Spinnmaschine

Spinnmaschine

Spinnmaschine, 1) (Feinspinnmaschine, Feinstuhl), von Wasser od. Dampf getriebene Maschine, mit welcher auf vielen Spindeln Garn gesponnen wird, wobei das Ausziehen der Fasern zu einem Faden nicht mit der Hand, sondern von der Maschine selbst bewirkt wird (vgl. Spinnen 1) A) c). Der Verbesserung u. Vervollkommnung der S-n verdankt nicht blos die Spinnerei, sondern auch die Weberei ihren gegenwärtigen Aufschwung. Am frühesten u. am vollkommensten entwickelten sich die Maschinen für die Baumwollspinnerei. Zwar erfand schon 1763 der Brite James Hargreaves eine S., welche von Menschenhand gedreht wurde u. 8 Spindeln hatte; doch beginnt die Geschichte der S. eigentlich mit der Erfindung der Streckcylinder durch den Engländer Richard Arkwright im Jahr 1769. In England wurde nun die Maschinenspinnerei immer mehr ausgebreitet; in Frankreich ward die erste S. 1787, in der Schweiz 1798 die erste S. in St. Gallen errichtet. Auch in einigen Ländern des Zollvereins, namentlich auch in Sachsen, hat sich die Maschinenspinnerei, sowie der Bau von S-n auf eine beträchtliche Höhe erhoben, u. es wird gegenwärtig der Bedarf fast ausschließlich durch die inländischen Spinnereien gedeckt; nur die feinsten Garne werden aus England u. der Schweiz bezogen, s. Baumwolle III. C) b. Verschiedenheite der S-n treten hervor a) rücksichtlich des Ausziehens der Faden; in dieser Beziehung haben zwei Methoden bei den S-n Anwendung gefunden, nämlich: [563] aa) ein zur Fadengestalt vorbereitetes Stück Spinnmaterial (Band, Locke, Vorgespinnst) wird an einem Punkte festgehalten u. an einem anderen, mehr od. weniger entfernten Punkte angefaßt u. gezogen, so daß sich der noch lockere Faden verlängert u. entsprechend verfeinert. Man wendet dabei entweder eine Presse od. ein Paar Vorziehwalzen an. Die Presse besteht ans zwei horizontal übereinander liegenden Hölzern, zwischen denen der noch lockere Faden hindurch geht u. an der ihm seine Drehung ertheilenden Spindel befestigt ist; entweder ist die Presse fest u. die Spindel auf einem Wagen beweglich, od. die Presse auf Laufrädern beweglich u. die Spindel fest; im Anfange der Bewegung ist die Presse offen u. es wird ein entsprechendes Stück Spinnmaterial zwischen Presse u. Spindel gezogen, dann schließt sich die Presse, klemmt den Faden fest u. die weitere Bewegung ertheilt ihm die Streckung, d.h. die Verlängerung u. Verfeinerung. Ähnlich ist der Vorgang, wenn man die Balken der Presse durch zwei aufeinander liegende um ihre Achse drehbare Vorziehwalzen ersetzt, welche im Zustande der Ruhe den Faden fest halten, dagegen der sich geradlinig fortbewegenden Spindel das nöthige Material liefern, wenn sie sich um ihre Achse drehen. bb) Die Streckung wird nicht auf einmal, sondern nach einander u. an verschiedenen Stellen ertheilt. Das Mittel dazu sind die Streckwalzen; bei jedem Walzenpaare ist die untere Walze eine eiserne mit Längskerben versehene Riffelwalze, welche vom Räderwerk umgedreht wird u. die auf ihr liegende, durch eine Feder od. ein Gewicht gegen sie angedrückte, eiserne od. hölzerne, gewöhnlich mit Leder überzogene Lederod. Druckwalze durch die Reibung am Umfange mitnimmt; 2–4 Paare liegen hinter einander, u. da jedes folgende Paar sich schneller bewegt als das vorhergehende, so muß der noch lockere Faden zwischen je 2 Paaren eine Streckung erleiden, welche um so größer ausfällt, je mehr die Umfangsgeschwindigkeiten der Walzenpaare von einander verschieden sind. Der Erfolg ist von der Entfernung zwischen 2 Walzenpaaren wesentlich abhängig; diese Entfernung soll so gewählt werden, daß jede Faser stets von dem einen od. dem anderen Paare erfaßt ist. b) Rücksichtlich der Spindel; diese ist entweder der Spindel