Mentschĭkow

Mentschĭkow

Mentschĭkow, 1) Alexander Danielowitsch, Fürst von M., Herzog von Ingermanland, geb. den 17. (28.) Nov. 1672 in der Gegend von Moskau, aus niederem Stande, trug als Knabe zu Moskau Pasteten zum Verkauf durch die Straßen. Als er einst bei diesem Geschäft sich witzig mit Gardisten der Schloßwache neckte, so nahm ihn der Czar Peter, der ihn dabei beobachtet hatte u. dem sein munteres u. resolutes Wesen gefiel, als Page an u. ließ ihn gut erziehen. Nach And. soll er Bedienter bei einem russischen Großen gewesen u. durch Lefort dem Czar empfohlen worden sein. Bald faßte der Czar eine solche Neigung zu M., daß er denselben in seinem Schlafzimmer schlafen ließ. Fürst Amilka, der an der Spitze einer Verschwörung der Strelitzen gegen Peter stand, glaubte sich M-s am besten zu dessen Verderben bedienen zu können u. versprach ihm die Hand seiner Tochter, wenn er an der Verschwörung gegen den Czar Theil nähme, aber M. zeigte die Verschwörung dem Czar an, u. die Verschworenen wurden mit Amilka hingerichtet. Als Lefort, des Czars Günstling, welchen M. auf der großen Gesandtschaft 1697 begleitete, 1699 starb, trat M. an seine Stelle u. ward Erzieher des Cäsarewitsch Alexius. Im Nordischen Kriege that sich M. sehr hervor, zuerst 1702 vor Schlüsselburg, von welchem Platz er nach der Einnahme Gouverneur wurde. Bei der Eroberung Marienburgs 1702 fiel ihm auch die nachmalige Kaiserin Katharina (s.d. 11) in die Hände, von welcher M. vornehmlich in der Gunst des Czars gehalten wurde. M. stieg schnell zu den höchsten Würden, wurde 1702 von dem Kaiser Leopold I. zum Grafen, 1706 zum deutschen Reichsfürsten u. 1707 von Peter dem Großen zum russischen Fürsten erhoben. Bei Pultawa (1709) hatte er wesentlichen Antheil am Siege u. wurde auf dem Schlachtfelde zum Feldmarschall ernannt, focht dann vor Riga 1710, nahm nach dem Tode des Herzogs von Kurland dies Herzogthum für den Czar in Besitz u. führte 1714 den Dänen ein russisches Corps gegen die Schweden nach Holstein zu Hülfe. Wegen Bestechlichkeit 1714 vor Gerichtgezogen, kam er noch mit einer Geldstrafe davon; 1719 aber von Neuem vorgeladen, ward er arretirt u. mit Verlust seiner sämmtlichen Würden u. Güter bestraft; doch begnadigte ihn Peter u. ernannte ihn zum Admiral u. zum Commandeur der Truppen in der Ukraine. Eine dritte Untersuchung 1723 brachte gleiches Urtheil, doch begnadigte ihn der Czar nochmals, zog jedoch einen Theil der ihm geschenkten Güter ein u. zeigte ihm weniger Vertrauen als früher. Nach Peters Tode 1725 verschaffte M. durch Intriguen u. Gewaltschritte Katharinen den Thron u. erhielt hierdurch das höchste Ansehen, u. die Kaiserin bestimmte selbst, daß er nach ihrem Tode (1727) Reichsverweser u. Vormund Peters II. werden sollte. Aber seine vielen Feinde, bes. der Graf Osterman u. die Dolgorukis, wußten dem jungen Peter, welchen M. in völliger Abhängigkeit hielt u. welchem er sogar seine Tochter zur Gemahlin bestimmt hatte, Mißtrauen u. Widerwillen gegen ihn einzuflößen. Als Peter II., ohne M-s Wissen, im Sept. 1727 Peterhof verlassen hatte, folgte ihm M. zwar, wurde aber von den Wachen nicht in den kaiserlichen Palast gelassen, sondern verhaftet u. den folgenden Tag nach Renneburg, einem seiner Güter, verwiesen. Mit fürstlichem Pomp reiste er ab, reizte aber dadurch seine Feinde noch mehr u. wurde mit seiner Familie nach Beresow in Sibirien geschickt. Man beschuldigte ihn des Hochverraths, der Theilnahme an dem Tode des Prinzen Alexius, Absichten auf die Krone, machte ihm den Plan, seine Tochter an Peter II. zu verheirathen, zum Verbrechen, legte ihm Bestechungen zur Last etc. Sein ganzes Vermögen wurde confiscirt. In