Gastmahl

Gastmahl

Gastmahl, ein Mahl, womit einige od. mehrere Freunde gastlich bewirthet werden. Bei den Hebräern wurden Gastmähler beim Besuch guter Freunde od. bei besondern Familienereignissen gegeben, z.B. bei Entwöhnung der Kinder, bei Hochzeiten, Geburtstagen, bei dem Abschied von Freunden, od. bei häuslichen Festen, wie bei einem Hausbau, der Schafschur, der Weinlese etc. Die Gäste lud man durch Sklaven ein, ließ sie auch wohl abholen. Bei der Einladung erhielten sie ein Festkleid mitgeschickt, bei ihrer Ankunft wurden ihnen die Füße gewaschen, Haupt- u. Barthaare mit wohlriechenden Ölen gesalbt, auch später zuweilen ihr Haupt mit Blumenkränzen geschmückt. In frühster Zeit saßen die Hebräer bei Tisch, später lagen sie nach persischer Sitte auf Diwans, u. zwar je drei auf einem, nach einer gewissen Rangordnung, welche nach dem Stande, dem Alter od. der Auszeichnung, welche der Hausherr seinen Gästen gab, sich richtete. Die gewöhnlichen Speisen waren Brod, Fleisch u. Milch, bei größern Gastmählern mit viel Luxus bereitet. Die Speisen wurden zerschnitten herumgegeben; mit den Fingern langten sie das Fleisch aus der Schüssel u. tauchten das Brod in die, in Schüsseln aufgetragenen Brühen. Die Anordnung besorgte ein besonderer Diener (Architriklinos). Die Weiber aßen mit den Männern vermischt, nur bei Königsmahlen abgesondert. Besondere Ehre ward den Gästen durch Vorsetzen einer doppelten, ja fünffachen Portion erwiesen. Dergleichen G-e, welche Nachmittags od. gegen Abend begannen, dauerten weit länger, als bei uns, 7–14 Tage, ja Ahasverus gab seinen Großen ein G., welches 180 Tage dauerte, u. dem Volke noch dazu eins von 7 Tagen. Musik, Gesang, Scherz u. Räthselspiel belebte die Unterhaltung. Den Griechen in der homerischen Zeit gaben zu einem G. (Daïs) Feste, Opfer, Hochzeiten, Friedensschlüsse etc. Veranlassung. Gewöhnlich waren das Picknick (Eranos), wo von den Theilnehmern (Dailymones) die Einen Schlachtvieh, die Andern Wein brachten, während ihre Frauen das Brod herbeischafften. Diese selbst gingen nicht mit zu den Gastmählern, nur die Frau des Hauses, wo das G. ausgerichtet wurde, war zugegen. Ein G, welches Einer, gewöhnlich ein König od. Fürst, ausrichtete, hieß Eilapine; zu solchem geladen zu werden, galt für eine Ehre; sonst waren gewöhnlich die Berather der Fürsten tägliche Tischgenossen. Die Zeit des G-s war, bei Opfermahlzeiten, der Morgen, sonst gewöhnlich Nachmittags (Deipnon), selten u. erst später begann man das G. gegen Abend u. dehnte es bis zur Nacht aus, so daß ein Nachtmahl (Dorpon) daraus ward. Die homerischen Helden lagen nicht bei Tisch, sondern saßen auf, mit wollnen Decken belegten Sesseln (Thronoi) od. Lehnstühlen (Klismoi). Gewöhnlich stand für jeden Gast ein besondrer Tisch (Trapeza), doch saßen zuweilen auch an einem Tische zwei Gäste, aber einem dazukommenden Fremden wurde stets ein besonderer Tisch hingesetzt. Vor dem Beginn des G-s wuschen sich die Gäste die Hände; Mägde trugen das Brod auf, das Fleisch, die Hauptsache des G-s, bes. Schweinefleisch, wurde von einem besondern Zerleger (Daitros) geschnitten; jeder Gast bekam gleichen Theil, nur Vornehme u. wer sonst geehrt werden sollte, auch Fremde, bekamen ein größeres od. besseres (bes. Rücken-) Stück. Das Fleisch