- Zinngießer
Zinngießer, Handwerker, welche allerlei Geräthe, wie Schüsseln, Teller, Lampen, Leuchter, Kannen, Näpfe, Dosen, Becken, Löffel etc. aus Zinn, theils durch Guß, theils auf der Drehbank verfertigen; sie müssen auch einige Fertigkeit im Graviren besitzen u. sich ihre Gießformen machen. Die zünftigen Z. bilden ein geschenktes Handwerk; die Lehrburschen lernen 7–8 Jahre, wenn sie kein Lehrgeld geben, sonst nur vier. Der Meisterssohn wandert drei, der gewöhnliche Gesell vier Jahre. Als Meisterstück macht er die hölzerne Patrone zum Guß der messingenen Form zu einer Terrine od. einer Schüssel, welche er beim Gelbgießer gießen lassen kann, aber eine darin gegossene Schüssel u. Terrine vorzeigen muß; ferner muß er eine sechseckige Flasche aus Zinnblech zusammensetzen u. löthen. A) Der Guß. Die Zinnwaaren bestehen selten aus reinem Zinn, gewöhnlich wird das Zinn mit Blei versetzt; wo man möglichst scharfe Güsse haben will, durch den Bleigehalt der Gesundheit keine Gefahr droht u. die Waaren möglichst billig werden sollen, nimmt man einen größern Bleizusatz. Geschirre, in welche eine Flüssigkeit kommen soll, gießt man aus einer Mischung von mindestens 2–3 Thln. Zinn u. 1 Thl. Blei; Gußmodelle, zu vergoldende Verzierungen für hölzerne Rahmen, Spielzeug, wie Soldatenfiguren u. dgl., aus 1 Thl. Blei u. 1 Thl. Zinn; Orgelpfeifen aus zehnlöthigem Zinn (d.h. aus 10 Thln. Zinn u. 4 Thln. Blei) od. aus zwölflöthigem Zinn (d.h. 12 Thln. Zinn u. 4 Thln. Blei), wobei man durch die Löthigkeit angibt, wie viel Theile Zinn entweder in 14 od. in 16 Loth der Legirung enthalten ist. In Frankreich darf zu Geräthen für Speisen u. Getränke das Zinn nicht unter 82 Procent halten (d.h. 82 Zinn, 18 Blei; specifisches Gewicht 7,765). In Österreich enthält das Probezinn 10 Thle. Zinn auf 1 Thl. Blei, in Hannover 6 Thle. Zinn auf 1 Thl. Blei (Probe zum Sechsten) od. 10 Thle. Zinn auf 1 Thl. Blei (Probe zum Zehnten, Kronzinn). Wegen des Bleizusatzes ist das legirte Zinn specifisch schwerer als das reine, auch schmilzt es leichter als das reine, wenn das Blei weniger als das doppelte vom Zinn beträgt; durch den Bleizusatz verliert das Zinn seine schöne weiße Farbe, läuft an der Luft an u. wird weicher. Der Z. kauft viel altes Zinn zum Einschmelzen auf u. gießt es, um seinen Gehalt kennen zu lernen, in Probirsteinen aus. Von zwei Schiefersteinen von gleicher Größe hat der eine eine napfförmige Vertiefung, welche gegen den Rand des Steins in eine Gießrinne endigt, an welche eine kleine Nebenrinne angesetzt ist, die zum Abführen der Luft beim Gießen dient. Der andere Stein ist glatt u. bedeckt den erstern genau. Beide erwärmt der Z., schraubt sie in eine kleine Presse u. gießt darin seine Probemaße. Nr. 1 besteht aus 1 Thl. Zinn u. 1 Thl. Blei, Nr. 2 aus 2 Thln. Zinn u. 1 Thl. Blei, u. so bis zu Nr. 10. Das erste Verhältniß nennt man auch zweipfündig, Nr. 10 also elfpfündig. Vierstämpeliges Zinn enthält 32 Thle. Zinn auf 1 Thl. Blei, dreistämpeliges 5 Thle. Zinn auf 1 Thl. Blei; das zweistämpelige ist dem zweipfündigen gleich. Nach den Probemaßen stellt der Z. die Zinnprobe an. Er schmelzt nämlich das gekaufte Zinn u. gießt es in einen Probirstein; dann legt er den gegossenen Zinnklumpen in die eine u. eins von den Probirmaßen in die andere Schale einer