- Löthrohrprobirkunst
Löthrohrprobirkunst, ein Zweig ber analytischen Chemie, welcher sich mit der Untersuchung der Körper auf trockenem Wege, bes. mit Hülfe des Löthrohrs, beschäftigt. Versuche das Löthrohr zur chemischen Untersuchung von Mineralien anzuwenden wurden schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von dem schwedischen Bergrath Anton Swab angestellt, welcher das Verhalten der Körper in der Hitze u. beim Zusammenschmelzen mit anderen Substanzen studirte u. somit den Grund zu der für die Mineralogie u. Chemie so wichtigen L. legte. Durch Bergmann, Gahn, Berzelius u. Plattner wurde diese Kunst wesentlich vervollkommnet u. von Harkort sogar zur quantitativen Analyse benutzt. Die zur Löthrohrprobe erforderlichen Gegenstände sind folgende: A) Das Löthrohr, s.d. B) Löthrohrlampe u. Löthrohrflamme. Es läßt sich zwar zu den Löthrohrversuchen jede nicht rufende Flamme einer Weingeistlampe, Talg-, Wachs- od. Stearinkerze benutzen, wenn sie die nöthige Hitze gibt, doch bedient man sich meist einer bes. hierzu construirten Lampe mit breitem Docht, welche an einem Stativ in verschiedenen Höhen befestigt werden kann; als Brennmaterial dieut gereinigtes Rüböl od. eine Mischung von Terpentinöl u. Weingeist. Die Flamme, welche durch Einblasen mittelst des Löthrohrs in die Flamme einer solchen Lampe erhalten wird, heißt Löthrohrflamme, sie hat eine in der Richtung der Löthrohrspitze langgestreckte, nach vorn zugespitzte Form u. dir Eigenschaft, je nachdem man die Spitze des Löthrohrs entweder in den Mantel od. in den Kern der Flamme hält, die durch sie erhitzten Körper zu reduciren od. zu oxydiren, daher unterscheidet man zwei Arten von Löthrohrflammen: Die Reductionsflamme, welche hervorgebracht wird, wenn man die Spitze des Löthrohrs parallel mit dem etwas schief abgeschnittenen breiten Dochte so hält, daß sie die schmale Seite desselben kaum berührt, sie ist gelb u. leuchtend. Die Oxydationsflamme wird erhalten, wenn man die Löthrohrspitze bis etwa 1/3 der Dochtbreite in die Flamme hält, sie ist blau u. schwach leuchtend. Die Spitze der Flamme ist immer der heißeste Theil derselben. C) Als Unterlage für den zu untersuchenden Körper dient ein parallelepipedisch geschnittenes Stück Kohle, am besten Fichtenkohle, von gleichmäßiger Beschaffenheit; man benutzt sie bes. bei Reductionen od. wenn man einen Körper auf seine Schmelzbarkeit untersuchen will. Sind Metalle in der Hitze flüchtig, so verdampfen sie in der Reductionsflamme, die Dämpfe verbrennen aber beim Durchgang durch die äußere Flamme wieder u. setzen sich als Anflug von Oxyd auf der Kohle rings um die Probe an; an der Farbe u. anderen Eigenschaften dieser Anflüge (Beschläge) lassen sich viele Metalle erkennen. Wenn man die Substanz mit Flußmitteln behandeln u. aus der Eigenschaft des gebildeten Glases auf die Natur derselben schließen will, so bedient man sich eines Platindrahtes, an dessen zu Öhren umgebogenen Enden eine sogenannte Perle erzeugt wird. Ale Flußmittel dienen bes. Borax u. Phosphorsalz; man schmilzt diese Substanzen in dem öhr zu einer kleinen Perle u. bringt dann den zu untersuchenben Körper hinzu, um sein Verhalten zu diesen im Oxydation- u. Reductionsfeuer zu untersuchen. Außerdem ist ein Platinblech, Pincette mit Platinspitzen, ein Platinlöffel, Glasröhren u. Glaslölbchen, ein kleiner Hammer mit Ambos, ein Achatmörfer etc. erforderlich. D) Löthrohreagentien, sind im Wesentlichen nur drei, nämlich Soda, Phosphorsalz u. Borax. a) Soba (chemisch reines wasserfreies, kohlensaures Natron), dient zur Beförderung der Reduktion der Metalloxybe u. Schwefelmetalle auf Kohle, zur Aufschließung kieselsaurer Salze, sowie zur Bestimmung, ob Körper in ihr[533] löslich sind od. nicht. Bei der Anwendung der Soda nimmt man eine Messerspitze voll in die hohle Hand, befeuchtet sie u. knetet die zu untersuchende