Norfolk [2]

Norfolk [2]

Norfolk. Sehr früh gab die Provinz N. verschiedenen Familien den Titel Grafen von N., seit Ende des 15. Jahrh. ist derselbe dauernd bei der Familie Howard geblieben. Der erste bekannte Graf dieses Titels war 1) Rainulf von Ware 1075; später wird das Haus Bigod als Grafen genannt, u. 2) Hugo Bigod ist der erste als solcher 1177 vorkommende. Merkwürdig sind außerdem: [107] 3) Roger Bigod, Graf von N., Gemahl der Isabella, der Tochter Alexanders von Schottland, Marschall (Earl Marshall) von England; ging 1246 im Auftrag des Königs auf das Concil in Lyon, wo er sich den Anmaßungen des Papstes widersetzte, war später unter den Großen, welche vom König Heinrich III. die Bestätigung der Magna charta u. der Karte der Wälder erzwangen, u. st. 1270. 4) Roger Bigod, Graf von N., Neffe des Vor., Marschall von England unter Eduard I.; trug bes. zu dem Edict: Bestätigung der Karten, bei; nach dem Aussterben der Bigod führte u.a. 5) Thomas von Brotherdon, zweiter Sohn Eduards I., den Titel Graf v. N. u. Earl Marshall von England u. dessen Tochter: 6) Margarethe, vermählte Mowbray, erhielt zuerst den Titel einer Herzogin von N. u. seit dieser Zeit führten 7) Thomas Mowbray, Enkel Margarethens, 1397, 8) Johann I., 1427, u. 9) Johann II., 1461, sämmtlich aus dem Geschlecht Mowbray, den Titel Herzöge von N. Nach deren Aussterben 1475 kam dieser Titel an den 10) Herzog Richard von York, u. nach dessen Ableben 1483 an das Geschlecht Howard. 11) John Howard, Herzog von N., der erste aus dieser Familie, Sohn Sir Roberts Howard (sächsischen Ursprungs, von William Howard [1297–1308 Oberrichter der Common Pleas] abstammend) u. der Margarethe, der ältesten Tochter von N. 7), von welchem die jetzige Familie Besitzungen u. Namen erhielt, zeichnete sich im Kriege Heinrichs VI. gegen Frankreich aus u. wurde bei Chatillon gefangen. Eduard IV. erhob ihn zum Admiral einer Flotte, welche an der Küste von Bretagne u. Poitou kreuzte, u. ernannte ihn, nach glücklicher Beendigung einer Gesandtschaft an Ludwig XI., 1468, zum königl. Schatzmeister, 1470 auch als Lord Howard zum Peer u. zum Generalcapitän der gesammten englischen Streitkräfte zu Wasser u. zu Lande, vorzüglich um durch diese Wahl die ehrgeizigen Plane des Hauses Lancaster zu zerstören. Seit 1471 Gouverneur von Calais, ging er mehrmals als Gesandter nach Frankreich, Burgund u. Portugal. Richard III., welchen er bei seiner Thronusurpation unterstützt hatte, erhob ihn 1483 zum Herzog von N. u. Earl Marshall von England, Irland u. Aquitanien u. gab ihm bedeutende Ländereien zur Lehn. Dafür blieb aber auch N. von den größeren Vasallen fast der einzige der Sache Richards treu u. fiel mit demselben bei Bosworth 22. Aug. 1485. Das Parlament verurtheilte ihn nachträglich als Hochverräther u. entzog seiner Familie den Herzogstitel. 12) Thomas Howard, zweiter Herzog von N., ältester Sohn des Vorigen; wurde 1485 bei Bosworth von Heinrich VII. gefangen, erhielt nach dreijähriger Haft die Freiheit nebst dem Titel eines Grafen von Surrey zurück, den ihm Richard verliehen hatte, commandirte später eine Truppenabtheilung gegen die Empörer in Nordengland, wie 1495 gegen Jakob IV. von Schottland, welcher in England eingefallen war, wurde 1501 Lordschatzmeister von England, schloß 1502 einen Frieden mit Schottland u. stiftete durch Vermittelung des Kaisers Maximilian eine Heirath zwischen Karl, Prinzen von Spanien, u. Maria, zweiter Tochter Heinrichs VIII. Heinrich VIII. bestätigte ihn in der Würde eines Schatzmeisters, versetzte ihn in den Geheimen Rath, übergab ihm 1513, indem er selbst den Feldzug in Frankreich leitete, die Vertheidigung der Nordgrenzen, wo er 9. Septbr. bei Flodden die Schotten schlug; als Belohnung für diesen Sieg erhielt er den Titel eines Herzogs von N. zurück u. das Recht in sein Familienwappen den schottischen rothen Löwen aufzunehmen. 