- Valenciennes [1]
Valenciennes (spr. Walangsiänn), 1) Arrondissement im französischen Departement Nord, 150,800 Ew.; 2) Hauptstadt darin u. Festung zweiten Ranges, am Einfluß der Yonelle in die hier mehrarmige u. schiffbare Schelde u. an der französischen Nordbahn (Hauptlinie Paris-Brüssel); die Werke bestehen aus 11 Bastions, wovon die eine, bes. große, als Citadelle abgeschnitten ist. Vor 6 Curtinen liegen Ravelins, vor 2 Bastions u. 1 Curtine Hornwerke, vor der Citadelle 1 Kronenwerk mit Ravelins u. mehren Lünetten zur Seite. Einige Bastions haben Contregarden vor sich, andere Lünetten zur Seite; Redouten halten als vorliegende Werke mehre wichtige Punkte fest; Sitz der Commandanturbehörden, Handelsgericht, mehre Kirchen (Franciscuskirche mit Denkmälern hennegauischer Grafen), Rathhaus mit künstlichem Uhrwerk, Börse, Gesellschaft der Wissenschaften, Künste u. Industrie, Akademie der Malerei u. Bildhauerei, Gymnasium, öffentliche Bibliothek, Naturaliencabinet, Gemäldegallerie, mehre Schulen (auch für Mathematik u. Zeichnen), Fabriken in Battist u. Linon, Leinwand, Spitzen (Dentelles de V., bes. berühmt, doch hat ihre Fabrikation hier in neuerer Zeit sehr abgenommen), Zucker, Stärke, Chemikalien, Leder, Tabak, Branntwein u.a., Handel, Bleichen; 24,000 Ew. Dabei große Steinkohlengruben. – Zur Römerzeit war in der Nähe des jetzigen V. das Fanum Martis u. hieß zur Zeit der fränkischen Herrschaft Valentianä, später Valentiana u. wurde zu dem Pagus Fanomartensis, des Bezirks von Famars, gerechnet. Die Könige der Franken hatten zu V. ein Palatium, wohin Chlodowig III. einen Reichstag berief. Unter Lothar kommt ein Graf Guarnerius (Werner) von V. vor, welcher ein Anhänger Ottos d. Gr. war u. vom Erzbischof von Köln Hennegau erhielt, doch fiel Hennegau an Rainer, den eigentlichen Besitzer, zurück u. Werner verkaufte die Grafschaft V. 973 an denselben, von welchem beides sein Sohn Rainer II. erbte. Diesem folgte Arnold, welcher 1002 von Balduin IV. dem Bärtigen, Grafen von Flandern, verjagt wurde (s. Flandern S. 331). Dieser belehnte, nachdem er 1006 vergebens in V. belagert worden war, Rainer III. mit V. Durch den Grafen Hermann, welcher die Gräfin Richilde von Hennegau heirathete, kam V. an Hennegau u. machte bis zur Abtretung an Flandern einen Theil von Hennegau aus. Außer dem Grafen war noch ein Castellan in V., dieser verkaufte 1060 seine Castellanei u. andere Güter, so Bouchain, den größten Theil von Ostrevand etc. an Hennegau. Die Stadt V. stieg seit dem 11. Jahrh. an Größe u. Reichthum, wozu bes. ihre Lage an der Schelde viel beitrug, sie war auch immer Residenz der Grafen von Flandern, wie denn Balduin, Graf von Flandern u. Kaiser von Constantinopel, seine Erbinnen Johanna u. Margaretha, Johann von Avesnes, der Kaiser Heinrich VII., Graf von Luxemburg, hier geboren wurden. V. war von jeher stark befestigt. 1656 wurde der Platz von Franzosen unter Turenne u. la Ferté belagert, aber von Don Juan von Österreich u. dem Prinzen von Condé entsetzt u. der Marschall la Ferté hierbei gefangen. 1677 belagerte Ludwig XIV. in Person die Stadt mit 60,000 M. u. erhielt sie durch Capitulation. Im Frieden von Nymwegen wurde V. von Spanien an Frankreich abgetreten, worauf Vauban die alten Befestigungen verstärkte. 1793 wurde V. von Österreichern, Engländern u. Hannoveranern unter dem Prinzen von Koburg belagert u. eingenommen (s. Französischer Revolutionskrieg S. 637). 1794 mußte es die österreichische Besatzung wieder räumen. Am 30. Juni 1815 wurde V. von dem Prinzen [339] Friedrich der Niederlande eingeschlossen u. am 1. u. 2. Juli beschossen, worauf die Stadt in Brand gerieth; aber der französische General Graf Rey capitulirte erst am 12. August an die Niederländer. Im April 1843 stürzte der alte Rathhausthurm ein u. begrub mehre Personen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.