Shaker

Shaker

Shaker (spr. Scheker, d.i. Schüttler, Springer), eine religiöse Secte in Nordamerika, welche ihre Entstehung den religiösen Erregungen in der Provence u. Dauphiné zu Anfang des 18. Jahrh. zuschreibt; von dort kamen 1716 einige der Propheten, welche die Nähe des Weltendes verhießen u. daher Buße predigten, nach England, fanden Anhänger u. vereinigten sich 1747 in Bolton bei Manchester zu einer geordneten Gemeinde unter Jakob Wardley u. seiner Frau, ohne besondere Statuten u. Glaubenssätze; in ihren Versammlungen saßen sie theils in schweigender Betrachtung da, theils singend u. jauchzend vor Freude über die Nähe der Erlösung u. wurden oft von heftigen Bewegungen des Körpers ergriffen, bestehend in Schütteln u. Hin- u. Herlaufen (daher erhielten sie den Namen S.). 1758 schloß sich Ann Lee der Gesellschaft an; sie war 29. Febr. 1736 als Tochter eines Grobschmieds in Manchester geboren, zeigte von früher Jugend einen tief religiösen Ernst, bes. Abscheu vor geschlechtlichen Sünden, wurde Fabrikarbeiterin, konnte weder lesen noch schreiben u. heirathete, gedrängt von ihren Verwandten, den Schmied Abraham Stanley; 1770 wegen angeblicher Sabbathsschändung ins Gefängniß geworfen, hatte sie dort eine Erscheinung Christi u. wurde nach ihrer Befreiung unter der Gemeinde als der erste sichtbare Führer der Kirche Gottes auf Erden anerkannt, auch mit dem Namen Mutter bezeichnet. Nach wiederholter Gefängnißhaft u. öfteren Mißhandlungen wanderte sie 1774 mit acht ihrer Gläubigen (darunter ihr Mann u. ihr Bruder Wilhelm) nach Amerika; sie kauften Land am Hudson bei Albany u. machten es urbar; Ann Lee blieb unterdessen in New York mit ihrem Mann, welcher sich aber hier von ihr trennte. 1776 sammelte sie eine kleine Anzahl Gläubige in Watervliet. Sie lebten hier 3 Jahre in Abgeschiedenheit u. erhielten durch die Erweckung in New-Lebanon u. Umgegend 1779 neuen Zuwachs, wurden aber auch wieder vielfach verfolgt. Nachdem Ann Lee 1781–83 eine erfolgreiche Reise in Massachusetts gemacht hatte, st. sie den 8. Sept. 1784. Ihr folgte im Amte bis 1787 Jakob Whittaker, nach diesem Joseph Meachem, unter welchem die Gütergemeinschaft eingeführt wurde. 1792 hatte die Gemeinde die feste Gestalt gewonnen, welche sie noch jetzt hat; im Anfang des 19. Jahrh. breitete sie sich auch im Westen Amerikas, bes. im Staate Ohio, aus, so daß Shakergemeinden bestehen in den Staaten New York, Massachusetts, Connecticut, Newhampshire, Maine, Ohio u. Kentucky, im Ganzen mit ungefähr 5000 Mitgliedern u. die Gemeinden mit einer durchschnittlichen Mitgliederzahl von 300 Seelen. Sie beschäftigen sich mit Feld- u. Gartenbau, Kräutersammeln (die Shaker herbs werden von den Ärzten sehr geschätzt) u. Manufacturarbeiten für den Hausbedarf, sowie zum Marktverkauf. Männer u. Weiber wohnen zusammen; doch hat jedes Geschlecht eigene Stuben, Eingänge, Treppen, Spaziergänge etc., nur das Speisezimmer ist gemeinschaftlich, beide Geschlechter sitzen bei Tische einander gegenüber. Männer u. Weiber haben eine eigene, für Alle gleiche Kleidung. Die Gemeinde in New-Lebanon wird als Mittelpunkt betrachtet, doch sind in den besonderen inneren Angelegenheiten die Gemeinden selbständig u. haben ihre eigenen Ministerien.

