Visconti [1]

Visconti [1]

Visconti (d.h. Vicegrafen), altes Mailänder Geschlecht, leitete seinen Ursprung von den Grafen von Angloria u. dadurch von den longobardischen Königen ab, auch wollen sie das Erbamt gehabt haben den italienischen Königen die Krone aufzusetzen. Sichere Nachrichten von denselben kommen zuerst im 11. Jahrh. vor. 1) Eriprando (Elibrand), erster Vicecomes zu Mailand, überwand bei der Belagerung Mailands 1037 durch Kaiser Konrad einen Deutschen im Zweikampf; er starb 1065. 2) Ottone, Sohn des Vorigen, erschlug beim ersten Kreuzzuge 1099 vor Jerusalem einen riesenmäßigen Sarazenen u. wählte dessen Helmzierrath, eine geflügelte, flammenspeiende Schlange, zum Familienwappen. Er blieb 1111 in Rom bei einem Aufruhr gegen Heinrich IV. u. hinterließ zwei Söhne; der jüngere 3) Giovanni V. hatte einen Sohn Uberto V., dessen Sohn Teobaldo V. 1272 als Gregor X. Papst wurde u. 1276 starb. Der ältere Sohn Otto's, 4) Uberto, war 1206 Oberhaupt von Mailand, lag aber in fortwährendem Zwist mit der Familie della Torre. Sein ältester Sohn, 5) Otto, geb. 1208 zu Ugogne, einem Dorfe zwischen dem Simplon u. dem Lago maggiore, schloß sich dem Cardinal Ubaldini an, welcher ihn am päpstlichen Hofe einführte. Er wurde Geistlicher u. durch Urban IV. Erzbischof von Mailand. Martin della Torre verbot ihm den Eintritt in Mailand; er warf sich aber zum Parteihaupt auf u. bemächtigte sich Aronas, doch sein Unternehmen auf Mailand gelang nicht. Erst 1278 erhielt er die Oberhand über die Torre (s.u. Mailand S. 733) u. starb 1295, nachdem er 1294 die Regierung seinem Neffen 6) Matteo I. dem Großen, Sohn von Teobaldo V., übergeben hatte. Dieser, geb. 1250, welcher seinem Oheim Otto während aller Gefahren treu u. tapfer gedient hatte, wurde 1302 vertrieben, kam 1311 wieder zur Regierung u. st. 1322, s. ebd. 7) Galeazzo I., des Bor. Sohn, folgte ihm, s. Galeazzo 1). 8) Azzo, Sohn des Vor., geb. 1302, focht für seinen Vater u. [617] Castruccio, theilte des Ersteren Gefangenschaft u. wurde 1328–39 sein Nachfolger in Mailand, s.u. Mailand S. 733. Ihm folgte, da er kinderlos war, sein Oheim 9) Luchino, geb. 1287, Sohn Matteo's V., tapfrer Soldat, aber wegen seiner Tyrannei u. wegen seiner Ausschweifungen verhaßt; er starb 1340, s. ebd.; ihm folgte sein Bruder 10) Giovanni, er war Geistlicher, 1329 nahm er, um sich aus der Hast des Kaisers Ludwig des Baiern loszumachen, den Cardinalshut an, wurde Bischof von Novara, bemächtigte sich, indem er den Herrn dieser Stadt, Cacino Torinelli, durch List gefangen nahm, der Herrschaft über Novara u. wurde 1333 vom Papst zum Vicarius des Erzbischofs von Mailand u. 1340 als Erzbischof eingesetzt; er folgte 1346 seinem Bruder in der Regierung u. starb 1354, s. ebd. Seine drei Neffen, Matteo, Galeazzo u. Bernabo, Söhne Stefano's V., theilten seine Staaten: 11) Matteo II., der älteste, sollte Bologna, Lodi, Piacenza, Parma etc. erhalten, aber Giovannis V. natürlicher Sohn, Giovanni V. d'Oleggio, empörte sich bald in Bologna u. warf sich zum Herrscher dieser Stadt auf. Matteo starb 1355; 12) Galeazzo II., Bruder des Vorigen, starb 1378, s. ebd. S. 733 u. Galeazzo 2); 13) Bernabo, jüngster Bruder des Vorigen, regierte bis 1385, wo er vergiftet wurde, s. ebd. Er hinterließ vier rechtmäßige Söhne, Ludwig, Karl, Rudolf u. Martin; seine ehelichen Töchter hatte er an die Herzöge von Österreich, Baiern, Württemberg, an Prinzen von England, Cypern, Gonzaga etc. vermählt. Von seinen natürlichen Söhnen soll die neuere Familie B. abstammen. 14) Giovanni Galeazzo, Neffe des Vorigen, Sohn von V. 12), wurde 1395 Herzog von Mailand u. starb 1402, s. Galeazzo 3) u. Mailand S. 734. 