Harnsäure

Harnsäure

Harnsäure (Lithensäure, Blasensteinsäure, Acidum uricum), C10H2N4O4 + 2HO = Ūr, ist ein Bestandtheil des normalen Menschenharns; sie findet sich ferner im Harn fleischfressender Säugethiere (nicht in dem der Pflanzenfresser), reich an H. ist der Harn der Vögel u. Schlangen u. selbst im Harn der niederen Thierklassen, wie der Schnecken, Cephalopoden u. Insecten ist die H. nachgewiesen worden. Sie findet sich in den Harnsteinen, den Gelenkconcretionen Gichtkranker u. kommt bisweilen auch in hydropischen Flüssigkeiten vor. In neuerer Zeit hat man sie auch im Blut, im Lungengewebe u. in der Leber nachgewiesen. Die reine H. erscheint als glänzendes weißes, lockeres Pulver, ohne Geruch u. Geschmack, welches feuchtes Lackmuspapier röthet. Sie löst sich in 1800–1900 siedenden u. 14,000–15,000 Theilen Wasser von 20°, ist unlöslich in Äther u. Alkohol In Lösungen von Borax, kohlensauerem, milchsauerem, essigsauerem u. phosphorsauerem Natron löst sie sich weit leichter als im Wasser. Man hat deshalb Lösungen dieser Salze gegen Blasensteine angewendet. Essigsäure u. andere Säuren treiben sie aus ihren Salzen aus; sie ist eine der schwächsten Säuren u. treibt selbst Kohlensäure nicht unmittelbar aus dem kohlensaurem Kali aus, sondern verwandelt dieses in doppeltkohlensaures Kali. Sie krystallisirt in kleinen, mikroskopischen Schuppen od. vierseitigen Prismen, welche 4 Atome Krystallwasser enthalten, dasselbe aber schon bei gelindem Erwärmen wieder verlieren. Durch Erhitzen der H. bildet sich kohlensaures Ammoniak, Cyanwasserstoffsäure, Harnstoff, Cyansäure, Tyanursäure u. Cyamelid; beim Schmelzen der H. mit Kali entweicht Ammoniak u. im Rückstande ist kohlensaures u. cyansaures Kali neben Cyankalium enthalten. Mit Basen bildet die H. Harnsaure Salze; die Verbindungen mit fixen Alkalien sind leicht löslich, das Ammoniaksalz fast unlöslich; die neutralen Salze mit Natron u. Kali reagiren alkalisch u. verlieren durch anhaltendes Kochen mit Wasser od. durch Einwirkung von Kohlensäure einen Theil ihrer Basis, indem unlösliches saures Salz niederfällt. Harnsaures Awmoniak, C10H2N4O4, NH4 O, HO, durch Übergießen von H. mit Ammoniak erhalten; seine nadelförmige Krystalle, meist kugelige undurchsichtige Massen, aus denen hie u. da feine Spitzen hervorragen, nur unter dem Mikroskop zu erkennen, löst sich in 1600 Theilen kaltem u. leichter in siedendem Wasser. Harnsaurer Baryt, neutraler = C10H2N4O4 . 2BaO + 2aq., saurer = C10H2N4O4 . BaO, HO + 2aq., ist in Wasser unlöslich. Harnsaures Bleioxyd, C10H2N4O4, PbO . HO + aq., durch Eintropfen von neutralem harnsaurem Kali in eine verdünnte kochende Lösung von salpetersaurem Bleioxyd erhalten, ein weißes Pulver, welches bei 160° sein Krystallwasser verliert. Harnsaures Kali, neutrales, C10H2N4O4, 2KO, durch Einbringen von H. in verdünnte kohlensäurefreie Kalilauge dargestellt; krystallisirt in seinen Nadeln, schmeckt ätzend, löst sich in 30–40 Theilen heißen Wassers, nimmt leicht Kohlensäure aus der Luft auf u. zersetzt sich beim Kochen mit Wasser allmälig. Leitet man in die Lösung dieses Salzes Kohlensäure, so scheidet sich Sauresharnsaures Kali, C10H2N4O4, KO, HO, ab; die Lösungen dieses Salzes reagiren neutral u. absorbiren keine Kohlensäure; es krystallisirt in Nadeln, löst sich in 70–80 Theilen kochenden Wassers; Salmiak u. doppelkohlensaure Alkalien geben Niederschläge. Harnsaurer Kalk, neutraler, C10H2N4O4, 2CaO, durch Vermischen einer siedenden Lösung von Chlorcalcium mit neutralem harnsaurem Kali erhalten; körniger Niederschlag, der sich in 1500 Theilen kaltem u. 1440 siedendem Wasser löst; Saurerharnsaurer