Wladīmir [2]

Wladīmir [2]

Wladīmir (Wolodimer), 1) russisches Gouvernement, grenzt an die Gouvernements Twer, Jaroslaw, Kostroma, Nishnij-Nowgorod, Tambow, Rjäsan u. Moskwa; 850 QM.; hügelig, theils heidig, theils morastig, theils sandig, mit guter Dammerde; Fluß: Oka, welche fast alle Gewässer des Gouvernements (Kliäsma mit der Scheksna, Koloksza, Nerl, Sudogda, Luch, u. außerhalb des Gouvernements die Unsha u.a.) an sich zieht; einige andere kleinere Flüsse gehen der Wolga zu; See: Saleski; Klima: im Ganzen gemäßigt, die Sommer heiß, die Winter streng; Einw.: 220,000, bis auf wenige Mordwinen, Tataren, Deutsche u. Polen lauter Russen. Der Religion nach zerfallen diese in 1,210,000 Griechische, 1000 Evangelische, 500 Römische Katholiken; der Rest sind Juden u. Muhammedaner. Beschäftigung: Ackerbau, welcher nur in guten Jahren zur Gnüge, selten Getreide zur Ausfuhr (Roggen, Gerste, Hafer, Buchweizen), Hülsenfrüchte u. Flachs u. Hanf gibt; reichlicher der Gemüse- u. Obstbau, u. die Benutzung der Wälder (mit eßbaren Waldbeeren); Viehzucht (bes. Pferde, Rindvieh, Schweine, Schafe), Fischerei (auf Haufen, Störe u. Weise), Bergbau (nur auf Eisen); man fertigt auch Leinwand, Tuch, Papier, Eisen- u. Kupferwaaren, Glas etc. Der Handel vertreibt die Kunsterzeugnisse. Wappen: ein stehender Löwe mit goldener Krone, in der rechten Vordertatze ein silbernes Kreuz haltend, in Roth. Eintheilung in 13 Kreise: W., Alexandrow, Gorochowez, Jurjew, Kowrow, Melenki, Murom, Pereslawl, Pokrow, Schuja, Sudogda, Susdal u. Wjäsuiki. – W. hieß ursprünglich Susdal. Die Stadt W. ist erst um 970 von Wladimir I. gegründet worden. Als Wladimir I. sein Land unter seine Söhne theilte, so erhielt Wsewolod Susdal, u. dieser ist demnach als der erste Fürst des nachmaligen Fürstenthums W. zu betrachten. Anfangs stand der Fürst von W. unter dem Großfürsten von Kiew, doch wurde die Macht des Letzteren immer mehr geschwächt, während die des Ersteren immer im Wachsen begriffen war, u. 1170 nahm der Fürst Andreas, nachdem er den Groß. fürsten Mstislaw von Kiew besiegt u. dessen Residenz erobert hatte, den Titel Großfürst von W. an, nachdem er in diese Stadt seine Residenz verlegt hatte. Von nun an war W. das Hauptland in ganz Rußland, u. selbst Kiew wurde für einige Zeit ein Theil des Großfürstenthums W.; wenn es auch später einige Male wieder als selbständiges Reich auftrat u. von Großfürsten regiert wurde, so standen diese doch an Macht u. Ansehen weit hinter denen von W. zurück. Andreas wurde 1174 ermordet u. ihm folgte 1175 sein ältester Bruder Michael II., welcher aber schon 1176 starb, worauf der zweite Bruder Wsewolod III. (1176–1213) zur Regierung kam. Dieser wurde in einen Krieg mit Nowgorod verwickelt, welchen er 1183 siegreich beendigte, auch gelang es ihm mehrmals die nie aufhörenden Fehden der russischen Fürsten unter einander beizulegen, sowie er auch Galizien gegen Ungarn schützte. 1213 st. Wsewolod u. ihm folgte[310] sein zweiter Sohn Georg, obgleich dessen älterer Bruder Constantin noch lebte. Constantin, welcher in Rostow u. Jaroslaw regierte, fing einen Krieg mit Georg an, welcher durch die Schlacht bei Lipezk (21. April 1216) beendigt wurde, Georg mußte W. u. die Großfürstenwürde an Constantin I. (1216–1219) abtreten. 1219 starb dieser u. ihm folgte nun nochmals Georg (1219 bis 1238), welcher Krieg gegen die Kamischen Bulgaren u. gegen die Dänen führte, welche in Livland u. Esthland eingefallen waren. 1224 zogen die Mongolen gegen Rußland u. eroberten am 7. Febr. 1238 W., worauf am 4. März Georg bei der Sita geschlagen wurde u. in der Schlacht den Tod fand. Jaroslaw II., ein Bruder Georgs, bestieg den Thron (1238–1247). Da aber die Mongolen von Neuem vordrangen, so sah er 1240 sich genöthigt das Land von dem Mongolen-Khan Batu als Lehn anzunehmen, u. auch sein Bruder Swiatoslaw III., welcher ihm 1247 folgte, wurde Großfürst unter mongolischer Hoheit. Swiatoslaw wurde nach kurzer Regierung von seinen Neffen Alexander Newski u. Andreas vertrieben; Erster wurde Großfürst von Kiew, Letzter von W. Ihm folgte 1263–1272 Jaroslaw III., früher Fürst von Twer, u. diesem Wassili (1276). Wassilis Nachfolger war Demetrius, der Sohn Alexander Newskis, welchem 1294 sein Bruder Andreas folgte, u. als dieser 1304 starb, so stritten der Fürst Michael von Twer u. der Fürst Georg von Moskau um den Besitz des Großherzogthums. Dieses führte zu einem Kriege, in welchem endlich Georg 1319 obsiegte. Auf diesen, welcher 1325 von Demetrius, dem Sohn des Fürsten Michael von Twer, ermordet wurde, folgte dessen Bruder Andreas von Twer als Großfürst von W. u. der Sitz des Großfürstenthums wurde von ihm nach Twer verlegt, aber bald darauf kam er durch den Fürsten Iwan von Moskau, welchen der Khan zum Großfürsten ernannte, nach Moskau, wo er auch fortan blieb. So hörte nun das mächtige Großfürstenthum W. auf. 2) Kreis hier, mit 150,000 Ew.; 3) Hauptstadt hier u. der ganzen Provinz, an der Kliâsma; Sitz der obersten Behörden, einst Residenz der Großfürsten u. sehr ansehnlich; hat einen Kreml, 6 Thore, 30 Kirchen (Marienkirche mit alten großfürstlichen Kleidern, Dmitriewsche Kathedrale), mehre Klöster, Priesterseminar, Seidenwebereien, Gerbereien, Obst- (Kirschen-) gärten; 4700 Ew. – W. ist um 970 von Wladimir I. von Rußland erbaut, wurde 1099 von dem Fürsten David Igorewitsch vergebens belagert, 1238 von den Mongolen unter dem Khan Batu erobert; im Juni 1848 große Feuersbrunst; 4) Kreis im russischen Gouvernement Volhynien; 175,000 Ew., unter denen 1/6 Katholiken u. 1/5 Juden; 5) Hauptstadt hier, zum Unterschiede von W. 3) auch Wladimir Wolynskij genannt; mehre griechische u. katholische Kirchen, Synagoge, Grenzzollamt, Basilianerkloster, unirter Bischof, Handel; 5300 Ew.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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