Wage. Ist das Gewicht beider gleich, so gibt der Stempel des Probirmaßes die Güte des Zinns. Wiegt er schwerer, so ist es schlechter, weil Blei schwerer ist als Zinn. Ein anderes Hülfsmittel bietet die Zinnwage (s.d.). Auch aus dem Aussehen des geschmolzenen u. im Augenblicke seines Erstarrens auf eine Fläche ausgegossenen Zinns kann man dessen Zinngehalt erkennen; denn reines Zinn zeigt eine weiße glänzende Oberfläche, 1 Thl. Zinn mit 1/4 Thl. Blei eine dichte nadelförmige Krystallisation, 1 Thl. Zinn mit 1/2 Thl. Blei große runde glänzende Flecken, 1 Thl. Zinn mit 1 Thl. Blei viele, aber kleine Flecken, 1 Thl. Zinn mit 2–21/2 Thln. Blei einen matten, mit kleinen glänzenden Punkten besäten Grund, 1 Thl. Zinn mit 3 Thln. Blei eine ganz matte fast silberweiße Fläche mit Spuren von feinen glänzenden Punkten. Zum Gießen des Zinns benutzt man bei Gegenständen, von denen man ein Modell besitzt u. wenn nur ein einziger Abguß gemacht werden soll, Sandformen aus feinem u. gut bindenden, gesiebten, mit Kienruß vermengten u. angenäßten Formsand, welche man ähnlich wie in der Messinggießerei nach Modellen aus Holz, od. Zinn u. Blei, od. Messing in hölzernen, eisernen od. messingenen, länglich viereckigen Rahmen (Flaschen, Gießflaschen, Formflaschen) herstellt; statt der Sandformen benutzt man bei Gegenständen, deren Guß mehrmals wiederholt werden soll, bleibende Formen, u. zwar von Messing, Gußeisen u. Stahl, Sandstein, Serpentin, blauem Schiefer, Gyps, u. bei kleinern Gegenständen von Blei, Zinn, Holz u. Papier, welche aber leicht schmelzen u. verbrennen u. in denen man daher nicht zu heiß gießen darf. Die Formen aus Metall u. Stein müssen vor dem Gießen erwärmt werden, erstere damit sie das eingegossene Zinn nicht zu schnell abkühlen[640] u. erstarren machen, letztere damit sie beim Eingießen nicht springen. Damit das Zinn nicht an den Formwänden hängen bleibe, gibt man den metallenen Formen durch Anräuchern (Anrauchen) mit Kienholz od. über einer Lampenflamme einen Überzug von Ruß, od. einen Anstrich mit Wasser, worin Bolus, Thon od. Eisenocher zerrührt ist, u. läßt diesen trocken werden; od. einen Anstrich mit einer Mischung aus Kienruß, Eiweiß u. Essig; Sandsteinformen überzieht man mit, in Wasser angerührter Kreide. In der Regel gießt man nur sehr einfache Gegenstände als Ganzes; viele, bes. hohle Stücke (so Terrinen u. andere Hohlgeschirre) gießt man in mehren Theilen, welche man hernach zusammenlöthet. Die meisten Zinngießerformen bestehen aus mehren Theilen; wo sich die Formtheile berühren, muß ein Schloß angebracht werden, d.h. einige Stifte, Zapfen, ein erhabener Rand u. dgl. an dem einen u. eine entsprechende Vertiefung am andern Theile, damit das Zusammenpassen gesichert sei. Die äußern, den Kern umgebenden Theile an den Formen für hohle Gegenstände nennt der Z. Hobel. Der Einguß wird so gelegt, daß das Zinn möglichst schnell nach allen Theilen der Formhöhlung gelangen kann. Zum Schmelzen des Zinns hat man einen Schmelzkessel od. Pfanne, woraus man das Zinn mit einem eisernen Löffel in die Formen schöpft. Während des Schmelzens macht man beim Kaltguß den Kern u. den Hobel der Form so heiß, daß man dieselbe nicht mehr berühren kann, schraubt dann beide in eine Presse fest auf einander u. gießt nun das geschmolzene Zinn durch den