Falkenjagd

Falkenjagd

Falkenjagd (Beitze), I. das Fangen des kleinern Wilds (große [hohe] Beitze), als Hafen, Enten u. vorzüglich Reiher, durch Edelfalken, ferner der Rebhühner, Wachteln, Drosseln, Lerchen, Finken, durch dieselben od. kleinere Falken, Habichte od. Sperber (kleinre [niedre] Beitze), wo der Falke bes. abgerichtet ist, ein bestimmtes Wild zu ergreifen, u. wo er mit demselben niederfällt, u. so dem Jäger Gelegenheit gibt, sich des Thiers zu bemächtigen.

II. Geschichte der F. Die F. stammt aus dem Orient, wo sie schon sehr früh bekannt gewesen zu sein scheint. In Indien u. China bildet sie noch ein fürstliches Vergnügen. Ein Brief des Königs Ethelbert von England um 750, in dem er den Bischof von Mainz um einige Falken bat, ist das erste Zeichen der F. in Europa. Bald wurde sie die Lustbarkeit der Großen, u. Ritter u. Frauen zogen im Mittelalter mit dem Falken auf der Hand aus, machten Reisen mit ihm u. oft gaben verflogene Falken Anlaß zu Fehden; Kaiser Friedrich II (starb 1250) schrieb ein lateinisches Werk über die F. Man bezahlte gute Fallen sehr theuer, u. sie waren Gegenstand eines eignen Handels. Eigne Jäger nahmen die Falken als Nestlinge in Island u. Norwegen aus u. brachten sie undressirt in den Falkenhof zu Kopenhagen, wo sie verschenkt od. verkauft wurden. Cageträger trugen sie auf Cagen, d.i. viereckigen Rahmen mit Füßen, auf denen sie meist zu 10 Stück angefesselt waren, an den Ort ihrer Bestimmung. Zu Falkenwerth, einem Dorfe bei Mastricht, wurde die Kunst der Falkenzähmung zunftmäßig betrieben, eigne Leute holten die Falken aus Norwegen u. verkauften sie koppelweise, die Koppel zu 2 Stück. Einheimische Falken (Wildfänge) wurden dabei bei Meiningen, Bremen, in Holstein durch eigne Falkenjäger, mit Erlaubniß des Landesherrn in eignen Falkenfängen, die auf einem Wagenrad von Pfählen kegelförmig gebaut u. mit Rasen belegt waren, gefangen. Davor standen mehrere Stangen, an deren einer ein hölzelner Falke u. am Boden eine ausgestopfte Taube, auf welche dieser fortwährend stieß, befestigt war, der Falke wurde auf- u. abgezogen u. schien auf die Taube zu stoßen. Stundenweit eilten Fallen herbei, um an dem Mahl Theil zu haben. Man bemerkte ihre Ankunft durch einen auf einem künstlichen Hügel angepflöckten grauen Würger u. rührte, sobald dieser kreischte u. sich seinen dabei befindlichen Häuschenbauer zurückzog, eine bunte Taube, die mitten in Netzen, auf Art eines kleinen Vogelheerds, gelegt u. mit Gras u. Reisig verborgen war. Der Falke stieß auf die Taube u. wurde durch Anziehen der Netze gefangen. Falken anzulernen u. zu benutzen, war eine eigne Kunst, die Falkenierkunst. Im Mittelalter war das Amt des Oberfalkenmeisters eins der wichtigsten Hofämter. Derselbe hatte mehrere Oberfalkeniere, u. diese Falkenmeister u. Falkenwärter unter sich. Die Jäger aber, welche die F. betrieben, den Vogel auf der Hand trugen, hießen Falkeniere. Gewöhnlich war ein eigner großer Falkenierhof vorhanden, wo die Falken gefüttert wurden. Seit der Erfindung des Schießpulvers verlor sich die Luft an der F. nach u. nach, nur der Markgraf von Ausbach-Baireuth hielt noch um 1791 einige Falken. So kam die F. fast ganz ab, u. man dressirte höchstens noch hie u. da Habichte u. Sperber zur Vogeljagd falkenmäßig, neuerdings ist sie aber an einigen großen Höfen als etwas Mittelalterliches wieder aufgekommen, namentlich wird sie von dem Prinzen der Niederlande bes. im Schloß Loo betrieben. 1841 gingen 50 Falken mit den nöthigen Falkenieren dahin ab.