Substanz mit ihr zusammen, bringt sie in eine in die Kohle gebohrte Vertiefung u. schmilzt sie. Will man die Probe auf ein reducirtes Metall untersuchen, so bringt man dieselbe in einen Achatmörser, reibt es zu einem seinen Pulver, schlämmt mit Wasser vorsichtig den seinen Kohlenstaub weg u. wiederholt diese Operation, bis keine Kohle mehr sichtbar ist u. das reducirte Metall am Boden des Mörsers in Form glänzender Blättchen od. als seines Metallpulver zurückbleibt Auf diese Weise lassen sich noch kleine Mengen von Molybdän, Wolfram, Antimon, Tellur, Wismuth, Zink, Blei, Kupfer, Nickel, Kobalt u. Eisen erkennen. b) Phosphorsalz (phosphorsaures Natron-Ammoniak) verliert beim Erhitzen Ammoniak u. Wasser u. schmilzt dann im Platindraht zu einem farblosen Glas von saurem phosphorsaurem Natron, welches bes. leicht Metalloxyde auflöst u. der Perle dadurch eine verschiedene Färbung ertheilt. Kieselerde wird nicht aufgelöst u. schwimmt als sogenanntes Skelett in der heißflüssigen Perle herum. c) Borax, bildet ebenfalls leicht Doppelsalze mit Metalloxyden, indem ein Theil der Basen aufgelöst wird u. die Perle färbt, welche Färbung in der Oxydations- u. Reductionsflamme beobachtet werden muß. Außer diesen drei Hauptreagentien werden noch angewendet: Salpeter zur Oxydation, Auflösung von salpetersaurem Kobaltoxydul zur Erkennung von Thonerde, Magnesia, Zinkoxyd, Zinnoxyd, Titansäure. Kieselerde zur Prüfung auf Schwefelsäure, Cyankalium als kräftiges Reductionsmittel, Flußspath mit doppelt schwefelsaurem Kali gemengt, zur Erkennung von Lithion u. Borsäure, Kupferoxyd zur Prüsung auf Salzsäure u. Chlor, Silber zur Erkennung von Schwefel in löslichen Schwefelmetallen. Die Löthrohrprobe besteht nun in der aufeinanderfolgenden Aufführung gewisser Operationen, aus denen dann auf das Vorhandensein od. die Abwesenheit gewisser Stoffe geschlossen wird. Nachdem man den zu untersuchenden Körper a) in einem Gaskölbchen erhitzt hat, um zu erkennen, ob sich etwas verflüchtigt, wie Ammoniak, od. sublimirt, wie Wasser, Quecksilber, Schwefel, Selen, Tellur, od. ob der Körper bei dieser Temperatur seine Farbe u. Aggregatzustand ändert od. nicht, wird er b) in einer erhitzten offenen Glasröhre geprüft, in welcher er durch den heißen Luftstrom geröstet wird u. flüchtige Substanzen, wie Schwefel, schwefelige Säure, Arsenik, Tellur u. Antimonoxyd an dem Geruch u. Sublimat erkannt werden. c) Durch die Prüfung auf Kohle lassen sich folgende Körper erkennen: Antimon schmilzt leicht u. gibt in der Oxydationsflamme einen weißen Beschlag; metallisches Antimon auf Kohle geschmolzen bleibt einige Zeit flüssig u. entwickelt dabei einen dicken weißen Rauch, der sich auf der Oberfläche der Metallkugel in Form eines weißen krystallinischen Überzugs absetzt. Arsenik gibt, ohne vorher zu schmelzen, einen von der Probe weit entfernten weißen Beschlag, wobei sich ein starker Geruch nach Knoblauch entwickelt. Blei ist leicht schmelzbar, der Beschlag ist in der Hitze dunkel citronengelb, nach dem Erkalten schwefelgelb, in dünnen Lagen bläulichweiß. Kadmium. brennt in der Oxydationsflamme mit gelber Flamme u. gibt einen rothbraunen bis orangefarbenen Beschlag, der an der äußersten Grenze bunt erscheint. Molybdän ist in der Löthrohrflamme nicht schmelzbar, oxydirt sich aber in der äußeren Flamme u. gibt einen krystallinischen Beschlag, welcher in der Hitze gelb, nach dem Erkalten weiß ist. Selen ist leicht schmelzbar u. entwickelt einen blauen Rauch, welcher einen stahlgrauen, schwach metallglänzenden Beschlag bildet; dabei verbreitet sich ein starker Geruch nach verfaultem Rettig. Silber gibt einen schwachen dunkelrothen Beschlag von Silberoxyd. Tellur ist leicht schmelzbar u. liefert einen weißen Beschlag von telluriger Säure, welcher eine rothe od. dunkelgelbe Kante hat. Wismuth gibt einen in der Wärme dunkel orangegelben, nach