Türkisches Reich [2]

Türkisches Reich [2]

Türkisches Reich (Gesch.). Das jetzt schlechtweg Türken, eigentlich Osmanen genannte Volk ist blos ein Zweig des großen Volksstammes der Türken (s.d.). Diese kommen bereits bei Plinius u. Mela als Turcä vor u. wohnten damals in Sarmatien in den Wäldern an der Wolga (Rha), wo sie sich blos von der Jagd nährten; noch der Geographus Nubiensis läßt die Wolga, ehe sie sich gegen Osten wendet, durch das Land der Tork gehen. Neuere Gelehrte haben auch in den Iyrkä des Herodot die Türken wiederfinden, od. vielmehr Iyrkä in Tyrkä ändern wollen. Nach der Sage sollen die Türken von Japhets Sohne Turk abstammen. In vorgeschichtlicher Zeit trennten sich von ihren Stammgenossen, welche als Uiguren im Osten blieben, die Oghusen u. zogen gegen Westen, wo sie sich in mehre Stämme theilten u. mehre Ländereien besetzten. Der bedeutendste u. mächtigste Stamm war der der Seldschuken (s.d.), welche außer in Iran auch noch in Kerman, Haleb, Damask u. Rum Dynastien errichtet hatten, welche aber sämmtlich bis Anfang des 14. Jahrh. gestürzt wurden. An der Stelle der Seldschuken traten nun als Repräsentanten der Westtürken in Vorderasien die Osmanen auf.

Unter dem seldschukischen Sultan Dschelal Eddin von Khowaresm, welcher mit den Seinen längst Muhammedaner u. Gegner Dschingis Khans war, lebte der Emir Solyman Schah, welcher sich, als sein Vaterland von den Mongolen überwältigt wurde, 1224 mit seinem Stamme nach Westen wendete. Als er nach Dschingis Khans Tode heimkehrte, ertrank er 1231 im Euphrat, worauf sein Stamm sich zerstreute. Von seinen vier Söhnen kehrten zwei nach Khorassan zurück; die beiden andern, Dündar u. Ertoghrul, fanden mit 400 Familien Aufnahme im Gebiet Ala Eddins, des Seldschukensultans von Rum, wo ihnen Sitze an der westlichen Grenze des Gebiets von Angora angewiesen wurden. Ertoghrul (st. 1288) focht für Ala Eddin siegreich gegen die Mongolen u. Byzantiner, worauf ihm Ala Eddin beim ehemaligen Doryläon in Phrygien einen District (Sultan oni) als erbliches Lehn gab, welcher der Stammsitz der osmanischen Macht in Kleinasien wurde. Ertoghruls ältester Sohn, Osman, nach welchem sein Stamm den Namen Osmanen erhielt, erfocht 1288 bei Lemnos einen Sieg über die Byzantiner, eroberte Karahissar von denselben u. machte sich von dem Sultan von Rum unabhängig, so wie beim Zerfall dieses Reiches zu Anfang des 14. Jahrh. die andern osmanischen Lehnsfürsten desselben. Osmans Reich war die Landschaft um den Olympus; er vertheilte die Güter an seine Krieger, nahm seinen Sitz in Jenischehr, ermordete seinen Oheim Dündar, setzte seine Kriege gegen Byzanz bis 1307 fort u. eroberte 1308 die Insel Chios. Zwar wendete sich der byzantinische Kaiser Andronikos an den Mongolenkhan Gehasan um Hülfe, aber dennoch nahm Osman alle griechischen Schlösser bis zum Schwarzen Meere. Während dessen wurde die Südgrenze seines Reiches durch einen Einfall der Tataren bedroht, aber sein Sohn Orkhan schlug sie 1317. 