Herculanĕum

Herculanĕum

Herculanĕum (gewöhnlich Herculānun genannt, ital. Ercolano), alte Stadt in Campanima felix, am Meere u. am westlichen Fuße des Vesuv; zuerst von Oskern bewohnt, später von Tyrrhenern u. endlich von Griechen besetzt. Die Römer bemächtigten sich schon vor dem Bundesgenossenkriege. der Stadt u. führten eine Colonie hin, durch welche H. eine der blühendsten Städte Campaniens wurde. Schon hatte sie durch Erderschütterungen häufig, namentlich 63 n. Chr., gelitten, beim Ausbruch des Vesuvs am 20. Nov. 79 n. Chr. wurde sie mit Pompeji u. Stabiä zugleich gänzlich verschüttet. Später wiederholte Lavaströme (man zählt deren sechs verschiedene über einander) begruben die Stadt in eine Tiefe von 60–100 Fuß. Mit der Zeit wurden über die Stelle der alten Stadt Portici u. ein Theil von Resina gebaut, u. wenn auch die Stätte, wo H. einst gestanden, später nicht unbekannt war (denn italienische Karten des 16. Jahrh. zeigen noch bei Portici H. an), so wurde doch erst im 18. Jahrh. die Stadt durch Ausgrabungen wieder mehr bekannt. Frühere Ausgrabungen, wie die von 1689, waren bereits in Vergessenheit gekommen, als Emanuel von Lothringen, Prinz von Elbeuf, der 1709 ein Landhaus bei Portici gekauft hatte, in Folge einer Ausgrabung von drei weiblichen Statuen, die man 1720 beim Graben eines Brunnens fand (jetzt im Museum zu Dresden aufbewahrt) weitere Nachgrabungen anordnete, die ihm jedoch bald darauf von Seiten der Regierung untersagt wurden. Erst 1738 wurden diese durch König Karl VII., unter Leitung des Architekten Rocco Giachino Alcubierre u. des schweizerischen Ingenieurs Karl Weber, so wie dessen Nachfolgers la Veja fortgesetzt, wobei man auf einen Jupitertempel mit Bildsäulen u. das fast noch unbeschädigte Theater stieß. 1750 entdeckte man dann[259] auch Stabil u. Pompeji. Unter König Joseph Napoleon (1806–8) u. Joachim Murat (1808–15) wurden die Nachgrabungen am thätigsten u. planmäßigsten betrieben, bis sie durch die politischen Ereignisse in Neapel unterbrochen wurden. Doch verordnete König Ferdinand I. 1816 die Fortsetzung der Arbeiten, aber erst seit 1828 ließ König Franz I. durch den Baumeister Bonacci die Ausgrabungen wieder beginnen. Ausgegraben hat man bis jetzt das Theater, Säulengänge, mehrere Tempel u. ein Privathaus. Die Straßen waren ganz gerade u. mit Lava gepflastert u. an den Seiten mit Trottoirs belegt. Der Grund, daß nicht mehr Nachgrabungen gehalten werden, ist der, weil man, wegen der übergebauten Städte Portici u. Resina, die Häuser nicht bloß legen u. nur schachtmäßig einfahren kann, u. also die alte Stadt unterirdisch ist. Was man an Kunstgegenständen hier u. in Pompeji fand, wurde Anfangs in den königlichen Palast zu Portici, später in das königliche Bourbonische Museum nach Neapel gebracht, wo sie sich noch befinden. 1755 wurde auch zur Untersuchung u. Beschreibung derselben die Accademia Ercolanese gestiftet (s.u. Akademie 5) I. A) e), die seit 1760 ihre Untersuchungen veröffentlicht hat (s. unten). Jene Kunstgegenstände sind aus dem Gebiet der plastischen Kunst, Statuen u. Büsten von Bronce u. Marmor, Glaswaaren von den verschiedensten Formen u. zu dem verschiedensten Gebrauch, Ringe, Ketten, Nadeln, Tassen etc. von Gold od. mit Gold eingefaßt, Eßlöffel von Silber, Küchengeräthe, Candelaber, Lampen, Waffen, Feldgeräthschaften etc. von Bronce. Bemerkenswerth sind bes. die Mauergemälde durch Inhalt, Tomposition, Zeichnung u. Farbengebung. Sie sind a tempera gemalt, nur wenige auf nassen Grund od. eigentliche Frescogemälde. Für die schönsten gelten die Tänzerinnen, die Nymphen u. die Kentauren. Diese Gemälde wurden zugleich mit ihrem Grunde, der Mauer, ausgeschnitten; dadurch, daß man sie früher mit darauf gespritztem Wasser auffrischte, verblichen sie nach u. nach; jetzt ist dies verboten, ja sie werden sogar sogleich durch Glas vor der Luft geschützt. Abzeichnungen davon in: Le pitture antiche d'Ercolano (von Pasquale), Neap. 1757 ff. Weniger Gewinn hat die alte Literatur davon getragen, da weder die gefundnen Manuscripte (mit Fragmenten der Schriften des Epikuros, Philodemos, Demetrios, Phädros, Phanias, Cicero u. A.) ganz gelesen werden konnten, noch auch ihr Inhalt von Bedeutung war. Man fand nämlich in dem oben genannten Hause, theils in einem Zimmer des Hauptgebäudes, theils im innern Porticus in einem Kästchen viele Papyrusrollen verkohlt. Diese Herculanischen Handschriften versuchte man abzurollen, wozu P. Antonio Piaggio mit Merli sich einer von ihm erfundenen Maschine bediente, wo man, mittelst Seidenfäden, die, vorher mit Goldschlägerhäutchen befestigten Streifen der Handschrift allmälig (in einem Monat eine Spanne, mit Verursachung vieler Löcher) abrollte. Des Engländers Hayter Versuche u. die Sicklers u. Davys (1820) waren nicht glücklicher. In neuerer Zeit war man glücklicher mit dem Aufrollen u. Entziffern der Manuscripte. Vgl. Bayardi, Prodromo dell'antichità d'Ercolano, Neap. 1752; Mazzochius, Comm. in Herculanensis Musei tabulas aeneas, ebd. 1754 f.; Le antichità d'Ercolano, mit dem Catologo degli antichi monumenti d'Ercolano, 1757 ff., 11 Bde., Fol., Auszug von Murr u. Kilian, Augsb. 1777 ff.; Cramer, Nachricht zur Geschichte der herculanischen Entdeckungen, Halle 1773; Winckelmann, Sendschreiben von den herculanischen Alterthümern, Dresd. 1762; dessen Nachricht von den herculanischen Entdeckungen, ebd. 1764; David, Antiquités d'H., Paris 1780–1803, 12 Bde.; P. Piranesi, Antiq. d'H., Par. 1804 ff., 6 Bde.; Rosini, Herculanensia volumina quae supersunt, Neap. 1793–1827, 5 Bde.; Murr, De papyris s. voluminibus graecis Hercul., Strasb. 1804; d'Ancona, Die Ruinen von H. u. Pompeji, aus dem Italienischen von Behr, Gera, 1806; Zahn, Die schönsten Ornamente u. merkwürdigsten Gemälde aus Pompeji, H. u. Stabil, Berl. 1828 ff.; Kaiser, H. u. Pompeji, vollständige Sammlung der daselbst entdeckten Malereien, Mosaiken u. Broncen, gestochen von H. Roux u. Bouchet, Text nach dem Französischen von L. Barrè, Hamb. 1838–1841, 6 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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