seinem Verbannungsort arbeitete er an einer kleinen hölzernen Kirche eigenhändig als Zimmermann u. st. den 22. Oct. (2. Nov.) 1729. Seine Gemahlin (die Tochter Amilka's, welche nach der Hinrichtung ihres Vaters in ein Kloster gebracht, dann aber wieder entlassen u. mit M. vermählt wurde) u. seine älteste Tochter waren vorher gestorben, seine beiden übrigen Kinder wurden 1730 von der Kaiserin Anna aus der Verbannung zurückgerufen; von diesen heirathete Alexandra den General Grafen Gustav Biron (Bruder des Herzogs von Kurland) u. st. 1736 in Petersburg. 2) Fürst Alexander Alexandrowitsch M., Sohn des Vor., geb. 1713, trat als Officier in die russische Garde, focht in den türkischen u. schwedischen Feldzügen mit Auszeichnung u. st. als General en chef den 27. Nov. (8. Dec.) 1764. 3) Fürst Alexander Sergejewitsch M., Enkel des Vor., geb. 1789, trat 1805 in die russische Armee ein, wurde noch in d.J. für kurze Zeit der russischen Gesandtschaft in Wien attachirt u. dann vom Kaiser Alexander zum Flügeladjutanten ernannt, nahm als solcher an dem Kriege von 1812–15 Antheil u. war beim Schlusse des Friedens schon zum General aufgerückt. Da er den Kaiser zum Eingreifen in den Griechischen Freiheitskampf vergebens zu bewegen suchte, trat er in Folge dessen mit Capodistria, Stroganow u.a. Gesinnungsgenossen 1825 aus dem Dienst. Die Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus führte ihn jedoch schon nach wenigen Monaten wieder an den Hof zurück. Er wurde als außerordentlicher Botschafter nach Persien gesendet, um dieses Reich gegen die Türkei zu gewinnen, nahm dann an dem Kriege gegen Persien T heil[140] u. erhielt bei Ausbruch des Krieges von 1828 gegen die Türkei ein Commando über eine Heeresabtheilung von 24,000 M., mit welcher er Anapa eroberte u. Varna belagerte, wurde aber durch eine schwere Verwundung zur Abtretung des Befehls an Woronzow genöthigt. Nach seiner Wiedergenesung trat er zum Seedienst über, wurde Viceadmiral u. Chef des Generalstabes der Marine u. trug wesentlich zu dem raschen Aufblühen der russischen Flotte bei. Von 1831 an fungirte er als Generalstatthalter von Finnland, wurde 1834 zum Admiral erhoben, übernahm 1836 das Marineministerium, trat dann aber wieder in seine Statthalterei von Finnland zurück u. beschäftigte sich daneben mit der Organisation der Ostseeflotte u. Herstellung u. Verstärkung der großen Seefestungen im Finnischen Meerbusen. Im März 1853 wurde er vom Kaiser Nikolaus als außerordentlicher Botschafter u. Überbringer der Forderungen nach Constantinopel gesendet, aus welcher der Russisch-türkische Krieg (s.d.) entstand. Nachdem er am 22. Mai Constantinopel verlassen hatte, ging er zunächst nach Petersburg, von da aber sofort nach der Krim, wo er die Thätigkeit der Flotte des Schwarzen Meeres leitete u. den Befehl über die Streitkräfte zu Lande übernahm. Nach der Landung der Alliirten bei Eupatoria lieferte er denselben im September 1854 die Schlacht an der Alma, versah dann Sebastopol mit einer verstärkten Besatzung u. traf Anstalten, die Vertheidigungsfähigkeit dieses Platzes zu erhöhen, lieferte dann die unglückliche Schlacht bei Inkerman, bewies im Laufe des Winters von 1854–1855 große Umsicht u. Thätigkeit in der Vertheidigung der Festung, erkrankte aber im Februar in Sebastopol, daher er Anfang März von dem Commando abtrat. 20. Dec. 1855 wurde er zum Gouverneur von Kronstadt ernannt, im April 1856 aber von dieser Stelle abberufen u. gehört seitdem zu den Mitgliedern des Reichsraths, welche keinem besonderen Departement zugetheilt sind.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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