- Hameln
Hameln, 1) Amt im hannöverschen Fürstenthum Kalenberg, Landdrostei Hannover; 18,800 Ew. in 39 Gemeinden; 2) Stadt u. Amtssitz darin, an der Hamel u. Weser, über die eine 816 Fuß lange Kettenbrücke führt u. die hier einen belebten Flußhafen bildet; hat vier Kirchen, das lutherische Mannsstift St. Bonifacius, Rathhaus, Schule (secularisirt nach der Reformation), Industrieschule, Eisenfactorei, großes Zuchthaus, Fabrikation von Essig, Tabak, Cement, Leder u. Papier, Wollen- u. Leinenweberei, Steinkohlengruben, Schifffahrt, Lachsfang; 6700 Ew. In der Weser das Hamelner Loch, sonst gefährlich. Dabei der Kuppelberg. – H. soll seinen Ursprung durch eine Kapelle genommen haben, die hier Graf Bernhard von Engern, nachdem er mit seiner Gemahlin Christina zum Christenthum übergegangen war, 712 baute; die Meierei u. das umliegende Land schenkte er dem Stifte zu Fulda. Aus diesem u. 10 andern umliegenden Höfen entstand H. 1259 verkaufte der Abt von Fulda H. an den Bischof v. Minden, da sich aber die Einwohner diesem nicht unterwerfen wollten, begaben sie sich unter braunschweigische Herrschaft. 1409 wurde es von Herzog Friedrich an Herzog Albrecht verpfändet 1540 nahm H. die Reformation an. 1633 wurde es von den Schweden, nachdem diese die Kaiserlichen geschlagen hatten, erobert, 1757 nahmen die Franzosen H. mit Capitulation u. verließen 1758 es freiwillig. 1766 wurde auf dem Klüteberg, jenseits der Weser, der Anfang zum Bau des Georgssorts gemacht, das durch zwei andere Forts mit der Stadt zusammenhing 1803[907] wurde die Festung den Franzosen bei der Capitulation der hannöverschen Armee übergeben. Diese überlieferten sie Anfangs 1806 an die Preußen u. nahmen sie diesen am 8. Nov. d.i. durch Capitulation wieder ab. Sie sprengten die Werke u. demolirten die Festung gänzlich. Vgl. F. Sprengel, Geschichte der Stadt H., Hannover 1826. Merkwürdig ist H. noch wegen der Sage vom Hamelner Rattenfänger. Den 26. August 1284 soll nämlich ein Pfeifer nach H. gekommen sein u. sich erboten haben, alle Ratten gegen eine gewisse Summe Geldes zu vertreiben. Er blies hierauf auf der Pfeife, worauf sogleich alle Ratten u. Mäuse herbei kamen, u. dem Rattenfänger nachliefen, der sie in die Weser führte. Doch als die Ratten vertrieben waren, weigerten sich die Hamelner, ihm den Lohn zu zahlen. Am nächsten Sonntag nun, während des Gottesdienstes, zog der Rattenfänger wieder in die Stadt u. blies eine andre Weise, u. sogleich kamen alle Kinder aus den Häusern u. folgten ihm. Er ging bis zu dem nahen Kuppelberg u. mit den Kindern zusammen in denselben hinein. Eins, das sich verspätet hatte, kam, als der Berg sich wieder geschlossen hatte, davon u. berichtete den Vorgang in der Stadt. Nach einiger Zeit soll der Mann in Siebenbürgen wieder zum Vorschein gekommen sein u. mit diesen Kindern die Colonie der ungarischen Sachsen gegründet haben. Wahrscheinlich wurde eine Auswanderung der Hamelner (in Folge der Fehde von 1259) die Veranlassung zu dieser Sage, u. man bezieht ein altes Denkmal auf dem Kuppelberg bei H. mit unleserlicher Inschrift auf die Schlacht von Sedemühlen 1259 zwischen den Hamelnern u. dem Bischof von Minden.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.