Krebs [2]

Krebs [2]

Krebs (gr. Corcinoma, lat. Cancer), bösartige Afterorganisationen, welche sich gewöhnlich in Gestalt ungleicher höckeriger Geschwülste[783] im den Geweben des Organismus bilden u. auf deren Kosten durch eignes inneres Wachsthum zunehmen, so daß sie die verschiedensten Gewebtheile u. Nachbarorgane nach u. nach in eine gemeinsame Masse verschmelzen u. endlich zerstören. Diese Krebsbildung wird von einer schleichenden Entzündung begleitet u. geht unter nagenden, später absatzweise durchschießenden Schmerzen in Erweichung u. endlich in Verschwärung über, u. es entsteht ein bösartiges, alle ergriffenen Theile gleichförmig zerstörendes Geschwür (Krebsgeschwür, Ulcus cancrosum), od. in offenen K. (Carcinoma apertum) über, was man an dem unreinen höckerigen Grunde, dem widerlichen Gestanke der brandig absterbenden Aftermasse (Krebsjauche), den schwammigen blutenden Gefäßwucherungen, den zerfressenen auswärtsgebogenen Rändern u. den gefüllten Venenstämmchen der Umgebung erkennt. Im Allgemeinen unterscheidet man den harten K. (Faserkrebs), u. den weichen K. (Markschwamm) s. unten. Der K. geht gern von Drüsen aus, bes. Brustdrüse, Hode u. Leber, u. von den Drüsenbälgen der Haut u. Schleimhaut. In einzelnen Fällen ist der K. örtlich od. primär, zieht jedoch nach u. nach eine allgemeine Erkrankung nach sich. Häufiger geht der K. von einem Allgemeinleiden der Ernährung (Krebsdyskrasie, Krebskachexie) aus, das sich anfangs unter den Zeichen der venösen u. abdominellen Vollblütigkeit verbirgt, nach u. nach aber in einer schmutzig grauen, gelblichen, trockenen schuppigen Haut sich verräth, dem Gesichte, bes. um den Mund herum, den Ausdruck eines tiefen Leidens od. Grames aufprägt (Krebshabitus) u. mit Blutwässerigkeit u. hektischem Fieber endet. Die Krebsgeschwulst besteht in der Regel aus einem Grundlager (Stroma) von eigenthümlichen eiweißhaltigen Krebsfasern, welche maschig, strahlig u. blumenkohlartig ausgebreitet sind, u. zwischen denen eine gräuliche od. weißliche zellartige od. fleischige Zwischenmasse liegt, die aus kleineren od. größeren Krebszellen, bes. geschwänzten od. spindelförmigen, sowie aus Körnchen, Eiterkörperchen, Krystallen, Fetttropfsteinen etc. zusammengesetzt ist.

Die Hauptformen der Krebsgeschwulsten sind: a) Markschwamm (Medullarkrebs, Zellenkrebs, Carcinoma medullare, Cancer s. Fungus medullaris, Encephaloid), die häufigste Krebsart, mit überwiegendem Zellengehalt, Fasern fehlen oft ganz, soweit sie nicht zur Bildung des Stroma nothwendig sind. Nicht selten sind Blutgefäße reichlich darin (Blutschwamm, Fungus haematodes) od. körniges Pigment (Pigmentkrebs, Fungus melanodes). ja selbst Knochenbildung kommt darin vor (bösartiges Osteoid). Der Markschwamm zeigt zuweilen netzartig verwebte Faserzüge mit eingesprengten grauen Stellen (Carc. reticulare), od. er ist gallertartig mit büschelartig zusammentretenden Fasern (Carc. fasciculatum s. hyatinum), od. er stellt eine gestielte blumenkohlartig verästelte Wucherung vor, die in ihren Zotten eine weißliche Markschwammmasse enthält (Zottenkrebs), bes. gern auf Schleimhäuten zumal der Blase; der Markschwamm kommt gern vor in Leber, Nieren, Hoden u. Lungen. b) Faserkrebs (Skirrhus, Carc. fibrosum s. simplex) mit vorherrschender Faserbildung; das dichteste u. härteste Krebsgebilde, selbst knorpel- u. steinhart (Cancer eburneus), wächst sehr langsam, erweicht selten od. nur ganz allmälig Ist wohl fast immer primäre Krebsbildung, bisweilen auch der Boden für einen secundären Markschwamm (so im Magen, in der Gebärmutter), außerdem findet er sich in der Brustdrüse, im Dickdarm u. den Speicheldrüsen. c) Gallertkrebs (Alveolar- od. Areolarkrebs), aus verschieden großen, dickwandigen, zelligen Räumen bestehend, die mit einer gallertartigen (kolloiden) Masse gefüllt sind, findet sich vorzüglich im Magen u. Dickdarm, auf dem Bauchfelle, im Eierstocke u. in den Knochen. Sämmtliche Krebsarten gehen verschiedentlich in einander über u. bilden dadurch Mittelformen. Neigung zu Krebserkrankung (Krebsanlage) findet sich beim melancholischen u. cholerischen Temperament, im mittleren Alter beim weiblichen Geschlecht. Kummer u. Sorge u. schlechte Nahrung scheinen die Anlage zu steigern, Tuberkelkrankheit sie dagegen auszuschließen. Als Gelegenheitsursachen tritt zuweilen Schlag, Stoß, Kratzen od. sonst eine zu Gewebsentzündung Veranlassung gebende Verletzung; ja sogar Ansteckung leugnet man nicht ganz.

