Johanna [1]

Johanna [1]

Johanna (span. Joasia, franz. Jeanne, ital. Giovanna, engl. Jenny). I. Aus der Bibel: 1) J., die Frau des Thufa, eines königl. Aufsehers, Freundin Jesu, unterstützte diesen bei der Kreuzigung. II. Fürstinnen: A) Königinnen: a) Von Aragonien: 2) I. Henriquez, Tochter des Grafen von Melgar; heirathete in zweiter Ehe 1444 Johann II., König von Navarra u. dann von Aragonien, über welchen sie große Gewalt bekam, u. gebar ihm Ferdinand den Katholischen. Da die Tatalonier sie im Verdacht hatten, ihren Stiefsohn, den Prinzen Karl von Viana, vergiftet zu haben, so empörten sie sich gegen J. u. belagerten sie 1463 zu Gerona. Der Graf von Foix entsetzte sie, allein schon 1467 mußte sie die Waffen wieder gegen einen neuen Aufstand, an dessen Spitze der Prätendent Johann von Lothringen stand, führen u. bewies hierbei Muth u. Umsicht; sie st. 1468, s. Spanien (Gesch.). b) Von Armenien: 3) J., Tochter des Fürsten Philipp von Tarent, Gemahlin Oschins, seit 1320 Vormünderin ihres Sohnes Leo IV., s. Armenien (Gesch.) II. B) c). c) Von Castilien: 4) J., Tochter des Königs Eduard von Portugal, seit 1455 zweite Gemahlin Heinrichs des Unvermögenden; sie wurde von Bertrand de Cueva Mutter einer Tochter (s. Johanna 21), vgl. Heinrich 14), die aber 1474 nach dem Tode Heinrichs nicht folgte, weshalb J. in ein Kloster ging, wo sie 1481 starb. 5) J., Tochter u. nach dem Tode ihres Bruders Johann u. ihrer Schwester Isabella einzige Erbin Ferdinands des Katholischen u. Isabellens von Castilien, geb. 14797 vermählt 1496 mit dem Erzherzog Philipp von Österreich, welchem sie Karl V. u. Ferdinand I. gebar, verfiel aber, von ihrem Gemahl oft durch Untreue hintergegangen, in stillen Wahnsinn u. st. 1555. d) Von England: 6) J. Seymour, Tochter eines englischen Edelmanns, Ehrenfräulein bei der Königin Anna Boleyn, wo sie die Liebe von deren Gemahl, König Heinrich VIII., gewann u. eine der Ursachen wurde, warum 1536 der König diese seine zweite Gemahlin hinrichten ließ; sie vermählte sich gleich den anderen Tag mit Heinrich, st. aber schon 1537 im Wochenbett mit Eduard VI. e) Von Frankreich: 7) J. Erbtochter Heinrichs I. von Navarra, geb. 1272; vermählt 1284 mit Philipp dem Schönen, brachte dadurch Navarra an Frankreich, zog gegen den Grafen von Bar, welcher 1297 in ihr Heirathsgut, die Grafschaft Champagne, eingefallen war, selbst zu Felde u. nahm ihn gefangen, stiftete in Paris das Collegium Navarra u. st. 1305 zu Vincennes. 8) J., Tochter des Grafen Otto IV. von Burgund; vermählt 1307 mit Philipp V. von Frankreich, wurde 1313 des Ehebruchs angeklagt, aber unschuldig befunden, von ihrem Gemahl wieder angenommen u. st. 1329 auf einer Reise zu Roye in der Picardie. 9) J. von Evreux, Tochter des Grafen Ludwig von Evreux, geb. 1310: vermählt 1324 mit König Karl IV. von Frankreich; st. zu Brie-Comte Robert 1370. 10) J., dritte Tochter des Herzogs Robert II. von Burgund; vermählt 1313 mit König Philipp VI.; st. 1348. 11) J., Tochter u. Erbin des Grafen Wilhelm von Boulogne u. Auvergne; wurde 1338 mit Philipp von Burgund vermählt, u. als dieser 1346 fiel, 1350 mit Johann, Herzog der Normandie, später als Johann II. König von Frank. reich, nach dessen Gefangenschaft 1356 zog sie sich nach Burgund zurück, wo sie Vormünderin über ihre Kinder erster Ehe wurde, u. st. 1360. 