- Samos [1]
Samos, 1) (a. Geogr.), Insel im Ikarischen Meere an der Ionischen Küste von Asien; Flüsse: Imbrasos, Chesias u. Ibettes; von Osten nach Westen durchzog die Insel das Gebirge Ampelos, welches sich an der Westspitze in das Vorgebirge Ampelos (j. Cap S. od. Capo Dominico) endigte; die Südspitze hieß Posidion mit Poseidontempel. S. war sehr fruchtbar (der im Alterthum auf S. gebaute Wein war wenig u. gering), die Berge waren waldig u. immer grün, Wildpret u. Rebhühner in Menge, Pfauen, welche von hier nach Griechenland kamen u. später für die römischen Tafeln um hohe Preise gekauft wurden; die Samische Erde, ein weißer Thon, welcher nicht allein zu geschätzten Gefäßen benutzt, sondern auch in[843] der Medicin u. von Goldarbeitern zum Poliren gebraucht wurde. Das Meer um S. war reich an Fischen, bes. Thunfische. Die Samier trieben starke Schifffahrt u. waren in der Kunst berühmt, sie gaben einer Schule (Samische Schule), welche mit der Äginetischen in enger Verbindung stand u. in welcher sich bes. Rhökos mit seiner Familie, Theodoros, Telekles u. dessen Sohn Theodoros (s.d.a.) auszeichnete, den Namen, u. von hier aus ging die Erfindung des Gusses in Formen, bes. zu Kratern u.a. größern Gefäßen angewendet. 2) Stadt auf S., an der Südostseite, lag am Imbrasos, zum Theil an einen Berg gelehnt, mit Hafen u. einer vom Megarenser Eupalinos angelegten Wasserleitung; beim Eingang in die Stadt war der berühmte Tempel der Here, welcher die ganze Insel geheiligt war, weil sie daselbst geboren sein u. dort mit Zeus ihre Hochzeit gefeiert haben sollte; in ihm stand die Bildsäule der Göttin von Smilis, auch der berühmte Apollon des Telekles u. Theodoros. Verres u. die nachher von Pompejus verfolgten Seeräuber plünderten die Schätze des Tempels, u. durch innere Zerrüttungen sank die Stadt; j. Kora. 3) (n. Geogr., türkisch Susam-Adassi), eine der größten u. vorzüglichsten Inseln des griechischen Archipelagus, zum türkischen Ejalet Dschesair, hart an der Küste Kleinasiens, von welcher sie nur durch eine kleine Meerenge getrennt ist. Die Insel wird von zwei Gebirgsketten in der Richtung von Osten nach Westen durchzogen, welche früher mit schönen u. dichten Wäldern bedeckt waren u. zwischen denen fruchtbare Thäler sich hinziehen; S. hat mehre gute Häfen, einen fruchtbaren Boden u. gesundes Klima; von den Erzeugnissen der Insel werden bes. Getreide, allerlei Südfrüchte, Öl, Knoppern u. hauptsächlich Wein ausgeführt; auch wird dort Silber-, Blei- u. Eisenerz, so wie Smirgel, Oker u. Marmor gefunden. Die Insel zählt gegen 150,000 Ew., welche durch Energie u. Kühnheit, durch kriegerischen Sinn u. durch Handel u. Schifffahrt sich auszeichnen. Fast in allen Ortschaften der Insel, welche in vier Districte getheilt ist u. außer den vier Hauptorten in denselben noch 29 Gemeinden zählt, gibt es Schulen des Wechselseitigen Unterrichts, u. fünf Gemeinden haben außer einer solchen Elementarschule auch eine gelehrte hellenische Schule, in welcher die Schüler vornehmlich in der altgriechischen Sprache unterrichtet werden. Die Insel S. zahlt der türkischen Regierung einen jährlichen Tribut von 400,000 Piastern, während die Gesammtsumme für die öffentlichen Ausgaben 800,000 Piaster, darunter 100,000 Piaster für den Unterhalt der Schulen u. die Besoldung der Lehrer, beträgt. Kora, die Hauptstadt der Insel, an der Südseite gelegen, mit mehren Kirchen u. gegen 1000 Ew., ist Sitz eines griechischen Bischofs u. eines Gerichtshofes; dagegen ist Wathi, an der Nordküste, mit einem bequemen Hafen, die bedeutendste Stadt der Insel u. zählt über 2000 Ew.
Anfangs wohnten Leleger auf S., nachher kamen Joner unter Anführung des Epidauriers Prokles od. des Kydrolaos hierher. Die Samier sollen 704 v. Chr. zuerst Trieren gebaut haben. Sehr früh gründeten sie Colonien in Oberägypten, Kreta, ja sogar in Tartessos. Sie behaupteten ihre Freiheit gegen die Perser u. Athener, welche Letztere alle Mittel anwandten sich S. zu unterwerfen. Aber bald bildeten sich Parteien, deren gegenseitige Anfeindungen durch die Einführung der Monarchie geendigt wurden.
