Themse

Themse

Themse (engl. Thames [spr. Tems], franz. Thamise; im Alterthum Tamĕsis od. Tamesa bei den Angelsachsen Tämese), der größte Fluß Englands u. in commercieller Hinsicht der belebteste u. berühmteste der Welt; hat mehre Quellenflüsse, deren ansehnlichster häufig, obgleich ohne Grund, Isis genannt wird; dieser entspringt bei Cirencester in der englischen Grafschaft Gloucester, vereinigt sich bei Oxford mit dem Cherwell u. wird auf neueren englischen Karten, geographischen Werken etc. (auch oberhalb Oxford) nie anders als The Thames genannt. Der andere Quellenfluß Charwal (Cherwell), entspringt in der Grafschaft Northampton. Während bis Oxford der Haupquellenfluß T. eine vorherrschend östliche u. der Cherwell eine vorherrschend südliche Richtung gehabt hat, nimmt nun der vereinigte Strom eine südsüdöstliche Richtung an, wendet sich dann von Reading aus in mehren großen Bogen im Ganzen gegen Osten. Von Oxford aus bildet sie zunächst die Grenze zwischen den Grafschaften Berks u. Oxford, dann zwischen Berks u. Buckingham, darauf zwischen Surrey u. Middlesex u. zuletzt zwischen Kent u. Essex. Die bedeutendsten Orte an derselben sind: Oxford, Reading, Maidenhead, Windsor. Staines, Chertsey, Hampton, Kingston, Twickenham, Richmond, Brentford, Chelsea, London, Deptford, Greenwich, Blackwell, Woolwich, Gravesend u. Sheerneß. Ihre bedeutendsten Zuflüsse sind: in Gloucester der Churn, Colne, Lech; in Oxford der Tame, Evenlode, Windrush; in Buckingham der Colne u. Wick; in Middlesex die Lea u. Brent; in Wilt der Swil-Brook; in Berk der Kennet u. Boddon; in Surrey der Wey, Mole u. Wandle; in Kent die Darent u. Medway. Sie fällt 10 Meilen unterhalb London zwischen Sheerneß auf der zu Kent gehörigen Insel Shepey u. dem Cap Shoeburyneß (Essex) in die Nordsee, nimmt bei Sheerneß den Namen Noreu. zuletzt bis zu ihrer meerbusenartigen Erweiterung den Namen Swin an. Die Fluth steigt alle 12 Stunden 14 bis 19 Fnß senkrechter Höhe mit einer Schnelligkeit von 2 bis 3 engl. Meilen auf die Stunde; sie ist bis einige Meilen hinauf über London bemerkbar. Das Flußgebiet der T. gehört zwölf Grafschaften an u. umfaßt 236 QM. Vom Norelight (dem Leuchtthurm im Nore) bis zur Quelle beträgt die directe Entfernung 27 deutsche Meilen, die Stromentwickelung aber 50 Meilen, wovon 42 Meilen schiffbar sind. Die Breite der T. beträgt bei Sheerneß etwas über eine Meile, bei Greenwich zur Ebbezeit 1800 Fuß, in London zwischen 720 u. 1450 Fuß; oberhalb London wird sie dagegen sehr schmal. Mit Ausnahme einiger Untiefen (Shoals) hat sie von der Londonbridge abwärts eine durchschnittliche Tiefe von 14 Fuß. Diese Tiefe u. die so weit aufsteigen de Fluth begünstigen die Schifffahrt außerordentlich, u. die T. ist daher der befahrenste aller Flüsse der Erde, man rechnet, daß in den Hafen zu London jährlich an 12,000 Segel- u. Dampfschiffe, an 24,000 Küstenfahrer u. Steinkohlenschiffe, ungerechnet einer ungeheueren Anzahl von Fischerfahrzeugen, einlaufen u. für mehr als 80 Mill. Pfd. Sterl. Waaren einführen. Seeschiffe bis zu 800 Tonnen (à 20 Centner) können bis an die Londonbridge kommen; größere, von 1000 Tonnen u. darüber, wie die Ostindienfahrer u. größere Kriegsschiffe müssen bei Blackwall u. Deptford vor Anker legen. Durch mehre Kanäle, als Grand -Junction-, Oxford-, Paddington-, Regent-, Tames- u. Severnekanal ist sie mit dem Innern des Landes in Verbindung gesetzt. Über sie führen von London (s.d. S. 497, wo deren sieben sind) aufwärts mehre Brücken, u. unter ihr ist in derselben Stadt 1843 ein unterirdischer Gang (Themsetunnel) vollendet worden. Das Vorhandensein bedeutender Waarenmagazine u. Docks zu London auf beiden Ufern der T. u. die Schwierigkeit wegen der beständigen Schifffahrt mit größeren Schiffen unterhalb der mitten in der Stadt gelegenen Londonbrücke noch neue Brücken anzulegen, machten es sehr wünschenswerth, unterhalb derselben einen Weg unter der T. zu haben, deshalb kamen schon früher zahlreiche Petitionen um den Bau eines solchen Tunnels beim Parlament ein, u. 1799 wurde ein solcher Weg von Dodd begonnen, aber bald als unausführbar wieder aufgegeben. 1802 entwarf eine Gesellschaft den Plan die zu London gehörigen Dörfer Rotherhithe u. Limehouse durch einen Tunnel zu verbinden, u. wirklich geschah der Versuch hierzu unter dem Namen Thames Braiway compagny.