15) Giovanni Maria, ältester Sohn des Vorigen u. der Katharina Visconti, geb. 1389, kam 1402 minderjährig zur Regierung u. wurde 1412 erdolcht, s. ebd. 16) Filippo Maria, zweiter Sohn von V. 14), geb. 1381, erhielt zur Apanage nach seines Vaters Tode Pavia u. die Umgegend, wurde aber von den Großen dieser Gegend im Schloß Pavia mehr als Gefangener, denn als Fürst gehalten. Nach dem Tode seines Bruders bemächtigte er sich dessen Staaten, indem er Beatrix, die Wittwe von Facino Cave, heirathete. Er st. 1447 auf einer Reise zu Pesaro u. mit ihm endete die Herrschaft des Hauses B. u. ging durch seinen Schwiegersohn an das Haus Sforza über, s. ebd. S. 734. Noch folgende V-s sind merkwürdig: 17) Marco, Sohn von Matteo V. (s.d. 6), tapfrer Ghibellinenführer, belagerte 1318 Genua u. erfocht später mehre Siege über die Franzosen u. mailändischen Guelfen. Als sein Bruder Galeazzo von der Ghibellinenpartei 1327 zu dem Papst übergehen wollte, meldete er dies dem Kaiser Ludwig dem Baier, welcher vor Mailand erschien u. Galeazzo verhaften ließ. Die Bitten Marco's befreiten den Bruder, er stellte sich dem Kaiser deshalb selbst als Geisel, übernahm den Oberbefehl über einen Theil des kaiserlichen Heeres u. bemächtigte sich mit demselben Luccas, verkaufte diese Stadt aber an Gherardino Spinola. Hierauf kehrte er nach Mailand zurück u. wurde hier mit solchem Jubel empfangen, daß Azzo V., damaliger Herr von Mailand, eifersüchtig wurde u. ihn 1329 bei einem Gastmahl erdrosseln ließ. 18) Luigi, Neffe von V. 6), leitete den Aufstand der Mailänder 1322 gegen Galeazzo V., wendete sich aber, als er sah, daß sich die Insurgenten zu den Guelfen neigten, wieder auf die Partei seines Vetters u. half ihm bei der Eroberung Mailands. Später trat er zur Partei Ludwigs des Baiern u. nahm eine hohe Stelle in dem von diesem Kaiser nach der Verhaftung Galeazzo V-s in Mailand niedergesetzten Rathe ein. Als Galeazzo wieder frei wurde, verließ Luigi Mailand u. stellte sich als Condottiere an die Spitze deutscher Söldner, focht für Martino della Scala u. wollte 1339 mit der sogenannten Compagnie St. Georgs Mailand wieder erobern u. nahm Luchino V. gefangen, wurde aber in fünf Schlachten geschlagen u. endlich gefangen; er brachte die ganze Regierungszeit von Azzo u. Luchino V. in Hast zu u. wurde erst von Giovanni V. (s.d. 10) 1349 freigegeben. Er rettete Mailand 1356 von der sogenannten Großen Bande u. starb bald darauf. 19) Gabriel Maria, natürlicher Sohn von Giovanni Galeazzo (s.d. 14) u. Agnes Mantegatti, erhielt 1402 nach dem Tode seines Vaters Crema u. Pisa zum Theil, verfuhr indessen hier so grausam, daß bei einem Kriege gegen Florenz 1404 er sich dem Marschall Boucicaut, welcher zu Genua befehligte, in die Arme werfen u. ihm nicht nur Livorno abtreten, sondern auch einen Tribut von Pisa versprechen mußte. Aber schon 1408 bot Boucicaut Pisa den Florentinern zum Kauf an. Pisa dadurch in Furcht gesetzt, empörte sich, Gabriels Mutter wurde erschossen u. er selbst floh nach Genua, wo Boucicaut ihn noch 1408 enthaupten ließ 20) Astor (Hector), natürlicher Sohn von Bernabo V. (s.d. 13), hieß wegen seiner Tapferkeit der Soldat ohne Furcht. Um seinen Vater zu rächen suchte er allenthalben Giovanni Galeazzos Feinde, schloß sich den Guelfen an u. wurde 1402 von den Mördern Galeazzo's zum Herzog von Mailand ausgerufen. Aber die Citadelle von Mailand hielt sich u. proclamirte Filippo Maria V. Astor mußte fliehen, wurde in Monza eingeschlossen u. hier durch eine Balliste getödtet.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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