wurde mit den Händen gegessen. Edle Jünglinge (Kuroi), welche Jeder mit sich brachte, reichten den Wein herum, den sie aus einem Kruge (Krater), in welchem Wein mit Wasser gemischt war, schöpften. Während des Mahles unterhielten sich die Gäste, nach demselben begann der Sänger, der vorher mit gegessen hatte, zu spielen u. zu singen, auch Tänzer tanzten ihre Nationaltänze. Der Unterschied von Eranos u. Eilapine galt auch für die spätere Zeit, u. bei den erstern Gastmählern ging es viel sittsamer u. mäßiger her; Gäste, die dazu von den Eranisten geladen wurden, hießen Asymboloi. Später wusch man sich nicht allein, sondern salbte sich auch vor Tisch; auch wurde es Sitte, nach orientalischer Weise sich zum Mahle zu lagern; die Ruhebetten waren gewöhnlich für fünf Personen, Fremde u. Geehrte erhielten nach ihrem Range einen höhern Platz. Das G. selbst bestand aus drei Gängen: das erste Gericht bestand aus den Appetit reizenden Kräutern, Brühen, Oliven, Rettigen, Austern etc.; die Hauptmahlzeit bestand aus mehreren Gerichten, bes. Fleisch- u. Fischspeisen; zu jenen gehörten Hafen, von Geflügel Enten, Gänse, Meisen, Krammetsvögel, Rebhühner, zu letztern bes. Aale, u. überhaupt wurde in Fischen, den Lieblingsspeisen der athenischen Lüftlinge, großer Aufwand gemacht; zum Nachtisch (Trapezai deuterai) gehörten Nüsse, Früchte, Backwerk, Käse. Zwischen jedem neuen Gericht wusch man sich die Hände. Für das dem G. folgende Trinkgelag (Symposion) wurde ein Anordner des Trinkens (Symposiarches) gewählt, die Gäste waren bekränzt, zuweilen auch die Trinkgefäße; man sang Trinklieder (Skolien) u. brachte Trinksprüche aus. Auch wurde den Göttern libirt. Um sich vor Trunkenheit zu sichern, aß man Lupinen. Übrigens wurde auch in dieser Zeit noch bei Gastmählern musicirt, bes. Flöten- u. Kitharspiel, od. auch von Mimen aufgeführte Tänze, welche mitunter nicht gerade sittsam waren, dienten zur Unterhaltung der Gäste. Zur allgemeinen Belustigung gaben sich mittel- u. charakterlose Leute her, welche dafür freien Tisch hatten u. Paresiten hießen. Die Kosten eines G-s in Athen beliefen sich in der perikleischen Zeit mit Wein auf 45–50 Thaler (bei sehr niedrigen Preisen); des Königs Alexander Tafel, an welcher täglich 60–70 Personen speisten, auf 2300 Thaler. Die öffentlichen Gastmähler in Sparta gehörten zu den Staatseinrichtungen, s.u. Sparta (Antiquit.). Bei den Römern waren die Gastmähler (Coenae) in ältester Zeit sehr einfach, aber später, bes. nach den Punischen Kriegen u. seit ihrer Bekanntschaft mit Asien, wurden sie sehr prächtig u. üppig; die kostbarsten hießen Coenae augustales od. pontificiales, weil die kostbaren Gastmähler zur Versöhnung des Jupiter im Namen des Staats von Priestern gegeben wurden; andere wurden von Freunden ihren heimgekehrten Freunden zu Ehren,[7] andere von Kaisern dem Volke, andere von dem Triumphator seiner Begleitung (s.u. Triumph), noch andere von reichen Bürgern ihrem Bezirk oft in der Absicht, um dadurch ein öffentliches Ehrenamt zu erhalten, gegeben. Früher saßen die Römer bei ihren Gastmählern; die Sitte des Liegens wurde aus dem Orient zur Zeit des zweiten Punischen Kriegs eingeführt. Die Gäste lagen, höchstens je drei auf einem Ruhebett (Lectus), u. höchstens waren deren drei in dem Speisesaal