- Dessau
Dessau, 1) Herzogthum, s. Anhalt-Dessau; 2) Amt im Herzogthum Anhalt-Dessau, 16,500 Ew.; 3) Hauptstadt des Herzogthums und des Amts, an der Mulde, 3/4 Stunde von der Elbe; theilte sich sonst in die Alt-, Neu- u. Vorstadt auf dem Sande (jetzt vereint) u. hat 3 Vorstädte (Wasserstadt, Vorstadt vor dem Leipziger u. Vorstadt vor dem Akenschen Thore [Neu-Wülknitz]). D. ist Residenz des Herzogs, Sitz der obersten Landesbehörden, des herzoglichen Staatsministeriums, des Oberlandesgerichts, der Regierung, der Kreisdirection u. des Kreisgerichts 1. Kreises, der herzoglichen Militärkämmerei u. des Oberjägermeisteramts, hat 1 Landrentenbank (1848), eine Landesbank (1847), 1 Landessparkasse (1833), 1 Continentalgasgesellschaft (1855) u. 1 Creditanstalt (1856). Es hat 4 Kirchen (darunter eine katholische, zu welcher 1854 der Grundstein gelegt wurde) u. eine Synagoge; merkwürdig: das Schloß (erst 1839 völlig ausgebaut), mit dem Gesammt- u. Hausarchiv, Bildergallerie, Gypskammer (Sammlung von Kostbarkeiten, Kupferstichen u. Kupferwerken, bes. über Bauwesen u. dgl.), dabei kleiner Lustgarten mit Springbrunnen, Marställe, Reitbahn, Säulengang. (am kleinen Markt an der Stelle des sonstigen, 1826. abgebrochenen kleinen Schlosses angelegt), Schloß der Herzogin Mutter (früher des Prinzen Eugen), Haus des Prinzen Georg, des Prinzen Friedrich, des Prinzen Wilhem, Rathhaus, seit 1856 neues Schauspielhaus (an der Stelle des 1855 abgebrannten früheren), sehr schöner, 1787 angelegter, 1820 erweiterter Gottesacker. Milde Stiftungen: 2 Hospitäler (der Leopoldsdank ist eine 3. ähnliche Stiftung), Armen- u. Arbeitshaus (die Waisen werden in Familien untergebracht), Amalienstiftung (für 140 Arme, auch verschämte Arme unterstützend), Wilhelminenstiftung (ist eigentlich im nahen Mosigkau u. ist für D. nur unbedeutend), Armenkasse, Gesellschaft der Barmherzigen Brüder (zu Verpflegung der Kranken u. Bestattung der Todten), jüdisches Hospital u. Armenhaus (der Hecktisch), Darlehns- u. Unterstützungskasse, etc. Unterrichts-, wissenschaftliche u. Kunstanstalten: Gymnasium (mit 7 Klassen, neben welchen für Nichtstudirende Nebenklassen sind), Töchter-, St. Johannis- u. St. Georgenschule, Louiseninstitut (Erwerbschule), jüdische Franzschule mit Seminar, Turnanstalt u. Turnschule, Gymnastische Übungsanstalt des Professor Werner, damit verbundene Orthopädische Anstalt, ferner die ehemals Rölpersche, jetzt Horanische Erziehungsanstalt für Töchter, musikalische Lehranstalt, Singakademie, Bibliothek (seit 1820 aus den herzoglichen Büchersammlungen in den verschiedenen Schlössern vereint, 20, 000 Bde.) etc. Industrie: Branntweinbrennereien, 1 Maschinenfabrik u. Eisengießerei, 1 Tuch- u. Buckskinfabrik, 1 Tapeten-, 1 Spielkarten-, 1 Watten- u. Baumwollenwaaren-, 1 Hut-, 1 Tabaks- u. Cigarren-, 1 Möbel-, 1 Farben-, 1 Handschuh-, 1 Lederlakirfabrik, Gerbereien, 1 Wollenspinnerei, 7 Bierbrauereien. Der Handel, bes. durch Juden betrieben, ist schwächer als früher; am stärksten ist noch der Getreide- u. Wollhandel; seit 1834 besitzt D. einen Wollmarkt, 2 Buchhandlungen, 3 Buchdruckereien, Lithographische Anstalt. Der Handel wird durch Chausseen nach allen Richtungen u. durch die an der Stadt vorbeigehende Berlin-Anhaltsche Eisenbahn, Eisenbahn nach Bitterfeld, wesentlich gefördert. Seit 1858 besitzt D. auch eine Gewerbebank. Vergnügungen: das Theater, doch nicht stehend, der Gesellschaftsgarten, mehrere geschlossene Gesellschaften, Concerte u. musikalische Aufführungen. Einw. 13,500, darunter 800 Juden. Die schönen Umgebungen in der fruchtbaren, an herrlichen Laubwäldern, bes. von Eichen an der Elbe u. Mulde u. längs derselben reichen Gegend, geben zu Fahrten u. Spaziergängen nach dem Elbhaus u. nach Wörlitz Anlaß. Bei D. liegen noch der Georgengarten (Georgenhaus), vom Prinzen Johann Georg 1780 gegründet, mit schönem Landhaus, in dem sich Gemälde, Antiken u. andere Kunstgegenstände befinden, u. das Louisium, Park mit Landhaus, 1775 angelegt, nach der Herzogin Louise benannt, unweit davon (in der Kirche des Dorfes Jonitz) Begräbniß der Letzteren u. ihres Gemahls Leopold Friedrich Franz. D. ist die Geburtsstadt Moses Mendelssohns. – D. wurde wahrscheinlich unter Albrecht dem Bären, um 1165 durch hierher einwandernde Flamänder erbaut u. hieß Anfangs Dißouwe; 1213 wird es zuerst urkundlich erwähnt. Das Schloß wurde wohl zu Ausgang 1341, nach Verödung des an der Elbe gelegenen Schlosses Waldersee, erbaut u. brannte gegen 1406 halb u. 1467 nach der Sage nochmals mit der ganzen Stadt ab. Noch im 16. Jahrh. hatte D. nur 110 Bürger. 1525 hier Verein zur Aufrechterhaltung der Römisch-katholischen Kirche von Kurfürst Albrecht von Mainz, Joachim I. von Brandenburg u. Heinrich von Braunschweig (s. Deutschland [Gesch.]). Seit derletzten Theilung Anhalts (1603) ist D. die Residenz des Fürsten von Anhalt-D. Hier (od. bei Roßlau) im April 1626 Niederlage Mansfelds durch Wallenstein. 1631 wurde die Elbbrücke bei Roßlau von den Kaiserlichen zerstört. Dadurch, daß 1686 den Juden u. 1690 den Lutherischen die Erbauung eigner Gotteshäuser gestattet wurde, wurde D. immer größer u. volkreicher. 1748–51 wurde das neue Schloß gebaut (wenigstens der rechte Flügel, denn der linke rührt wohl noch von 1341 her). Seitdem wuchs D. ungemein, Fürst Leopold erweiterte die Stadt durch Anlagen im vergrößerten Maßstabe, die Cavalierstraße etc., legte neue Thore u. Mauern an. Auch dem Fürsten Leopold Friedrich Franz u. dem jetzigen Herzog verdankt D. Verschönerungen. Zu Ende des vorigen Jahrh. machte u. and. auch Basedows Philanthropin u. die Chalkographische Gesellschaft D. bekannt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.