- Rohan [3]
Rohan (spr. Roang), ein altes französisches Geschlecht, welches von einem jüngern Sproß des herzoglichen Hauses Bretagne abstammte; der Stammvater ist: 1) Guethenoc, welcher zu Anfang des 11. Jahrh. die Grafschaft Porrhoët u. die Vicomte Rennes erhielt u. von der Stadt Rohan (s.d.) den Namen annahm; 2) Jean von R., heirathete die Erbtochter der Vicomte Leon in Bretagne u. in zweiter Ehe die Gräfin Jeanne von Evreux u. wurde 1129 zum Vicomten von R. erhoben; seine zwei Söhne gründeten zwei Linien: A) die ältere, gegründet von seinem Sohne aus erster Che, starb mit zwei Töchtern 1540 aus; B) die jüngere Linie, R.-Guémené, genannt nach dem Städtchen Guémené im Departement Morbihan; die Glieder derselben wurden nach der Vereinigung der Bretagne mit der Krone Frankreich als Prinzen von Geburt angesehen u. 1485 Barone von Lanvaux, 1536 Grafen von Montbazon, 1570 Fürsten von Guémené, 1688 Pairs von Frankreich u. Herzöge von Montbazon, erhielten 1808 das österreichische Indigenat u. wurden 1816 Herzöge von Bouillon. a) Aus der Hauptlinie R.-Guémené: 3) Louis, ein Freund des Königs Heinrich III. gegen die Ligue, wurde 1588 zum Pair u. Herzog von Montbazon erhoben. 4) Hercule, Sohn des Vorigen, erhielt im März 1594 die Pairie u. herzogliche Würde von Heinrich III. u. kämpfte auch für Heinrich IV. gegen die Ligue; er st. 1654. 5) Marie von R., Schwester des Vorigen, heirathete 1621 den Herzog von Chevreuse, s.d. 6) Louis, Enkel von R. 4), geb. 1635, berüchtigt durch Verschwendung u. Leichtfertigkeiten, wurde Anfangs von Ludwig XIV. begünstigt, auch 1656 zum Oberjägermeister ernannt, mußte aber diesen Posten aufgeben, da er durch seine Lebensweise (er entführte u.a. Hortense Mancini, Herzogin von Mazarin) u. von einer großen Schuldenlast gedrückt, immer tiefer sank. Er wollte sich durch eine Conspiration gegen den König zu Gunsten Hollands retten u. verband sich deshalb mit einem Aventurier Latreaumont u. m. A., um den Holländern Quilleboeuf in die Hände zu spielen. Karl II. von England schöpfte jedoch Verdacht, als R. in London mehre Wechsel umsetzen wollte, u. gab dem König von Frankreich davon Nachricht. R. u. Latréaumont wurden gefangen genommen, Letzter setzte sich zur Wehr u. starb an den empfangenen Wunden, R. wurde in die Bastille gebracht u. 1674 hingerichtet. 7) Louis René Eduard, geb. 23. Sept. 1734, Anfangs unter dem Namen Prinz Louis bekannt, wurde Bischof von Strasburg, 1772 Erzbischof u. Großaumonier von Frankreich; Ludwig XV. schickte ihn als Gesandten nach Wien, wo er ein sehr ausschweifendes Leben führte; da die Kaiserin Maria Theresia sich darüber mißliebig äußerte, so erlaubte er sich allerhand Spöttereien über die Kaiserin, wodurch die Königin Marie Antoinette, ihre Tochter, welcher dieselben hinterbracht worden waren, beleidigt wurde. Daher empfing R. sogleich nach Ludwigs XV. Tode seinen Rappel u. fiel völlig in Ungnade. Dennoch erhielt er durch den Einfluß seiner Familie noch immer Pfründen u. selbst den Cardinalshut durch Stanislaw, König von Polen. Sein fortwährendes Streben wieder bei der Königin in Gunst zu kommen machte ihn 1785 in der berüchtigten Halsbandgeschichte zum Werkzeug der Lamothe (s.d.), er wurde deshalb 15. Aug. verhaftet, angeklagt u. saß einige Zeit in der Bastille, wurde zwar 31. Mai 1786 vom Parlamente freigesprochen, mußte aber sein Amt als Großaumonier niederlegen u. wurde Anfangs nach der Abtei La Chaisedieu in der Auvergne u. dann in sein Bisthum nach Strasburg verwiesen. 1789 wurde er zum Abgeordneten der Geistlichkeit vom Amte Hagenau bei den Etats généraux ernannt, entsprach aber den Erwartungen der Volkspartei nicht u. zog sich nach dem Elsaß zurück. Als er 1791 angeklagt wurde Unterschleife von mehren Millionen Franken am Vermögen des Hospitals Quinze vingt begangen zu haben, ging er deshalb u. wegen der royalistischen Unruhen im Rheindepartement auf seine deutschen Besitzungen u. st. 16. Febr. 1802 zu Ettenheim. 