- Virgilius
Virgilius (Vergilius), 1) Publius V. Maro, geb. 15. Oct. 70 v. Chr. zu Andes bei Mantua, wo sein Vater Gutsbesitzer war; seinen ersten Unterricht erhielt er in Cremona, seit dem 16. Jahre studirte er in Mailand, dann in Neapel bei Parthenios Griechische Sprache u. 47 in Rom bei dem Epikureer Syron Philosophie. Da er von schwächlichem Körper war, that er weder Kriegs- noch Staatsdienste, sondern widmete sich nach seiner Rückkehr nach Andes, im Jahre 45, der Verwaltung seines Gutes u. dem Studium der griechischen Dichter; 42 begann er seine Eclogen zu dichten, aufgefordert dazu von Asinius Pollio, dem damaligen Verwalter der Gallia Transpadana u. Gönner V-s. Als Pollio im Herbste 41, nach dem Ausbruch des Perusinischen Krieges, dem L. Antonius sein Heer zu Hülfe führte, wurde V. von den Veteranen Octavians, welche dort von ihrem Kriegsherrn Äcker angewiesen erhalten hatten, 40 aus seinem Gute vertrieben u. floh nach Rom, erhielt jedoch bald darauf, nach der Aussöhnung Octavians mit Antonius, sein Gut wieder u. setzte seine poetischen Beschäftigungen fort. Durch Pollio dem Mäcenas empfohlen bildete V. nebst Varius u. Horatius das Dichtertriumvirat in dem gelehrten Kreise, welchen Mäcenas um sich hatte, doch hielt sich V. seiner Gesundheit wegen meist in Neapel auf. 37–30 schrieb er sein didaktisches Gedicht Georgica u. darauf das Epos Äneis; 19 trat er eine Reise nach Griechenland u. Kleinasien an, um dort der Nucis die letzte Vollendung zu geben, kehrte aber von Athen aus mit Octavian nach Italien zurück, wo er 22. Sept. 19 in Brundisium starb u. bei Neapel an der Via Puteolana, bestattet wurde, wo man sein Grabmal in einer Grotte noch zeigt. Die Herausgabe der Äneis empfahl er seinen Freunden Varius u. Tucca. Seine 10 Eclogae (Bucolica) sind Nachahmungen Theokrits, doch schildert er in seinem Hirtenleben Personen u. Begebenheiten seiner Zeit; herausgegeben von Camerarius, 1556; von Barth, Lpz. 1570; von Martyn, Lond. 1749; von Brieger, Grottk. 1790, 2. A. 1804; von Grauff, Bern 1836; deutsch von Weinrich, Marb. 1789; von J. H. Voß, Alt. 1797. n. A. 1830; von Gericke, Bresl. 1790; von K. v. Finkenstein. Berl. 1810; von Nürnberger, Prenzl. 1828; von Osiander, Stuttg. 1834. In den Georgica, stellt er, nach dem Vorgange Hesiods, in 4 Büchern den italienischen Acker- u. Obstbau, die Vieh- u. dar; herausgegeben von Martyn, Lond. 1741; von Dusch, Hamb. 1759; von Wakefield, Cambr. 1788; von Hohler, Wien 1843; deutsch von Manso, Jena 1783; von Herz, Dessau 1782, 2. A. 1787; von Esmarch, Flensb. 1783, n. A. 1787; von Jung, Mannh. 1787; von Weinrich, Marb. 1789; von K. A. von Boguslawsky, Berl. 1795; von I. G. Jakobi, Halle 1781, 2. A. 1797; von Bock, Lpz. 1790, 3. A. Wiesb. 1819; von J. H. Voß, Alt. 1800, 2 Bde.; von Nürnberger, Danz. 1825; von Genthe, Quedl. 1828; von Osiander, Stuttg. 1835; von L. Karl, Würzb. 1853; griechisch von Eng Bulgaris, Petersb. 1786; vgl. Posselt, De Virgilii Georgicis, Durl. 1786. Die Äneis hat nach Vorgang, zum Theil in Nachahmung Homers, zum Gegenstand in dem 1.–6. Buche die Irrfahrten des Äneas von Troja bis Italien, vom 7.