Emden

Emden

Emden, 1) Amt in der Landdrostei Aurich des Fürstenthums Ostfriesland (Hannover); 4 QM., 20,000 Ew.; 2) (früher Embden), Handelsstadt, größte Stadt Ostfrieslands mit 13,000 Ew., Ausgangspunkt der ostfriesischen Eisenbahn, lag früher an der Ems, welche aber jetzt, nachdem sie vor einigen Jahren ihren Lauf änderte, ungefähr [671] 1/2 Stunde von E. entfernt, vorbeifließt. Mit derselben ist E. durch einen im Jahre 1846 eingegrabenen Kanal (mit großer Seeschleuse) verbunden. Dieser Kanal ist indeß nur so tief, daß Schiffe, die mehr als 12–13 Fuß tief gehen, ihre Ladung auf der geräumigen u. sicheren Rhede, 1 Stunde von E., einnehmen od. löschen müssen. Die beiden Binnenhäfen (Raths- u. Falderndelft) können 300 Segelschiffe fassen, müssen aber vor dem Verschlämmen durch Baggern gesichert werden. Die Verbindung mit dem Binnenlande wird durch eine Menge größerer u. kleinerer Kanäle ermöglicht; nennenswerth ist der 31/3 Meilen lange Treckfahrtskanal zwischen E. u. Aurich. Die Stadt selbst ist auch von Kanälen durchschnitten, über welche 30 Brücken führen, unter denen die über den Delft gehende Rathhausbrücke mit 5 Bogen u. die am Falderndelst befindliche Kettenbrücke sich auszeichnen. An der Seeseite ist E. durch den Deich des bei Anlegung des neuen Fahrwassers eingedeichten Königpolders geschützt, an der Landseite umgibt die Stadt ein breiter Graben u. ein mit 8 Bastionen versehener hoher Wall, der zu Spaziergängen eingerichtet ist. Die Stadt besteht aus 4 Haupttheilen: Altstadt, im südwestlichen Winkel, wo das alte Amisia (s. unten) gelegen haben soll, mit kleinen schmalen Straßen; Faldern, regelmäßiger gebaut, mit breiten Straßen; Boltenthors- u. Neuenthorsvorstadt. Neben dem Magistrat der Stadt besteht die kaufmännische Deputation, welche sich mit den Handlungs- u. Schifffahrtsangelegenheiten befaßt; die Polizei ist der malen noch städtisch. Wohlthätige Stifte u. Anstalten: die haussitzenden Armen, die Fremdlingen Armen (ursprünglich für die vor Alba nach E. geflüchteten Niederländer), die Clementiner Brüderschaft (Schifferarmen), die Vorrathskammer (ein Institut, welches in theueren Zeiten Korn zu erniedrigtem Preise abläßt), das Waisenhaus. E. hat 7 Kirchen (4 reformirte, 1 lutherische, 1 katholische, 1 mennonitische) u. 1 Synagoge; über der großen Kirche in der Altstadt befindet sich eine aus mehr als 5000 Handschriften bestehende Bibliothek; in dem nach holländischem Styl von 1574–78 gebauten Rathhause befindet sich eine Sammlung alter Waffen u. Rüstungen; das Amt-, das Zuchthaus, die Waage (worin die französisch-reformirte Kirche), das Waisen-(Gast-)haus (früher Franciskanerkloster), das Museum, die Kaserne (in deren Näumen sich die Taubstummenanstalt, die Gewerbehalle, die Armenschulen, 1 Kinderbewahranstalt u. der Arbeitsunterstützungsverein befindet). Außer den bereits genannten Bildungsanstalten besteht hier 1 Gymnasium, Navigationsschule, Naturforschende Gesellschaft mit naturhistorischen u. ethnographischen Sammlungen, Gesellschaft für bildende Kunst u. Alterthümer, reformirte, lutherische, jüdische Klassenschule, katholische Schule, Kindergarten, Gewerbeschule u. mehrere Töchterschulen. Haupterwerbszweig ist der Seehandel u. Schiffsbau, Segel- u. Taufabrikation. Jährlich laufen etwa 400 Schiffe ein u. eben so viele aus. Eigne Schiffe hat E. 108. Handlungen sind etwa 400, die außer dem innern Handel Landesproducte (Getreide, Rapssamen, Butter, Käse, Vieh, Ziegel etc.) nach England, Belgien, Holland, Hamburg, Bremen, den Ostseeprovinzen verfahren u. Colonialwaaren u. dgl. dagegen einführen. Die Häringsfischerei, die große Fischerei genannt, ehedem sehr bedeutend, wird noch durch 1 Compagnie betrieben, welche der Auflösung nahe ist. Gerberei, Strumpfwirkerei, Kalk- u. Branntweinbrennerei, Brauerei, Tabacks- u. Seifenfabriken. Die zahlreichen Fuhrleute bilden eine eigne Zunft. Freimaurerloge: Zur ostfriesischen Union. – Im Jahre 16 n.Chr. landete Germanicus am Ufer der Ems u. baute dort ein Castell, Amisia, woraus E. entstanden sein soll. 1276 wird der Ort eine Stadt genannt u. schlug bereits 1230 eigene Münzen. Der Häuptling Hisko legte im 15. Jahrh. den Grund zu E-s Emporkommen, indem er die Victualienbrüder aufnahm u. denselben erlaubte, die geraubten Waaren hier zu verkaufen; dadurch wurden viele Fremde herbeigezogen u. die Bürger legten sich mehr auf den Handel. Dessen Sohn Imal war der letzte Häuptling, er wurde von den Hamburgern gefangen genommen, u. E. kam in deren Besitz. 1439 überließen diese es an Edzard Cirksena; dessen Bruder Ulrich erbaute 1458 das Schloß an der Ems (von welchem jetzt nur noch die Stelle bekannt ist). Die durch Alba's Grausamkeit vertriebenen Niederländer fanden hier eine neue Heimath. Während der ganzen gräflichen u. fürstlichen Zeit strebte E. danach Staat im Staate zu sein, Handel u. Gewerbe konnten aber dabei nicht gedeihen. Viele zerstörenden Wasserfluten, die Veränderung des Emsbettes, die fortwährenden Streitigkeiten mit den holländischen Generalstaaten ließen die Stadt immer mehr sinken. Nach dem Tode des letzten ostfriesischen Fürsten 1744 wurde E. preußisch. Der Französische Revolutionskrieg brachte neues Leben, u. E. blühte noch einmal, wie fast nie zuvor. 1806 aber nahmen erst die Engländer, dann die Franzosen fast sämmtliche Schiffe (277). Nach der Schlacht bei Jena wurde E. holländisch u. 1810 Hauptort des Departements Ost-Ems, 1813 kam es wieder an Preußen u. 1815 an Hannover.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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