- Guelfen
Guelfen (Welfen), altes deutsches, aus dem Schlosse Ravensburg stammendes Geschlecht, aus welchem mehrere regierende Familien, darunter die jetzt noch blühenden zwei Braunschweigischen, hervorgegangen sind. Die G. zerfallen in zwei Linien: als Stammvater I. der älteren guelfischen Linie wird angegeben: 1) Welf (Welfo) I., Enkel des Grafen Warin v. Altorf u. Sohn Isenbards, lebte zu Karls des Großen Zeiten u. hatte außer seinen Erbbesitzungen in Baiern noch viele Allodialgüter in Schwaben. Er hatte sich mit einer sächsischen Dame verheirathet u. mit ihr zwei Kinder: 2) Ethiko I. u. Judith, erzeugt, von denen jener dem Vater folgte, diese an Kaiser Ludwig den Frommen vermählt wurde. Ethikos Sohn war 3) Heinrich mit dem goldnen Pfluge; er ließ sich vom Kaiser mit einem Stück Land belehnen, welches er mit einem Pfluge in Einem Tage selbst umackern könnte; er umzog aber nur einen District von 4000 Ackern, auf einem Wagen sitzend u. einen goldenen Pflug in der Hand haltend, statt ihn wirklich zu bestellen. Der Vater war darüber entrüstet, weil sich Heinrich dadurch in die Abhängigkeit des Kaisers begab, u. zog sich in den Ammergau in die Einsamkeit zurück. Heinrich stiftete das Kloster zu Altorf unweit Ravensburg, welches später Weingarten genannt u. der Begräbnißort mehrerer G. wurde. Er hatte von seiner Gemahlin, der baierischen Gräfin von Hohenwart, drei Söhne: 4) Konrad, welcher 934 Bischof von Constanz wurde; 5) Ethiko II. u. 6) Welf II. (Welhard). Dieser Welf ist der Erste, durch welchen der Parteihaß zwischen seiner u. der kaiserlichen Partei, Guelfen u. Ghibellinen (s.d.), sich begründete. Er überfiel, während Kaiser Konrad II. in Italien war, den Bischof von Augsburg, Heinrichs II. Bruder u. Konrads II. Freund, u. den Bischof von Freisingen; doch mußte er nach der Zurückkunft des Kaisers (1027) alle Eroberungen wieder herausgeben. Er war verheirathet mit Irmengard, einer Luxenburgerin, seine Kinder: Kunigunde u. 7) Welf III.; dieser wurde 1047 mit dem Herzogthume Kärnten (s.d.) u. der Mark Verona belehnt u. machte seine Macht selbst gegen den Kaiser Heinrich III. geltend. Er war nicht verheirathet, u. als er 1055 starb, vermachte er alle seine Erbgüter dem Kloster Weingarten. Allein seine Mutter Irmengard bewog ihren Schwiegersohn, den Markgrafen Azzo von Este, Gemahl ihrer Tochter Kunigunde, seinen Sohn nach Deutschland zu schicken, mm das Testament seines Oheims umzustoßen. Es geschah u. 8) Welf IV. (als Herzog Welf I.) wurde so der Stifter II. der jüngeren guelfischen Linie. Welf wurde nach dem Tode Otto's von Nordheim 1071 Herzog von Baiern. Als Otto von dem Kaiser begnadigt worden war, u. Welf einen Theil Baierns wieder an ihn herausgeben sollte, entzweite er sich mit dem Kaiser u. schlug denselben 1086 bei Würzburg, s.u. Baiern (Gesch.). Welf starb auf einem Kreuzzuge 1101 bei Paphos auf Cypern. 