Sforza

Sforza

Sforza, ein italienisches Fürstengeschlecht, welches bes. im 15. u. 16. Jahrh. eine hervorragende Rolle spielte, dem Herzogthum Mailand sechs Regenten gab u. mit den meisten europäischen Fürstenfamilien Verbindungen anknüpfte. Merkwürdig sind: 1) Giacomuzio Attendolo, Stammvater des Geschlechts, Sohn eines Bauern aus Cotignola, zwischen Imola u. Faenza, geb. 1369. Da ihm die Landwirthschaft keine Freude machte, so folgte er als Jüngling einer Condottieribande, bei welcher er sich bald durch Tapferkeit auszeichnete u. den Beinamen S. (der Erzwinger) erhielt. Schon 1401 hatte er eine Compagnie von 150 Kriegern, mit welcher er der Stadt Florenz diente u. 4 Jahre später ein Regiment von 600 bis 1000 Mann, bei welchem er viele seiner Verwandten angestellt hatte. Er wechselte öfters die Herren u. trat endlich in Dienste des Königs Ladislaus von Neapel, wo er auch nach dessen Tode (1414) unter der Regierung der Königin Johanna II. blieb. Nachdem er von dem Geliebten Johannas, Pandolfo Alopo, aus Eifersucht verfolgt u. sogar verhaftet worden war, verheirathete er sich 1415 mit dessen Schwester, wurde aber einen Monat darauf, dieser Verwandtschaft wegen u. als ein Anhänger Alopos, durch Johann von Bourbon, den Gemahl Johannas, in [929] Benevent eingezogen. Im Sept. 1416 erhielt er seine Freiheit wieder u. dazu bedeutende Lehngüter für seine Treue gegen die Königin. Lange Zeit fand er in dem Condottiere Braccio di Montone einen Nebenbuhler, welcher fast immer der entgegengesetzten Partei diente, u. in den Kriegen von 1417–20 war S. gewöhnlich der unterliegende Theil. Auch als der Papst Martin V. ihn bewog aus Johannas Diensten in die Ludwigs III. von Anjou überzutreten, fand er Braccio wieder als Gegner u. sein Heer wurde 1422 ganz aufgerieben. Jetzt söhnten sich beide Nebenbuhler mit einander aus u. Braccio bewog die Königin dem S. zu verzeihen, welche ihn auch kurz darauf zum Connetable des Königreichs ernannte. Als solcher erhielt S. den Auftrag Johannas Adoptivsohn, Alfons von Aragonien, den Gönner Braccios, aus Neapel zu vertreiben, er schlug Alfons u. Braccio, zwang Ersteren das Königreich zu verlassen u. brach dann zum Entsatz von Aquila auf. Hierbei aber ertrank er im Jan. 1424 in dem Peccarafluß, als er einen seiner Pagen retten wollte, welchen der Strom fortführte. S. hinterließ außer mehren ehelichen Kindern von seinen drei Frauen, zwei uneheliche Söhne, Franc. Alessandro u. Alessandro (s. Sforza 9). Der Sohn seiner ersten Gattin wurde der Stammvater der Grafen Santa Fiora. Die Krieger, welche unter seiner Fahne fochten, nannten sich nach ihm Sforzeschi. 2) Francesco I. Alessandro S., des Vor. natürlicher Sohn, 1450–65 Herzog von Mailand, s. Franz 14). 3) Galeazzo Maria S., des Vor. Sohn, 1465–76 Herzog von Mailand, s. Galeazzo 4). 4) Giovanni Galeazzo S., des Vor. Sohn, s. Galeazzo 5). 5) Luigi Moro S., Sohn von Franc. Aless. S. 2), Usurpator in Mailand 1476–1500, s. Ludwig 89). 6) Maximilian S., des Vor. S., 1512–15 Herzog von Mailand, s. Maximilian 81. 7) Francesco II. S., des Vor. Bruder u. Nachfolger im Herzogthum Mailand, regierte 1521–35, s. Franz 15); über diese alle vgl. auch Mailand S. 734. 8) Margarethe, Schwester von S. 1), befreite denselben dadurch aus der Gefangenschaft Johanns von Burgund, daß sie vier vornehme Neapolitaner fing, welche an ihrer Burg vorüberreisten, u. als Geißeln behielt, bis ihr Bruder freigelassen war. 9) Alessandro, natürlicher Sohn von S. 1), geb. 1409 in Cotignola. Der Papst Martin V. wollte ihn, als sich sein Vater auf sein Zureden an Ludwig III. anschloß, bei sich behalten u. zum Geistlichen erziehen, aber er kehrte zu seinem Vater zurück, um sich unter diesem für den Krieg zu bilden. Nach dessen Tode (1424) blieb er bei seinem Bruder Francesco in Mailand, stand diesem in allen seinen Unternehmungen bei u. vertheidigte 1441 dessen Lehen in Neapel gegen die Angriffe des Königs Alfons. 