dem Erkalten citrongelb werdenden Beschlag, welcher in dünnen Lagen bläulichweiß ist. Zink brennt in der Oxydationsflamme mit stark leuchtender grünlicher Flamme, entwickelt dabei einen dicken weißen Rauch, welcher sich auf die Kohle als Beschlag absetzt, dieser ist in der Hitze gelb, nach dem Erkalten weist. Zinn gibt im Reductionsfeuer einen nahe an der Probe befindlichen Beschlag, welcher in der Wärme gelb, nach dem Erkalten weiß ist. Weiße Beschläge geben noch Schwefelkalium u. Schwefelnatrium, Schwefelblei, Schwefelwismuth, Schwefelantimon, Schwefelzink u. Schwefelzinn; diese Beschläge sind theils unveränderte, verflüchtigte Schwefelmetalle, theils schwefelsaure Salze. Es folgt nun: d) Die Prüfung in de Platinzange, um die Schmelzbarkeit der zu untersuchenden Substanz zu prüfen u. die Färbung zu beobachten, welche der Löthrohrflamme dadurch ertheilt wird. Gelb wird die Löthrohrflamme durch Natron u. Natronsalze gefärbt, violett durch Kali u. die meisten seiner Salze, die Färbung ist nicht wahrzunehmen bei Gegenwart kleiner Mengen Natron. Roth wird die Löthrohrflamme gefärbt durch Kalk, Lithion u. Strontian, die Färbung ist bei ersterem nicht so intensiv als bei den beiden letzteren; grün färben die Flamme: Baryt, Molybdänsäure, Kupferoxyd, tellurige Säure, Phosphorsäure u. Borsäure; blau: Arsen, Antimon, Blei, Selen u. Verbindungen des Kupfers mit Chlor u. Brom. e) Prüfung in der Borax- u. Phosphorsalzperle auf Platindraht. aa) In der Boraxperle geben: Antimonoxyd, in der Oxydationsflamme eine gelbe, nach dem Erkalten farblose Perle, welche im Reductionsfeuer graulich u. trübe, bei fortgesetztem Erhitzen aber wieder klar wird, ebenso verhält sich Bleioxvd. Ceroxvd gibt eine dunkelgelbe Perle, welche beim Erkalten lichtgelb u. in der Reductionsflamme farblos wird; Chromoxyd ertheilt der Oxydationsflamme in geringer Menge eine gelbe Farbe, welche beim Erkalten in Grün übergeht, bei größerem Zusatz wird die Perle dunkelroth u. nach dem Erkalten grün; in der Reductionsflamme ist die Perle schön grün gefärbt. Didymoxyd färbt die Perle im Oxydationsfeuer dunkel amethystfarbig. Durch Eisenoxyd wird das Glas bei geringerem Zusatz gelb, in größerer Menge roth gefärbt, im Reductionsfeuer geht die Farbein Bonteillengrün über. Kobaltoxydul färbt die Perle intensiv smalteblau, sowohl im Oxydations- als auch im Reductionsfeuer, bei größerem Zusatz wird die Farbe dunkelblau bis schwarz. Manganoxyd färbt im Oxydationsfeuer intensiv amethystfarbig, bei der Reduction verschwindet die Farbe. Molybdänsäure ist in der Oxydationsflamme zu einem klaren [534] Glase auflöslich, welches bei größerem Zusatz gelb wird, im Reductionsfeuer wird die Perle braun u. undurchsichtig, das Molybdänoxyd wird in Form schwarzer Flöckchen abgeschieden. Nickeloxydul gibt schon in geringen Mengen ein in der Wärme violett gefärbtes u. beim Erkalten blaß rothbraun werdendes Glas, welches bei der Reduction grau u. trübe od. undurchsichtig wird. Platinoxyd wird in der Boraxperle reducirt, ohne sich aufzulösen, ebenso verhalten sich die Platinmetalle (Palladium, Rhodium, Iridium, Ruthenium). Silberoxyd wird in der Perle zum Theil aufgelöst, zum Theil reducirt, dieselbe erscheint nach dem Erkalten milchigweiß od. opalartig. Tantalsäure löst sich leicht zu einem farblosen Glase auf, welches bei einem gewissen Zusatze unklar geflattert werden kann u. bei einem größeren Zusatze emailleweiß wird; ähnlich verhalten sich Niobsäure u. Pelopsäure. Uranoxyd verhält sich wie Eisenoxyd, gibt aber helle gefärbte Gläser. Vanadinsäure löst sich zu einem farblosen od. gelben Glase auf, welches in der Reductionsflamme bräunlich erscheint u. nach dem Erkalten schön chromgrün wird. Wismuthoxyd ertheilt der Boraxperle im Oxydationsfeuer eine gelbe Färbung, in der Reductionsflamme wird das Glas grau u. trübe. Wolframsäure färbt die