12) J., Tochter des Herzogs Peter I. von Bourbon, geb. 1337 in Vincennes; 1349 mit Humbert Dauphin von Viennois versprochen, heirathete, da diese Heirath wieder zurückging, den Kronprinzen Karl, nachmals Karl V. von Frankreich, wurde 1364 Königin, u. st. 1378. 13) J., Tochter Königs Ludwig XI., geb. 1464; häßlich, aber gut, vermählt 1476 mit Ludwig, Herzog von Orleans, nachmaligen König Ludwig XII., welcher sich aber, da er sie nicht liebte, 1498 wieder von ihr scheiden ließ; sie zog sich nach Bourges zurück, wo sie den Annunciatenorden stiftete, sie st. 1505. f) Von Navarra: 14) J., s. Johanna 7). 15) J., einzige Tochter Ludwigs X. von Frankreich u. der Margaretha von Burgund, geb. 1311, heirathete den Grafen Philipp von Evreux; folgte nach ihres Vaters Tode 1316 in Navarra, Champagne u. Brie vertauschte aber 1328 Champagne u. Brie gegen Mortain u. Augônieme, u. st. 1349, s.u. Spanien (Gesch). 16) J., Tochter Heinrichs II. von Albret, geb. 1537; vermählt, erst seit 1541 mit dem Herzog Wilhelm von Kleve, in zweiter Ehe 1548 mit Anton von Bourbon, Herzog von Vendome, mit welchem sie 1555 in Navarra folgte; 1562 Wittwe geworden regierte sie allein u. erzog ihren Sohn Heinrich IV., nachmaligen König von Frankreich, trefflich; führte die Lehre Calvins in Navarra ein u. st. 1572 in Paris, wo sie zur Hochzeit ihres Sohnes war, s. ebd. u. Hugenotten. g) Von Neapeln. Sicilien: 17) J. I., geb. 1326, Erbtochter des Herzogs Karl von Calabrien, welcher J. gern die Erbschaft sichern wollte u. sie daher in einem Alter von 7 Jahren an Andreas, den siebenjährigen Sohn des Königs von Ungarn, vermählte, welcher Ansprüche auf den Thron von Neapel hatte. Andreas erzürnte aber J. durch Strenge u. Brutalität; 1343 folgte J. ihrem Großvater, u. nachdem sie ihren Gemahl Andreas 1345 zu Aversa hatte erdrosseln lassen, heirathete sie 1347 ihren Geliebten, Ludwig von Tarent, nach dessen Tode 1362 Jakob von Aragonien, König von Majorca, u. nach dessen Tode 1375 Otto von Braunschweig; sie regierte mit Unterbrechung bis 1382, wo sie den 12. Mai in dem Schlosse Muro von ihrem angenommenen Sohne, Karl Durazzo, mit welchem sie sich entzweit u. darauf Ludwig von Anjou adoptirt hatte, gefangen u. in Federbetten erstickt, nach Anderen enthauptet wurde, s.u. Neapel (Gesch.). 18) J. II., Tochter Karls von Durazzo, geb. 1371; 1404 vermählte sie sich mit Wilhelm von Österreich, welcher schon 1406 starb, worauf sie an den Hof ihres Bruders Wladislaw zurückkehrte, hier Zeugin von dessen Ausschweifungen wurde u. bald dessen Beispiel nachahmte. 1414 succedirte sie ihrem Bruder; sie überhäufte ihre Günstlinge, unter ihnen Pandolfello Alopo u. Carraccioli mit Ehrenstellen u. st. 1435; s.u. [966] Neapel (Gesch.). h) Königin von Schottland: 10) J. von Somerset, wurde vom König Jakob I. von Schottland kurz nach seiner Entlassung aus englischer Gefangenschaft 1424 geheirathet; 1427 wurde sie bei der Ermordung ihres Gemahl zu Perth, indem sie denselben gegen die Mörder auf das Tapferste vertheidigte, selbst schwer verwundet. i) Königin von Spanien: 20) J., so v.w. Johanna 5). k) Von Portugal: 21) J., Tochter der Johanna (s.d. 4) von Castilien u. angeblich Heinrichs (s.d. 14) des Unvermögenden, geb. 1462; sie erhielt nach Heinrichs Tode die Regierung nicht (s.u. Spanien [Gesch.]), deshalb floh sie nach Portugal u. heirathete dort 1475 den König Alfons V.; starb 1522 im St. Clarenkloster zu Santarem.