Die S., obwohl protestantisch, stehen doch in vielen Stücken auf Seite des Katholicismus. Sie lehren, daß Alles in der natürlichen Welt ein hindeutendes Vorbild auf die geistigen Dinge sei u. daher in dem ewigen Gottesreiche sein entsprechendes Gegenbild haben müsse. In Gottes Wesen findet keine Dreieinigkeit statt, sondern ein Verhältniß des Männlichen u. Weiblichen; er offenbart sich als Vater in seiner schaffenden Macht, als Mutter in der tragenden, gestaltenden, ordnenden Weisheit. Aus seinen sieben Attributen Macht, Weisheit, Güte, Licht, Heiligkeit, Liebe, Gerechtigkeit fließt die Wahrheit u. jene offenbaren sich in dieser. Eine ewige absolute Gnadenwahl findet nicht statt, sondern der freie Mensch sollte in einen Zustand der Prüfung u. Bewährung gesetzt werden. Aber durch Adams Fall ist das ganze Menschengeschlecht von Gott gefallen; der Sündenfall bestand in Hingebung an die fleischliche Luft, doch ist keine Erbschuld anzunehmen. Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Heiland u. Erlöser seines Volkes u. Haupt der neuen geistigen Schöpfung, ist nicht auf natürlichem Wege gezeugt, sondern von Gott u. dem Heiligen Geiste[932] geschaffen, u. daher Maria reine Jungfrau. Zweck der ersten Ankunft Christi war die reinste u. einfachste Tugend, die Selbstverleugnung, zu lehren u. den Grund des Heils zu legen durch das Heil. Denn von dem Jahre 457, dem Todesjahre des Kaisers Marcianus, begann das Reich des Antichrists u. dauerte bis 1747 (= 457 + 1290, Dan. 12, 11), eine Zeit der Nacht, in welcher sich der Heilige Geist völlig von der Erde zurückzog u. im Himmel den Weg für die zweite Ankunft Christi bereitete. Diese ist geschehen in einem weiblichen Wesen, Ann Lee, u. in ihr verwirklichte sich die Fülle der Erlösung u. Wiedergeburt. Die Erlösung des Menschengeschlechtes ist objectiv geschehen in Christi Vereinigung mit dem Menschen, die Bedingung der Theilnahme an der Erlösung auf Seite des Menschen ist die Selbstverleugnung, die Hingabe des natürlichen Lebens um Christi willen; Christus zeugt die Kinder Gottes durch das weibliche Medium, erst durch die Vereinigung mit ihr wird die Erlösung vollendet. Wiedergeburt ist Erneuerung des Menschen zu einem ewigen Leben der Gerechtigkeit, dessen er nicht wieder durch einen Fall verlustig gehen kann, so daß wirkliche Christen ohne Sünde sind. Bei der Taufe ist die Hauptsache die des Heiligen Geistes, doch die Wassertaufe nicht zu verdammen. Das Abendmahl ist kein Sacrament, sondern ein Mahl der Liebe in Erinnerung an den Tod Christi, dagegen ist das Fußwaschen etwas eigenthümlich Christliches. Die Beichte muß vor den Ohren u. Augen der Mitbrüder geschehen (Ohrenbeichte). Gottes Offenbarung ist nicht beschränkt auf die Schrift, weder dem Inhalte, noch der äußeren Ausdehnung nach; das Evangelium kommt zu allen Menschen, entweder diesseits od. im jenseitigen Prüfungszustande. Die Moral ist gegründet in den zwölf himmlischen, in Christo geoffenbarten Tugenden Glaube, Hoffnung, Rechtschaffenheit, Enthaltsamkeit, Unschuld, Einfalt, Sanftmuth, Demuth, Klugheit, Geduld, Dankbarkeit, Nächstenliebe; ohne ihren Besitz kann Niemand das Heil erlangen. Aus ihr ergeben sich sieben moralische Principien der Kirche Christi, welche das äußere Leben der Jünger Christi ordnen: Pflicht gegen Gott (bestehend in Gehorsam gegen Gott u. die sichtbare Kirche), Pflicht gegen die Mitmenschen, Trennung von der Welt (bestehend im Enthalten aller Gemeinde- u. Staatsämter u. ihrer Einkünfte, aller Parteibestrebungen u. politischen Kämpfe), Friedfertigkeit (Enthalten vom Kriege), Einfalt der Zunge (Verwerfung des Eides u. aller Titulaturen), rechter Gebrauch des Eigenthums (bestehend in Gütergemeinschaft), ein jungfräuliches Leben (völlige Verwerfung der Ehe). Es findet eine Auferstehung sowohl der Gerechten als der