Stuart [1]

Stuart [1]

Stuart (spr. Stjuört, Stewart), ein schottisches Königsgeschlecht, welches auch eine Zeitlang die Krone Englands trug. Sein Ursprung wird bis auf die fabelhaften Zeiten Bankos (s.d.), Thans von Lochquabir, zurückgeführt, indem dessen Sohn Fleanchus, welcher bei der Ermordung seines Vaters durch Makbeth um 1055 nach Nordwales entfloh u. dort die Tochter eines Häuptlings Griffithax Lewellin heirathete, der Stifter des Geschlechts sein soll; nach Andern soll dasselbe von einem Zweige der englisch-normannischen Familie Fitz-Alan abstammen, welche sich in Schottland niederließ. Walter I., angeblich der Sohn des Fleanchus, stand bei Malkolm III. sehr in Ansehn u. ward von demselben zum Stewart (Majordomus od. Reichshofmeister von Schottland) erhoben, welcher Titel u. welche Würde erblich wurde u. wonach das Geschlecht S. sich nannte; er starb 1116. Dessen Sohn Alan zog ins Gelobte Land u. starb 1141, dessen Sohn Alexander schlug die Dänen 1199, wogegen sein Sohn u. Nachfolger, Walter II., sich mit gegen König Alexander III. verschwor u. 1258 starb, von seiner Gemahlin Alda von Dembe vergiftet; er hinterließ zwei Söhne, Alexander u. Robert.

A) Alexander, der ältere Sohn Walters II., welcher das Geschlecht fortsetzte, starb 1286. Sein Sohn wurde 1302 erschlagen, auch von seinen Enkeln fielen 1333 drei in der Schlacht von Haledin u. nur der vierte, Walter III., setzte den Stamm fort. Dieser war mit Marjoria, Tochter des Königs Robert I. Bruce, vermählt u. starb 1326. Sein Sohn Robert war als naher Verwandter des Königshauses sehr angesehn; Reichsverweser während der Gefangenschaft des Königs David II. durch die Engländer, vertheidigte er die Südgrenze Schottlands gegen diese u. wurde, als David II. nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft 1370 starb u. mit ihm das Haus Bruce erlosch, trotz den Bemühungen des Königs Eduard III. von England die Krone für sich zu erhalten, als Robert II. auf den Thron erhoben, u. so gelangte das Haus S. zu der Königswürde. Auf ihn folgte sein lahmer Sohn John S., welcher den Namen Robert III. annahm. Dieser hatte mehre Brüder, nämlich zwei ältere Stiefbrüder von der ersten Gemahlin seines Vaters, Euphemia, Gräfin von Rossy, Walter IV., Graf zu Athol (s. unten 2), u. David, Graf von Strathern, welcher das Geschlecht der Grahams, Grafen von Strathern, stiftete, u. einen jüngern rechten Bruder Robert, Herzog von Albany (s. unten 3), dessen Sohn Mordoch (s. unten 5), aber auf Befehl des Königs Jakob I. nebst seinen Söhnen hingerichtet wurde, dessen Enkel Andreas (s. unten 6) aber entkam u. mit dessen Sohn Heinrich (s. unten 7) das Geschlecht der S.-Albany wieder ausstarb. Robert III. hatte mehre Söhne; David, Herzog von Rothsay, ließ der Herzog von Albany gefangen setzen u. verhungern; der jüngere wurde als Jakob I. (s.d. 20) 1406 König, aber 1437 ermordet. Sein Sohn Jakob II. (s.d. 21) folgte ihm u. fiel 1460 vor Roxborough; sein Nachfolger war sein ältester Sohn Jakob III. (s.d. 22); dieser hatte zwei Brüder, von denen der ältere Alexander S., Herzog von Albany (s. unten 8), 1485 starb (sein Zweig starb mit seinem Sohn John, Herzog von Albany [s. unten 9] aus), u. der jüngere John S., Graf von Mar, 1480 auf Befehl seines ältesten Bruders getödtet wurde. Auf Jakob III. folgte 