Schluß (das Gießloch) hinein; nach dem Erkalten nimmt man die gegossene Waare heraus. Beim Heißguß gießt man das Zinn fast glühend in die metallenen Formen u. kühlt nun diese durch nasse Lappen von außen ab; man erhält so schärfere, härtere u. klingende Güsse. Man gießt Platten, Löffel, Ringe in zweitheiligen Messingformen; Figuren, wie Soldaten, Kanonen, Bäume, Thierfiguren, in zweitheiligen Formen aus Messing od. Schiefer; Schalen, Teller, Krugdeckel in zweitheiligen Sandstein-, Henkel mit angegossenem Scharnier, Becher, Näpfe, Kleiderknöpfe etc. in mehrtheiligen Metallformen; Gegenstände mit bauchiger Höhlung, welche im Innern nicht glatt zu sein brauchen, gießt man durch Stürzen, d.h. man macht eine Form, wie für einen massiven Gegenstand, gießt dieselbe voll Zinn, wartet eine Zeit lang, bis das Zinn an den Formwänden auf eine gewisse Dicke erstarrt ist, u. gießt nun das noch flüssige Zinn durch Umkehren der Form aus. Sehr große Stücke, z.B. einen Zinnkessel für eine Färberei, gießt der Z., wie der Glockengießer die Glocken, in der Erde; den Kern macht er von Lehm u. Steinen, den Hobel (die Dicke) von Lehm u. die Kappe (den Mantel) aus Lehm, welcher mit Haaren vermischt ist. Zu dünnen Zinnplatten wendet man auch zuweilen Blechersteine, zwei vierkantige Steine, an; zwischen diese Steine werden zwei Bogen Pappe u. zwischen diese an drei Seiten hölzerne Stäbchen von der Stärke der gewünschten Zinntafel gelegt, das Ganze in eine Presse gespannt u. auf der noch offenen Seite das Zinn hineingegossen. Die gegossenen Zinnwaaren sehen matt aus u. erhalten nur Glanz bei stark legirtem Zinn u. bei 1 Thl. Zinn u. 1 Thl. Blei in recht glatten Formen gegossen. Schon wegen der Gußnähte müssen daher diese Waaren B) abgedreht od. beschabt werden. Die Angüsse, Gußhälse, Gußzapfen od. Gießköpfe werden mit der Kneipzange abgenommen od. abgesägt, od. mittelst einer stark erhitzten Schere abgeschnitten, od. mehr abgeschmolzen. a) Das Abdrehen der runden Sachen erfolgt auf dem Drehrade (Drehlade); es besteht aus einem 5 Fuß breiten Schnurrade auf einem hölzernen Gerüste; vor diesem steht eine 31/2 Fuß lang- u. 1 Fuß breite Bank, auf welcher die mit einem Schnurenwirtel versehene Spindel in den Spindeldocken aufgelagert ist; auf eine vierkantige Stelle der Spindel wird eine messingene Walze (das Auge) aufgesteckt, in dieser der Stock (Futter, Patrone) u. in einer Vertiefung desselben der abzudrehende Teller od. die Schüssel u. dgl. befestigt; der Spindel gegenüber ist eine bewegliche Docke, welche oben ein Loch hat, durch welches ein Stab gegen den abzudrehenden Gegenstand gestemmt u. in seiner Lage durch eine Schraube festgehalten wird; dieses Holz heißt Anhalter. Die Dreheisen des Z-s sind sehr mannigfach von Gestalt u. Größe. Das Drehen der Teller, Schüsseln etc. beginnt mit dem Ausranden od. Bärteln (Börteln), wobei das Arbeitsstück zwischen dem Bärteldorn in der Spindeldocke u. dem in ein Loch der beweglichen Docke gesteckten Bärtelstock befestigt u. mit dem Hakeisen ein Rand gedreht wird; dann wird das Stück auf der Außen- u. Innenseite abgedreht, wobei das angestemmte Dreheisen in immer engern u. parallelen Kreisen bis zum Mittelpunkte der Zinnwaare geführt wird. Zuletzt wird das Zinn mit Wasser benetzt u. während des Drehens mit Seife u. dem