei höhern Kältegraden, u. das Gefrieren wird dann ein Mittel, jene Flüssigkeiten zu scheiden od. wenigstens stärker zu erhalten. Aus gleichem Grunde wird, auch erst bei mehrern Graden unter dem Eispunkt, gefrierendes Seewasser, nach Schmelzung des E-s, süß. Künstliches E. bereitet man nicht nur durch Mischung von Wasser u. Salzen, sondern auch durch schnelles Verdunsten gewisser Flüssigkeiten, die dabei soviel Wärme binden, daß in der Umgebung befindliches Wasser gefriert. So hat man neuerdings in Amerika Apparate zur Eisfabrikation im Großen hergestellt. Eine viereckige Cisterne mit doppelten Wänden, deren Zwischenräume durch Holzkohlenpulver ausgefüllt sind, enthält 72 eiserne Gefäße, jedes für 30 Pfund Wasser. Sie sind mit Röhren umgeben, welche zu einer Luftpumpe führen, die durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt wird. Läßt man nachher einen Strom von Schwefeläther durch die Röhren passiren, so bewirkt dessen schnelle Verdunstung alsbald ein Gefrieren des Wassers. Der Versuch im Kleinen rührt von Leslie her, welcher unter der Glockeder Luftpumpe Wasser durch seine eigne Verdunstungskälte zum Gefrierenbrachte, wenn er ein Gefäß mit Schwefelsäure danebenstellte, welches die Wasserdämpfe begierig absorbirt, u. in Wollastons Kryophor gefriert das Wasser gleichfalls durch eigne Verdampfung. In starker Bewegung befindliches Wasser, z.B. fließendes, gefriert immer auch etwas später als ruhig bleibendes; daher auch das Zufrieren der Ströme vom Ufer aus anhebt; bei ruhigem Gefrieren in mäßiger Kälte bildet sich zuerst auf der die Luft berührenden Oberfläche ein sehr dünnes Eisblättchen; dann entstehen Eisfäden, od. nadelförmige Eiskrystalle, die von den Wänden des Gefäßes aus, mit diesem spitzige u. stumpfe Winkel (selten rechte) bilden; durch Vervielfältigung dieser Fäden bilden sich mehrere Eisblätter, die zuletzt in eine feste Masse zusammentreten. Während der Eisbildung entbindet sich Luft in Menge, in kleinen, zum Theil auch zu größern sich vereinigenden Blasen; diese werden bei schneller Eisbildung auch wohl in das E. eingeschlossen; durch ihre Ansammlung u. Vermehrung wird dann auch wohl die Oberfläche (Eisrinde) gesprengt; überhaupt wird auch davon eine große Eisfläche nach der Mitte zu gewölbter. Die Eisbildung kommt dadurch zu Stande, daß die das Wasser in seinem tropfbaren Zustande erhaltende, latente Wärme (die 79° C. beträgt), frei wird. Beim Aufthauen dagegen wird diese Wärmemenge gebunden; daher gebt auch das Schmelzen des E-es während des Thauwetters verhältnißmäßig so langsam vor sich, weil nur immer eine gewisse Menge von E. auf einmal die zu dessen Verflüssigung erforderliche Wärme der äußern Luft entziehen kann, u. weil das E. überhaupt die Wärme ziemlich schlecht leitet. Das E. bildet sich gewöhnlich auf der Oberfläche, doch ausnahmsweise unter gewissen, nicht näher bekannten Umständen, auch auf dem Boden der Gewässer, u. dieses letztere heißt Grundeis. Langsam entstehendes E. bleibt, wenn das Wasser rein war, auf eine geringe Tiefe durchsichtig; wegen der entstehenden Blasen u. Risse in der Eissubstanz wird es aber in dicken Stücken immer undurchsichtig, weniger jedoch, wenn man das Wasser vorher dnrch Kochen, od. durch die Luftpumpe, vom größten Theil der Luft in ihm befreit. Auch ist dichtes E. im Innern durchsichtiger, als auf der Oberfläche, u. zugleich glänzender. Wenn Wasser dem Gefrieren nahe kommt, bes. aber im Momente des Gefrierens selbst, nimmt sein Volumen beträchtlich zu; es dehnt sich dabei mit einer Kraft aus, welche vermögend ist, die dichtesten Gefäße, in welchen eingeschlossenes Wasser gefriert, z.B. Bomben, zu zersprengen. Wegen Vermehrung des Volumens ist E. specifisch leichter, als das Wasser, in dem Mittelverhältniß von 8 zu 9, wiewohl nach Umständen abweichend (für das festeste E. nur etwa