1514 schloß er den Frieden mit König Ludwig XII. von Frankreich, kam aber in den letzten Jahren durch die Eifersucht des neuen Ministers Thomas Wolsey in Mißhelligkeiten mit dem Hofe, legte seine Würde nieder, zog sich auf seinen Sitz Framlingham zurück u. st. hier 1524. 13) Thomas Howard, dritter Herzog von N., ältester Sohn des Vor., geb. 1474, bekannt unter dem Namen Lord Howard, commandirte 1513 unter seinem Vater bei Flodden u. wurde bei Erhebung seines Vaters zum Herzog von N., selbst Graf von Surrey u. 1521 Lordlieutenant von Irland, wo er gegen den Insurgentenchef O'Neal thätig war. 1522 commandirte er die Expedition nach Frankreich u. drang bis nahe an Paris vor; nach seiner Rückkehr nach England wurde er 1524 Herzog von N. u. Lordschatzmeister u. zog an der Spitze eines Heeres nach Schottland. 1531 war er unter den Zeugen bei der Trauung Heinrichs VIII. mit Anna Boleyn, seiner Verwandten; als aber Heinrich deren Tod beschloß, war N. auch der erste, welcher sich für den königlichen Entschluß erklärte, da er als eifriger Katholik nachher Anna als Begünstigerin der Reformation haßte. Hierauf dämpfte er einen Aufstand im Norden des Reiches u. in Cumberland, nahm den König u. das Parlament möglichst gegen die Reformation ein u. war bes. Ursache des Todes des älteren Cromwell. Dann betrieb er die Vermählung des Königs mit Katharina Howard, seiner Nichte; u. ungeachtet deren Verschuldung gegen den König u. auch nach deren Hinrichtung blieb N. in der Gunst des Königs, bekam 1543 den Oberbefehl über eine Expedition von 20,000 Mann gegen. Schottland u. commandirte 1544 unter dem König in Frankreich. Endlich gelang es seinen Gegnern, ihn u. seinen Sohn, den Grafen von Surrey, dem König verdächtig zu machen, als hätten sie die Absicht die Dynastie nach dem Tode des Königs zu stürzen; Beide wurden 12. December 1546 verhaftet, u. der Sohn nach wenigen Tagen enthauptet; aber der Proceß N-s, als eines Herzogs, erforderte längere Zeit; indeß starb Heinrich VIII. 1547, u. obgleich N. in der Amnestie, welche Eduard VI. unmittelbar nach seiner Thronbesteigung erscheinen ließ, ausdrücklich ausgenommen war u., da die Thronfolge 1553 an Maria gelangte, als Gefangener im Tower blieb, so begnadigte ihn Letztere doch völlig u. gab ihm alle seine Güter u. Würden zurück. Nachdem er 1554 seinen letzten Feldzug gegen eine Abtheilung Unzufriedener unter Thomas Wyat gemacht hatte, zog er sich nach Kenninghall in der Grafschaft N. zurück u. st. dort 25. Aug. 1554. 14) Thomas Howard, vierter Herzog von N., Enkel des Vor., Sohn des enthaupteten Grafen von Surrey, geb. 1536; Günstling der Königin Elisabeth. Ihm übertrug die Königin die Untersuchung des Processes der Maria Stuart, u. da er in dieser Angelegenheit 1568 in York mehre Unterredungen mit dem Grafen Murray hatte, so zeigte ihm dieser die Aussicht auf den schottischen Thron durch die Hand Marias. Dieser Plan wurde aber entdeckt; N. entfloh u. verbarg sich eine Zeit lang in Kenninghall, wurde aber verhaftet, jedoch 1570 unter der Bedingung losgelassen, nie wieder in irgend ein Verhältniß mit Maria Stuart zu treten. Gleichwohl erneuerte er den [108] Briefwechsel mit Maria, worin sie sich gegenseitig die Ehe versprachen, u. trat in vorläufige Unterhandlungen mit dem Papst, dem König von Spanien u. dem Herzog von Alba, welcher eben in den Niederlanden stand. Aber auch dieses Vorhaben ward entdeckt, u. 1572 sprachen ihn die 25 Peers unter dem Vorsitz des Lords Shrewsbury schuldig. Vier Monate zog die Königin Elisabeth die Unterzeichnung des Todesurtheils hin; endlich wurde N. am 2. Juni 1572 auf Towerhill enthauptet. Seine Titel u. Würden wurden der Familie genommen u. obgleich sein ältester Sohn, 15) Philipp Howard, die Grafschaft Arundel erbte, wurde er doch auch 1590 seines Adels beraubt, wegen katholischer Umtriebe angeklagt u. als Gefangener in den Tower gebracht, wo er 1495 starb. 