Nordhausen

Nordhausen

Nordhausen, 1) (sonst Hohnsteiner Kreis), Kreis des Regierungsbezirks Erfurt in der preußischen Provinz Sachsen, 84 QM., 55,600 Ew.; der Boden ist durch den Harz uneben, aber fruchtbar; Branntweinbrennerei u. Schweinemast; 2) Kreisstadt darin, am Fuße des Giersberges (Geiersberges) u. an der Zorge, Anfang der Goldenen Aue; hat 7 evangelische Kirchen, eine katholische (den Dom) u. eine Synagoge, Gymnasium, Realschule, höhere Töchterschule, Waisenhaus, vormaliges Stift St. Crucis, Thüringische Gartenbaugesellschaft, Sitz des Landwirthschaftlichen Vereins in der Goldenen Aue, berühmte Branntweinbrennereien (Nordhäuser Branntwein, guter Kornbranntwein), Mästung von Schweinen u. Rindvieh, Ölfabrikation, Fabriken in Wolle, Baumwolle, Tuch, Leder, Cichorien, Zucker, Tapeten, Tabak, lackirten Blechwaaren u. chemischen Producten (Schwefelsäure), Kattundruckerei, Getreide-, Öl- u, Schweinehandel; Freimanrerloge: zur gekrönten Unschuld; Wappen: ein schwarzer, ungekrönter Adler im goldenen Felde; 15,700 Ew. – N. war in frühester Zeit ein Ort mit kaiserlichem Palatium (welches Kaiser Friedrich J. 1157 dem Kreuzkloster abtrat) u. wurde spätestens im 10. Jahrh. ummauert. 1075 nahm hier Heinrich IV. die thüringischen Häuptlinge gefangen (s. Deutschland [Gesch.] VI.). N. war (seit dem 13. Jahrh.) Reichsstadt, gehörte als solche zu dem Niedersächsischen Kreise u. nahm auf dem Reichstage die 10. Stelle, auf der Rheinischen Reichsstädtebank u. heim Niedersächsischen Kreise die vierte unter den Reichsstädten ein. Im Mai 1105 hier Versammlung der sächsischen Prälaten durch Heinrich V. 1144 hielten Konrad III., 1207 Philipp, welcher hier mit seinem Gegenkaiser Otto einen Vergleich machte, 1223 Heinrich VII. u. 1251 Konrad VI. hier Reichstage. 1180 wurde N. von Heinrich dem Löwen verbrannt, 1202 dem Landgrafen Hermann I. von Thüringen vom Kaiser Otto verliehen, aber 1211 von den Sachsen dem Landgrafen wieder abgenommen. 1212 hielt Otto IV. hier sein Beilager mit der Tochter des Königs Philipp. In dem Thüringischen Successionsstreit nahm N. die Partei des Markgrafen Heinrich von Meißen, welcher wegen der Treue der Stadt gegen ihn auch 1265 das berühmte Turnier hier hielt. 1354 Empörung der Handwerker gegen den Rath u. die Geistlichkeit, welche der Kaiser 1329 unterdrückte. Die Empörungen erneuerten sich immer wieder, bis, nachdem 1365 die Magistrate der Neu- u. Altstadt vereinigt worden waren, 1375 auch eine Veränderung im Rathe vorgenommen wurde, wornach auch die Bürgerlichen Theil an der Verwaltung erhielten. Im Bauernkrieg brachen die Aufrührer gewaltsam in die Stadt ein. N. nahm nachher die Reformation an u. trat zum Schmalkaldischen Bunde. Durch den Lüneviller Frieden u. Reichsdeputationsabschluß[87] 1803 verlor N. seine Reichsunmittelbarkeit u. kam an Preußen, worauf es dem Fürstenthum Eichsfeld einverleibt wurde. 1807 wurde es zum Königreiche Westfalen geschlagen, wo es der Sitz einer Unterpräfectur war u. zum Bezirk N. des Harzdepartements gehörte, kehrte aber 1813 unter die preußische Herrschaft zurück. Vgl. Lesser, Nachrichten von N., Nordh. 1740; Förstemann, Urkundliche Geschichte von N. bis 1250, ebd. 1840; Ders., N. (Kleine Schriften zur Geschichte der Stadt N.), Nordh. 1855. 4) Pfarrdorf im Oberamte Brackenheim des württembergischen Neckarkreises; 364 Ew., Nachkommen von Waldensern, welche 1699 aus Piemont einwanderten.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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