Reinigung

Reinigung

Reinigung, die Handlung des Reinigens. R-en waren theils des heißen Klimas wegen, theils aus Gesundheitsrücksichten, bes. wegen der Pest, im Orient sehr gewöhnlich, u. die orientalischen Religionen gaben bes. Reinigungsvorschriften. Die R-en wurden bei den Hebräern bes. in der nachexilischen Zeit religiös beobachet; ohne sich gewaschen zu haben durfte Niemand im Tempel od. in der Synagoge erscheinen od. das Gebet verrichten, u. die Priester u. Leviten mußten sich beim Antritt ihres Amtes u. die Priester vor dem jedesmaligen Eintritt in die Stiftshütte im Vorhofe bestimmten Waschungen unterwerfen. Unrein hieß Alles, womit der Israelit in keine nähere Berührung kommen durfte; dazu gehörten manche Erzeugnisse der Thier- u. Pflanzenwelt, welche man nicht genießen durfte, namentlich alle an Krankheiten gefallenen Thiere, Blut u. blutige Fleischstücke, Fettstücke von dem Fleisch, bes. der Fettschwanz des Schafviehes, alle Speisen u. Getränke, welche unbedeckt in einem Leichenzimmer gestanden hatten, das Fleisch derjenigen vierfüßigen Thiere, welche wiederkäuen u. keine durchaus gespaltenen Klauen haben, wie Hafen, Kameele, Schweine, endlich Fische ohne Schuppen, Heuschrecken etc., ebenso todte Thiere, Häuser u. Kleider, welche von dem Aussatz inficirt, Gefäße, worein unreine Thiere gefallen waren. Unreine Personen waren Aussätzige (s.u. Aussatz 1); alle, welche am Samenfluß od. an Pollutionen litten, sie waren bis auf den Abend unrein u. mußten sich selbst u. die Tücher, worauf der Same gefallen war, sorgfältig abwaschen; die Kindbetterinnen, welche bei der Geburt eines Sohnes 7 Tage, bei der Geburt einer Tochter 14 Tage unrein waren, mußten sich im ersten Falle 33 Tage, im zweiten 66 Tage vom Gottesdienste u. der Berührung alles Heiligen enthalten; die Frauen, welche die Katamenien hatten, u. die, welche ihnen beigewohnt, beide 7 Tage; menschliche Leichname u. Gräber, Die Aussätzigen mußten lebendige Vögel, Cedernholz, rosenfarbene Wolle u. Ysop opfern; die Kindbetterin brachte in der Thür der Stiftshütte od. des Tempels ein Lamm, od. ein Paar junge Tauben zum Brandopfer u. eine junge Taube zum Sündopfer. Von den Reinigungen der Parsen s.u. Zoroaster; über die bei den Muhammedanern s.u. Islam B). Bei den Griechen beruhte die Nothwendigkeit der R. (Katharmos, Katharismos, Hagnismus) auf dem Bewußtsein einer sittlichen Schuld, welche als Verunreinigung galt, daher das Symbol der inneren R. die äußere R. war. Wer sich den Göttern nahen wollte, um ein Gebet zu verrichten, ein Gelübde zu thun, ein Opfer zu bringen, mußte sich daher erst reinigen, wozu am Eingang des Tempels ein Weihwassergefäß (Perirrhanterion) stand; das Wasser darin war gewöhnlich fließendes od. Meerwasser, od. mit Salz gemischtes warmes Wasser, welches man mit dem Zweige von einem Öl- od. Lorbeerbaum an sich spritzte, außerdem ein Rosmarin-, Wachholder- od. Myrthenzweig. Diese Holzarten dienten, nebst dem Schwefel, auch zu Feuerreinigungen. Außer den allgemeinen Veranlassungen zur R. vor den Göttern gab es auch besondere, z.B. die Theilnahme an Begräbnissen, weshalb an jedem Trauerhause ein Wassergefäß stand, woraus sich jeder Ausgehende reinigte, so wie nach dem Leichenbegängniß alle Angehörige des Verstorbenen sich einer besonderen ceremoniellen R. unterwerfen mußten; od. ein begangener Mord od. Tödtung, wie Odysseus nach der Ermordung der Freier sein Haus durch Räucherung mit Schwefel reinigte, od. wie nach späterem Ceremoniell das Blut eines zu diesem Behuf geschlachteten jungen Schweines über die Hände des Mörders hingespritzt wurde; auch ganze Städte u. Heere mußten in solchen Fällen gereinigt werden, wie Athen nach der Ermordung des Kylon durch den Kreter Epimenides (s.u. Athen [Gesch.] S. 878); ein jährliches Reinigungsfest des Heeres waren in Macedonien die Xanthika im Monat Xanthikos. Bes. erhielten die R-n in den Mysterien eine ausgebreitete Anwendung; da sie sittliche Tendenz hatten, so verband man hier auch mit allen Ceremonien symbolische Bedeutungen. Bei der Aufnahme in die Mysterien wurden mit den Novizen drei R-en durch Wasser, Feuer u. Luft (Symbole der R. der Seele von jedem Flecken, welche dieselbe bei der Verbindung mit[15] dem Körper erhalten hatte) vorgenommen; bei der Wasserreinigung wurde sich mit Wasser gewaschen, od. mit Weihwasser besprengt; aus dem Wassergefäß wurde das Wasser (Meer- od. mit Salz vermischtes) mit einem Lorbeerzweig od. Feuerbrand genommen; statt dessen bediente man sich auch des Opferblutes. Bei den Bakchischen Weihen bediente man sich der Feuerreinigung; in den attischen Bakchosmysterien wurde bes. die Fackel gebraucht. Luftreinigung geschah, indem sich die in die Mysterien Aufzunehmenden an einem Strick hin- u. herschaukelten. Die Mystiker der historischen Zeit Griechenlands verfertigten sogar über die R-en besondere Bücher (Katharmoi), so gab es deren von Musäos, Orpheus, Empedokles, Epimenides, u. jetzt entstand auch eine besondere Art Menschen, welche Griechenland durchzogen u. ihre Dienste zu R-en anboten (Kathartä, Telestä, Jatromanteis), so Abaris, Aristeas u.A. Nach Solons Gesetz sollte ein Mörder von dem Oberpriester nach der gerichtlichen Lossprechung noch die R. erhalten. Jährlich wurden bestimmte Reinigungsopfer (Katharmata) für den Staat gebracht, wozu man Verbrecher aufbewahrte, welche ohnehin zum Tode bestimmt, bei dieser Gelegenheit hingerichtet wurden (Demosioi, Pharmakoi). Bei den Römern finden sich in den Bacchanalien die R-en wieder; bei Nacht liefen als Bacchantinnen gekleidete vornehme Frauen mit brennenden Fackeln zum Tibris, tauchten sie in das Wasser u. zogen sie brennend wieder hervor; so wurden Wasser- u. Feuerreinigungen verbunden. Über die R-en (Lustrationes) der Römer s.u. Lustration. Vgl. Lomeier, De veterum gentilium lustrationibus, Utr. 1701. 2) Monatliche R. der Weiber, so v.w. Menstruation; 3) R. der Kindbetterin, so v.w. Lochien, s.u. Kindbett a); 4) R. des Bluts, s. Blutreinigung.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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