III. Naturgeschichtliche Bestimmung der Edelfalken u. Jagdterminologie. Die Raubvögel, die man zur F. benutzt, heißen Beitzvögel od. Edelfalken (s.d.) Zu den A) wahren Edelfalken, die aus dem Ausland kommen, zählte man a) den Isländischen Falken (Falco islandicus), nach ihm kam b) der Würg- od. Geierfalke (F. candicans) u. c) der Blaufuß; sie wurden für ausländische Falken gehalten, von ersterem vermuthete man, daß er nur eine klimatische Verschiedenheit des Gemeinen Falken (s.u. Edelfalke) sei u. letztre sind auch einerlei, vielleicht hielt man sie ihres Alters wegen, od. weil der Geierfalke aus dem Norden, der Blaufuß aber aus dem Orient, wenigstens aus Ungarn stammen sollte, für verschieden. B) Zu den Wildfängen od. inländischen Falken zählte man a) den Wander- (Schlecht-) Falken (F. peregrinus); b) den Zwerg- (Schmerl-) Falken (F. caesius); c)[85] den Baumfalken (Schwarzbäckchen, F. subbuteo); u. C) zu den unedlen Falken: a) den Habicht (F. palumbarius, jetzt Astur palumb.) u. b) den Sperber (F. nisus, jetzt Accipiter), welche beide jedoch nur Finken u. Wachteln, höchstens Rebhühner singen. Auch den Flußadler (F. haliaëtus, Pan dion hal.) kann man zur F. brauchen. Für den Falken hatte man eine eigne Terminologie. Die Fütterung u. der Fraß hießen Ätzung, man lockte sie dazu; der Schnabel hieß Bek, die Fänge Füße (Hände), nicht Ständer, die Klauen Finger, die Flügel Schwingen, die 10 ersten Schwung- u. Schwanzfedern Pennen (die längste 2. lange Penn, die folgende vorlange Penn, die äußerste kleine Schwingfeder), die übrigen Federn Wannen, die mittleren Schwanzfedern Deckfedern, der Rücken das Dach, die Hosen Dünnen, die Nägel Haltklauen, der Unrath Schmelze; er blockt sich auf einen Baum, madrirt u. mausert sich.