Schon Äakes, ein edler Samier, hatte sich 540 v. Chr. der Oberherrschaft bemächtigt, u. nach seinem Tode folgte um 532 dessen Sohn Polykrates, durch Unterstützung des Königs Lygdamis von Naxos; er vermehrte die Größe u. Macht der Samier, hielt eine Kriegsflotte von 100 Schiffen, wodurch er den Samiern die Herrschaft auf dem Meere sicherte, vergrößerte durch Eroberungen auf dem Festlande u. den benachbarten Inseln sein Reich, befestigte die Stadt S. durch Mauern, brachte Künste u. Wissenschaften zur Blüthe, u. während Heimische, welche die Tyrannei nicht ertragen mochten (wie Pythagoras), weggingen, fanden sich Fremde (wie Anakreon) an dem Hofe des prachtliebenden Königs ein. Unzufriedene machten vergebliche Versuche ihn zu vertreiben; auch ihre Verbindung mit Korinth u. Lacedämon konnte gegen den Tyrannen nichts ausrichten. Endlich wurde Polykrates durch den persischen Statthalter von Sardes hingerichtet, u. 522 folgte ihm sein Minister Mäandros, welchen aber Syloson, des Polykrates Bruder, mit Hülfe einer persischen Flotte vertrieb, wogegen Syloson die persische Hoheit anerkannte. Als die kleinasiatischen Griechen sich gegen die Perser erhoben, traten ihnen die Samier bei, gingen aber 494 in der für die Griechen ungünstigen Seeschlacht bei Lade zu den Persern über. Der Seesieg der Griechen über die Perser bei Mykale 479 befreite die Samier von der Herrschaft der Perser. 441 kamen sie mit Milet in einen Streit über Priene; Athen nahm sich der Milesier an, u. als die Samier unter Anführung des Philosophen Melissos die Waffen gegen Athen wendeten, unterlagen sie endlich den Athenern, u. Perikles eroberte 439 nach neunmonatlicher Belagerung die Stadt; sie mußte ihre Schiffe ausliefern, Geißeln geben u. die Kriegskosten bezahlen, u. die Athener schickten Kleruchen nach S. 411 v. Chr. büßten die inländischen Geomoren den Versuch eine Oligarchie einzuführen mit der Ausschließung von den Staatsangelegenheiten, u. die demokratische Partei siegte unter athenischem Einfluß. Nachdem aber Athen im Peloponnesischen Kriege gedemüthigt worden war, kamen die Lacedämonier 403 nach S. u. führten nach der Vertreibung der athenischen Kleruchen u. dem Sturze der Demokratie eine Oligarchie ein. Konon u. Timotheos unterwarfen S. den Athenern wieder u. vertrieben den persischen Statthalter Kyprothemis, worauf 352 v. Chr. die athenischen Kleruchen zurückkehrten. Nachmals mußten diese auf Befehl des Perdikkas die Insel wieder verlassen, welche den Jonern zurückgegeben ward; doch sprach Polysperchon den Athenern die Insel wieder zu. Zu der Römerzeit blieb S. frei. Nach der Theilung des Römischen Reichs kam es an das Oströmische Reich, hatte im Mittelalter eigne Grafen u. Herzöge u. fiel, als das Byzantinische Reich zerstört wurde, mit den andern Inseln den Türken zu, welche es durch einen Aga beherrschen lassen. Während des Griechischen Freiheitskrieges von 1821 u. folgende Jahre spielte die Insel S. eine einflußreiche Rolle, indem sie an den damaligen Seeunternehmungen der Griechen einen rühmlichen Antheil nahm, auch namentlich den Flotten u. Heeren der Türkei mit Erfolg fortwährend entschiedenen Widerstand entgegensetzte u. dabei ihr eigenes Gemeinwesen in ausgezeichneter Weise ordnete. In Folge dessen erlangte auch die Insel, welche ihre volle Emancipation von der türkischen Herrschaft auch bei wiederholten späteren Befreiungsversuchen nicht[844] erkämpfen konnte, doch wenigstens besondere politische Vorrechte u. eine gewisse Unabhängigkeit von der Pforte, indem im Jahre 1832 unter Vermittlung Frankreichs, Englands u. Rußlands festgesetzt wurde, daß S. ein besonderes Fürstenthum unter dem unmittelbaren Schutze dieser Mächte bilden sollte, u. die Bewohner von S. genießen seitdem vor anderen griechischen Inseln u. Landestheilen unter der Herrschaft der Türkei eigene Rechte u. Vergünstigungen u. einen Schatten von politischer Freiheit, wobei sie auch für ihren materiellen Wohlstand u. für geistige Fortschritte rühmliche Sorge tragen. 1849 fand auf S. ein Aufstand statt (s.u. Türkisches Reich). Vgl. Panofka, Res Samiorum, Berl. 1822; 4) so v.w. Same; 5) (S. Thrake), s. Samothrake.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.