–12. Buche die Kämpfe desselben in Italien; den Inhalt jenes ersteren Theils schöpfte er aus dem Sagenkreise des Trojanischen Krieges der griechischen Dichter, den des letzteren Theiles aus den einheimischen Sagen; herausgegeben von [609] Schmieder, Berl. 1799 f., 2 Bde.; von Hohler, Wien, 1826 f., 2 Bde.; von K. Thiel, Lpz. 1834–1838, 2 Bde.; von Peerlkamp, Leyd. 1843, 2 Bde.; von Goßrau, Quedl. 1846; Anmerkungen dazu von Delille (deutsch von Engel, Frankf. 1800); deutsch von Crauer, Luz. 1783, 2 Bde.; von Plazzary, Bib. 1783; von Spitzenberger, Münch. 1796, 1827, 3 Bde.; von Neuffer, 1816, 2. A. 1830; von Nürnberger, Zwick. 1821 f., 4 Bde., 2. A. Kempt. 1841, 2 Bde.; von Krüger, Riga 1835; von Lots, Lpz. 1856, 2. A. 1857; von Hertzberg, Stuttg. 1857; griechisch von Eng. Bulgaris, Petersb. 1791–93, 3 Bde. Die außerdem dem V. zugeschriebenen kleineren Gedichte: Culex, Ciris, Dirae (Battarus et Lydia), Copa, Moretum, u. die Catalecta Virgilii, 14 kleinere Gedichte, sind nicht von ihm. Gesammte Werke herausgegeben Rom 1467–1469, Ven. 1471; von de la Cerda, Madr. 1608–1617, 3 Bde.; von Fr. Taubmann, Frankf. 1618; von P. Burmann, Amst. 1746, 4 Bde., n. A. von Franz, Lpz. 1774; von Heyne, Lpz. 1767–75, 4 Bde., 4. A. von Wagner, 1830–41, 5 Bde.; von Jak. Baden, Kopenh. 1780 f., 2 Bde.; von Weißenbach, Köln 1782, 3 Bde.; von Brunk, Strasb. 1785, n. A. 1808; von Wunderlich u. Ruhkopf, Lpz. 1779 f., 5. A. 1828; von L. Tencé, Brüssel 1829; von Mangeart, Par. 1837, 2 Bde.; von A. Forbiger, Lpz. 1836–39, 3 Bde., 3. A. 1852; Prachtausgaben von Didot, Par. 1791–98, Bodoni, Parm. 1793, Lond. 1826; die Heyne-Wagnersche, Lpz. 1830–33, 3 Bde.; Schulausgaben Oxf. 1834; von PH. Wagner, 1845,2.A. 1849; von Freund, Bresl. 1852; von Ladewig, Lpz. 1850–52, 3 Bde. u. ö.; Wörterbücher von Ludewig, Berl. 1805, 2 Bde., von Crusius, Hannov. 1846, 2. A. von Koch, ebd. 1855; deutsche Übersetzung von Grosse, Frankf. 1793–1805, 2 Bde.; von I. H. Voß, Braunschw. 1799, 3 Bde., 3. A. 1822: von Binder, Stuttg. 1856 f., 3 Bde. Von den alten Grammatikern schrieben Commentare zum V. bes. Val. Probus (Auszüge erhalten), Asper, Hyginus u.a.; erhalten hat sich der des Servius über alle Gedichte, des Junil. Philargyrus über die Bucolica u. Georgica, sowie über die Äneis der des Donatus, nebst der Vita Virgilii u. der des Cynthius Cenetensis (herausgegeben Mail. 1845). Eine Bearbeitung der Äneis besitzt die Deutsche Literatur in Heinrichs v. Veldek (s.d.) Eneit u. eine Travestie von Blumauer (s.d.). Bilder zur Äneis von Frommel, Karlsr. 1830, u. Compositionen von Schüler mit Text von Schmidt, ebd. 1840. Vgl. Eichhoff, Etudes grecques sur Virgile, Par. 1825; Tissot, Etudes sur V., ebd. 1826, 4 Bde.; Wedewer, Homer, V. u. Tasso, Münst. 1843; Ste. Beuve, Etude sur Virgile, Par. 1857; Lersch, Antiquitates Virgilianae, Bonn 1843; K. B. v. Bonstetten, Voyage sur la scène de X derniers livres de l'Enéide, Genf 1804 u. 1813; H. Töpfer, Virgilii geographia in Aeneide opere exhibita, Arnst. 1828–34, 4 Progr.; J. Henry, Notes of a twelve years' voyage of discovery in the first VI books of the Eneis, Dresd. 