- Origĕnes
Origĕnes, 1) neuplatonischer Philosoph im 3. Jahrh. v. Chr., lehrte erst in Alexandrien dann in Rom u. schr. u.a. einen Commentar zum Eingang des Timäos von Plato. 2) O. mit dem Beinamen Adamantios, d.i. der Stählerne, von seiner Beharrlichkeit, Unerschütterlichkeit u. Geduld im Arbeiten u. Leiden, geb. 185 n. Chr. in Alexandrien von christlichen Eltern, wurde erst von seinem Vater Leonides, später von Clemens von Alexandrien in der Katechetenschule unterrichtet. Voll glühender, fast schwärmerischer Frömmigkeit suchte er während der Verfolgung des Kaisers Septimius Severus 202 das Märtyrerthum, welches man ihm wegen seiner Jugend versagte. Als nach der Hinrichtung seines Vaters dessen Güter confiscirt wurden, gerieth er mit seiner Mutter u. Schwester in Armuth, aus welcher ihn eine wohlhabende Christin in Alexandrien riß; dabei gab er vielen Männern u. Frauen Unterricht im Christenthum. Nachdem er sich (auf die buchstäbliche Deutung von Matthäus 19, 12) zur Bewahrung der Keuschheit selbst entmannt hatte, erhielt er eine Stelle bei der Katechetenschule, wo er sich in der Philosophie u. Beredtsamkeit bald hohen Ruhm erwarb. 211 machte er eine Reise nach Rom, dann begann er seine Lehrthätigkeit wieder u. besuchte selbst, um Philosophie zu studiren, die Schule des Neuplatonikers Ammonios Sakkas. Um diese Zeit, in welcher er sich eifrig für die Verbreitung des Christenthums verwendete u. viele Ketzer bekehrte, wurde er von einem römischen Statthalter in Arabien dahin berufen, um ihm im Christenthum Unterricht zu ertheilen. 216 flüchtete er wegen einer neuen vom Kaiser Caracalla verhängten Christenverfolgung von Alexandrien nach Cäsarea, kehrte jedoch bald zurück. 228 wurde er von den Christen nach Griechenland eingeladen, um einen Streit zwischen ihnen u. Häretikern zu schlichten. Da er auf dieser Reise in Cäsarea zum Presbyter geweiht worden war, so kam er nach seiner Rückkehr in den Geruch der Ketzerei, u. eine Synode erklärte ihn für des Lehramts unwürdig u. schloß ihn aus der Gemeinde aus, weshalb er sich 231 abermals nach Palästina wandte u. um 233 in Cäsarea Lehrer an der Theologischen Schule wurde. In der Christenverfolgung des Maximinus floh er nach Kappadocien u. wurde in dem dortigen Cäsarea von einer reichen Frau, Juliana, aufgenommen u. unterstützt. In seiner Einsamkeit verglich er mehre griechische Übersetzungen des Alten Testaments, woraus seine Tetrapla (die Zusammenstellung der Septuaginta u. der Übersetzungen des Aquila, Symmachos u. Theodotion, nur noch zum Theil in der syrischen Übersetzung vorhanden) u. Hexapla (wo außer jenen Übersetzungen noch der hebräische Text mit Quadratschrift u. mit griechischen Buchstaben geschrieben neben einander gestellt waren; ein großer Theil in einer syrischen Übersetzung noch übrig u. Fragmente gesammelt von Montfaucon, Par, 1713, 2 Bde., Fol., Bahrdt, Lpz. 1769 f., 2 Bde.) entstand. Nach Beendigung der Christenverfolgung kehrte O. nach Cäsarea in Palästina zurück u. schrieb, außer an den Commentaren zur Bibel, sein Hauptwerk: Κατὰ Κέλσου (adversus Celsum, die Vertheidigung der Christlichen Religion gegen die Epikureische Philosophie). In der Decianischen Christenverfolgung wurde er ins Gefängniß geworfen u. st., nach seiner Befreiung, in Folge der erlittenen Martern 254 in Tyrns. Als Anhänger der Neuplatonischen Philosophie wendete er dieselbe auf das Christenthum an, um eben sowohl diese Lehre aus philosophischen Principien zu deduciren u. so gegen die Philosophen zu rechtfertigen, als auch die christlichen Religionsurkunden tiefer zu erforschen. In diesen glaubte er nämlich die neuplatonische Trias wiederzufinden. Wie der Mensch, lehrte er, aus drei Theilen, Leib, Seele u. Geist, besteht, so hat auch die Heilige