- Schriftgießen
Schriftgießen, das Anfertigen der Schrift (Lettern) zum Buchdruck aus Schriftmetall (Zeug). A) Das Schneiden der Lettern. Dazu wird zunächst ein Stempel (Patrize) in weichen, später gehärteten Stahl durch den Schriftschneider od. Stempelschneider u. zwar, wie er auf dem Blei erscheinen soll, also verkehrt, aber erhaben, geschnitten. Der Schriftschneider stellt erst Stahlstäbchen genau von der vorgeschriebenen Dicke u. Breite her, schleift die Endfläche eben u. glatt u. gravirt auf dieselbe die Vertiefungen des Buchstabens ein od. schlägt sie mit einer sogenannten Gegenpunze (Contrepunze) ein u. bildet die äußeren Umrisse des Buchstabens mittelst seiner Feilen. Die Vertiefungen müssen tief genug sein, damit die Lettern sich nicht leicht mit Farbe verstopfen (zuschlagen), aber auch nicht zu tief, damit die Lettern dauerhaft werden. Der fertige Stahlstempel wird gehärtet u. in die Matrize (Mater), ein etwa 11/2 Zoll langes, 1/2 Z. breites u. dickes Klötzchen von Kupfer senkrecht in der oberen Hälfte desselben ungefähr 1/8 Z. tief eingeschlagen. Diese Matrize wird nun durch den Justirer an allen Seiten winkelrecht abgefeilt u. abgeschliffen. An der hinteren Wand der Matrize wird zugleich eine tiefe Kerbe (der Aufsatz) eingeschnitten, in welche eine Feder des Gießinstrumentes eingreift u. die Matrize festhält. Ohne Patrize stellt man Matrizen über Typen von Schriftzeug od. nach hölzernen Patrizen galvanoplastisch her; galvanoplastisch hergestellte kupferne Vignetten eignen sich auch gut zum Druck. Diese Matrize wird nun in dem Gießinstrument (Instrument) befestigt. Dieses Instrument ist ein Viereck von etwa 5 Z. Breite, 4 Z. Höhe, 3 Z. Dicke; es besteht im Innern aus mehren Platten von Eisen (dem Bodenstücke, den Wänden, dem Einguß, dem Sattel u. dem Kerne), welche durch Schrauben an einander befestigt sind. Außen um das Ganze geht ein hölzerner Mantel, um das Anfassen, wenn das Instrument erhitzt ist, möglich zu machen. Das Gießinstrument ist seiner ganzen Breite nach in zwei Hälften, das Vorder- u. Hintertheil, zerschnitten. Beide Hälften passen in einander; werden sie an einander gelegt, so lassen sie in der Mitte einen hohlen Raum (Kegelraum) von oben pyramidalischer, unten parallelepipedischer Gestalt offen, von welchem zwei Wände durch das Vordertheil u. zwei Wände von dem Hintertheil gebildet werden. Als Boden dieses hohlen Raumes wird die Matrize am unteren Ende des Gießinstrumentes befestigt u. mittelst der Henkel angebunden, während des Gießens aber durch einen starken federnden Eisendraht (Feder) an der gehörigen Stelle festgehalten. Daß sie genau so liegt, daß der Buchstabe die gehörige Form bekomme u. der Kegel der Schrift genau werde, wird durch abermaliges Justiren (Stellen) erzielt. Es werden zu diesem Zwecke zwei m gegossen u. auf dem Beschklötzchen, einem viereckigen Klötzchen von Metall, mittelst des Beschblechs, eines halbrunden Blechs mit einer Öffnung, genau betrachtet. Zu diesem Justiren dient noch das Justorium, ein durch zwei Wände gebildetes viereckiges Instrument, wo sich an zwei Seiten Leisten erheben u. einen rechten Winkel bilden; das Kreuzmaß, ein Instrument wie ein T, einer Reißschiene ähnlich, u. das Kernmaß, ein Instrument, um die Dimensionen des Buchstabens zu prüfen. Ähnlichen Zweck hat Didots Typometer; an der vorderen Seite des Buchstaben, etwa in 1/3 seiner Höhe, hat derselbe in