9) Welf V. (II.), Sohn des Vorigen, heirathete die Prinzessin Mathilde, Tochter Bonifacius' von Este u. Wittwe Gottfrieds des Bucklichen von Lothringen, welche große Güter in Italien besaß, deren [755] Anhänglichkeit an den römischen Hof jedoch Welf bewog, sich durch einen Vertrag 1097 von ihr zu trennen. Er folgte seinem Vater 1101 u. war bis 1120, wo er starb, Herzog; s.u. Baiern (Gesch.). Da Welf keine Kinder hatte, so erbte 10) Heinrich der Schwarze (s.d.) sein Bruder, Baiern u. seine Güter; dieser verheirathete mit Wulfhild, Tochter des Herzogs von Sachsen, einen Theil der Lüneburgischen Erbgüter, u. st. 1126; Heinrich hatte 2 Söhne: A) in der Hauptlinie Baiern folgte ihm 11) Heinrich der Stolze (s.d.), welcher Gertrud, Tochter des Kaisers Lothar II., heirathete u. das Anrecht an die Braunschweigischen, Nordheimischen u. Supplinburgischen Gütern, auch von dem Kaiser noch das Herzogthum Sachsen erhielt; dessen Nachfolger 12) Heinrich der Löwe (s.d.), sein Sohn, welcher durch seinen Enkel, Otto d. Kind, Gründer der jetzigen Braunschweigischen u. Hannoverschen Fürstenhäuser wurde. B) In einer Seitenlinie setzt den Welfischen Stamm fort: 13) Welf VI. (III.), Graf von Altorf, Heinrichs des Schwarzen zweiter Sohn; er erhielt durch seine Verheirathung mit Uta, der Tochter des rheinischen Pfalzgrafen Gottfried, Erb- u. Lehngüter, von denen er jedoch Gottfrieds Bruder einige Landestheile abtreten mußte. Nach seines Bruders Heinrichs des Stolzen Fall bemächtigte er sich Baierns, welches Kaiser Konrad III. bereits an Leopold von Österreich gegeben hatte, angeblich für seinen Mündel, Heinrich den Löwen. Mit Hülfe König Rogers von Sicilien drängte er Leopold von Österreich bis nach Österreich zurück, aber der Reichstag zu Worms 1140 erklärte ihn in die Acht. Konrad III. zog selbst gegen ihn zu Felde, u. bei Weinsberg (s.d.) kam es 1140 zu einer für Welf ungünstigen Schlacht, wobei zum ersten Male der die beiden Parteien bezeichnende Ausdruck Guelfen u. Ghibellinen (s.u. Ghibellinen) gebraucht wurde, u. Welf versöhnte sich erst spät mit dem Kaiser, den er dann 1147 auf seinem Kreuzzuge begleitete. Bei seiner Rückkehr verwüstete er Baiern, welches Leopold seinem Bruder Heinrich Jasomirgott überlassen hatte, von Neuem. Als Konrad starb u. Friedrich I. Barbarossa, ein G. von mütterlicher Seite, Baiern an Heinrich den Löwen zurückgab, diente er diesem treu u. begleitete ihn zweimal nach Italien. Darauf gerieth er in Streit mit Hugo von Tübingen wegen Gewaltthätigkeiten gegen mehrere seiner Vasallen; Welfs Sohn griff ihn 1164 an, wurde aber bei Tübingen geschlagen u. verlor 900 Gefangene, aber Welfs Vater rächte 1165 seinen Sohn an dem Grafen Hugo. Nach des jungen Welfs Tode (1167) übergab Welf VI. seine Güter seinem Neffen, Heinrich dem Löwen, da derselbe ihm aber die verlangte Summe nicht zahlte, so schenkte er sie wieder dem Kaiser Friedrich I., dem Sohn seiner Schwester, u. dessen Sohn, Heinrich VI. Unter diesem waren auch viele Güter aus der Mathildischen Erbschaft in Italien, u.a. Tuscien, Sardinien u.m.a. Er st. 1191 in Memmingen, u. mit ihm starb der welfische Name, nicht aber das welfische Geschlecht aus, s. oben. Außer dem Hause Braunschweig, u. somit den Königshäusern Hannover u. Großbritannien, stammt auch das italienische Haus Este (s.d.) in weiblicher Linie von den W. ab (s. oben). Eine ältere Ahnentafel, als diese welfischen Fürsten, kann kein europäisches Fürstenhaus aufweisen. Für die Geschichte der alten welfischen Linie ist das Chronicon Weingartense, zwischen dem 12. u. 13. Jahrh. von einem Mönch des Klosters Weingarten geschrieben, wichtig. Über die Kämpfe der G. mit den Ghibellinen s.u. Ghibellinen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.