8) Victor Louis Mériadec, Prinz von Guémené, Herzog von Bouillon u. Montbazon, geb. 20. Juli 1766 in Versailles, ursprünglich zum geistlichen Stand bestimmt, trat im 16. Jahre in den französischen Marinedienst u. wurde 19 Jahr alt Fregattencapitän, wo er Gelegenheit hatte einen Theil des Orients u. Amerika zu sehen; er nahm beim Ausbruch der Französischen Revolution Dienste in Österreich u. bekam das böhmische Infanterieregiment Nr. 21, zog sich 1809 ins Privatleben zurück, folgte 1836 seinem Bruder Karl Alain Gabriel als Chef dieser Linie, wurde 1843 Chef des Hauses R. u. starb als österreichischer Feldmarschalllieutenant 10. Dec. 1846 in Sichrow. Er war vermählt mit seiner Nichte Bertha, Herzogin von Bouillon, Tochter des Fürsten Charles Alain Gabriel de R. (st. 22. Febr. 1841), u. da er keine Kinder hatte, so starb mit ihm die Hauptlinie R.-Guémené aus, wurde aber durch seinen, von ihm adoptirten Neffen Camille (s. den Folgenden) fortgesetzt; daher der jetzige Chef: 9) Fürst Camille, Herzog von Bouillon u. von Montbazon, Fürst von Guémené, Rochefort u. Montauban, Neffe des Vorigen, älterer Sohn des 1843 verstorbenen Fürsten Charles (s. unten 18), geb. 19. Dec. 1801; er wurde nebst seinem Bruder Benjamin durch k. k. Diplom vom 15. Mai 1833 Adoptiverbe des Vor.; folgte 1843 seinem Vater[228] im Hause R.-Rochefort u. 1846 seinem Oheim in beiden Häusern; er ist seit 1826 vermählt mit Fürstin Adelheid geb. Prinzessin von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg (geb. 1826) u. hat keine Kinder. 10) Prinz Benjamin, Bruder des Vorigen, geb. 1804, vermählt 1825 mit Prinzessin Stephanie geb. Prinzessin von Croy-Dülmen (geb. 1825); er starb am 5. Ang. 1846; von seinen fünf Söhnen ist der älteste u. präsumtive Erbe des Hauses R. Prinz Arthur (geb. 1826). b) Linie R.-Gié, wurde 1603 zur Pairie u. Herzogswürde erhoben; Stifter: 11) Marschal R. von Gié, welcher unter Ludwig XII. eine bedeutende Rolle spielte u. der Erzieher des nachherigen Königs Franz I. war. 12) René I., Enkel des Vorigen, fiel 1652 bei Metz. 13) René II., Sohn des Vorigen, welcher Catharine de Parthenai, die Erbtochter von Soubise, heirathete (s.u. Soubise 2); sein jüngerer Sohn Benjamin erhielt die Herrschaft Soubise (s.d. 3); in der Herzogswürde folgte ihm: 14) Henri Herzog von R., älterer Sohn des Vorigen, geb. 21. Aug. 1579 auf dem Schlosse Blein in Bretagne, seine Eltern waren Protestanten u. erzogen ihn in dieser Religion. R. wurde von Heinrich IV., an dessen Hof er, 16 Jahr alt, kam, so lange dieser keine Nachkommen hatte, als präsumtiver Erbe des Königsreichs Navarra betrachtet, wohnte 1595 der Belagerung von Amiens bei, besuchte 1600 die Höfe Europa's, wurde 1603 zum Herzog von R. u. Pair von Frankreich erhoben u. zum Generalobersten der Schweizer ernannt. Nach der Ermordung Heinrichs IV. war er einer der hervorragendsten Vertreter der Hugenotten; er rieth zwar stets zur Ausgleichung mit der Regierung u. gegen die Verbindung mit Condé, aber nachdem der Krieg beschlossen war, kämpfte er an der Spitze der Protestanten mit Talent u. Ausdauer bis zum Frieden vom 97. Juli 1629, in welchem den Protestanten Glaubensfreiheit verbrieft wurde, s.u. Hugenotten. Von dem Hofe mit Mißtrauen betrachtet, verließ er Frankreich u. ging nach Venedig, wo er 1631 zum Oberbefehlshaber der Truppen gegen den Kaiser ernannte wurde; doch hinderte der Frieden von Cherasco seine thätige Theilnahme am Kriege, Er ging noch 1631 nach Padua u. unterhandelte durch den Patriarchen Cyrillus mit dem Sultan wegen Abtretung der Insel Cypern, wo er einen freien Staat für verfolgte Protestanten gründen wollte. Ende 1631 schickte ihn Ludwig XIII. als Gesandten nach der Schweiz; zugleich befehligte er die französischen Truppen in Graubündten, um das von den Deutschen u. Spaniern in Anspruch genommene Veltlin zu vertheidigen, woraus er diese 1633 vertrieb u. 1636 die Spanier am Comersee schlug. Bald aber erhoben sich die Graubündtner, nahmen R. 1637 gefangen u. entließen ihn nicht eher, als bis er versprach ihr Land zu räumen. Dadurch zog er sich aber den Unwillen des Cardinals Richelieu zu. Vergebens suchte dieser jedoch ihn nach Frankreich zu locken, R. blieb in Genf u. ging 1638 zu Bernhard von Weimar, focht mit in der Schlacht bei Rheinfelden 29. Febr. 1638 u. starb 13. April 1638 an den dort empfangenen Wunden. Mit diesem starb diese Linie im Mannsstamm aus (s. unten 16). Er schr.: Mém. sur les choses advenues en France depuis la mortde Henri IV. jusqu' à la paix faite avec les Reformés 1629, Par. 1630, 8. A. Amsterd. 