- Pavīa
Pavīa, 1) Provinz in der Lombardei, an Parma, die lombardischen Provinzen Lodi u. Mailand, die piemontesischen Provinzen Lomellina u. Tortona grenzend; 242/5 QM., 167,000 Ew.; ist eben, vom Po, Ticino, Olonna, den Kanälen Naviglio grande, Bereguardo u. Pavia bewässert u. bringt Reis, Wein, Seide, Rindvieh; 2) Hauptstadt darin, an der Eisenbahn von Mailand nach Voghera u. am Ticino, welcher sich hier mit dem Naviglio Pavia, einem durch die Corona gebildeten Arm des Kanal Naviglio Grande (wodurch P. mit Mailand verbunden wird) vereinigt u. von hier an schiffbar wird; mit Vorstadt auf einer Insel u. mit Mauern umgeben u. durch ein ehedem mit Mauern u. Thürmen geschmücktes Castell befestigt; Sitz eines Bischofs, Tribunals, Friedensgerichts; hat nördlich ein verfallenes Castell, den die Stadt von Norden nach Süden mitten durch, von der Porta Milano bis zur Porta S. Vito durchschneidenden Corso (Strada Nuova); 18 Kirchen (Kathedrale S. Agostino mit S. Augustins Gebeinen, Rolands Lanze u. Boethius' Grab, die alte Basilica S. Michael, S. Maria del Carmine, S. Maria coronata etc.); Universität (angeblich errichtet von Karl dem Großen, neu eingerichtet von Karl IV. u. von Maria Theresia, zuletzt von Franz I. 1817), mit 33 Professoren u. 1000 Studenten, einem Anatomischen, Pathologischen, Hydraulischen, Naturhistorischen Cabinet, Botanischen Garten, Chemischen Laboratorium, Bibliothek, dabei 13 Collegien,[766] von denen das Borromeische u. das des Papstes Pius V. die schönsten sind, ferner Gymnasium, viele Wohlthätigkeitsanstalten, Hospital S. Matteo, mehre Armenanstalten, mehre Paläste (Malaspina, Olevano, Maino, Scarpa, Brambilla, Botta u.a.), Thurm des Boëthius, Stückgießerei, Handel mit Reis, Hanf u. Käse, jährlich achttägige Messe; 26,000 Ew.; 3) Flecken in der venetianischen Provinz Udine; 3540 Ew.
P. wurde unter dem Namen Ticinum (Ticenum) von den gallischen Läpl u. Marici erbaut u. war die Hauptstadt der Ersteren. Die Römer verjagten sie u. machten die Stadt zu einem Municipium. Nach der Eroberung durch die Ostgothen im 5. Jahrh. baute deren König Theoderich daselbst einen Palast u. befestigte die Stadt. Odoacer zerstörte sie um 476, gestattete aber den Einwohnern zum Wiederaufbau 5 Jahre Abgabenfreiheit, bei welcher Gelegenheit sie Papia genannt wurde. Alboin, König der Longobarden, bemächtigte sich ihrer 568 nach dreijähriger Belagerung u. wählte sie zur Residenz u. Hauptstadt seines Reiches, was sie auch bis zu Desiderius blieb, welcher 774 von Karl dem Großen hier gefangen wurde. Im Jahr 924 wurde P. von den Ungarn verwüstet; 951 eroberte sie Otto der Große u. ließ sich daselbst zum König von Italien krönen. 1004 wurde P. durch Brand zerstört, hatte 1059 heftige Kämpfe wider die Mailänder u. stand später unter eigenen Herren. Hier 1160 Kirchenversammlung vom Kaiser Friedrich I. berufen, welche Victor IV. zum Papst wählte. Übrigens hielt die Stadt zu diesem Kaiser in dem Streite mit den Lombardischen Städten, mußte sich aber zuletzt Mailand unterwerfen. Im Anfang des 14. Jahrh. stritten sich die ghibellinischen Beccaria u. die guelfischen Langusco um die Regierung, Graf Philipp von Langusco schlug 1300 die Beccaria, wurde aber vom Kaiser Heinrich VII. aus P. vertrieben; 1311 bemächtigte er sich ihrer jedoch unter dem Schutze König Roberts von Neapel der Oberherrschaft von Neuem, gerieth aber 1313 in Gefangenschaft, in welcher er 1315 in Mailand starb. Durch Kaiser Heinrich VII. erhielten 1313 die Beccaria die Herrschaft über P. u. herrschten daselbst, von den Visconti geschützt, bis 1356, wo sie vertrieben wurden. Der Augustinermönch Jacob Bussolari hatte lange glücklich für die Freiheit P-s gekämpft. Von 1350–1402 hielten sich die Beccaria von Neuem in P. auf, ohne jedoch die frühere Macht wieder erhalten zu können; der Tod des Herzogs Johann Galeazzo von Mailand u. die Minderjährigkeit seiner nachgelassenen Söhne trieb sie zu einem nochmaligen Versuche, welcher aber mißlang, u. P. kam nun unter Mailand. Hier begann das vom Papst Martin V. berufene allgemeine Concil im Mai 1423, wurde aber im Juli nach Siena verlegt. Hier 24. Febr. 1525 Schlacht, wo König Franz I. von Frankreich u. Heinrich von Navarra durch den kaiserl. General Lannoy gefangen genommen wurden. 1527 kehrten die Franzosen zurück u. verheerten unter Lautrec P. Auch 1528 wurde P. zweimal eingenommen u. kam endlich an die Spanier. 1655 wurde P. von den Franzosen u. Savoyern zwei Monate lang vergebens belagert, 1707 von den Franzosen besetzt, dann aber den Österreichern übergeben. 1733 ergab es sich den Sardiniern, kam 1736 aber durch den Wiener Frieden mit Mailand an Österreich u. wurde 1745 von den Spaniern u. Franzosen besetzt; 1796 Aufstand u. Bestürmung durch die Franzosen. Am 8. u. 9. Jan. 1848 wegen des Tabakrauchens blutige Reibungen zwischen Studenten u. Kroaten, am 8., 9. u. 10 Febr. Aufstand gegen das österreichische Militär, welcher blutig unterdrückt wurde. Am 15. Febr. wurde deshalb die Universität geschlossen. Am 20. März erfolgte ein neuer Aufruhr, worauf am 21. die Österreicher die Stadt verließen u. am 23. Freischaaren aus Piemont u. Ligurien einzogen. 1849 kehrten die Österreicher zurück u. am 5. Nov. 1851 wurde die Universität wieder eröffnet; seit 1656 wurden die Festungswerke vergrößert. Vgl. Preyentano, Istoria dell' antichità di P., Pav, 1570.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.