B) Andere Fürstinnen: a) Herzogin von Brabant: 22) J. von Flandern, Tochter Ludwigs von Flandern, Grafen von Nevers; vermählte sich mit Johann IV. von Montfort, Herzog von Bretagne, u. st. 1345, s. Bretagne (Gesch). 23) J. die Hinkende, Enkelin Arthurs II. von Bretagne u. Tochter des Grafen Veit von Penthièvre, vermählt an Karl von Blois, machte 1341, als ihr Oheim Johann III., Herzog von Bretagne, st., von diesem zum Erben eingesetzt, Ansprüche auf dieses Land, was Veranlassung zu langem Kriege gab; sie st. 1405; s.u. Bretagne (Gesch.). 24) J., Tochter Johanns III. von Brabant; vermählt 1334 mit dem Grafen Wilhelm IV. von Hennegau u. Holland u. nach dessen Tode 1342 mit Wenzel von Luxemburg, folgte 1355 ihrem Vater in Brabant, dankte, da sie kinderlos blieb, bejahrt 1404 zu Gunsten ihres Neffen Anton von Flandern ab u. st. 1406 in Brüssel, s. Brabant (Gesch.). b) Gräfin von Flandern u. Hennegau: 25) J., Tochter Balduins IX., geb. 1193; vermählt mit Don Fernando von Portugal u. 1237 mit Thomas von Savoyen; erbte von ihrem Vater 1205 (1209) Flandern u. Hennegau u. regierte bis an ihren Tod 1244, s.u. Flandern (Gesch.). c) Gräfin von Toulouse: 26) J., Erbtochter des Grafen Raimond VII. von Toulouse; vermählt um 1234 mit Alfons von Poitiers, Sohn des Königs Ludwig VIII. von Frankreich, brachte diesem nach dem Tode ihres Vaters 1249 einen Theil von Toulouse zu, während der andere ihrem Bruder verblieb; sie u. ihr Gemahl st. 1271.

III. Andere merkwürdige Personen: 27) Die Päpstin J. soll eigentlich Gilberta od. Agnes geheißen haben, die Tochter eines englischen Missionärs gewesen u. in Ingelheim (od. in Mainz) geboren worden sein, mit einem Mönche aus dem Kloster Fulda entflohen sein, zu Athen griechische Literatur studirt haben, dann von ihrem Geliebten nach Rom gebracht sein u., ihr Geschlecht verbergend, den Namen Johannes Anglicus geführt, eine Schule angelegt, viele Große gewonnen u. sich 854 bis zum Papste aufgeschwungen u. den Namen Johann VIII. (zwischen Leo IV. u. Benedict III., also in der Zeit zwischen 847 u. 855) angenommen haben. Von einem Hofofficianten schwanger geworden, soll sie bei einer Procession durch unvermuthete Geburtswehen ihr Geschlecht verrathen haben, bei der Niederkunft unsern des Colosseums 856 gestorben u. vom Volke zerrissen, nach Anderen sogleich begraben worden sein. Seit dieser Zeit sollen die Päpste bei der Krönung die Stelle beim Colosseum vermieden haben, u. seit Honorius II. 1061 bis Leo X. mußten sich die Päpste wirklich auf eine Art Nachtstuhl (Sellestercoraria) von rothem Marmor, welcher noch jetzt in der Laterankirche vorgezeigt wird, setzt um dort von dem jüngsten der Diakonen untersucht zu werden, ob sie wirklich männlichen Geschlechts u. keine Verschnittenen (die zu geistlichen Ämtern unfähig sind) wären. Diese Erzählung, zuerst in dem Chronikon des Marianus Scotus vom 11. Jahrh. u. von Sigbert von Gemblours im 1 2. Jahrh. vollständiger von Martinus Polonus im 13. Jahrh. mitgetheilt, aber dem gleichzeitigen Bibliothekar Anastasius, so wie anderen Zeitgenossen u. den nächsten Jahrhunderten gänzlich unbekannt u. dem Clemens Sylvius zuerst widerlegt, hält man von Blondels Widerlegung (Question si une femme a été assise en siège papal de Rome entre Léon IV. et Bénoit III., Amst. 1649; Jeanna Papissa etc., ebd. 1657) für eine Fabel (W. Smets, Das Mährchen von der Päpstin J., Köln 1829), u. zwar haben sie Einige (Henke) für ein symbolischsatyrisches Gemälde der Pseudisidorischen Decretalien, Andere (Schmidt) als ein Mißverständniß aus der Sella stercoraria, Andere (Schröckh) endlich als eine Satyre auf das weibische Leben einiger Päpste erklärt. Vertheidigt hat die Geschichte Fr. Spanheim: De Johanna papissa, Luden u. N. C. Kist. Wahrscheinlich ist es eine blose Sage u. die Veranlassung zu derselben liegt in der Erinnerung an eine Zeit, als hochbegabte, ausschweifende Frauen die Päpste regierten. Vgl. Bianchi-Giovini, Esame critico degli atti e documenti della Papessa Giovanna, Mailand 1845. 28) J. d' Arc, s. Jeanne d' Arc. 29) J. von Kent, s. Butcher. 30) I. Gray, s. Gray 1). 31) Sta. J. Francisca von Chantal, s. Fremiot.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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