Krebse einzelner Organe sind hauptsächlich: a) der Brustkrebs, K. der Brustdrüse der Frauen, gewöhnlich in den klimakterischen Jahren, zumeist Faserkrebs, bisweilen in Markschwamm übergehend; er besteht oft allein im Körper, häufig aber gesellt sich K. der Achseldrüsen, der Leber, der Gebärmutter dazu; b) der Gebärmutterkrebs (Uterinalkrebs) tritt gewöhnlich als ein primärer u. alleiniger K. auf; ist in der Regel ein medullarer, befällt stets den Muttermund u. den Mutterhals; c) Magenkrebs, häufig vorzüglich Faserkrebs, seltener Markschwamm u. sehr selten Alveolarkrebs. Zumeist besteht er allein im Körper, doch greift er zuweilen auf Leber u. Bauchspeicheldrüse über. Er befällt fast nur den Pförtner des Magens, seltner ist der Magenmund Sitz krebsiger Entartung u. dann gewöhnlich mit K. der Speiseröhre verbunden. Durch Verjauchung der Masse bildet sich ein Krebsgeschwür, welches zuweilen durchbricht u. Communication des Magens mit dem Quergrimmdarm bedingt u. sich vorzüglich durch Erbrechen kaffeesatzähnlicher übelriechender Massen zu erkennen gibt; d) Leberkrebs, zumeist Markschwamm u. nicht selten pigmenthaltig, zeigt sich als Knoten od. als Infiltrat; gewöhnlich verbindet er sich mit K. der benachbarten Lymphdrüsen des Magens, Mastdarms u. Bauchfelles; ist häufig Ursache der Bauchfellentzündung, erzeugt Vergrößerung der Leber, aber auch Schwund der Lebermasse (Leberatrophie) u. Bauchwassersucht bei Druck auf die Pfortader u. Verstopfung der Venen durch Krebsmasse; e) Darmkrebs, vorzüglich am Dickdarm, bes. im Mastdarm als fibröser u. medullarer, oft allein, oft aber auch mit Magen-, Leber- u. Lymphdrüsenkrebs verbunden, in Gestalt runder, höckeriger Knoten, od. als ringförmige, den Darm bisweilen sehr verengende Ablagerung in deren Folge das überliegende Darmstück sich erweitert. Verjaucht der Darmkrebs, so kann es zu Durchbohrung kommen. Der Mastdarmkrebs kommt vor als ringförmiger Faserkrebs, fast nur im oberen Theile, als Zottenkrebs, als markschwammähnliche Infiltration; f) Hodenkrebs, gewöhnlich Markschwamm als Infiltrat, zuweilen bricht er nach außen auf, öfters Folge allgemeiner Syphilis; g) Harnblasenkrebs, zumeist im Gefolge von Mastdarm- u. Gebärmutterkrebs u. zwar als Markschwammknoten[784] in den Blasenhäuten, häufiger aber noch als Zottenkrebs. Sein Sitz ist vorzugsweise am Halse od. Grunde der Blase, er blutet oft bedeutend; h) Knochenkrebs, oft secundär bei Brustdrüsen-, Mastdarm-, Gebärmutterkrebs etc; er tritt zumeist in den reiferen Jahren u. als areolarer, Faser- u. Medullarkrebs auf; seine Bildung geht immer von der Markhaut aus u. befällt deshalb bes. schwammige Knochensubstanz u. Knochen. Durch Verjauchung der Krebsmasse kommt Knochenfraß u. Knochenbrand zu Stande. Bisweilen bildet sich eine Knochenschale um denselben, bisweilen auch Blätter u. Nadeln im Innern des Krebses (Osteoid, Spina ventosa); i) Zungenkrebs, bes. an der Wurzel ein unregelmäßiges, zackigbuchtiges, schwammig wucherndes Geschwür bildend. Diese Krebsgeschwüre der Zunge können schon nach einfacher Verletzung der Zunge entstehen, machen nur langsame Fortschritte, widerstehen aber allen Heilversuchen; k) Hautkrebs, unter welchem Namen jedoch häufig Epithalialwucherungen, so wie schnell um sich greifende u. hartnäckige Geschwüre mitbegriffen werden; der Hautkrebs kommt ursprünglich als Faserkrebs u. als Markschwamm vor, oft ist er auch Folge der Verjauchung eines tiefer liegenden Krebses, z.B. bei Brust- u. Lymphdrüsenkrebs. Besondere Arten des Hautkrebses sind: aa) der Schornsteinfegerkrebs, ein Markschwamm, der am Hodensacke als Knötchen od. warzenartiger Auswuchs beginnt, sich röthet, näßt, mit Bocken u. zottigen Hautpapillenwuchelungen bedeckt u. endlich ein Geschwür mit harten Rändern u. blumenkohlartigen Wucherungen wird; das Geschwür greift in die Tiefe auf die benachbarten Lymphdrüsen bis in die Bauchhöhle hinein; bb) Elfrenbeinartiger Hautkrebs (krebsartige, elfenbeinartige Hautsklerose), ein chronischer Faserkrebs, wohl aus secundär oberhalb krebsiger Bildung in den unter der Haut gelegenen Theilen; die Haut ist verdickt höckerig, starr, weiß, glatt, sehr fest, beim Einschneiden knirschend.