1488 dessen Sohn Jakob IV. (s.d. 23), welcher 1513 bei Flowden blieb u. einen rechtmäßigen Sohn, Jakob V. (s.d. 24), welcher 1542 starb, so wie einen natürlichen, Jakob S., Graf von Murray (s. Murray), welcher Regent von Schottland wurde, hinterließ. Jakob V. hatte eine rechtmäßige Tochter, Maria (s.d. 69), welche ihm in Schottland folgte, aber 8. Februar 1587 auf Befehl der Königin Elisabeth von England hingerichtet wurde. Ihr Sohn Jakob VI. (s.d. 12) wurde 1578 König von Schottland u. vereinigte, von der Königin Elisabeth zum Erben eingesetzt, 1603 als Jakob I. den englischen Thron mit dem schottischen, er starb 1635 u. sein Sohn Karl I. (s.d. 17) folgte ihm. Dieser wurde im Verlauf einer Revolution vom Parlament des Hochverraths angeklagt, zum Tode verurtheilt u. 30. Januar 1649 hingerichtet (s. England S. 337 f.) u. seine Familie vertrieben; nachdem Cromwell 1658 gestorben war, wurde die Familie S. nach England zurückberufen u. Karl II. (s.d. 18), Sohn Karls I., bestieg 1660 den Thron. Die ungeschickte Regierung dieses Königs, so wie seines Bruders u. Nachfolgers Jakobs II. (s.d. 13), namentlich die Begünstigung des Katholicismus, erschütterte den Thron von Neuem, u. der Erbstatthalter Wilhelm von Oranien, der Gemahl Marias, der Tochter Jakobs II., wurde nach der Vertreibung seines Schwiegervaters 1688 zum König von England[955] u. Schottland erhoben; die Stuarts aber flohen nach Frankreich. Nach Wilhelms Tode 1702 kam die zweite Tochter Jakobs II., Anna, Gemahlin des Prinzen Georg von Dänemark, auf den Thron, nach deren Tode 1714 das Haus Hannover, welches durch Jakobs I. Tochter Elisabeth (Kurfürstin von der Pfalz) u. deren Tochter Sophia, Mutter Georgs I., von den S-s stammte. Das verbannte Königshaus, welches in Verdacht kam den Versuch gemacht zu haben durch Unterschieben eines unechten Knaben (Jakobs III.) die männliche Succession fortzusetzen, stellte diesen Jakob III. (s. Jakob 14) als angeblichen Sohn Jakobs II., nach dessen Tode 1701 als Prätendenten auf u. strebte denselben durch Waffengewalt wieder auf den Thron zu setzen. Allein alle Versuche mißglückten, u. 1766 starb Jakob III. zu Albano, mit Hinterlassung von zwei Söhnen. Der ältere derselben Karl Eduard (s. Eduard 25) machte noch mehre verunglückte Versuche sich des Throns zu bemächtigen, lebte zuletzt unter dem Namen eines Grafen von Albany in Italien u. starb 1788 in Rom ohne männliche Nachkommen; er war vermählt mit Luise Maximiliane Karoline, geb. Prinzessin von Stolberg-Gedern (s. Albany 6); der jüngere, Heinrich Benedict, Herzog u. Cardinal von York (s.u. York), starb 15. Juli 1807 in Frascati als der letzte männliche Nachkomme des königlichen Hauses S. Seine Ansprüche auf die Krone Großbritannien hatte er an Karl Emanuel IV. von Sardinien vermacht.

B) Robert I., Alexanders Bruder u. Sohn Walters II., gründete 1258 die Nebenlinie Darnley, welchen Titel dessen Sohn John zuerst führte. Die spätern Glieder des Geschlechts traten in französische Dienste u. erhielten die Grafschaft Dreux u. Aubigné, sowie später die schottische Grafschaft Lenox. Aus dieser Linie stammte Heinrich Darnley, Gemahl der Maria S., welcher 1566 ermordet wurde u. dessen Sohn Jakob I. König von Schottland u. Irland war. Dies letztere Geschlecht blühte noch in Frankreich im 17. Jahrhundert.