1326 st. Osman; sein Nachfolger Orkhan eroberte 1326 Brusa, wo er seine Residenz nahm, ernannte seinen Bruder Ala Eddin zum Vezier, eroberte 1327 Semendria. Aïdos u. Nikomedien, führte seit 1328 die von Ala Eddin entworfene, bis auf die neueste Zeit beibehaltene Staatsverfassung ein, organisirte 1329 das Heer (Janitscharen, Spahis u. Zaims) u. nahm den Titel Sultan an; er schlug 1330 den Kaiser Andronikos bei Philokrene u. eroberte nach langer Belagerung Nikäa. Er gründete darin mehre Moscheen u. Unterrichtsanstalten u. setzte dort seinen ältesten Sohn Solyman zum Statthalter ein, welcher 1333 die nördliche Küste von Kleinasien mit Kios nach dreijähriger Belagerung eroberte. Bis dahin hatten die zehn Türkenstämme Kleinasiens in Frieden unter einander gelebt, von jetzt an aber verschonte Orkhan auch die Stammgenossen nicht mehr. Die zwei Söhne des Fürsten von Karasi (dem alten Mysien) stritten damals um die Herrschaft. Der jüngere erkaufte den Beistand Orkhaus durch Abtretung mehrer Städte, wurde aber von dem älteren ermordet, u. nun eroberte Orkhan 1335 Pergamos u. verjagte den Usurpator. Er schloß 1333 auch den ersten Frieden mit den Byzantinern u. erneuerte denselben 1341, da eine Landung der Türken in Europa 1337 von den Griechen zurückgeschlagen worden war. Unter dem Kaiser Johannes Kantakuzenos fand eine genaue Verbindung zwischen Byzantinern u. Türken statt, u. diese stauben den Ersteren gegen die Serbier u. Bulgaren bei; u. um dieses Bündniß noch mehr zu befestigen, vermählte Kantakuzenos 1346 eine seiner Töchter mit Orkhan. Orkhan verband sich 1353 mit den Genuesern gegen die Venetianer. Als Johannes Kantakuzenos mit seinem Mitkaiser Johannes Paläologos um die Alleinherrschaft stritt, verlangten Beide den Beistand Orkhaus, dessen Sohn Solyman dies benutzte, um 1356 im europäischen Griechenland festen Fuß zu fassen. Gerade damals hatte Orkhan dem Kantakuzenos 10,000 Reiter gesendet, welche sich 1357 in Kallipolis festsetzten, u. die Unterhandlungen Kantakuzenos', um diese Stadt wieder zu erhalten, blieben erfolglos. 1358 st. Solyman, der erste Osmanenfürst, welcher in Europa begraben wurde, u. 1360 auch Orkhan. Murad I Gehasi, Orkhaus jüngerer Sohn, folgte ihm; nachdem er den Fürsten von Kerman gezwungen hatte ihm Ankyra abzutreten, ging er nach Europa über u. eroberte mehre Schlösser u. Städte, unter ihnen 1362 auch Demotika, Adrianopel u. Philippopel, so wie das ganze Land bis zum Hämus. Nun schloß er Frieden mit dem byzantinischen Kaiser, da sich die Fürsten von Ungarn, Serbien, Bosnien u. der Walachei gegen ihn verbündet hatten. Die Verbündeten waren 1363 bis Marizza, zwei Tagemärschen von Adrianopel, vorgedrungen; wurde aber von dem türkischen Feldherrn Hadschi il Beki überfallen u. geschlagen. Damals kam die Thogra (s.d.) in Gebrauch. Nachdem Murad I. seine Residenz von Demotika 1365 nach Adrianopel verlegt hatte, ließ er die Eroberungen in Thracien fortsetzen u. bis Mösien u. Bulgarien ausdehnen. Murad[19] selbst eroberte 1372 Apollonia u. andere Küstenstädte, u. nachdem er noch zwei Feldzüge gegen den Despoten Lazarus von Serbien u. gegen den Bulgarenkönig Sisman gethan u. auch den Waffen-Platz Nissa erobert hatte, schloß er 1375 Frieden mit Serbien u. Bulgarien; beide Fürsten wurden tributpflichtige Lehnsleute von ihm. Durch die Vermählung seines Sohnes Bajazet mit der Prinzessin von Kerman erwarb dieser den größten Theil von Kerman. Darauf kaufte er dem Fürsten von Hamid den Landstrich zwischen Kerman u. der türkischen Grenze ab u. eroberte 1382 durch seinen Feldherrn die Städte am Rhodopegebirg u. Axios, sowie Sophia jenseit des Hämus. Während Murad I. 1384 einen Aufruhr in Asien unterdrückte, zettelten