IV. Abrichtung des Falken. Sobald der Falke eingefangen ist, werden ihm die Nägel verschnitten, damit er nicht zu sehr durchgreifen kann. Sorgfältig werden die ersten Schwungfedern geschont, denn ist die erste verletzt, so ist der Falke zum fernern Gebrauch, bis zur Mauser unfähig. Der gefangene Falke bekommt die Rauschhaube (Kappe), eine Haube von starkem Leder, welche die Augen verdeckt aber nicht drückt, auf (wird verkappt), u. diese wird von nun an nur beim Baden u. Fressen abgenommen. Dann werden ihm mittelst des Köllers, eines 14 Zoll langen Riemens mit Schlitz, die Flügel u. mit den Fangschuhen (weichen 4 Zoll langen Riemen mit Maschen), an welchen Fangschellen angebracht sind (damit sie beim Verfliegen als Beitzvögel leichter erkenntlich sind) die Füße gefesselt. An diesen Schuhen sind die ledernen Fesseln befestigt, die nach ihrer Länge Kurz- od. Langfesseln heißen. Die Wartung der Falken muß. sehr sorgfältig sein. Sie werden in einer Falkenstube angefesselt, auf Reisen od. Stangen (Recken) gehalten, an welche unten ein Tuch angebracht ist, damit er, wenn er ja einmal von der Stange herabfällt, sich nicht verwickle, sondern auf derselben Stange wieder hinaufsteige. Wärter sind fortwährend bei den Falken, damit diese nicht herabfallen, die Kappen abstreifen, sich beißen etc. Zum Futter dekommen sie Tauben-, Hühner- od. Rindfleisch, letzteres vorzüglich der Isländische Falke. Alle 14 Tage werden sie in einem Fließwasser angepflöckt u. kalt gebadet (geschöpfet). Bei Schnee od. Schneewasser unterläßt man dies. Isländer werden oft mit kaltem Wasser bespritzt, u. hierauf läßt man sie auf einem sonnigen Rasenplatze trocken werden. Da der Falke mit verletzten Federn nicht so gut fliegen kann, so bewahrt man das Unbeschädigthalten derselben mit größter Sorgfalt u. reparirt abgebrochene od. geknickte Federn, indem man ältere nach Umständen einschiebt, mit Nadeln befestigt od. durch Hausenblase u. Leim in die Kiele einleimt. Man hat so 9 Schwungfedern u. den ganzen Schwanz, dessen Kiele man abschnitt u. durch einen Lanierschwanz, wo man jede Feder anleimte, reparirte u. der Vogel flog bis zur Mauser so gut wie zuvor. Auch Fuß- u. Flügelbrüche, indem man beide mit kleinen Holzstückchen schient, wurden geheilt. Im letzteren Fall wird der Falke meist unbrauchbar. Krankheiten sind der Zungen- od. Kropffrons (Krebs), wo die Excremente grün u. eine eiternde Stelle vorhanden ist, diese sind nur durch Ausschneiden der letztern zu heilen, andre Krankheiten sind die Seuche, fallende Sucht, kurzer Athem, Schwindsucht, meist tödtlich, der Schnupfen u. dadurch erzeugte Finnen, wie Linsen im Rachen, Gicht, Podagra, der Gries, wo die Excremente hart sind u. wo Purgiren hilft. Das Abrichten (Abtragen) des Falken geschah sonst dadurch, daß man ihn an einen freihängenden Reif anfesselte, der Reif wurde an einer Schnur 3 Tage u. 3 Nächte lang, durch einige sich immer ablösende Jäger in fortwährender Bewegung gehalten, so daß der Falke nicht schlafen konnte. Nach dieser Zeit war er zahm, hatte die Freiheit vergessen, gehorchte dem Jäger u. kehrte nach seinem Willen zu ihm zurück, aber zugleich war er dumm u. träge geworden. Später unterließ man dies, nahm aber die ganze übrige Dressur wie früher, nur mit Güte vor u. gewöhnt sie erst in Gegenwart des Wärters Atzung zu nehmen, gefesselt auf der Recke in einer dunkeln Stube ruhig zu sitzen, sich die Kappe abnehmen zu lassen, sich auf die Hand zu setzen u. zu fliegen, alles mit Hülfe guter Worte u. einer Flanmen-feder Spinnfeder), womit man sie streichelt. Dieselbe Übung nimmt man nun im Freien vor (locke machen, locken), wo der Falke natürlich Anfangs an der Schnur ist. Nun nimmt man ihn in einen Garten u. läßt ihn an einer 30–40 Fuß langen Zugleine, die man an seinen Fuß befestigt, angepflöckte Tauben fangen, worauf man ihn jedesmal ätzt. Dieselbe Übung macht man mit Krähen u. Elstern durch, blendet ihn dann etwas u. läßt ihn an einer Schnur fliegen, von der man ihn später befreit. Er wird dann auf die angebundenen Krähen od. Tauben losgelassen, dieselben fangen u. immer gehörig geätzt, zurückkehren. Isländische Falken übt man auch an Haushühnern u. dann an Reihern, die man auf ähnliche Weise anpflöckt. Auf Hasen übt man ihn durch Hasenbälge, die man durch eine Leine zu Pferde im Carriere fortzieht, dann durch lebendige angepflöckte Hafen ein; auf Trappen durch graue Gänse, später durch Truthennen auf ähnliche Art, läßt den Falken auch durch einen schon abgerichteten unterstützen. Mit geringen Änderungen nimmt man Ähnliches mit dem Baumfalkn, Zwergfalken Habicht etc. vor, doch ist dies mit diesen u. mit Wildfängen schwerer vorzu nehmen, sie benehmen sich störrischer, dagegen sind die aus dem Nest genommenen feiger. Die Weibchen sind stets größer u. daher auf größeres Wild zu benutzen, als die Männchen (Terge). Die Falken verlernen mit jeder Mauser das Gelernte, weshalb nach derselben die Dressur wieder beginnen muß.