in dem Verhältniß von 14 zu 15); ja das schon gebildete E. nimmt auch wohl noch etwas an Volumen zu. Seine Festigkeit hängt ab: von der Reinheit des Wassers, aus dem es sich bildete, daher E. von Wasser mit andern Stoffen verbunden immer blättrig u. brüchig ist; ferner von der wenigen Luft, die es noch in sich hat. In den Polarländern ist es so dicht, daß es kaum mit dem Hammer zerschlager werden kann. Im J. 1740 wurde in Petersburg aus Quaderstücken von E. ein 20 Fuß hohes Haus (Eispalast) erbaut; aus demselben E. gebohrte Kanonen (Eiskanonen), von der Größe eines Sechspsünders, wurden mit 1/4 Pfund Pulver geladen, u. eine daraus geschossene eiserne Kugel durchbohrte ein 2 Zoll dickes Bret in der Entfernung von 60 Schritten. Von Wasser unterstützt trägt eine mäßig starke Eisfläche ansehnliche Lasten. Über E. von 11 Zoll Dicke kann man mit Frachtwagen fahren; doch darf es keine Risse noch Spalten haben, überhaupt nicht in Einzelstücke (Eisschollen) getrennt sein. E. nimmt jeden hohen Kältegrad an, doch nicht immer in Übereinstimmung mit der Zunahme der Kälte der Atmosphäre. Die Lichtstrahlen werden von E. nur in etwas weniger als von Wasser gebrochen; vgl. Brenneis unt. Brennglas. Das E. ist ein Nichtleiter der Elektricität u. verhält sich dem Glaseähnlich, so daß man mit Eiscylindern beim Umdrehen Funken erhalten kann. Wietropsbares Wasser, so verdunstet auch E. bei jeder Temperatur. Daher verlieren Eiszacken, durch an einem Eisstücke herabfließendes selbst gefrierendes Wasser gebildet, an kalter Luft ihre Spitzen, u. gefrorne Wäsche u. gefrornes, nasses Papier trocknen an der kalten Luft, ohne vorheriges Aufthauen. Dieses selbst aber erfolgt weit langsamer als die Eisbildung, eigentlich immer in einer jeden Temperatur über 0°; doch erhält sich oft E., bes. in großen Massen, bei einigen Graden über 0° noch längere Zeit. In Berührung mit dichtern Körpern höherer Temperatur schmilzt das E. leichter als an der Luft, selbst in höhern Wärmegraden; so wird beim Aufthauen das E. mehr von der Wasseroberfläche aus, als von der Luftseite aus, dünn. Die am frühesten gebildeten Krystalle schmelzen aber gewöhnlich am spätesten, weshalb das E. vor dem gänzlichen Schmelzen porös erscheint. Durch die zahlreichen arktischen Expeditionen[563] hat sich über die Erscheinungen des Eises in jenen Regionen eine ganz bestimmte Terminologie festgestellt; so nennt man Buchteis (Bay-ice) junges E., welches sich in geschützten Buchten am frühsten bildet; Treibeis (Drift-ice) E. in Bewegung; Eisfelder, große bewegliche Flächen von E.; Eisbank (Bank-floe). ein von dem Eisfeld losgerissenes Stück; dagegen Packeis (Pack-ice) die größten aus zusammengetriebenen Feldern bestehenden beweglichen Eismassen; Hügelkämme (Hummoks), Schollenfurchen, die sich beim Zusammenstoßen von Eisfeldern bilden. Gehn Eisbänke bedeutend über (u. natürlich vermöge ihrer Schwere auch unter) dem Wasser, so heißen sie Eisberge. Sie ragen dann bis zu einer Höhe von 40–100, ja selbst bis 400 Fuß empor, wobei sie mit etwa 8/9 ihrer Masse in dem Wasser versenkt sind. Meist haben sie eine steile Seite, weil sie wahrscheinlich von einer Felsenwand, an der sie festhingen, losgesprengt sind; in denselben sind auch Eishöhlen. Eisfloß (Ice-raft), heißt ein schwimmendes Stück von einem Eisfeld, insofern es fremde Gegenstände trägt; Landeis, Felder od. Bänke, an der Küste od. zwischen 2 Vorgebirgen befestigt; Eisgürtel (Ice-bett, Eisstufe, Ice-foot), ist der Eisrand, welcher sich regelmäßig am Ufer hinzieht u. den Meeresspiegel überragt; Antlitz (Ice-face), die dem Meere zugekehrte Wand dieses Walles; Gletscher, ist das durch atmosphärische Niederschläge auf dem Lande gebildete E; Eisschimmer (Eisblink, Ice-blink), die Physiognomie der Atmosphäre über gefrorne Flächen im Gegensatz zum Wasserhimmel über offner See.