der Regel eine od. auch zwei od. drei Querrinnen[433] (Signaturen), welche durch einen od. zwei, dort am Gießinstrument angebrachte, beliebig zu stellende kleine Cylinder hervorgebracht werden. B) Das Gießen der Lettern geschieht vor dem runden od. viereckigen Gießofen. Über dem Feuerherd ist ein runder eiserner Kessel (Gießpfanne), in welchem das Schriftzeug geschmolzen u. flüssig erhalten wird; um den Kessel herum läuft das schräg angesetzte Gießblech, auf welchem das überflüssige Metall heim Gießen wieder in den Kessel zurückfließt. Rings um den Ofen ist ein Tisch mit halbmondförmigen Einschnitten angebracht, an welchem die Gießer arbeiten. An einem Ofen arbeiten 3–6 Gießer; in England hat jeder Gießer sein besonderes Feuer u. seine Pfanne. Über dem Kessel ist meist ein Blechhut angebracht, dessen röhrenförmiger Fortsatz in den Schornstein mündet; dieser Hutsoll die Arbeiter gegen die Hitze schützen u. die aus dem Ofen aufsteigenden der Gesundheit nachtheiligen Metalldämpfe abführen. Um diesen Zweck besser zu erfüllen, suchte Pfnor in Darmstadt u. Kirsten in Dresden im Gießofen einen stärkeren Luftzug zu erzeugen u. den offenen Raum, durch welchen die Dämpfe in die Werkstatt gelangen können, zu verkleinern. Der Gießer faßt nun beim eigentlichen Gießen der Schrift das Gießinstrument in die linke Hand u. drückt mit dem Daumen auf das Vordertheil; er schöpft hierauf mit dem Gießlöffel, einem halbkugelförmigen Löffel mit schneppenförmigem Ausguß u. hölzernem Stiel, das flüssige Zeug aus dem Kessel u. gießt dasselbe in den Einguß. Dies Eingießen muß rasch (mittelst des scharfen Schuttes) geschehen; dieser Schutt ist aber bei jedem Buchstaben verschieden; doch haben verschiedene Schriftgießer verschiedenen Schutt. Auch die geschickten Bewegungen (Wendungen) des Gießers mit dem Gießinstrumente sind wichtig, da sie das Eindringen des Schriftzeuges in die seinen Vertiefungen der Form befördern. Gleich nach dem Guß öffnet der Gießer das Gießinstrument, indem er zugleich den Draht, welcher die Matrize hält, zurückdrückt. Der Buchstabe fällt darauf selbst aus der Form, od. man kommt ihm mittelst des an derselben angebrachten Hakens von Draht zu Hülfe. Er hat an der von dem eigentlichen Buchstaben abgewendeten Seite einen pyramidalischen Fortsatz (Guß, Gießzapfen, Anguß, Gießkopf, Abbruch), welcher fast so lang ist als der Buchstabe selbst, u. an den Ecken kleine nadelförmige Ansätze (Floßfedern), welche durch zwei Kreuzeinschnitte (Luftlöcher) in dem Gießinstrument (angebracht, damit die Luft aus dem leeren Raum beim Gießen entweiche) entstanden sind. Die Lettern kommen nun zuerst in die Hände von Knaben (Abbrecher), welche die Gießköpfe (2–3000 in einer Stunde) abbrechen; darauf zu anderen Knaben (Schleifer, Abschleifer), welche, mit ledernen Däumlingen geschützt, auf einem seinen Sandsteine den Grat od. Bart an den Kanten abschleifen u. die Seiten glatt schleifen (abziehen). Die Schrift wird nun auf einer hölzernen Schiene mit einem Falze (Winkelhaken) von dem Aufsetzer buchstabenweise dermaßen aufgesetzt, daß die Seite der Letter, auf welcher der Buchstabe steht, nach unten kommt. Der Fertigmacher stellt die Lettern auf dem Bestoßtische in Reiben zwischen eiserne Lineale unbeweglich fest u. stößt mit einem auf Schienen laufenden Hobel (Bestoßzeug) den Abbruch derselben so ab, daß in der Mitte eine kleine Rinne entsteht. Der Fertigmacher