Merkwürdig sind außer den Königen Robert II. u. III., Jakob I. bis VI. u. II. u. III., Maria u. Karl I. u. II. (s. oben) aus diesem Geschlechte, noch: 1) Robert, Herzog von Rothsay, ältester Sohn des Königs Robert II. von Schottland u. Bruder Roberts III., widerstand als ein Jüngling seinem Oheim u. Minister seines Vaters, dem Herzog von Albany, vertheidigte das Schloß von Edinburg gegen ihn, wurde deshalb von demselben im Schloß Falkoland gefangen gesetzt u. in demselben 1402 durch Hunger getödtet. 2) Walter, Graf von Athol, Sohn des Königs Robert II. von Schottland u. der Euphemie von Rossy u. daher Stiefbruder des Königs Robert III.; stellte sich nach dessen Tode an die Spitze einer Verschwörung gegen seinen Neffen Jakob I. u. wurde nach dessen Ermordung enthauptet. 3) Robert, Herzog von Albany, jüngster Sohn des Königs Robert III., wußte sich nach dessen Regierungsantritt aller Gewalt zu bemächtigen. Auf seine Veranlassung wurde der Herzog Robert eingekerkert und umgebracht. Er war der englischen Partei geneigt u. der schottischen Unabhängigkeit zuwider. Robert III. mochte dies einsehen u. sendete daher den nunmehrigen Thronerben, Jakob I., zur Erziehung nach Frankreich. Aber das Schiff lief in England auf den Strand u. Jakob ward gefangen genommen. Als Robert III. 1406 starb, wurde der Herzog von Albany, als Oheim des jungen Königs Jakob I., Reichsverweser u. bemühte sich eben nicht sehr um die Befreiung des Königs, er sendete vielmehr Karl VII. nach Frankreich Truppen zu Hülfe, welche nicht wenig zur Niederlage der Engländer beitrugen, u. der König war noch immer gefangen, als der Herzog von Albany 1419 starb. 4) John, des Vorigen zweiter Sohn, führte 1419 die schottischen Hülfstruppen nach Frankreich gegen die Engländer u. wurde Connetable, blieb aber 1424 bei Verneuil gegen die Engländer. 5) Mordoch, Graf von Albany, älterer Bruder des Vor., folgte seinem Vater als Reichsverweser, regierte aber ziemlich ungeschickt, weshalb die Rückkehr des gefangenen Königs Jakob I. 1423 viel Freude im Lande erregte. Der König ließ Mordoch und seine Söhne Walter V. u. Alexander gefangen nehmen und zu Sterlin enthaupten. 6) Andreas, der Enkel des Vorigen u. Sohn Walters V., entkam nach Irland, kehrte unter Jakob IV. nach Schottland zurück, wurde Staatskanzler, Herr von Anandale u. 1470 Gesandter in Dänemark. 7) Henry, Sohn des Vorigen, heirathete Margarethe Tudor, Wittwe Jakobs IV., starb aber ohne Erben. 8) Alexander, Herzog von Albany, zweiter Sohn des Königs Jakob II., erhielt von diesem, da das ältere Haus Albany ausgestorben war, diesen Titel, hatte mit seinem Bruder, dem König Jakob III., mehre Zwiste, begab sich deshalb nach Frankreich u. starb dort 1485. 9) John S., Herzog von Albany, Sohn des Vor., war in Frankreich geboren u. erzogen; 1515 erwählten ihn die Schotten bei der Zwistigkeit zwischen der Königin Mutter u. deren zweitem Gemahl, dem Grafen Angus, mit dem Grafen Hume zum Reichsverweser während der Minderjährigkeit Johanns V.; er versöhnte die feindlichen Parteien auch wirklich; bald darauf entzweite er sich aber mit Hume und ließ denselben tödten. Als nun die Königin sich mit ihrem Gemahl veruneinigte u. an die Spitze der englischen Partei trat, widerstand er dieser zwar eine Zeitlang, legte aber 1518 die Regentschaft nieder u. ging nach Frankreich, von wo ihn aber die Königin 1523 wieder gegen die Engländer nach Schottland rief. Er kehrte mit 3000 Franzosen zurück u. ging 1524 abermals nach England, um ein noch stärkeres Hülfsheer zu holen. In seiner Abwesenheit erklärten indessen die Schotten Jakob V. für mündig u. S-s Regentschaft für erloschen. Er blieb daher in Frankreich, befehligte 1525 unter Franz I. ein Heer gegen Neapel u. starb 1536 ohne Erben. 10) John, Graf von Mar, jüngster Bruder Jakobs III., wurde auf dessen Anstiften, freier Reden wegen, 1480 ermordet. 11) Jakob, Graf von Murray, natürlicher Sohn des Königs Jakob V. (s. Murray 1). 12) Arabella, Tochter Karl S-s, Urenkelin Heinrichs VII. von England, wurde, da sie sich gegen der Königin Elisabeth Willen mit dem Ritter W. Seymour vermählte, in den Tower gesetzt, nach Elisabeths Tode zwar frei gelassen, jedoch 1602 wegen eines Verdachts, daß die gegen Jakob I. Verschwornen sie nach ihres Gemahls Tode an den Herzog von Savoyen verheirathen u. als eine aus königlichem Blut Entsprossene auf den Thron setzen wollten, wieder nach dem Tower gebracht, wo sie 1615 starb.