am Handspinnrade (s. Spinnrad 1) a) ähnlich, nur von Stahl u. fast senkrecht stehend, od. sie hat einen Flügel wie die Spindel des Trittspinnrades (s. Spinnrad 1) b), u. der Faden zieht die auf der senkrechten Spindel steckende u. auf dieser auf- u. niedergehende Spule langsamer nach, als die Spindel umgedreht wird. Die Spindeln erhalten jederzeit eine sehr große Umdrehungsgeschwindigkeit durch um sie gelegte endlose Schnuren. c) Hinsichtlich der Verbindung zwischen Ausziehen u. Aufwickeln. Das Ausziehen u. Drehen des Fadens erfolgt stets zu gleicher Zeit u. ununterbrochen; das Aufwickeln des gesponnenen Fadens erfolgt theils ebenfalls ununterbrochen u. gleichzeitig mit dem Ausziehen, theils absatzweise u. zwar mit dem Ausziehen abwechselnd; ersteres ist bei Spindeln mit Spule, letzteres bei Spindeln ohne Spule der Fall. Demnach gibt es vier Klassen von S-n: Jennymaschine (s.d.), mit Presse u. Spindeln ohne Spule, nur noch bei Streichwolle; Cylindermaschine, mit Vorziehwalzen u. Spindeln ohne Spule, für Streichwolle; Mulemaschine (s.d., Mulejennyn, Mulljenny), mit Streckwalzen u. Spindeln ohne Spule; letztere befinden sich auf einem Wagen, welcher beim Hingange die Fäden straff hält u. zugleich noch etwas streckt, beim Rückgange die Fäden auf die Spulen aufwickelt; für Baumwolle u. Kammwolle. Der Wagen wird entweder vom Spinner mit der Hand (daher Handmule) od. von der Maschine selbst (dann selbstspinnende Mule od. Selfactor) heraus u. herein bewegt. Endlich Water (Wasser-) maschine (Drosselstuhl), mit Streckwalzen u. Spindeln mit Spule; bes. für langfaseriges Material od. starkgedrehte, nicht zu seine Garne (Water- od. Wassergarne), bes. kammwollene Kettengarne u. Garne aus Flachs, Hanf, Werg. 2) In weiterem Sinne diejenigen Maschinen, welche die spinnbaren Stoffe für das Spinnen auf den Feinspinnmaschinen vorbereiten, bes. diejenigen (Vorspinnmaschinen), welche das auf den letzteren zu Garn versponnene Vorgespinnst liefern. Die Zahl, Einrichtung u. Aufeinanderfolge dieser Maschinen richtet sich nach dem Spinnmaterial. A) S-n für Baumwolle. Nach dem Reinigen, Auflockern, Kratzenn. Laminiren (s.u. Baumwolle III.) kommt das Vorspinnen auf der Vorspinnmaschine. Gewöhnlich wendet man zwei verschiedene Vorspinnmaschinen nach einander an, von denen die erste das grobe od. starke Vorgespinnst (Lunte, Docht), die zweite das seine Vorgespinnst (Vorgarn) liefert Die Vorspinnmaschine ertheilt dem Vorgespinnst entweder einen bleibenden Draht, welcher jedoch so schwach sein. muß, daß er das noch folgende Strecken nicht hindert, od. einen vorübergehenden Draht, d.h. einen solchen, welcher nur während des Vorspinnens vorhanden ist, darauf aber durch die Vorspinnmaschine sogleich wieder befestigt wird. Ersteres ist der Fall bei der Laternenbank (s.d., Flaschen-, Drill-, Drehmaschine, Roving frames), bei der Spulenmaschine (s.d.), bei der Banc Abegg (bei welcher das Vorgespinnst beim Durchgang durch eine um ihre Achse bewegte Scheibe eine Drehung erhält u. auf eine feststehende, aufrechte Spindel aufgewunden wird), bei der Spindelbank (s.d.) u. bei der Vorspinnmule (Grobstuhl), welche der Feinspinnmulemaschine (s. oben) ähnlich ist; letzteres ist der Fall bei der Röhrenmaschine (s.d.), bei der Eklipsmaschine, bei welcher die Fäden zwischen den beiden Theilen eines endlosen Riemen gerollt u. so vorübergehend gedreht werden, u. bei der ähnlich wirkenden Würgelmaschine (Rota frotteur). Das erste Vorspinnen erfolgt auf der Laternenbank, od. auf einer Spindelbank (Grobflyer, Vorflyer) od. einer der andern genannten Maschinen; das zweite Vorspinnen auf einer Spindelbank (Feinflyer), einer der andern Maschinen od. auch auf der Vorspinnmule, welche jedoch nur bei sehr feinen