aufgestellt (vgl. Triclinium), od., bes. seit der Kaiserzeit, das Ruhebett zog sich in halbzirkelförmiger Gestalt um den Tisch (Sigma.) War ein Consul beim G., so hatte er den letzten Platz auf dem mittelsten Bett, der Hausherr lag neben ihm auf dem dritten zuoberst; die übrigen lagen nach Rang; die Schmarotzer u. von den Gästen, ungeladen, aber mit Bewilligung des Hausherrn Mitgebrachten (Umbrae), nahmen den letzten Platz ein. Auch Frauen nahmen an den Gastmählern Theil. Vor dem Essen badeten die Römer, od. wuschen sich wenigstens die Hände, dann salbten sie sich, bei festlichen Gelegenheiten bekränzten sie sich auch, dann beteten u. libirten sie; nun erst begann das Essen. Dies bestand in alter Zeit allgemein aus dem Puls, einem Mehlbrei (vgl. Polenta) u. blieb es auch später für den gemeinen Mann; nebenbei aß man grüne Gemüse (Olera) u. Hülsenfrüchte (Legumina) u., wiewohl wenig, Fleisch. Später bestand die Coena aus drei Abtheilungen: die Gustatio (Gustus, Promulsis), war ein Voressen, bestehend in Gerichten, die den Appetit reizten, wie Eier, Salat, Fische mit picanten Saucen (Garum), Austern etc., getrunken dazu wurde Mulsum, mit Wasser u. Honig versetzter Wein; das Hauptgericht (die eigentliche Coena, Fercula, Mensa prima, Caput coenae, Pompa) bestand aus 2–3 Gängen (Coena prima, secunda, tertia) u. enthielt Fleisch- u. Fischspeisen, als Delicatesse Pfauen, Fasane, Nachtigallen, Krammetsvögel, Tauben, Enten, Gänse, von Fischen Seebarben, Butten, Muränen, von anderm Fleisch liebte man bes. Wild; der Nachtisch (Mensae secundae) brachte Äpfel (daher das Sprüchwort ab ovo usque ad mala [vom Ei bis zu den Äpfeln] vom Anfang bis zu Ende), Feigen, Datteln, Backwerk (Bellaria), als Kuchen, Pasteten u. Torten, deren auch nur Schaugerichte (Epideipnides) waren. Da man mit den Fingern aß, so wurde nach jedem Gericht von den Sklaven, die in großer Menge dienstthuend zugegen waren (s.u. Sklaverei), Waschwasser herumgereicht. Die Speisen wurden auf Tafeln od. auf Tragmaschinen (Ferculae) aufgetragen. Zur Kaiserzeit wurden die Gastmähler mit allem erdenklichen Luxus gegeben, den man nicht nur in den Speisen, sondern auch in den Gefäßen u. dgl. zeigte; man hatte Gastmähler, wozu mit den größten Kosten Speisen aus allen damals bekannten Ländern zusammen gebracht waren. Die öfter gegen den zu großen Aufwand bei Gastmählern gegebenen Gesetze (s. Sumtuariae leges), verfehlten ihren Zweck, da dieselben gewöhnlich nur gegen den hohen Preis der Leckereien gerichtet waren. Ein G., welches Lucullus dem Pompejus u. Cicero gab, kostete 10,000 Thaler. Ein G., zu dem der Kaiser Vitellius ging, durfte nicht unter 20,000 Thaler kosten. Manche Gäste pflegten auch in der von Hause mitgebrachten Serviette etwas mit heim zu nehmen. Die Ergötzlichkeiten über Tisch bestanden in Musik u. Tanz durch Mimen od. Komödien, in Erzählungen (Acroamata), welche Sklaven vortrugen; zur Zeit der Kaiser kam die Vertheilung der Sortes (s.d.) an die Gäste auf. Auch Gladiatoren zeigten sich u. Possenreißer (Scurrae) trieben allerhand Kurzweil; Gebildetezogen ernste, geistreiche Unterhaltung od. Vorlesungen aus guten Büchern durch ihre Anagnosten vor. Getrunken wurde über Tisch nicht od. wenig, erst mit dem Nachtisch wurde der Wein aufgetragen; nach