seine u. des Kaisers Johann Söhne, Andronikos u. Sardschi, eine Verschwörung gegen ihre Väter an. Murad I. kehrte deshalb nach Europa zurück u. Sardschi floh nach Demotika; Murad I. erstürmte diese Stadt 1385 u. ließ den Empörer hinrichten. In Folge eines Angriffs des byzantinischen Prinzen Manuel nahm der Vezier Ghair Eddin 1386 Salonichi ein. 1387 von dem Sultan Ala Eddin von Kerman, seinem Eidam, angegriffen, setzte Murad nach Asien über, schlug Ala Eddin in der Ebene von Ikonion u. ernannte seinen Feldherrn Timurtasch zum Pascha von drei Roßschweifen (eine neue Würde), zugleich befahl er, daß die in dieser Schlacht beobachtete Schlachtordnung für alle nachfolgenden Gefechte als Gesetz gelten sollte. Als 1387 die Bulgaren u. Serbier die Türken in Bosnien besiegt hatten, schickte Murad den neuen Großvezier Ali Pascha mit einem Heer nach Europa, welcher die Bulgarei eroberte, die zum T-n R. geschlagen wurde. Mit dem König Lazarus von Serbien traf Murad 1389 bei Kossowa auf dem Amselfeld zusammen; die Schlacht wurde gewonnen, aber der Sultan selbst blieb, von einem Serbier, Milosch Kobilowich, erstochen. Durch diesen Sieg endigten die Türken die Selbständigkeit der slawischen Donauländer u. unterwarfen sich dieselben.

Murads I. Sohn Bajazet I. (Bajasid) Ildirim (d.i. Blitzstrahl) folgte. Er gab dem Sohn des Königs Lazarus von Serbien, Stephan, einen Theil seines Landes gegen Tributzahlung u. Stellung von Hülfstruppen zurück, dann half er dem byzantinischen Prinzen Andronikos 1390 seinen Vater, den Kaiser Johann, entthronen, bald aber leistete er diesem wieder Beistand, wofür der Kaiser ihm einen jährlichen Tribut zahlen u. 12,000 M. Hülfstruppen stellen mußte, mit denen der Sultan Philadelphia, die letzte Stadt der Byzantiner in Asien, eroberte. Hierauf verheerte Bajazet I. Chios, Euböa, Attika u. nach dem Tode des Kaisers Johann Paläologus 1391 das byzantinische Gebiet bis Constantinopel u. belagerte diese Stadt von 1391 an sieben Jahre lang. Während dessen streifte ein anderes türkisches Heer in der Walachei, Bosnien u. Ungarn u. zwang den Fürsten der Walachei zur Unterwerfung. König Sigismund von Ungarn ging den Türken 1392 bis in die Bulgarei entgegen, siegte zwar Anfangs, wurde aber bald zum Rückzug gezwungen. Unterdessen drang in Asien der Fürst von Kerman bis Angora u. Brusa vor u. nahm durch einen Überfall Timurtasch gefangen. Bajazet aber schlug den Fürsten u. vereinigte Kerman mit dem T-n R. Darauf unterwarf er auch die noch übrigen Turkomanengebiete, auch Amasia. Im Sommer 1396 belagerte König Sigismund von Ungarn mit 60,000 M. Nikopolis; aber der Sultan schlug ihn am 28. September 1396 vor dieser Stadt u. streifte bis Steyermark. Darauf eroberte Timurtasch alles Land vom Halys bis zum Euphrat, Bajazet selbst aber drang in Thessalien ein, besetzte die wichtigsten Städte u. übertrug dann die Überwältigung des Peloponnes seinen Feldherren, welche die Bewohner als Sklaven nach Asien verpflanzten, dagegen das Land mit Turkomanen u. Bulgaren neu besetzten. Auch Athen, damals die Hauptstadt eines Herzogthums, fiel 1397 in die Hände der Türken. Unterdessen war Timur, der Mongolenkhan in Dschagatai, gegen Bajazet, welcher die Gebiete Siwas u. Ersentschan, dessen Fürst Timurs Lehnsmann war, überwältigt u. Timurs Gesandte, welche eine Rückgabe der Eroberungen