1445 heirathete er Constanze von Varano, die Nichte des Galeazzo Malatesta, welcher ihm die Herrschaft Pesaro abtrat. Nach Constanzens frühem Tode suchte Sigismund Malatesta ihm Pesaro wieder zu entreißen, aber durch seinen Bruder Francesco erhielt sich Alessandro im Besitz der Herrschaft. Er leistete nun dem König Ferdinand von Sicilien gute Dienste u. wurde von demselben zum Großconnetable des Reiches ernannt; in den Kämpfen mit Jakob Piccinino u. Robert Malatesta zeichnete er sich aus u. st. 1473. 10) Constantin, Sohn des Vor., folgte diesem als Regent der Herrschaft Pesaro; stand seinen Vorfahren als Feldherr sehr nach u. war an der Niederlage schuld, welche die Florentiner am 7. Sept. 1479 unter seiner Anführung bei Poggio imperiale durch Alfons von Calabrien erlitten. Er stand als General abwechselnd in florentinischen u. venetianischen Diensten u. st. im Juli 1483. 11) Giovanni, der natürliche Sohn des Vor. u. sein Nachfolger in Pesaro, vermählte sich im Juni 1493 mit Lucrezia Borgia, der Tochter des Papstes Alexander VI., welche sich aber schon 1497 wieder von ihm scheiden ließ. Cäsar Borgia griff ihn hierauf an u. zwang ihn zur Abtretung Pesaro's gegen einen Jahrgehalt; Giovanni zog sich nach Venedig zurück, wo er 1501 starb; mit ihm erlosch die Seitenlinie der S-s, welche 55 Jahre Pesaro regiert hatte. 12) Katharina S., die natürliche Tochter des Herzogs Galeazzo Maria S. von Mailand. Sie vermählte sich 1484 mit Hieronymus Riario, dem Neffen des Papstes Sixtus IV., welcher die Herrschaft Imola gekauft u. Forli usurpirt hatte. Dieser, nicht beliebt, wurde nach Sixtus' Tode durch eine Verschwörung in Forli ermordet u. Katharina u. ihr Sohn Ottavio gefangen. Indessen übergab der Commandant der Citadelle von Forli dieselbe nicht, sondern erklärte, daß er blos der Wittwe seines Herrn gehorchen würde, wenn sie in Freiheit wäre. Die Verschwörer sendeten Katharinen, welche ihnen versprach den Commandanten zur Übergabe zu bereden, in die Festung u. behielten ihren Sohn als Geißel zurück. Kaum in der Citadelle angekommen, stieg sie auf den Wall u. befahl den Verschwörern die Waffen niederzulegen. Diese drohten ihr mit der Ermordung ihres Sohnes, aber Katharina hob ihre Kleider auf u. rief ihnen die Worte zu: Hier könnt ihr sehen, daß ich noch andere gebären kann. Dadurch überzeugt, daß diese Frau weder Mutterliebe noch Furcht kenne, ergaben sich die Empörer. Ottavio wurde jetzt unter der Vormundschaft seiner Mutter Fürst von Forli u. Imola, u. Katharina führte 12 Jahre die Regierung u. verheirathete sich ins Geheim mit Giovanni dei Medici, dem Großvater des Cosmo dei Medici, des ersten Großherzogs von Toscana. 1499 griff Cäsar Borgia die Staaten Katharinas an, eroberte dieselben u. nahm die Fürstin auf der Bresche des Forts von Forli gefangen, welches sie bis auf den letzten Mann vertheidigt hatte. Auf französische Verwendung jedoch bald darauf wieder freigegeben, begab sie sich nach Florenz, wohin ihr Sohn beim Ausbruch des Krieges geschickt worden war u. starb hier. – Von den verschiedenen Nebenlinien existirt noch die in Rom blühende der Herzöge von S.-Cesarini, welche von Bosio S., einem Bruder von S. 10) abstammen, später Grafen von Santa Fiora in Toscana wurden, das Haus Aldobrandeschi beerbten u. sich mit der römischen Familie Cesarini verheiratheten. Vgl. Ratti, Della famiglia S., Rom 1794.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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