16) Thomas Howard, ältester Sohn des Vor., nannte sich, so lange Elisabeth lebte, Lord Maltravers, wurde aber 1603 im ersten Jahre der Regierung des Königs Jakob I. in die Titel u. Güter eines Grafen von Surrey wieder eingesetzt, erhielt 1621 die Großmarschallswürde u. st. 1646. 17) Henry Frederic Howard, Herzog von N., Sohn des Vor., ist der gemeinsame Stammherr der letzten Herzöge von N. 18) Thomas Howard, ältester Sohn des Vor., erhielt 1664 den Titel eines Herzogs von N. für die Familie zurück, welche jedoch, als der katholischen Religion angehörig, von der öffentlichen Laufbahn ausgeschlossen blieb. 19) Edward Howard, Bruder des Vor., neunter Herzog von N., st. 1777 kinderlos u. die herzogliche Würde fiel an den Enkel des vierten Sohnes von Henry Frederic, den Grafen 20) Charles Howard von Arundel, welcher 1786 starb. 21) Charles Howard, Herzog von N., Sohn des Vor., geb. 1746; Anfangs Graf von Surrey, trat 1780 zur Anglicanischen Kirche über, um alle Vortheile seines Ranges genießen, namentlich um Graf-Marschall von England werden zu können; er erschien als Deputirter für Carlisle im Unterhause, hielt sich zur Opposition u. beförderte den Fall des Lord North; er blieb diesen Grundsätzen auch unter dem Ministerium Shelburne u. Pitt treu. Seit 1786, nach dem Tode seines Vaters, Herzog von N. geworden, machte er dieselben Ansichten im Oberhause geltend, erklärte sich für die Französische Revolution u. stritt gegen Pitts Plan, sich in die innere Verwaltung Frankreichs zu mischen; er st. 1815 kinderlos, u. die herzogliche Würde fiel an den Enkel des achten Sohnes von Charles Frederec, an 22) Bernard Edward Howard, zwölften Herzog von N. u. erblichen Graf-Marschall von England, geb. 1765, als Familienhaupt der Howards war er Haupt der katholischen Peers, welche 1829 durch Parlamentsschluß zu Sitz u. Stimme im Oberhause gelangten; er war Mitglied des Staatsrathes u. st. 16. März 1842. Ihm folgte 23) Henry Charles Howard, dreizehnter Herzog von N., geb. 12. Aug. 1791, trat 1832 für Westsussex ins Parlament, wo er für die geistliche Titelbill wirkte, u. wurde 1835 Schatzmeister des königlichen Hofstaates; nachdem er schon 1841 als Lord Maltravers zum Peer erhoben worden war, folgte er am 1842 seinem Vater in der Herzogswürde u. war 1846–52 Oberststallmeister der Königin. 1851 trat er mit der Familie, mit Ausnahme seines ältesten Sohnes (s. den Folgenden), zur Anglicanischen Kirche über, wurde 1653 Oberhofmeister u. 1855 Oberhofmarschall u. st. 18. Febr. 1856 auf seinem Landsitz Arundel Castle. Er war seit 1814 vermählt mit einer Tochter des Marquis von Stafford. 24) Henry Granville Howard, vierzehnter Herzog von N., ältester Sohn des Vor., geb. 7. Nov. 1815, war seit 1837 von Arundel ins Unterhaus gewählt, mußte aber 1851 als heftiger Gegner der Titelbill seinen Sitz für Arundel aufgeben, wogegen er 1852 für Limerick gewählt wurde; 1856 folgte er seinem Vater als Herzog von N. u. im Oberhaus u. st. 25. Novbr. 1860. 25) Lord Edward George Fitzalan Howard, Bruder des Vor., geb. 1818, er war 1846–52 Vicekammerherr der Königin u. früher für Horsham, seit 1852 für Arundel Mitglied des Unterhauses; er heirathete 1851 Auguste Talbot, die Nichte des Grafen von Shrewsbury, welche schon Nonne war, aber durch einen Spruch der Chancery aus dem Kloster befreit wurde. Die Herzöge von N. haben als die ersten weltlichen Peers von Großbritannien den Rang nach den königlichen Herzögen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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