Garnen angewendet wird; häufig wendet man 3–5 Flyer an u. nennt diese Vor-, Grob-, Fein-, Doppelsein- od. Tout-fin-, u. Extradoppelfeinflyer. Das Feinspinnen erfolgt auf einer Mule- od. Watermaschine. B) S-n für Flachs. Die ersten gelungenen Versuche den Flachs auf S-n zu spinnen. wurden um 1810 von Girard in Paris gemacht; zu der gegenwärtigen Vollkommenheit u. Ausdehnung haben erst die letzten 30 Jahre die Maschinenflachsspinnerei nach u. nach gebracht, den Vorbereitungsproceß beim Spinnen des Flachses s.u. Flachs III. Als Vorspinnmaschine verwendet man eine Spindelbank od. eine Röhrenmaschine (s. oben A). Das Werg wird beim Spinnen auf S-n zuerst auf verschiedenen[564] Wergreinigungsmaschinen durch Schütteln od. Schlagen von der Schäbe befreit, dann auf Wergkratzmaschinen (s. Kratze 1) B) c) gekratzt, darauf das Band auf 2–3 Streckmaschinen (Wergbandmaschinen) gestreckt u. duplirt, endlich dem Vor- u. Feinspinnen auf ähnlichen Maschinen wie der Flachs unterworfen. C) S-n für Streichwolle. Nach dem Waschen u. etwaigen Färben der Wolle wird dieselbe stets auf dem Wolf od. Teufel aufgelockert, einer Maschine, welche dem Wolf der. Baumwollenspinnereien ähnlich ist; darauf wird die Wolle mit Fett getränkt (Einfetten), um sie schlüpfrig u. geschmeidig zu machen, u. nun auf Kratzen (s.d. 1) B) b) bearbeitet; die so erlangten Locken werden auf der Vorspinnmaschine (mit Presse u. mit Spindeln ohne Spule auf einem Wagen, welcher aus- u. eingefahren wird) zu Vorgespinnst verarbeitet u. endlich auf der Feinspinnmaschine (Jennymaschine od. Cylindermaschine, s. oben) zu Feingespinnst. In neuerer Zeit umgeht man meist die Bildung der Locken u. bildet das Vorgespinnst auf der letzten Kratze, welche man dann mit einer Vorrichtung versieht, wodurch das von der Kammwalze kommende Vließ in 20–40 Theile getheilt u. jeder derselben in einen Vorgespinnstfaden verwandelt wird; bei dieser Vorspinnkrempel sind nämlich meist zwei Kammwalzen (Peigneurs, daher Zweipeigneursystem, von Richard Hartmann in Chemnitz erfunden) vorhanden, jede nur mit schmalen von einander durch Zwischenräume getrennten Bändern aus Kratzbeschlag belegt; jedes dieser Bänder nimmt auf einen Streifen der Trommel die Wolle ab, u. da die Bänder auf beiden Kammwalzen gegen einander versetzt sind, so wird die Trommel ganz leer; von jeder Kammwalze nimmt ein Kamm od. Hacker die Wolle aus jedem Kratzbandstreifen gesondert ab, jede dieser Wollportion. erhält eine vorübergehende Drehung durch einen Würgelapparat u. wird auf eine Rolle aufgewickelt. D) S-n für Kammwolle. Die auf Maschinen od. mit der Hand gekämmte Wolle (s. Wollkämmen) wird auf verschiedenen Maschinensystemen (eigenthümliche Streckmaschinen, Spindelhänken, den Watermaschinen ähnliche Vorspinnmschinen) für das Feinspinnen vorbereitet u. dieses endlich theils auf Water-, theils auf Mulemaschinen vorgenommen; die Watermaschinen liefern fast ausschließlich Kettengarn, die Mulemaschinen dagegen Ketten- u. Schußgarn. 3) (Gold- u. Silbersp.), Maschine, mit deren Hülfe die Seidenfaden mit Gold- u. Silberlahn übersponnen werden, s. Spinnmühle 2), 4) Maschine, womit die übersponnenen Instrumentsaiten verfertigt werden; in einem Gestelle liegt ein eiserner Stab, welcher an jedem Ende ein Stirnrad hat u. an dem einen Ende auch eine Kurbel. Die Stirnräder greifen in ein Getriebe, wovon jedes mit einem Haken versehen ist, zwischen welchen man die Saite ausspannt. Während nun der Arbeiter mit der rechten Hand die Kurbel u. dadurch auch die Saite herumdreht, leitet er mit der linken Hand den Lahn od. den dünnen Draht auf dieselbe. 5) (Tabaksf.), s.u. Tabak.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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