Ungerechten statt, aber nur der Seele nicht des Leibes. Nach dem Tode folgt ein Zwischenzustand, eine Art Fegefeuer, daher das Gericht schon begonnen hat, allmälig u. unscheinbar fortgeht u. endlich zu der Entscheidung u. den Beschluß des Prüfungszustandes für alle Seelen führt. Die Vollendung der Religion ist kein Zustand ohne Wachsthum zum Bessern, sondern ewige Zunahme in Erkenntniß Gottes u. im Theilhaftigwerden seines Wesens. Die Verfassung: das sichtbare Haupt der Kirche ist ein Ministerium (Ministry), gewöhnlich von vier Personen (zwei Männer u. zwei Frauen), der Erste in ihm ist der leitende Älteste der Gesellschaft, die aus ihm Scheidenden bestimmen ihre Nachfolger; es erwählt u. setzt ab die Diener, Ältesten u. Diakonen, vergibt alle Ämter u. ist in Allem die höchste Instanz. Die Diener (Ministers) vertreten die Gemeinde nach außen hin, unterrichten u. nehmen die neuen Mitglieder auf, werden auch als Missionäre ausgesandt. Die Ältesten (Elders) haben die Pflege der Geistlichen, die Diakonen die Pflege der Weltlichen in den Familien; Letztere sorgen zugleich für die Bedürfnisse der Familien, die Ordnung der Arbeiten u. den Handelsverkehr nach außen. Diener, Älteste u. Diakonen sind zu gleichen Theilen Männer u. Frauen; alle Beamte sind zugleich Handarbeiter, alle Glieder werden gleicherweise behandelt. Jedes Mitglied verzichtet auf alles besondere Eigenthum u. Erwerb, das Vermögen Jedes wird der Gesellschaft übergeben u. bei etwaigem Rücktritt nicht zurückerstattet (nur wenn es ungläubige Kinder u. Erben verlangen). Neue Mitglieder werden erst nach einer Probezeit aufgenommen; Kinder werden auf Wunsch ihrer Eltern in der Gemeinde erzogen u. können, selbständig geworden, ihre eigene weitere Entscheidung treffen. Überhaupt ist die Kindererziehung eine der wichtigsten Pflichten der Gesellschaft, sie besteht in Zucht zur Selbstbeherrschung u. Selbständigkeit u. in Schulunterricht, doch wird nur gelehrt, was der Schüler zum Nutzen anwenden kann. Die feste Ordnung des Gottesdienstes besteht in dem gottesdienstlichen Tanzen. Nach Beendigung eines dumpfen Gesanges u. nach einer Ansprache an die Gemeinde treten zwei Mitglieder verschiedenen Geschlechts als Vortänzer auf u. geben ein Zeichen, worauf Männer u. Weiber ihre Oberröcke u. Mäntel, Hüte u. Hauben ablegen; auf ein zweites Zeichen tritt jedes Geschlecht in eine Reihe, u. unter Begleitung von Gesang beginnt ein Anfangs feierlicher Tanz, welcher in Verbeugungen, Wendungen u. Schwenkungen besteht, ohne daß jedoch eine Mannsperson mit einem Frauenzimmer tanzt. Nach u. nach geht bisweilen der Tanz unter brummenden Nasentönen in rasende Bewegungen über u. endigt mit der völligen Erschöpfung der Tanzenden. Sie bezeichnen die ganze Feierlichkeit, welche den Jubel über die neue Erscheinung des Messias nach dem Beispiel des vor der Bundeslade tanzenden Königs Davids ausdrücken soll, mit dem Namen des Werks (The work). Die Alten u. wer gerade nicht Luft hat an einem Sonntage mit zu tanzen, stehen hinter den Reihen u. schlagen den Tact. Vgl. The testimony of Christs second appearing. Dundavys Manifests, printed at pleasent Nill, Kentucky 1818; The sacred roll and book, written by Divine Inspiration; A summary view of the millenial Church or United Society of believers, commonly called Shakers, republished, Albany 1848; R. Thum, Selbstdarstellung der S. nach Lehre, Geschichte u. Verfassung in Niedners Zeitschrift für die historische Theologie, 1857, S. 95 ff.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • shaker — [ ʃɛkɶr ] n. m. • 1895; mot angl. « secoueur » ♦ Anglic. Récipient (métallique, etc.), formé d une double timbale, utilisé pour préparer des cocktails et boissons glacées. « il secouait le shaker [...] : il jouait au barman » (Sartre). ● shaker… …   Encyclopédie Universelle