dem Abräumen ging das Trinkgelag (Commessatio) an, wo nach den Gesetzen, welche der gewählte Trinkkönig (Arbiter bibendi, Rex od. Magister convivii) gab, gezecht wurde. Man trank sich zu, brachte Toaste aus u. kehrte nicht selten mit starkem Rausche, begleitet von Fackelschein u. Musik, in tiefer Nacht nach Hause. Obgleich man treffliche Weine in Italien hatte, so wurde doch seit dem ersten Jahrhundert vor Chr. viel griechischer Wein eingeführt, der Anfangs so kostbar war, daß ein Becher herumgereicht wurde, aus dem jeder Gast nur nippte. Cäsar gab zuerst vier Sorten bei einem G., dann überschritt auch hierin der Luxus alle Grenzen. Von den alten Germanen erzählte Tacitus nur, daß sie bei ihren Gastmählern Jeder an einem besondern Tische aßen; man aß, was Hof u. Wald an Geflügel u. Vieh hergaben, andere Speisen, als Fleisch, waren selten. Das Trinken war dabei die Hauptsache; man blieb u. zechte bis tief in die Nacht; Berathungen über Staats- u. Familienangelegenheiten bildeten die Unterhaltung; im Rausch angethane Beleidigungen wurden auf der Stelle gerächt, denn bewaffnet ging der Germane zu den Gastmählern, u. Verwundungen, ja Todtschlag war nicht selten das Ende eines G-es Die stehende Tischgenossenschaft der Häuptlinge war sein Gefolge, s.d. Wenn es bei den deutschen Germanen so war, wie bei den Skandinaviern, so nahmen auch Weiber an den Gastmählern u. Gelagen Theil; hier saßen, wie die Königin nebst dem König auf dem Hochsitz saß, so auch paarweis Männer u. Weiber dem Saal entlang an langen Tischen u. tranken mit einander. Bei Opferschmäusen brachten die Bauern Kost u. Bier mit, das Fleisch wurde gekocht gegessen u. die Brühe getrunken. Bei den Gastmählern des Mittelalters bestimmte sich die Herrlichkeit eines G-s nicht nach der Feinheit des Geschmacks der Speisen, sondern bes. nach der Menge derselben, u. noch im 16. Jahrh. kamen bis an 20 Gerichte vor, worunter bes. Fleisch von wilden u. zahmen Thieren, Geflügel u. einheimische Fische waren, die oft nur verschieden zubereitet zu verschiedenen Gängen dienten. Auch das Trinken fehlte dabei nicht. Derselbe Geist herrschte auch bei den Bankets der Ritter. Erst in neuerer Zeit, bes. seit der Entdeckung Amerikas, herrschte bei den Gastmählern wieder mehr Eleganz, u. die Franzosen trugen viel zur Verfeinerung der bei den Gastmählern beobachteten Sitten bei. Fast alle Länder modern-christlicher Cultur haben sich über die wesentlichen äußeren Anstandsformen in Bezug auf Gastmähler geeinigt. Die Theilnahme des weiblichen Geschlechts ist allgemein üblich, ausgenommen bei den sogenannten Zweckessen; doch hält man es für anständiger, daß die weibliche Tischgenossenschaft sich beim Abräumen des Nachtisches zurückzieht, worauf dann Pfeifen u. Cigarren für die männlichen Gäste herumgereicht werden. Im Orient, wo das Verbot, Wein zu trinken,[8] gilt, macht noch jetzt eine Menge u. große Fülle der Schüsseln u. Besoldung von Tänzern, welche die Gäste mit üppigen, oft unzüchtigen Tänzen unterhalten, die Kostbarkeit der Gastmähler aus, während das Speisen an kleinen Tischen bei den Orientalen, bes. bei den Chinesen, die Geselligkeit u. Fröhlichkeit verbannt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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