- Hanau [2]
Hanau, 1) kurhessische Provinz, zwischen Frankfurt a.M., dem baierschen Kreise Unterfranken u. Aschaffenburg, dem Großherzogthum Hessen u. dem Herzogthum Nassau; enthält die vormalige Grafschaft H., das vormals Fuldasche Amt Salmünster u. das kurhessische Amt Isenburg; 271/2 QM., durch Zweige des Spessart u. der Rhön etwas gebirgig, aut angebaut, vom Main, der Kinzig, Nidda u.a. bewässert; man treibt Acker-, Garten-, wenig Weinbau, ergiebige Viehzucht, etwas Bergbau, einigen Handel, zieht Flachs u. Hanf, hat gute Salinen; gegen 121,000 Ew., meist Evangelische. 2) Hauptstadt der Provinz, wie eines Kreises u. Landgerichts; theilt sich in Alt- u. Neustadt, letztere nahe am Einfluß der Kinzig in den Main; Sitz der obersten Landesbehörden, eines Militärcommandos, großer Marktplatz mit dem Rathhaus, Paradeplatz mit Kaserne, Zeughaus u. Schauspielhaus u. die sogenannnte Französische Allee; H. hat 5 Kirchen (lutherische, reformirte, katholische u. deutsch-katholische, sowie die unter gemeinschaftlichem Dache befindliche wallonische u. niederländische) Synagoge, Residenzschloß, in dessen Rayon sich die Kanzleien befinden, Gymnasium, Wetterauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde (mit Bibliothek u. Sammlungen) ist, städtische Bibliothek; Zeichenakademie (300 Schüler), Handwerksschulen, Bürger- u. Realschule, Schulen der holländischen u. katholischen Gemeinden, Armen- u. Freischulen, Waisenhaus, Hospital, Armenanstalt, Leihbank; Fabriken in Wolle (bes. werden Teppiche gefertigt), Sammt u. Seide, Filz- u. Seidenhüten, Gold- u. andere Stickereien, seinen Eisengußwaaren, Wagen, Handschuhen, Licht, Seife, musikalischen Instrumenten, Schnupf- u. Rauchtabak (bes. Cigarren), Gold- u. Silberwaaren; Handel mit diesen Dingen u. mit Holländer- u. Farbholz, Safran u. Gewürzen, Farbewaaren, Wein, Öl- u. Hafenbälgen, 2 Messen, große kurfürstliche Mühle mit 14 Gängen (außer mehreren Mahlmühlen Schneide-, Gewürz-, Gyps-, Tabaks-, Papier-, Öl- u. Walkmühle); Eisenbahn nach Frankfurt a.M. einer- u. über Aschaffenburg nach Bamberg (Bairische Westbahn) andererseits; 16,500 Ew. worunter 600 Juden zum Theil in einer eignen Gasse. Dabei das Bad Wilhelmsbad, 1/2 Stunde entfernt, Vergnügungsort mit Spielbank u. englischen Parkanlagen; Eisensäuerling, entdeckt 1709 (hier der Freimaurercongreß 1782, s.u. Freimaurerei, Gesch.) u. das Lustschloß Philippsruhe, mit Lustgarten. – Die Stadt H. steht auf der Stelle einer römischen Ansiedelung, wie zahlreiche, in der Umgegend gefundne Urnen, Münzen etc. zeigen, vielleicht war es ein Castell, aus dem die Burg entstand, um welche die nachmalige Altstadt H. angelegt wurde. Schon im 11. Jahrh. kommen Grafen von H. vor. 1528 befestigte Graf Philipp H., baute auch ein neues Schloß. Die Neustadt wurde erst 1597 von, der Religion wegen flüchtigen Niederländern erbaut u. befestigt. 1630 wurde die Stadt von den Kaiserlichen blockirt, 1631 von den Schweden überfallen u. 1635 u. 1636 wieder von den Kaiserlichen unter General Lamboy blockirt, am 13. Juni aber durch Landgraf Wilhelm V. von Kassel entsetzt; zur Erinnerung an diese Befreiung feiert man hier alljährlich am 13. Juni in dem sogenannten Lamboywalde das Lamboyfest. Hier am 30. Octbr. 1813 Schlacht zwischen den Baiern u. Österreichern unter Wrede u. den nach der Schlacht von Leipzig sich nach Mainz zurückziehenden Franzosen unter Napoleon. Letztere durchbrachen die Stellung der Verbündeten u. erreichten so Frankfurt u. Mainz glücklich, s.u. Russisch-deutscher Krieg von 1812–15. H. wurde am 1. Novbr. 1850 von den Baiern unter Fürst Thurn u. Taxis besetzt. Vgl. Hundeshagen, Belagerung u. Entsetzung der Stadt H. im Dreißigjährigen Kriege, Han. 1812; Darstellung der Schlacht bei H. am 30. Octbr. 1813, ebd. 1814; Plan der Schlacht bei H., entworfen vom Major Humbert, 1858; Arnd, Geschichte der Provinz H., ebd. 1858.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.