  • Shaker — (von engl. to shake „rütteln, schütteln“) steht für Shaker (Barzubehör), ein Utensil zum Mixen von Cocktails Shaker (Religion), eine christliche Gemeinschaft in den USA Shaker (Musik), ein Musikinstrument elektrodynamischer Shaker, ein Testgerät… …   Deutsch Wikipedia

  • shaker — s.n. Recipient în care se agită (cu gheaţă) elementele unui cocteil. [pr.: şéicăr] – cuv. engl. Trimis de LauraGellner, 22.07.2004. Sursa: DEX 98  SHAKER s.n. Aparat în care se agită, cu gheaţă, elementele unui cocteil. [pron. şéichă. / <… …   Dicționar Român

  • shaker — ► NOUN 1) a container used for mixing ingredients by shaking. 2) a container with a pierced top from which a powder is poured by shaking. 3) (Shaker) a member of an American Christian sect living simply in celibate mixed communities. [ORIGIN: so… …   English terms dictionary

  • shaker — [shā′kər] n. 1. a person or thing that shakes 2. a device used in shaking [a cocktail shaker ] ☆ 3. [short for earlier Shaking Quaker: so named because of trembling caused by emotional stress of devotions: see QUAKER] [S ] a member of a religious …   English World dictionary

  • shaker — shaker. Обширная группа нейрологических мутаций у мышей, характеризующихся рядом общих симптомов (бег по кругу, повышенный уровень двигательной активности, “качательные” движения головы и аномальная реакция на изменение положения тела, часто… …   Молекулярная биология и генетика. Толковый словарь.

  • Shaker — Shak er, n. 1. A person or thing that shakes, or by means of which something is shaken. [1913 Webster] 2. One of a religious sect who do not marry, popularly so called from the movements of the members in dancing, which forms a part of their… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • shaker — (n.) mid 15c., one who or which shakes, aqgent noun from SHAKE (Cf. shake) (v.). Applied from 1640s (with capital initial) to various Christian sects whose devotional exercises often involved convulsions. The best known, the American based… …   Etymology dictionary

  • shaker — /ˈʃe(i)ker, ingl. ˈʃeɪkə(r)/ [vc. ingl., propriamente «sbattitore», da to shake «scuotere»] s. m. inv. sbattighiaccio, agitatore, scuotitoio …   Sinonimi e Contrari. Terza edizione

  • shaker — (izg. šèjker) m DEFINICIJA razg. posuda u kojoj se pripravlja shake ili koktel ETIMOLOGIJA vidi shake …   Hrvatski jezični portal

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