Blutwunder

Blutwunder

Blutwunder. Schon seit den frühesten Zeiten hat man verschiedene roth gefärbte Niederschläge aus der Luft u. schimmelähnliche Bildungen auf Speisen etc., sowie rothe Färbung des Meeres u. stehender Gewässer für Blut gehalten u. diese Erscheinungen meist als verhängnißvolle Vorbedeutungen schrecklicher Ereignisse od. als göttliche Strafen für begangene Frevel angesehen. Es zeigte sich plötzlich das Meer od. der ganze Erdboden mit Blut bedeckt, an Kleidern u. Speisen beobachtete man Blutstropfen, welche größer wurden, nach u. nach alle in der Nähe befindlichen Gegenstände roth färbten u. dann plötzlich wieder verschwanden; Regen u. Schnee schienen mit Blut vermischt zu sein u. man glaubte allgemein, daß Blut als Zeichen göttlichen Zornes vom Himmel gefallen sei. Nur wenige Gelehrte bemühten sich, dies Wunder zu erklären u. manchen gelang es in der That, aber der Volksglaube hat sich bis fast in die neueste Zeit erhalten. Die mikroskopischen Forschungen der Gegenwart haben die bereits früher ausgesprochenen Vermuthungen u. theilweisen Untersuchungen bestätigt, nach welchen ein Theil jener blutigen Erscheinungen unorganischen Ursprunges u. zwar einem sehr eisenreichen Staub zugeschrieben werden müssen, ein anderer Theil sich durch das plötzliche Entstehen[931] schimmelähnlicher Pflanzenbildungen od. mikroskopischer Thierchen erklären läßt. Hierher gehört a) der Blutregen, welchen man schon im Alterthum erwähnt findet u. welchen Cicero (de Divin. II. 27 sq.) zu erklären suchte. In neuerer Zeit beobachtete man 1813 in Calabrien, 1819 in Flandern Blutregen. Wo sie größere Strecken einnehmen, wie in Emden 1571, od. wie in Calabrien 1646 den ganzen Himmel röthen, müssen sie von staubartigen meteorischen Niederschlägen, in denen man Eisenoxyd u. salpetersaures Kobaltoxydul antraf, abgeleitet werden. Auch b) Blutschnee, der sich in den Alpen vom März bis Juni häufig in Schweden, Rußland, am Nordpol u. überhaupt nur da, wo der Schnee nicht schmilzt, findet. Saussure, der ihn 1760 zuerst untersuchte, erklärte ihn durch einen rothen Staub od. durch Kryptogamen (Lepraria kermesina, Uredo nivalis), die man zuweilen auf ihm fand. 1840 fand der Engländer Schuttleworth bei seinen Beobachtungen am Grimsel-Hospiz, daß die rothen Streifen aus Pflänzchen u. Thierchen bestanden. c) Meteorstaub (Passatstaub) ist ein nebelartig die Luft trübender Staubregen. Der Fall desselben findet sich regelmäßig an der WKüste von Afrika zwischen 3° u. 29° u. Br., bes. bei den Inseln des Grünen Vorgebirges vom Januar bis April bei herrschendem OPassatwind. Am 16. Jan. u. 18. Febr. 1833 fiel im Atlantischen Meere ein röthlich brauner vor dem Löthrohre leicht zu schwarzer Kohle schmelzender Staub, der eine Menge mikroskopisch kleiner Krystalle enthielt, wie sie in Massen aus den Vulkanen aufsteigen; daher Ehrenberg auch den Ursprung des Meteorstaubes von vulkanischen Eruptionen herleiten zu können glaubt. Außerdem fand Ehrenberg 32 Species von Kieselpanzern von Thieren u. 35 Species Pflanzenkiesel (Phytolitharien) darin. Doch auch anderwärts ereignen sich Meteorstaubfälle, z.B. am 31. Jan. 1848 bedeckte ein solcher in der Gegend von Salzburg bis Schlesien 3500 QM. bis zu 11/2 Linien Höhe das Land mit Staub, welchen der Sturm aus fernen Gegenden, entführt haben mußte. In Irland fiel am 14. April 1849 über 700 englische QM. schwarzes tintenartiges Wasser, in welchem Ehrenberg verrottete Pflanzentheile nachwies, welche mit infusoriellen Thierbildungen gemischt waren; nach Ehrenberg war dieser Regen ein durch langes Herumziehen mit Wasserdampfwolken verrotteter u. zersetzter Passatstaub. In einem bei Windstille