1853._– V. genoß sowohl wegen seiner persönlichen liebenswürdigen Eigenschaften, als auch weil er in seinem Epos den Namen des Römischen Volkes verherrlicht hatte u. bes. der Schöpfer des edeln poetischen Ausdrucks u. der kunstgerechten epischen Metrik geworden war, nicht nur die enthusiastische Verehrung seiner Zeitgenossen, sondern fand auch bei den nachfolgenden Kritikern die anerkennendsten Urtheile, die Grammatiker wählten aus seinen Gedichten die Belegstellen zu ihren Regeln, die Rhetoren die Materien zu ihren Schulausgaben, u. früh schon fing man an aus einzelnen Versen od. Halbversen neue Gedichte zusammenzusetzen (Virgiliani centones, s. Cento 3) u. die beim ungesuchten Aufschlagen seiner Gedichte sich darbietenden Stellen als Weissagungen zu deuten (Virgilianae sortes, s.u. Loos). Aber nicht allein die heidnischen Römer verehrten ihn so, sondern selbst die kirchlichen Schriftsteller des 3. u. 4. Jahrh. suchten aus seinen Gedichten die christliche Wahrheit zu beweisen u. fanden sogar messianische Weissagungen (bes. Eclog. 4) darin. Der Umstand, daß schon früh seine Bildsäulen aufgestellt, sein Geburtstag gefeiert, sein Grab von Dichtern u. Schwangern besucht wurde, gab seiner Verehrung etwas Religiöses, weshalb er im Mittelalter, wo das Centonenwesen u. die Stichomantie aus seinen Gedichten zu hoher Blüthe kamen, bes. seit dem 13. Jahrh., von ihm, als von V. dem Zauberer, mehrfache Sagen, bes. als dem Urheber von Zauberwerken zu Roms od. Neapels Wohl, sich bildeten, welche sich namentlich an die Orte seiner Geburt, seines wesentlichen Aufenthalts u. seines Todes banden. Diese Sagen finden sich gesammelt seit dem 16. Jahrh. in Faictz marcueilleux de Virgile, Par., dann englisch (deutsch von Spazier, Braunschw. 1830) u. niederländisch; auch im Isländischen gibt es eine Virgilius-saga. Vgl. Siebenhaar, De fabulis, quae media aetate de Virgilio circumferebantur, Berl. 1837; Duméril, De Virgile l'enchanteur, 1850; Zappert, V-s Fortleben im Mittelalter, Wien 1851; Schwabbe, Virgilius per mediam aetatem gratia atque auctoritate florentissimus, Paderb. 1852; Genthe, Leben u. Fortleben des V. als Dichter u. Zauberer, 2. A. Magdeb. 1857. 2) St. V., aus einer irländischen Familie, kam 743 zu Pipin nach Chiersy u. wurde 744 (745) von dem Baiernherzog Odilo zum Abt des Benedictinerklosters in Salzburg gemacht. Mit Bonifacius gerieth er wegen der Taufformel u. der Ansicht über die Kugelgestalt der Erde u. die Antipoden in Streit; V. hatte letztere statuirt, u. Bonifacius legte seine Annahme so aus, als ob B. an eine Welt glaube, die nicht von Christus erlöst worden sei. Der Hauptpunkt der Streitigkeit des Bonifacius mit V. u. dessen Beschwerde über ihn beim Papste war aber der Widerstand, welchen V. dem Bonifacius in der geforderten kirchlichen Unterwerfung leistete, indem V. die Freiheit der baierschen Kirche zu bewahren suchte. Nachdem er bis 767 schon die Diöcese Salzburg verwaltet hatte, nahm er in diesem Jahre die bischöfliche Würde an u. st. 27. Nov. 784. Er baute in Salzburg das Rupertusmünster, machte sich auch um die Verbreitung des Christenthums in Kärnten verdient u. wurde 1233 canonisirt sein Tag: 24. Novbr. 3) Polydorus Virgilius, s. Vergilius.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.