Kalk, C10H2N4O4, CaO, HO + 2aq., scheidet sich beim Vermischen einer Lösung von Chlorcalcium mit einer Lösung von saurem harnsaurem Kali als weißer, amorpher Niederschlag aus, der sich in 276 Theilen heißem u. in 600 Theilen kaltem Wasser löst. Harnsaures Lithion, C10H2N4O4, 2LiO +[54] 2aq., durch Kochen von kohlensaurem Lithion mit H. erhalten, löst sich bei 50° C. in 60 Theilen Wasser. Harnsaure Magnesia, C10H2N4O4, MgO, HO + 6aq., erhält man durch Vermischung einer gesättigten Lösung von saurem harnsaurem Kali mit schwefelsaurer Talkerde, worauf sich nach einigen Stunden seidenglänzende Krystalle absetzen, aus deren Lösung in siedendem Wasser die obige Verbindung in zarten Nadeln anschießt. Harnsaures Natron, neutrales, C10H2N4O4, 2NaO + 2aq., wie das entsprechende Kalisalz dargestellt; harte, warzenförmige Krystalle, die sich in 77 Theilen kaltem u. 85 Theilen siedendem Wasser lösen. Harnsaures Natron, saures, C10H2N4O4NaO, HO + aq., wie das Kalisalz erhalten, bildet ein weißes, leichtes Pulver, das sich in 1100–1200 Theilen kaltem u. 125 Theilen siedendem Wasser löst. Mit Schwefelsäure bildet die H. Schwefelsaure Harnsäure = C10H2N44 . 2 HO + 8SHO4, sie entsteht, wenn man H. in warmer concentrirter Schwefelsäure löst u. scheidet sich beim Erkalten in farblosen Krystallen ab, welche an der Luft Wasser anziehen u. in H. u. Schwefelsäure zerfallen. Unter der Einwirkung verschiedener Reagentien liefert die H. eine große Reihe höchst merkwürdiger Zersetzungsproducte, deren wichtigste folgende sind: Kocht man H. mit Wasser u. Bleisuperoxyd od. mit Kalilauge u. Ferridcyankalium, so entsteht das Allantoin, C8H6N4O6 (s.d.), es bildet sich auch bei der Einwirkung von übermangansaurem Kali auf H. Wird 1 Theil H. allmälig in 4 Theile Salpetersäure von 1,5 spec. Gew. eingetragen, so entweicht Stickstoff u. Kohlensäure u. die Flüssigkeit enthält das Alloxan (Erythrische Säure) = C8H4N2O10, aus welchem man die Alloxansäure durch Digestion mit ätzenden Alkalien erhält; diese zerfällt bei längerem Kochen in Leukotursäure u. Diffluan. Wenn man H. od. Alloxan mit mäßig concentrirter Salpetersäure bis zur Syrupsconsistenz abdampft, so scheidet sich Parabansäure = C6N2O4 . 2HO, aus; setzt man zu einer kochenden Lösung von Bleizucker eine Lösung von Alloxan, so bildet sich Harnstoff u. Mesoxalsäure = C3O4 rocht man eine Lösung von Alloxan mit viel Ammoniak u. versetzt mit Salpetersäure, so entsteht Mykomelinsäure = C8H5N4O5. Wird eine Lösung von H. in verdünnter Salpetersäure mit Ammoniak übersättigt u. abgedampft, so scheidet sich eine Verbindung von Ammoniak mit Oxalursäure = C6H3N2O7 . HO, ab, welche beim Erhitzen in Oxalsäure u. Harnstoff zerfällt. Thionursäure, Uramil u. Uramilsäure sind ebenfalls Zersetzungsproducte der H. Alloxantin = C8H5N2O10, entsteht, wenn man H. mit Wasser kocht u. allmälig verdünnte Salpetersäure zusetzt. Charakteristisch für die H. ist die Bildung von Murexid (Purpursaures Ammoniak) = C12H6N5O8; es entsteht, wenn man H. in verdünnter Salpetersäure auflöst, die Flüssigkeit abdampft, dann Ammoniak zusetzt, mit Wasser verdünnt u. auskrystallisiren läßt; das Murexid erscheint in vierseitigen Prismen, welche im durchfallenden Licht schön granatroth erscheinen. Auf diese Weise läßt sich die H. leicht erkennen (s. Murexid). Am vortheilhaftesten stellt man die H. aus Schlangenexcrementen dgr, indem man dieselben mit dem gleichen Gewicht Ätzkali u. 14 Theilen Wasser kocht, in verdünnte Schwefelsäure filtrirt u. den Niederschlag von H. auswäscht.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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