V. Bei der wirklichen Jagd mit Falken wird im feierlichen Jagdzug ausgezogen; zuerst reitet der Jagddirector, dann der Fürst od. die Person, der zu Ehren die Jagd gegeben wird, mit ihrem Gefolge, dann kommen die Falkenier paarweise zu Pferd, jeder mit einer ledernen Falkeniertasche, mit ledernem Bandelier, worin das zur Jagd Nöthige ist, u. mit einem Falkenierhandschuh von starkem Hirschleder, damit der Falle nicht durchgreift, ausgerüstet. Auf dem Handschuh sitzt bei jedem ein Falke, der sonst meist auf einer, mit Tuch überzogenen Stange (Block) sitzt (Handvogel)[86] , den Kopf mit einer Steck-(Falkenhaube) verhüllt, die ganz wie die Rauschhaube (s. oben) eingerichtet ist, nur daß sie an den Seiten mit Tuchlappen von der Farbe der Falkenieruniform verziert u. oben mit dem 2 Zoll langen Busch (Trosch) von feinen Federn u. Bindfaden, in Form einer Nelke, versehen ist. Einige Falkeniere sind ohne Vögel, um den Flug der Falken zu beobachten. Einige Cagen mit Reservefalken folgen. Auf dem Jagdfeld angekommen, theilt sich der Zug aus u. sucht entweder, wenn auf Hafen gebeitzt werden soll, wie bei der Suche, ab, od. wendet Beitzhunde an, gewöhnliche Stöberhunde, die kurz vor dem Jäger suchen u. Vögel aufjagen. Sobald ein Wild aufsteht, wird einem Falken die Kappe schnell mittelst des Trosch abgenommen (abgekappt, abgehäubt), u. der Falke von der Hand gegen das Wild losgelassen (geworfen). Er steigt nun, fliegt in großen Kreisen herum, u. folgt, sobald er das Wild erblickt, schnell. Mittlerweile ist auch ein andrer Falke abgehäubt worden u. folgt dem Wild auch. Beide stoßen wiederholt auf das Wild, schlagen es mit den Ballen u. ergreifen es mit einem Griff der Klauen bis es verendet ist. Die Falkeniere ohne Falken beobachten den Falken stets, folgen ihm zu Pferd u. nehmen ihm die Beute ab. Erhebt sich der Falke wieder, so wird er durch das Wort Hilo zurückgerufen. Ost verfährt od. verfliegt er sich auch u. dann wird das Federspiel, ein nachgeahmter Vogel od. zwei zusammengebundene Vogelflügel, das zuweilen mit Fleischstücken besteckt ist (daher ludern, so v.w. dasselbe werfen), in die Luft geworfen od. auch eine in der Falkeniertasche bereitgehaltene lebende Taube fliegen, od. die Ruhr, ein lebender Vogel, auf der Hand flattern gelassen. Der Falke bekommt gleich nach dem Abnehmen der Beute diese ganz od. zum Theil, od. ein in der Fleischbüchse mitgenommenes Stück Fleisch (Falkenrecht). Selten läßt man einen Falken an einem Tage mehrmals fangen, sondern bringt ihn in die Cage zurück u. nimmt einen neuen von da auf die Faust. Die Reiherbeitze ist die edelste Jagd. Sie geschah sonst meist mit Trompeten- u. Paukenschall. Man brauchte dazu mindestens 1 Isländer-, 1 Geier- u. 2 Schlechtfalken. War der Jagdherr dabei auf einem Jagdschlößchen, an welchen die Jagd auf alte gehegte nistende Reiher (welche, wenn sie zu Holze flogen, Eingänger, wenn sie vom Holze gingen, Ausgänger hießen), meist vorbei ging, so hieß es Passagebeitze; wenn man aber junge Reiher aus Teichen, wo sie wie schwingend aufflogen, jagte, Sprungbeitze. Der Reiher wehrt sich keck, legt den Hals zurück, so daß der Schnabel senkrecht steht, u. oft schießt od. verwundet sich der Falke hierbei schwer. Lebendig gefangenen Reihern legte man auch einen kupfernen Ring mit der Jahreszahl um den Ständer, u. es traf sich wohl, daß sich Reiher mit 3–5 Ringen fanden. Kraniche u. Trappen beitzt man mit Geierfalken, Milane u. Weihen, nach der Kranichjagd die edelste Beitze, mit Blaufüßen, auch mit Isländern u. Geierfalken. Der Milan u. Falke steigen oft so hoch in die Luft, daß man sie nicht mehr sieht, erster soll sich zuweilen in der Luft auf den Rücken legen, um sich mit den Fängen zu wehren. Die Krähenbeitze wird durch weibliche, die auf Elstern durch männliche Schlechtfalken betrieben u. die Krähen durch einen, von einem Falkenier zu Pferde vorgetragenen Uhu angelockt; Hasen beitzt man durch die größern Edelfalken, Enten durch den Schlechtfalken, Rebhühner u. Wachteln bes. durch Habichte u. Sperber, kleine Vögel durch Thurmfalken u. Sperber. Auch um Rebhühner im Tiras u. Treibzeug zu fangen, braucht man den Falken, indem die Hühner, wenn sie ihn sehen, nicht aufstehn, sondern in das Treibzeug laufen.

VI. Jagd auf den Falken als Jagdthier selbst, durch Schießen u. Fallen, s. Falkenstoß, Bömsch u. oben.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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