beschabt nun die Buchstaben auf den beiden Seiten, welche den Kegel bilden, mit einem breiten Schabemesser, wobei sie mit dem Fertigmacheisen (Schabeisen), einem Haken in einem hölzernen Winkelhaken, zusammengehalten werden, setzt sie in das Schiff zusammen, bindet sie auf, verpackt sie etc. Außer den Buchstaben, Interpunctionen, Ziffern etc. gießt der Schriftgießer noch die Ausschließungen (s.d. 3), Linien, Klammern, Einfassungen, Röschen, so wie er auch das Abklatschen der Vignetten u. das Stereotypiren besorgt. Ein geschickter Schriftgießer kann in einer Stunde etwa 500–600 Stück Garmondlettern gießen; gewöhnlich bringt ein Gießer aber täglich nur etwa 4000 fertig. Eine gute Schrift muß von gutem, hartem, nicht zu bleihaltigem Schriftzeug gegossen sein, die dünnen Buchstaben müssen leicht zerbrechen, der Fuß u. Bart des Buchstaben muß richtig aus- u. abgestoßen sein, jeder einzelne der Buchstaben muß die richtige Höhe haben, die Schrift muß tief geschnitten sein, richtige Linie halten u. gut zugerichtet sein, d.h. nicht ein Buchstab rechts, der andere links überhängen, die kleinen Buchstaben u. die Punkte über dem i, ü od. die Accente müssen gut kommen u. die Signaturen nach Vorschrift sein. Man hat auch Schriftgießmaschinen construirt; bes. eine kleine Druckpumpe (Gießpumpe), welche, in dem flüssigen Metall stehend, dieses in das Gießinstrument spritzt, also blos den Gießlöffel ersetzt. Bei der eigentlichen Gießmaschine ist die Gießpumpe mit dem Gießinstrument so verbunden, daß die Maschine alle Bewegungen mechanisch ausführt; eine solche Maschine liefert in 10 Stunden 12–15,000 Lettern. Die größten Lettern gießt man in der Clichirmaschine, bei welcher das Metall mittelst eines Fallwerkes durch eine große viereckige seitliche Eingußöffnung in die, in einem eisernen Fundamente befestigte, mit der Matrize versehene Form eingetrieben wird.
Anfangs war das S. mit der Buchdruckerei verbunden Gleich nach der Erfindung der Buchdruckerkunst zeichneten sich die Deutschen als Schriftgießer aus, Pannartz u. Schwynheim in Rom erfanden um 1470 die Antiqua, der Italiener Aldus Manutius in Venedig die Cursiv; später ging das S. bes. nach Holland über, u. die holländischen Antiquaschriften waren im 17. u. 18. Jahrh. bes. berühmt, doch zeichnete sich kein Schriftgießer bes. aus. Erst um 1670 erwachte der Schönheitssinn u. man strebte nach Eleganz, bes. zeichneten sich die Franzosen hierin aus u. Fr. Ambrosi u. Firmin Didot in Paris brachten zuerst die Antiquaschriften auf feste Regeln u. ließen sie nach dem Beispiele des Briten Jos. Moxon um 1690 dem Auge gefällig aus geraden Linien, Kreisen u. Kreisbogen bestehen Auch Bessimer in Paris, Hansard u. Levrault in Strasburg, Enschedé in Haarlem, Lobinger u. Breitkopf in Leipzig, Haas in Basel, Meyer in Nürnberg, Prillwitz in Jena u. Schade in Wien strebten nach Verschönerung. Seit der Zeit haben die Engländer bes. durch die fette Antiqua, die gothischen Zeiten in den Titeln u. durch sehr accuraten, tiefen u. richtigen Schnitt sich bemerkbar gemacht. Später zeichneten sich Mollé u. Delavin in Paris, Wilson in Schottland, u. von den Deutschen Tauchnitz, Schelter u. Giesecke in Leipzig, Andreä, Dreßler, Bauer in Frankfurt, Wallbaum (jetzt Brockhaus) in Weimar, Decker, Hänel, Lehmann u. Mohr in Berlin u. Breitkopf u. Härtel in Leipzig aus.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.