Schrift einen dreifachen Sinn, den buchstäblichen welcher gleichsam den Leib, den sittlichen, welcher die Seele darstellt, u. den geistlichen od. mystischen, welches der Geist ist. Der letztere zerfällt in den allegorischen, d.h. den auf die sichtbare Kirche, u. den anagogischen, d.h. den auf die unsichtbare Kirche od. das Himmelreich gehenden. Denn außer der sichtbaren, sinnlichen Welt gibt es noch eine unsichtbare, geistige Welt, deren Ideen in jener sich sinnlich abspiegeln. Er glaubte, daß auch Jesus u. die Apostel außer der öffentlichen noch eine Geheimlehre gehabt hätten. Durch seine Lehren wurde O. der Vollender der altalexandrinischen kirchlichen Gnosis Schon in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh. hatte sich eine Schule gebildet (ältere Origenisten) welche das von O. angeregte Studium der Wissenschaften, obgleich ohne wesentliche Förderung, fortsetzten u. seine Lehransicht vertraten, zu diesen gehörte bes. Dionysios Alex., Gregor Thaumat., Pierios, Theognostos, Pamphilos, Eusebios Pamphili, Hesychios etc. Schon begann aber auch der Streit über die Rechtgläubigkeit des O. (einer seiner Hauptgegner war Methodios), aber O. vertheidigte sich noch siegreich gegen seine Gegner. Als jedoch in den späteren Streitigkeiten die Häretiker sich mehrfach auf O. bezogen, so erklärte sich die Kirche gegen O., so in der Arianischen Streitigkeit, wo die Arianer, bes. die ägyptischen Mönche, den O. als übereinstimmend mit sich anführten; Hieronymus u. Epiphanios schrieben gegen, Rufinus für ihn, der Patriarch Theophilos von Constantinopel forderte von seinen Anhängern (jüngere Origenisten) die Auslieferung seiner Schriften, u. endlich wurde seine Lehre 399 auf der Synode zu Alexandrien verdammt. Dieser Streit heißt der Origenistische Streit, u. nicht blos in den Arianischen Streitigkeiten, sondern in den folgenden, wo es sich über Theoretisches u. Praktisches der Religionswissenschaft handelte, hat er sich hindurchgezogen, so in der Pelagianischen, wo sich Gegner des Augustin auf ihn beriefen. Daher dauerten die Origenistischen Streitigkeiten bis ins 6. Jahrh. u. wurden erst durch die Verdammung der origenistischen Irrlehren auf dem Concil zu Constantinopel 544 beendigt. Die Zahl der Schriften, Predigten u. Briefe des O. wird auf 6000 angeschlagen, die meisten sind verloren. Am wichtigsten ist seine dogmatische Schrift Περὶ ἀρχῶν (von den Grundlehren), welche nur in der lateinischen Übersetzung des Rufinus erhalten ist, herausgegeben von Redepenning, Lpz. 1836; Versuch dieselbe wieder herzustellen von Schnitzer, O. über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft, Stuttg. 1835; seine exegetischen Schriften, griechisch u. lateinisch von P. D. Huet, Rouen 1668, 2 Bde., Fol., Par. 1679, Köln 1685, Fol.; Phitocalia, de obscuris s. scripturae a locis a Basilio Magno et Gregorio ex variis [364] Origenis comment. excerpta, herausgegeben von Johannes Turinus, griech. u. lat., Par. 1618; Κατὰ Κέλσου von W. Spencer, Cambr. 1658, 2. A. 1677, lat. von C. Persona, Rom 1481, Fol.; ohne hinreichenden Grund werden ihm zugeschrieben: Dialog gegen die Marcioniten, herausgegeben von R. Wetsten, 1674; Compendium historiae philosophicae, herausgegeben von I. C. Wolf, Hamb. 1706, u. Φιλοσοφούμενα, herausgegeben von Miller, Oxford 1851 (wohl von Hippolytos, s.d. 6); Sämmtliche Werke, de la Rue, Par. 1740–1759, 4 Bde., Fol., Oberthür, Würzb. 1785–94, 15 Bde., Lommatzsch, Berl. 1831–49, 25 Bde., lat. Jakob Merlin, Par. 1512, 2 Bde., auch 1519; Erasmus, Bas. 1536 u.ö., G. Genebrard, Par. 1574, auch 1619, Fol. Vgl. Thomasius, O., ein Beitrag zur Dogmengeschichte des 3. Jahrh., Nürnb. 1837; Redepenning, O., Bonn 1842–46, 2 Bde.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.