- Ponthieu
Ponthieu (spr. Pongthio), ehemals District mit Grafschaftstitel im jetzigen französischen Departement Somme, bewässert von der Somme; Hauptort: Abteville. P. (Pontivus pagus) war sonst ein Theil des Morinergebietes u. kam nachher unter die fränkischen Könige, welche es in der Mitte des 7. Jahrh. zur Grafschaft erhoben. Graf Angilbert war durch seine Gemahlin Bertha Eidam Karls des Großen u. st. 814; Rudolf, mütterlicher Oheim Karls des Kahlen, st. 859; Herluin II. folgte seinem 926 gegen die Normannen gefallenen Vater Helgand II. als Graf von Montreuil (welchen Titel auch die Folgenden hatten) u. wurde 945 von den Dänen getödtet; Hugo I. u. sein Sohn Enguerand I. führten den Titel als Schirmvogt von St. Riquier; Enguerand bekriegte den Grafen Balduin von Boulogne, tödtete denselben u. heirathete dessen Wittwe Adelaide von Gent, worauf er den Titel als Graf von P. wieder annahm, welchen auch seine Nachfolger fortführten. Guido I. hinterließ bei seinem Tode 1101 blos eine Tochter, Agnes, mit welcher sich Robert von Belleme vermählte, wodurch P. an das Haus Alençon-Montgomeri kam. Von Wilhelm III. erbte bei dessen Tode 1220 seine Tochter Marie die Grafschaft, welche Simon von Dammartin Grafen von Aumale u. nach dessen Tode (1239) 1243 Mathias von Montmorenci, Herrn von Attichi, heirathete; Marie st. 1250, u. P. u. Aumale erbte ihre u. Simons Tochter Johanne, seit 1237 mit König Ferdinand III. von Castilien u. Leon u. nach dessen Tode (1252) 1260 mit Johann von Nesle, Herrn von Falvi, verheirathet. Da Johannens drei Söhne vor ihr gestorben waren, so folgte ihr 1279 ihre u. Ferdinands III. Tochter Isabella, Gemahlin des Königs Eduard I. von England in P., aber in Aumale u. den Domänen des Hauses P. folgte ihr Johann von Castilien-P., ihr Enkel, Sohn Ferdinands. Als Isabella 1290 starb, erhielt ihr u. Eduards I. Sohn Eduard II. P. u. 1325 erhielt Eduard III. P. u. Guienne. 1336 nahm Philipp von Valois P. in Besitz, nachdem er dem König von England den Krieg angekündigt hatte, u. 1350 gab König Johann P. an Jakob von Bourbon, Sohn des Herzogs Ludwig I. von Bourbon; aber durch den Vertrag von Bretigni 1360 kam Eduard III. wieder in den Besitz von P. 1369 unterwarf sich P. dem König Karl V. von Frankreich u. erhielt das Versprechen, nie von der Krone getrennt zu werden. 1406 gab es König Karl VI. seinem Sohn Johann zum Theil, u. als dieser 1417 starb, blieb dessen Gemahlin Jakobine von Hennegau im Genuß der Einkünfte von P., aber Johanns Bruder, der Dauphin Karl, erhielt den Titel als Graf von P. Dieser (Karl VII.) mußte nachher P. an Burgund abtreten, u. erst 1477 kam es wieder an die Krone Frankreich. Heinrich III. gab P. 1583 seiner natürlichen Schwester Diana, Ludwig XIII. 1619 nebst Angouleme Karln von Valois, dem natürlichen Sohn Karls IX.; von diesem erbte es 1650 sein Sohn Ludwig von Valois u. von diesem 1653 seine Tochter Maria Francisca, vermählt mit Ludwig von Lothringen, Herzog von Joyeuse, u. als sie 1654 nach dessen Tode geistesschwach wurde, so kam P. an ihren Sohn Ludwig Joseph von Lothringen, Herzog von Guise u. Fürst von Joinville; dieser st. 1671, u. sein Sohn Franz Joseph st. 1675 unmündig; doch scheint es, daß erst 1696, nach dem Tode der Maria Francisca, P. mit der Krone vereinigt wurde, bei welcher es seitdem geblieben ist. Als Graf von P. lebte König Karl X. nach seiner Entthronung in Edinburg u. Böhmen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.