E. ist in vielen Fällen, äußerlich für sich od. in eine Thierblase gefüllt, aufgeschlagen, ein vorzügliches Heilmittel, so in Gehirnaffectionen, zur Stillung von Blutungen, gegen Gefäßerweiterungen, bei eingeklemmten Brüchen, Erfrierungen. Hierher gehören auch Eisbäder. Innerlich sind Eispillen (kleine runde Eisstücken von Pillengröße verschluckt), gegen reizbare Magenschwäche, Magenkrämpfe u. Wurmreiz wirksam. Schon in den ältesten Zeiten benutzte man E. ferner zu Abkühlung von Getränken, von Früchten u.a. Genußmitteln in heißer Jahreszeit, u. war daher auf Aufbewahrung von E. in Gruben u. Kellern bedacht. Bes. ist in Italien u. Spanien der Gebrauch von E. (u. Schnee) zur Abkühlung der Getränke u. Früchte im Sommer allgemein. Seit Anfang dieses Jahrh. wird aus Nordamerika das E. in größeren Schiffsladungen nach dem Süden u. den entlegensten tropischen Gegenden versendet, wo es bes. zur Aufbewahrung u. zum Verpacken von Nahrungsmitteln dient. Den ersten Versuch, E. zu verschiffen, machte im J. 1803 Fr. Tudor, ein junger Amerikaner aus Boston, dessen Bemühungen Anfangs jedoch keinen glücklichen Erfolg hatten, bis er 1814 einen Contract mit der Regierung von Cuba abschloß, Havanna mit E. zu versorgen. 1817 unternahm er eine Eisverschiffung nach Charleston, 1820 nach New-Orleans u. 1833 sogar nach Ostindien. Das E. wird hauptsächlich aus den beiden kleinen Seen Fresh-Ponds u. Spy-Ponds gewonnen, wo es mittelst einer, dem Ackerpfluge ähnlichen Maschine in Blöcke geschnitten wird. 1847 betrug die Menge des dort verschifften Eises 74,478 Tonnen, u. zwar wurden nach den südlichen Häfen der Vereigten Staaten, von Phiadelphia bis Galveston, 51,887 Tonnen 258 Fahrzeugen versendet, nach den westindischen Häfen, nach Pernambuco, Rio de Janeiro, Mauritius, Insel Bourbon, Manilla, Calcutta, Madras, Bombay, Ceylon, Hongkong, Whamhoa, Batavia u. Liverpool 22,591 Tonnen mittelst 95 Fahrzeugen. In Boston u. dessen Nähe sind große Eislager erbaut, welche dem E. dadurch Schutz gewähren, daß sie von doppelten 4 Fuß dicken Wällen umgeben sind, zwischen denen sich ein hinreichender Luftraum befindet. Man bereitet auch E. für den Genuß (Gefrornes) aus versüßten Fruchtsäften u.a. Substanzen (Crêmes von Milch u. Eiern). Viele werden in einem Blechgefäß (Eisbüchse) in einem mit Eisstücken u. Salz gefüllten Kessel gesetzt u. gefieren während des Umrührens. Man benennt das so zubereitete E., je nach den Ingredienzen, welche dazu benutzt werden: Ananas-, Angeliea-, Anis-, Apfelsinen-, Abrikosen-, Bisquit-, Brod-, Chocoladen-, Citronen-, Kaffee-, Kirschen-, Pfirsichen-, Mandel-, Rahm-, Punsch-, Vanillen-, Erdbeer-, Himbeer-E. etc. Das Crême-E., welches consistenter u. fester als das Obst- u. Frucht-E. ist, dient auch für Tafelaufsätze, wo es auch in größere Formen u. allerhand Figuren gebracht u. gefärbt, zum Nachtisch aufgestellt wird. Gewöhnlich wird das E. in becher-förmigen Geschirren (Eisbechern) od. in flachen porzellanenen od. buntgläsernen Schalen gereicht u. mit Theelöffeln gegessen. Das E. wird zum Gebrauch außer dem Winter in besonderen Eisgruben (s.d.) u. Eishäusern aufbewahrt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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