1790, 2 Bde.; Le parfait capitaine, ebd. 1636; Traité du gouvernement des treize cantons, ebd, 1644; Les intérêts des princes, Köln 1666; Mém. et lettres sur la guerre de la Valteline, Genf (Paris) 1758, 3 Bde.; Discours politiques, Par. 1793; vgl. Fauvelet du Toc, Histoire du duc Henri de R., Par. 1667. 15) Marguerite von Bethune, Tochter Sullys, heirathete 1605 den Vorigen, vertheidigte 1625 Castres gegen die Königlichen, begleitete ihren Gemahl in allen Feldzügen u. starb 1660 in Paris. c) Linie R.-Soubise, durch den Bruder R-s 11) gegründet, s. Soubise; für sie wurde 1714 die Herrschaft Frontenai zum Herzogthum Rohan-Rohan erhoben; sie starb 1787 ans. d) Linie R.-Chahot: 16) Marguerite von R., die Tochter der beiden Vorigen; sie heirathete 1645 Henri de Chabot u.. da sie das einzige Kind ihrer Eltern war, so brachte sie nach dem Tode ihres Vaters 1638 die Rohanschen Besitzungen (das Herzogthum R. u. die frühere Vicomte Leon in der Bretagne, nachmals zum Fürstenthum erhoben) an das Haus Chabot, welches sich nun R.-Chabot nannte. Aber jetzt trat ihre Mutter auf mit der Erklärung, daß sie 1630, während der Abwesenheit ihres Gemahls, einen rechtmäßigen Sohn, Tancred, in Paris geboren, aber aus Furcht, Richelieu möchte denselben ihr nehmen u. katholisch erziehen lassen, verborgen gehalten habe; auch ihr Gemahl hatte 1634 die Verheimlichung desselben auf einem Schloß in der Niederlande gebilligt. Die jüngere Marguerite bestach jedoch den Mann, welchem Tancred übergeben war, dieser mußte Tancreds Tod vorgeben u. brachte ihn nach Leyden zu einem Krämer. Die Mutter erhielt hier Nachricht von ihm u. reclamirte ihn als ihren Sohn vom dortigen Magistrat. Tancred kam 1645 nach Paris, u. zwischen Mutter u. Tochter kam es zu einem Proceß, welchen indessen der Tod Tancreds plötzlich endigte, denn dieser wurde 1649 während der Unruhen der Fronde bei Vincennes tödtlich, verwundet u. starb 1. Februar. Man glaubt, daß Tancred wohl ein Sohn der Marguerite, aber nicht vom Herzog Henri gewesen sei, denn sie war eine ziemlich liberale Dame; vgl. Griffer, Hist. de Tancrède de R., Leyd. 1767. Für Henri de Chabot wurde 1645 die erneuerte Herzogswürde u. 1652 vom Parlament verificirt u. durch Ludwig XIV. 1704 in letzter Instanz sanctionirt. Seit lange tragen die Glieder des Hauses auch das Prädicat Cousin u. Cousine du Roi. Jetziger Chef: 17) Anna Louis Ferrand von R.-Chabot, Cousin du Roi, Herzog von R., Prinz von Leon, geb. 14. Oct. 1789, war bis 1830 Pair von Frankreich u. Maréchal-de-camp u. vermählt mit Josephine Fanzisca geb. von Gontaut-Biron (st. 99, März 1844); sein ältester Sohn, Charles Prinz von Leon, ist geb. 1819 u. seit 1943 vermählt mit Octavia geb. Marquise de Boissy. e) Linie R.-Rochefort u. Montauban, wurde als Nebenlinie der Euemené 1611 als Grafen von Montauban gegründet u. 1728 zu Prinzen von Rochefort erhoben, 18) Fürst Charles, Bruder von R. 8), geb. 1. Nov. 1765 u. 7. März 1849; er war vermählt mit Louise Prinzessin von R.-Guémené (st. 1839); da sein Bruder Victor keine Kinder hatte, so adoptirte er Charles' Söhne Camille u. Benjamin (s. oben 9) u. 10); noch hatte er zwei Töchter: Prinzessin Armande, geb. 1787, vermählt 1806 mit Alexander Marquis de Bernis, u. Prinzessin Gasparine, geb. 8. Aug. 1800, vermählt 1822 mit[229] Fürst Heinrich XIX. von Reuß-Greiz, seit 1836 Wittwe.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.