- Urbino [1]
Urbino, 1) (U. e Pesaro), eine ehemalige, mit Pesaro verbundene Delegation des Kirchenstaates, seit 1861 einen Bezirk der Provinz der Marken des Königreichs Italien bildend; zwischen Forli, der Republik Marino, Ancona, Perugia u. dem Adriatischen Meere, 66.54 QM., im Westen gebirgig durch die Apenninen, welche erhabene Gebirgsgegenden mit nackten Felsenthälern bilden, im Osten mit den herrlichsten u. fruchtbarsten Landschaften, bewässert vom Metauro, Cesano, Foglia u.a.; bringt reichlich Wein, Öl, Maulbeerbäume, baut viel Getreide, Gemüse, Obst, Flachs, zieht viel Hausvieh (Rinder, Schafe, Schweine), Seidenwürmer; 257,700 Ew.; bildet die jetzige italienische Provinz Pesaro. 2) Hauptstadt hier, auf einem steilen Berge u. mitten im Gebirge in herrlicher Lage, mit Mauern umgeben; Sitz der Provinzialbehörden u. eines Erzbischofs, hat Kathedrale u. 10 andere Kirchen (darunter S. Francesco mit Gemälden u. Denkmälern der ersten Herzöge von U.), 16 Klöster, Regierungs- (sonst herzoglichen) Palast, Palast Albani mit Gemäldesammlung, Palast della Commune, Akademie, Collegium, Ritterschule; hatte sonst Universität; fertigt seidene, u. hänfene Waaren [280] Hüte etc., große Nadelfabrik; 13,000 Ew. U. ist der Geburtsort des Malers Raphael, dessen Geburtshaus noch hier steht. Vgl. Baldi, Mem. concernenti la citta d'U., Rom 1724; Der herzogliche Palast zu U. mit Zeichnungen von Arnold, Lpz. 1856.
U. ist eine Römerstadt, welche in Umbrien lag u. ursprünglich Urbinum Hortense, ihre Bewohner aber Urbinates Hortenses hießen, zu Cäsars Zeit war sie Municipalstadt der Tribus Stellatiä Die Gothen bemächtigten sich später derselben, Belisar aber brachte sie an das Römische Reich zurück; dann kam sie an die Longobarden, denen sie Pipin entriß u. dieselbe dem Römischen Stuhl geschenkt haben soll; indeß hatte Karl d. Gr. eigene Statthalter dort. Dann kam die Stadt unter die Herrschaft der Grafen von Montefeltro. Von ihnen war Guido, zugleich Herr von Pisa, ein eifriger Ghibelline, welcher 1275 auf der Brücke San Procolo, später bei Faenza u. Ravenna die Guelfen schlug. Als er 1296 in den geistlichen Stand trat, folgte ihm sein Sohn Friedrich I., welcher nach dem Siege über die Guelfen bei Ravenna 1309 vom Papste in den Bann gethan wurde u. 1322 starb. U. kam nun wieder an den Papst, u. dieser gab sie 1345 dem Gelasio di Montefeltro als Kirchenlehn. Später wurde das Haus Ubaldini ihr Herr; Antonio führte mehre Kriege gegen die Malatesti u. st. 1404; sein Sohn Guido Antonio (st. 1443), Herr von U. u. Gubbio, nahm Friedrich II. von Montefeltro als seinen Sohn an, aber später heirathete er wieder u. bekam aus dieser Ehe einen Sohn Otto Antonio, welcher ihm folgte, aber wegen seines Despotismus getödtet wurde. Nun wurde obgedachter Friedrich II. von Montefeltro als Herr von U. ausgerufen; er baute seit 1444 das Schloß zu U., um daselbst eine Kunstsammlung anzulegen u. berühmte Gelehrte gastfreundschaftlich aufzunehmen, u. wurde von Papst Sixtus IV. 1482 zum Herzog von U. unter päpstlicher Lehnsbarkeit ernannt. Friedrich kaufte Fossombrone u. st. 1482. Sein Sohn Guido Ubaldo wurde zum Capitano della Sa. Chiesa ernannt. Cesare Borgia (s.d. 6) vertrieb ihn 1502 aus U., als dieser aber 1503 stürzte, kehrte Guido Ubaldo zurück. Er hielt einen glänzenden Hofstaat, umgeben von gelehrten u. geistreichen Persönlichkeiten. Da er kinderlos war, adoptirte er den Sohn seiner Schwester u. Nepoten des Papstes Julius II., Franz Maria della Rovere, Herrn von Sinigaglia. Dieser, ein ausgezeichneter Feldherr, folgte ihm 1508 u. wurde auch Capitano della Sa. Chiesa Er besaß außer U. noch Pesaro, Montefeltro u. Sinigaglia. Leo X. vertrieb ihn aber 1516 aus seinen sämmtlichen Besitzungen u. setzte seinen Nepoten Lorenzo dei Medici in denselben ein. Aber nach dem Tode Leo's X. gab Hadrian VI. 1522 das Herzogthum an Franz Maria zurück. Dieser st. 1538 u. sein u. der Eleonore von Gonzaga, Prinzessin von Mantua, Sohn, Guido Ubaldo II. folgte ihm. Dieser st. 1571 in Pesaro, u. Franz Maria II., sein u. der Victoria Farnese, Prinzessin von Parma, Sohn, war sein Nachfolger. Er trat das Herzogthum an seinen Sohn Ubaldo Antonio ab, welcher aber bald starb, u. Franz Maria mußte die Regierung wieder selbst übernehmen. Da er weiter keinen Sohn hatte, so setzte er den Papst als Erben des Herzogthums U. ein u. als er 1631 starb, trat der Papst Urban VIII. in das als eröffnetes Lehn betrachtete Erbe ein. Das Land bestand damals aus sieben Städten (U., Pesaro, Sinigaglia, Osimo, Montefeltro, Cingoli, Gubbio) u. fast 300 Landstädten u. Dörfern mit einem reinen Einkommen von 100,000 Scudi. Da sich der Großherzog Ferdinand II. von Florenz, als der Schwiegersohn des Herzogs Franz Maria, für den Erben U-s ansah, so bekriegte er mit Venedig, Parma u. Modena verbunden den Papst, allein schon 1644 kam es zum Frieden, worin der Großherzog Ferdinand dem Papst die Erbschaft überließ, u. U. blieb nun unter päpstlicher Herrschaft, wurde aber 1860 dem Königreich Sardinien annectirt u. gehört seit 1861 zum neugebildeten Königreich Italien. Zu U. gehörten außer obigen noch die Grafschaft Citta di Castello, die Herrschaft Gubbio u. die Republik S. Marino. Vgl. Cimarelli, Storia dello stato d'Urbino, Urb. 1642; Ugolini, Storia de'Conti e Duchi d'Urbino, Flor. 1859, 2 Bde.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.