Perle bei einem großen Zusatz gelb, bei noch größerem Zusatz kann das Glas emailleartig geflattert werden, in der Reductionsflamme wird es dunkelgelb u. nach dem Erkalten gelblichbraun. Zinkoxyd löst sich leicht zu einem klaren, farblosen Glase auf, das bei einem größeren Zusatz emailleartig geflattert werden kann; im Reductionsfeuer wird das Glas unklar u. graulich, nach längerem Blasen aber wieder klar. Zinnoxyd ist schwer zu einem klaren Glase auflöslich, welches nach der Abkühlung klar bleibt, bei größerem Zusatz wird die Perle unklar, verliert ihre Form u. zeigt undeutliche Krystallisation. bb) Die Phosphorsalzperle dient bes. zur Unterscheidung der Metalloxyde, welche mit diesem Salze weit bestimmtere Farben erzeugen als mit dem Borar; es ist ferner ein bes. gutes Reagens auf Silicate, deren Kieselerde von den Basen abgeschieden wird u. sich als sogenanntes Kieselskelet in der Perle zeigt. Antimonoxyd löst sich in der Phosphorsalzperle zu einem klaren Glase auf, welches in der Wärme schwach gelblich erscheint. Bleioxyd verhält sich in größerer Menge wie zu Borar, ebenso Ceroxyd u. Didymoxyd. Chromoxyd löst sich zu einem klaren Glase, welsches in der Wärme röthlich u. nach dem Erkalten schön grün erscheint, im Reductionsfeuer werden die Farben nur etwas dunkler. Eisenoxyd färbt die Perle gelblich roth, unter der Abkühlung geht die Farbe in gelb u. dann in grün über u. verschwindet nach dem Erkalten, bei großem Zusatz ist die Perle nach dem Erkalten bräunlich roth; im Reductionsfeuer wird von einem geringen Zusatz die Perle nicht gefärbt, bei größeren Mengen ist sie in der Wärme roth, wird unter der Abkühlung gelb, dann grünlich u. nach dem Erkalten röthlich. Kobaltoxydul verhält sich wie zu Borax, die Färbung ist beim Phosphorsalz aber weniger intensiv, Kupferoxyd in geringer Menge gibt ein warm grünes, kalt blaues Glas, ein großer Zusatz macht die warme Perle undurchsichtig, nach dem Erkalten wird sie grünlichblau; im Reductionsfeuer wird das Glas dunkelgrün u. beim Erkalten undurchsichtig braunroth. Manganoxyd gibt dieselbe Färbung wie mit Borax. Nickeloxydul löst sich zu einem röthlichen Glase auf, welches beim Erkalten gelb, bei größerem Zusatz röthlichgelb erscheint. Uranoxyd gibt in der Oxydationsflamme eine nach dem Erkalten gelbgrüne Perle, in der Reductionsflamme ist die Farbe schön grün. Wolframsäure färbt die Perle in der Oxydationsflamme erst bei einem großen Zusatz gelb, in der Reductionsflamme wird sie blau. Zinkoxyd u. Zinnoxyd verhalten sich in der Phosphorsalzperle wie zu Borar. f) Prüfung mit Soda auf Kohle. Man beobachtet, ob beim Zusammenschmelzen mit Soda ein Aufbrausen stattfindet, was die Gegenwart von Kieselerde, Titansäure, Wolframsäure od. Molybdänsäure anzeigt; ferner ob der geschmolzene Körper reducirt wird (s.u. 4) a), od. ob er ohne Veränderung auf der Kohle zurückbleibt. Beim Schmelzen mit Soda nimmt diese zuweilen eine grüne Farbe an, welche nach dem Erkalten türkisfarben erscheint, dies zeigt die Gegenwart kleiner Mengen von Mangan an.
Plattner, der sich um den Gebrauch des Löthrohrs große Verdienste erworben hat, hat die L. auch für quantitative Analysen in Anwendung gebracht, namentlich für metallurgische Zwecke; er hat bes. quantitative Löthrohrproben für Silber, Gold, Kupfer, Blei, Zinn, Nickel, Kobald u. Eisen ausfindig gemacht, welche aber eine besondere Übung u. große Geschicklichkeit voraussetzen. Vgl. Plattner, Die Probirkunst mit dem Löthrohr, 1835, 2. Aufl. 1847; T. Bergmann, De tubo ferruminatorio ejusque usu in exploraudis corporibus praesertim mineralibus, Wien 1779 (ins Schwedische übersetzt von Hjelm, 1781); Berzelius, Anwendung des Löthrohrs in der Chemie, 1821; Harkort, Probirkunst mit dem Löthrohr, 1. Heft die Silberprobe, 1827; Scheerer, Löthrohrbuch, Braunschw. 1857.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.