Der Verlauf der Krebskrankheiten ist zumeist sehr langsam, jedoch kommen in seltenen Fällen auch acute Krebsablagerungen vor, die gewöhnlich zu einem schnellen Ende führen. Die Aussicht ist stets ungünstig, da nur in seltenen Fällen ein operativer Eingriff gründlich hilft. Die Behandlung des Krebses muß bei der zumeist geringen Aussicht auf Heilung möglichst schonend sein. Vor allem ist größte Reinlichkeit u. Schutz gegen jede Reizung zu beobachten. Die Entfernung des Krebses durch das Messer, durch Ätzmittel (Landolfische Ätzpaste, s.d.) muß möglichst zeitig geschehen, sonst sind, rasch zum Tode führende Nachschübe zu befürchten. Gegen K., zumal innerer Organe, sind eine große Menge Heilmittel, jedoch ohne allen Erfolg, angewendet worden, narkotische Mittel (Morphium, Opium, Belladonna) zu Linderung der Zufälle dabei sind unentbehrlich. Vgl. Wardrop, Über Fungus haematodes, aus dem Engl. von Kühn, Lpz. 1817; Mauncie, Mark- u. Blutschwamm, aus dem Franz., Frankf. 1820; Meyen, Über die Natur parasitischer Geschwülste, Berl. 1828; Zimmermann, Markschwamm, Wien,1832; Reuß, De melanosi, Prag 1833; Müller, Über den feineren Bau der krankhaften Geschwülste, Berl. 1838; Behandlung des Krebses, nach der Methode des Dr. Canquoin, deutsch von Frankenberg, Braunschw. 1839; Sperber, De melanosi, Halle 1843; Wolf De fungo medullari, ebd. 1843; Bruch, Diagnose der bösartigen Geschwülste, Mainz 1847; Gerlach, Zottenkrebs u. Osteoid, ebd. 1852; Hannover, Das Epithelioma, Lpz. 1852; Köhler, Die Krebs- u. Scheinkrebskrankheiten, Stuttg. 1853.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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