Von andern Linien der Familie S. gibt es noch viele Mitglieder in England, Schottland u. [956] Irland. So stammen von Sir John S., einem natürlichen Sohn Roberts II., die Marquis u. Grafen von Bute, Lord Wharncliffe u. Lord Stuart de Rothesay; von den S-s von Bonkyll die Lords Blantyre u. Douglas, die Marquis von Londonderry u. die Grafen von Galloway; von Elisabeth, Tochter des Regenten Murray u. Gemahlin Sir James S-s von Doune, die heutigen Grafen von Murray; von einem natürlichen Sohn des Grafen James, von Buchan, Stiefbruder des Königs Jakob II., die Grafen von Traquair. Bekannt sind unter diesen namentlich: 13) Lady Luise, jüngste Tochter des Ministers Earl of Bute, geb. 1757, starb am 4. August 1851; sie schr. zu Lord Wharncliffes Ausgabe der Briefe ihrer Großmutter, Lady Montague, eine Einleitung. 14) Charles S., Baron de Rothesay, Sohn des Generals Sir Charles S. u. Enkel Lord Bute's, geb. 1779, widmete sich schon früh der Diplomatie, begleitete 1808 Lord William Bentinck als Legationsrath nach Madrid, wurde 1810 englischer Bevollmächtigter bei der provisorischen Regierung, welche sich nach der Flucht der portugiesischen Königsfamilie in Lissabon constituirt hatte, ging 1815 in außerordentlicher Mission zu Ludwig XVIII. nach Gent, begleitete denselben nach der Schlacht von Waterloo nach Paris u. blieb dort als englischer Gesandter; er ging dann als solcher nach dem Haag, später nach Rio de Janeiro, wo er 1824 den Vertrag' zu Stande brachte, durch welchen Portugal die Unabhängigkeit Brasiliens anerkannte, ging 1828 abermals (diesmal als Botschafter) nach Paris u. wurde zugleich als Baron de Rothesay zum Peer erhoben, aber als 1830 die Tories das Ministerium bildeten, abberufen u. blieb mehre Jahre der größeren Politik fern; er ging 1841 als Gesandter nach Petersburg, kehrte 1844 zurück u. starb 7. Nov. 1845 auf seinem Landsitz Highcliff in Hampshire; da er keine Söhne hinterließ, so erlosch der Peerstitel mit ihm. 15) Lord Dudley S., siebenter Sohn des Marquis von Bute, geb. 1803, studirte in Cambridge, wurde 1828 Vicestatthalter der Grafschaft Bute im südlichen Schottland, saß von 1830–37 für Arundel im Unterhause u. machte sich durch freisinnige Ansichten bemerkbar. Als durch die Ausweisung aus Frankreich die Zahl der polnischen Flüchtlinge in England immer größer ward, vereinigte er sich 1834 mit einer Anzahl Parlamentsmitglieder, um vom Schatzamte eine jährliche Unterstützung von 10,000 Pfd. Sterl. zu erwirken, das Parlament bewilligte auch diese Summe u. betraute ihn später mit der Vertheilung derselben an die hülfsbedürftigen Polen. Zu diesem Zweck veranstaltete er jährlich Concerte u. Bälle u. opferte einen nicht geringen Theil seines Vermögens dieser Sache. 1847 trat er für das Londoner Kirchspiel Marylebone ins Parlament u. starb am 17. Nov. 1854 in Stockholm, wohin er gegangen war, um auf Schwedens Allianz mit den Westmächten hinzuarbeiten. Er war seit 1847 Wittwer von Christina Alexandra Egypta Bonaparte, Tochter des Prinzen von Canino, mit der er sich 1824 vermählt hatte, von der er aber seit 1839 getrennt lebte. Vgl. Vaughan, Memorials of the Stuart Dynasty; Lond. 1831, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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