[473] Ein Bergmann Vesay schlug einen 75 Fuß tiefen Schacht u. trieb einen 394 Fuß weiten Stollen unter der T. vor; ein anderer Baumeister drang selbst bis 952 Fuß vor u. setzte das Ausgegrabene, wie einen gewöhnlichen Stollen, mit Bohlen aus; aber im Januar 1808 brach das Wasser ein u. füllte den Gang. Als man den Grund der T. durch Thon stopfte u. das Wasser auspumpte, wiederholte sich dieses Einbrechen mehrmals, dazu ging das Geld aus u. das Unternehmen blieb 1809 liegen. Erst im Herbst 1823 faßten I. Wyalt u. der Franzos M. Brunel die Idee wieder auf, eine ansehnliche Summe wurde durch Subscription aufgebracht u. eine Parlamentsacte von 1825 gestattete die Wiederaufnahme der Arbeiten. Man wählte eine Stelle zu dem Tunnel nahe unterhalb der Londondocks, unsern von dem Orte, wo das vorige Unternehmen mißlungen war. Um einen Eingang zum Tunnel zu gewinnen, mauerte man in beiden Enden des Gangs zwei, allmälig in die Erde gesenkte runde Thürme auf. Von der Sohle des Thurmes wurden zwei gewölbte Stollen, zusammen von 34 Fuß Breite u. 221/2 Fuß Höhe, neben einander ausgemauert. Verbindungsbögen durchbrechen die Scheidewand, so daß nur die Strebepfeiler der Verbindungsbögen stehen geblieben sind. Zwischen je zwei Pfeilern befinden sich an der Decke zwei Gasflammen, welche den Tunnel erleuchten. In den auszugrabenden Raum hatte Brunel einen gußeisernen Rahmen mit 36 gußeisernen Zellen eingepaßt. Jede dieser Zellen konnte auf Kufen mit eisernen Gelenken für sich allein fortgeschoben werden. In jeder Zelle befand sich ein Arbeiter, der einen Theil des Erdreichs ausgrub. Zeigte sich Gefahr wegen Einbrechens des Wassers, Einstürzens der Decke u. dgl., so schloß der Arbeiter sogleich seine Zelle mit einem bereit gehaltenen, genau passenden Schild u. rief den andern Arbeitern zu, sich zu retten. Hatte man nun so den Gang auf eine kurze Strecke ausgehöhlt, so wurde das Arbeitsgerüst wieder so weit vorwärts bewegt, als der ausgehöhlte Raum betrug, u. der leere Raum sogleich ausgewölbt, damit niemals ein hohler Raum ohne Unterstützung blieb. Die Wölbung wurde mit Backsteinen aufgeführt, welche mit Römischem Kitt (Roman Cement) verbunden wurden. Im März 1825 begann der Bau; ein Schacht von 50 Fuß Durchmesser wurde abgeteuft, der Schutt wurde durch eine Dampfmaschine von 30 Pferden Kraft zu Tage gefördert; man kam mit vielen Schwierigkeiten 40 Fuß tief bis unter eine Thonschicht u. legte Anfangs 1826 die Schilde an. Gleich nachdem man 9 Fuß vorgedrungen war, kam man auf nassen Sand mit Wasser, überwand aber die Schwierigkeiten, kam auf festere Schichten u. rückte bis zum 14. Sept. 1826260 Fuß vor. Da traf man wieder auf eine nasse Schicht, das Wasser brach ein; allein man füllte den Bruch aus u. ging vorsichtig weiter. Ein gleicher Unfall, als Anfangs 1827 der Tunnel bereits 350 Fuß lang war, u. ein nochmaliger Durchbruch am 10. Mai 1827 wurden überwunden. 50 Fuß weit rückte man nun vor u. hatte schon die Mitte des Flusses erreicht, als im Jan. 1828 ein neuer Einbruch erfolgte. Der Bruch wurde reparirt u. hatte am Bau wenig Schaden angerichtet. Allein obgleich der Tunnel schon 600 Fuß lang war, mußte man doch wegen Geldmangels die Arbeit einstellen. Erst 1834 schoß das Parlament die nöthigen Fonds vor. Im Sommer 1835 begann die Arbeit wieder, u. der Tunnel schritt trotz der Aufweichung des Flußbetts u. der Flußeinbrüche im August u. November 1836, sowie im März 1837 rüstig vorwärts, war im Jan. 1841 1140 Fuß lang, vollendet, u. am 13. Aug. 1841 durchschritt ihn Brunel zuerst u. betrat auf der Seite von Wapping, mittelst eines gegrabenen Ganges, den 75 Fuß tiefen Schacht, in welchen der dortige Thurm kommen sollte. Dieser Thurm wurde nun wie der beim Anfang des Tunnels eingesenkt, u. am 1. Aug. 1842 der westliche Bogengang auf der Seite von Wapping, am 25. März 1843 aber den Fußgängern eröffnet. Der ganze Bau kostete 600,000 Pfund (4,200,000 Thlr.). Nur sechs Menschen haben beim Einbruch des Wassers das Leben verloren. Jedem steht zu Fuß der Zutritt zum Tunnel für 1 Penny frei; zum Durchfahren wird der Tunnel dagegen nicht benutzt, da man noch keine Niederfahrten anlegen konnte, in den Thürmen aber blos Treppen sind. – Da wegen der leichten Zugänglichkeit Londons für kleine Kriegsschiffe der untere Lauf der T. eine große strategische Wichtigkeit hat, so ist die Mündung durch Forts bei Sheerneß u., weiter hinauf, Gravesend gegenüber, durch Fort Tilbury (s.d.) stark geschützt, was früher nur in geringem Grade der Fall war, so daß auch die Holländer im Kriege von 1665–67 mit Erfolg eine Invasion versuchten (s.u. England S. 740) u. durch eine theilweise Zerstörung der englischen Themseflotte den Frieden von Breda erzwangen. In den letzten Jahren hat namentlich die von Zeit zu Zeit drohend werdende Haltung Frankreichs den vermehrten sortisicatorischen Schutz der T. zur Folge gehabt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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