nach Föhn am 17. Febr. 1850 auf den höchsten Gotthardalpen gefundenen rothen Schnee hat Ehrenberg 30 polygastrische Infusorienschalen, 17 Phytolitharien, dazu krystallhelle Glimmertheilchen, chrysolithartige Splitter u. Mineralien gefunden. Von den Organismen geleitet, erklärte er den Staub für atlantischen Passatstaub. Der vom Föhn getragene Staub kam in einer Höhe von über 10,000 Fuß herbei, traf am Gotthard einen nördlichen Gegenstrom, so daß bei der dadurch entstehenden Windstille der Staub niederfiel. Auf Gletschern erkennt man oft solche Meteorstaubfälle an röthlich braunen Schichten wieder, die beim Wegschmelzen der Schneedecke hervortreten. 1855 entdeckte Squier d) eine Blutquelle in Centralamerika bei dem Städtchen Vistud in Honduras. Von der Decke einer Grotte tröpfelt fortwährend eine rothe Flüssigkeit, nach Farbe, Geruch u. Geschmack dem Blute völlig gleich, auch ebenso coagulirbar u. von Hunden u. Raubvögeln gern genossen. Versendete Quantitäte zersetzten sich vor der Untersuchung. Die Erscheinung erklärt sich wohl durch eine rasche Erzeugung stark fortpflanzungsfähiger Infusionsthiere. e) Blutteiche entstehen von Ansammlungen mit röthlichem Eisenocher gefärbten Regenwassers; Ehrenberg erkannte die Farbe auch wohl für ein Erzeugniß mikroskopischer Infusionsthiere. Eins der merkwürdigsten Blutwunder ist f) das Erscheinen von Blut auf Speisen u. Hostien, ein Phänomen, wie es schon zur Zeit Alexanders des Großen beobachtet u. von den Priestern als Prophezeihung gedeutet wurde, Als im Jahre 1264 zu Bolsena ein Priester, welcher an der Verwandlung des Brodes in den Leib Christi gezweifelt hatte, das heilige Abendmahl hielt, fielen Blutstropfen auf sein Kleid. Zahlreiche Beispiele werden auch vom Auftreten des Blutes an Hostien erzählt, welches immer als Anzeichen furchtbarer Verbrechen angesehen wurde u. oft Hunderten von Menschen einen martervollen Tod gebracht hat. So hatten i. I. 1453 Breslauer Juden von einem Bauer Hostien gekauft, welche derselbe aus einer Kirche gestohlen hatte; sie legten die Hostien auf ein Tuch u. schlugen sie, worauf Blut aus ihnen geflossen sein soll; 41 Juden wurden wegen dieses Frevels verbrannt, die Andern aus dem Lande gewiesen. Kaiser Albrecht ließ 2000 Juden, welche eines ähnlichen Verbrechens angeklagt waren, an einem Tage verbrennen; noch 1510 wurden in Berlin 38 Juden hingerichtet u. verbrannt, weil sie Hostien so lange gemartert hatten, bis sie bluteten. Wenn auch viele von diesen Berichten als Unwahrheiten angesehen werden müssen, welche der Haß u. die Mordlust der damaligen Zeit erdichtet hatte, so bleibt doch das Auftreten einer rothen Färbung an Brod u. anderen Speisen eine erwiesene Thatsache, deren Natur erst durch Ehrenberg erkannt u. aufgeklärt worden ist. Derselbe fand, daß die rothe Färbung auf Fleisch u. andere Speisen übertragen u. fortgepflanzt werden könne; unter dem Mikroskop zeigte sich die gallertartige dickflüssige Masse als eine farblose Flüssigkeit, in welcher sich kleine rothe Körperchen bewegten, welche Ehrenberg als Infusionsthierchen erkannte u. sie Monas prodigiosa, Purpur- od. Wundermonaden nannte; er gibt an, daß 9–64 Millionen derselben den Raum von einer Quadratlinie einnehmen; andere Naturforscher halten die rothen Pünktchen für Pflanzen, welche den Schimmelbildungen analog zu sein scheinen. Welche von beiden Ansichten die richtigere sei, läßt sich bei der unendlichen Kleinheit der Individuen nicht leicht entscheiden, man hat aber gefunden, daß ihrer Entstehung eine feuchte Atmosphäre sehr zuträglich ist.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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