Servet

Servet

Servet (Servēto), Michael, der Sohn eines Rechtsgelehrten, geb. 1509 od. 1511 zu Villa-Nueva in Aragonien, er nannte sich daher auch Villanovanus od. Reves ab Arragonia, u. die Franzosen Michel de Vielleneuve. Er studirte in Toulouse die Rechte, trieb aber auch Theologie. Nach einer andern Aussage trat er früh in die Dienste des Pater Quintana, des Beichtvaters Karls V., u. ging 1529 mit diesem Kaiser nach Italien u. dann nach Deutschland. Sicher war er 1530 in Basel, wo er mit Ökolampadius in Verbindung trat u. bei u. durch denselben Eingang für seine von der Kirchenlehre abweichenden speculativen Ansichten von Gott u. der Trinität zu erlangen suchte. Da ihm dies nicht glückte, so ging er nach dem Elsaß zu Capito u. Bucer u. ließ sein Buch De Trinitatis erroribus, 1531 (in Strasburg) drucken. Das Buch erregte ungeheures Aufsehen; die Lutheraner machten die Schweizer Reformatoren dafür verantwortlich, u. diese verdammten S. als Irrlehrer, u. als er mit seinem Buche nach Basel zurückkehrte, ließ ihn der Rath verhaften u. die Exemplare des Buches mit Beschlag belegen. Auf ein besänftigendes Urtheil Ökolampadius' wurde S. nach geleistetem schriftlichen Widerrufe freigelassen, aber sein Buch vernichtet. In seiner zweiten Schrift, Dialogi de Trinitate;[900] 1532, bezeichnete er seine Ansicht nicht für irrig, aber für unreif u. suchte sie weiter zu begründen. Er verwarf eigentlich nur die kirchliche Lehre od. Vorstellung der Dreieinigkeit, indem er lehrte, Gott habe vor der Schöpfung zwei persönliche Repräsentationen von sich ausgehen lassen, das Wort u. den heiligen Geist; ersteres sei in Christus Mensch geworden, daher werde diesem mit Recht die Gottheit zugeschrieben. Da aber dies Buch kein Aufsehen machte u. er seine Absicht, mit seiner Trinitätslehre einen Einfluß auf den Gang der Reformation zu gewinnen, vereitelt sah, ging er nach Paris, wo er Medicin, Mathematik u. Philosophie studirte. Nachdem er sich dann vorübergehend in Orleans aufgehalten hatte, ging er 1534 nach Lyon, wo er als Corrector arbeitete u. den Ptolemäos herausgab, u. 1537 wieder nach Paris, wo er am Collegium der Lombarden Mathematik lehrte, sich auch mir Medicin u. Astrologie beschäftigte. Mit den dortigen Ärzten welche er verächtlich behandelt hatte, in einen, für ihn ungünstig endigenden Proceß verwickelt, verließ er 1538 Paris, prakticirte erst in Avignon, dann in Charlieu als Arzt u. wendete sich 1540 nach Vienne, wo er die Gunst des Erzbischofs Peter Paulmier u. als Arzt großes Ansehen genoß. Hier gab er 1542 die lateinische Bibelübersetzung des Santes Pagninus verbessert u. mit Anmerkungen heraus, welches Werk aber in Spanien u. den Niederlanden auf den Index kam, u. ergriff von Neuem die Idee der Wiederherstellung des Christenthums. Er suchte deshalb mit Viret u. Calvin in Verbindung zu treten, aber umsonst. Nun veröffentlichte er seine dahin zweckende Schrift Christianismi restitutio, Vienne 1553, eine Sammlung theils seiner früheren, theils neuer Schriften, worin er das praktisch-ethische Interesse ganz hinter das dogmatisch-speculative zurücksetzte; er verließ mit seinen Ansichten vom Glauben (welchen er blos als Erkenntniß u. Beifall annimmt) u. Sünde (welche eigentlich nur als Thatsünde zur Schuld angerechnet werden kann), von seiner Bestreitung der Kindertaufe u. der nothwendigen Verbindung des Abendmahls mit der Taufe, sowie der Statuirung von Festen, menschlicher Genugthuung u. des Fegefeuers ganz den reformatorischen Standpunkt u. kehrte in vielen Punkten zum Katholicismus zurück. Er wurde als Verfasser denuncirt, verhaftet u. von einem aus Lyon gesendeten Inquisitor verhört; zwar gelang es ihm am 7. April 1553 zu entfliehen, doch ward er vom königlichen Gericht am 17. Juni zum Feuertode verurtheilt u. das Urtheil an seinem Bild u. Werke executirt. Er wollte nun über Genf nach Neapel gehen, wurde aber in Genf, nach einem vierwöchentlichen geheimen Aufenthalte daselbst, auf eine Anklage Nikolas' de la Fontaine, eines Schülers Calvins, u. Calvins selbst, am 13. August als Irrlehrer verhaftet, streng wegen seines Lebens, seiner Lehren u. seiner Angriffe auf die Kirche u. deren Vertreter inquirirt, vergebens zum Widerruf ermahnt, u. nachdem sich die vier evangelischen Ministerien von Zürich, Bern, Basel. u. Schaffhausen gutachtlich für die Verwerflichkeit seiner Lehren als Irrthümer (jedoch nicht für die Art der Bestrafung) ausgesprochen hatten, am 26. Oct. 1553 vom Rathe zu Genf, bes. auf Calvins Andringen, zum Feuertode verurtheilt u. am 27. Oct. verbrannt. Diese Procedur erfuhr verschiedene Beurtheilung, während die Theologen, selbst Bullinger u. sogar Melanchthon sie guthießen, fand sie bes. unter dem Laienstande vielfache Tadler u. es wurden mehre Schriften in der Sache für u. wider bes. in Beziehung auf Calvins Benehmen geschrieben. Vgl. Mosheim, Neue Nachrichten von M. Serveto, Helmst. 1750; Trechsel, M. S.u. seine Vorgänger, Heidelb. 1839; Rilliet, Relation du procès criminel intenté à Genève en 1552 contre M. S., Genf 1844.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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