Polirstahle polirt. Beim Abdrehen ist das abzudrehende Stück so an der Drehlade zu befestigen, daß es genau rund läuft, damit theils das Gefäß überall gleiche Wanddicke erhält, theils Verzierungen u. Reisen genau im Kreise um den Mittelpunkt laufen. Die langen Zinnspäne, welche beim Drehen abfallen, heißen Abdraht. b) Arbeiten, welche man wegen ihrer Gestalt nicht abdrehen kann, werden nach dem Gusse beschabt. Dies geschieht Anfangs mit gröbern, später mit feinern Raspeln u. Schabeisen; den Beschluß macht man mit Polirsteinen, runden, ovalen, flachen etc. Feuersteinen, welche man in einer Hülse eines hölzernen Stiels befestigt u. auch zum Poliren auf der Drehlade braucht, od. mit Polirstählen. Die Waaren, woran Henkel, Ringe, Gewinde etc. anzugießen od. anzulöthen sind, z.B. Lampen, Theekannen etc., nennt der Z. Feuerarbeit. Eine wichtige Arbeit beim Z. ist nämlich C) das Löthen (s.d.) mittelst des Löthkolbens od. Löthrohres; als Loth dient das aus 3 Thln. Wismuth, 2 Thln. Blei u. 4 Thln. Zinn bestehende Schnellloth, für Gegenstände aus reinem Zinn dagegen aus bloßem Zinn. Sonst löthet man auch wohl mit Wismuth, indem man das vorher zu kleinen, breiten Stangen gegossene Wismuth entzweischneidet u. auf die Fugen streut, wobei man die beiden Theile durch die kupfernen Löthkolben erhitzt, so daß das Wismuth in Fluß gerathen u. die Verbindung bewerkstelligen muß. Das Löthen mit dem Löthrohr vor der Lampe, wobei die Löthfuge vorher mit dem Lothe bestreut wird, nennt der Z. Anblasen od. Zusammenblasen. Nicht selten wird das Zusammenblasen selbst ohne Loth ausgeführt, indem der Z. blos die Löthflamme durch das Löthrohr auf die neben einander liegenden Ränder der zu löthenden Stücke bläst, bis diese zusammenschmelzen. Um einzelne Theile, z.B. einen Henkel, anzugießen, verfährt man folgendermaßen: der Ort, wo der Henkel[641] hinkommen soll, wird inwendig etwas dick mit Lehm bestrichen, dann setzt man außen die Henkelform auf, umsetzt dieselbe da, wo sie aufsitzt, ringsum mit Thon u. gießt das flüssige Zinn in die Form ein. Solche angegossene (aufgebreitete) Theile werden nachher noch geglättet (versäubert). Das Rauhe, welches beim Zusammenlöthen zinnerner Gefäße an den Löthstellen entsteht, muß noch abgedreht (ausgerissen) werden. Außerdem muß der Z. D) noch mehre andere Manipulationen verstehen, so das Einreiben, d.h. ein zinnernes Gewinde durch Aneinanderreiben passend zu machen; der eine Theil des Gewinnes wird dabei in den Schraubstock gespannt u. der andere in den Einreiber gesteckt; dies ist ein vierkantiges Stück Zinn mit einem hölzernen Griffe u. einem viereckigen Loche in der Grundfläche; das Auszinnen od. das Verzinnen eines Gefäßes im Innern; das Glattmachen des verbuckelten Zinngeschirrs mit dem Plattkolben od. Beulenhammer, einer eisernen, an beiden Seiten mit einem größern u. kleinern Zinkklumpen überzogenen Stange, etc. Zum Stempeln des Zinns bedient sich der Z. eines Amboßes, so wie er auch außer den genannten Werkzeugen noch Zirkel mancherlei Art hat, als Dickzirkel mit vier Schenkeln, Bauchzirkel zu bauchigen Formen etc., ferner Zangen, Bohrer, Feilen, Schraubstöcke. Vgl. Hartmann, Handbuch der Metallgießer, 3. Aufl. Weim. 1858; Thon, Die Löthkunst, 2. Aufl. ebd. 1858.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.