verlangten, gemißhandelt hatte, bis zum Euphrat vorgedrungen u. eroberte 1400 Siwas (Sebaste) wieder. Bajazet hob die Belagerung von Constantinopel eiligst auf u. rückte Timur, welcher bereits Aleppo, Balbek, Damask u. Bagdad überwältigt u. im Spätjahr 1401 Winterquartiere bezogen hatte, entgegen. Erst am 20. Juli 1402 trafen Bajazet I. u. Timur bei Ankyra zur Völkerschlacht zusammen. Timurs Heer war dem Heere Bajazets an Zahl weit überlegen, u. da während der Schlacht auch noch die Asiaten in Bajazets Heere zu Timur übergingen, so wurden die Türken, trotz der Tapferkeit u. bessern Disciplin der europäischen Truppen, geschlagen u. Bajazet gefangen. Von seinen fünf Söhnen retteten sich drei, Solyman, Muhammed u. Musa; Isa gerieth mit dem Vater in Gefangenschaft u. der zwölfjährige Mustapha verscholl. Timur behandelte den gefangenen Sultan mit Achtung u. ließ ihn erst, als er zu fliehen versuchte, in einer vergitterten Rohrsänfte von Lager zu Lagertragen (daraus entstand die Sage von dem eisernen Käfig, in welchem er verwahrt worden sein soll). Bajazet I. st. 1403 in der Gefangenschaft, Timur aber kehrte nach Samarkand zurück, nachdem er Bajazets Reich so unter dessen drei Söhne vertheilt hatte, daß Solyman I., der älteste, die europäischen Länder mit der Residenz Adrianopel, Musa u. Muhammed die asiatischen Länder erhielten u. jener in Brusa, dieser zu Amasia residirte. Da Muhammed seine Macht in Asien ausdehnte, so daß er seinem Bruder Solyman gefährlich werden zu können schien, ging dieser mit seinem Großvezier Ali Pascha nach Asien u. eroberte Brusa, Ankyra u. vieles Gebiet. Muhammed vertheidigte sich u. unterstützte seinen Bruder Musa, welcher nach Europa überging u. sich Adrianopels bemächtigte. Nun kehrte Solyman I. nach Europa zurück u. gewann 1406 durch den Sieg bei Constantinopel wieder die Oberhand, drang bis über die Donau u. fiel 1408 in Kram u. nochmals in Bosnien ein. 1408 verhandelte auch Venedig den Frieden u. zahlte jährlich 1600 Ducaten Tribut für die Abtretung der Stadt Patras u. den Fortbesitz des albanischen Gebietes. Musa suchte fortwährend den Sultan zu stürzen; 1410 gelang es ihm denselben im Bade zu überfallen; Solyman entfloh u. wurde auf der Flucht ermordet. Musa, nun Herrscher des Osmanenreichs in Europa, überfiel die Serbier, eroberte dann Thessalonich u. forderte von dem byzantinischen Kaiser Tribut, belagerte, als er denselben nicht erhielt, 1410 Constantinopel u. schlug seinen zum Entsatze herbeieilenden Bruder Muhammed[20] zweimal. Dieser kehrte aber 1413 zum dritten Male wieder u. siegte mit den Serbiern verbündet in der Ebene von Tschamurti. Da Musa auf der Flucht umgekommen war, so vereinigte Muhammed I. wieder das ganze Osmanische Reich. Er gab dem byzantinischen Kaiser die Schlösser u. Festungen in Thessalien u. an der Propontis zurück, schloß dann mit den Venetianern einen Vertrag u. ging nach Asien über, wo er bis 1415 den Empörer Dschuneid unterwarf, Smyrna eroberte u. das empörte Kerman zum Gehorsam brachte. Seine gegen den Herzog von Naxos gerüstete Flotte gerieth aus Mißverstand mit der venetianischen in Streit u. wurde am 29. Mai 1416 bei Kallipolis völlig geschlagen, jedoch der Friede mit Venedig nicht unterbrochen. Darauf ließ Muhammed Einfälle in Bosnien u. Steyermark machen, doch wurden die Türken bei der Belagerung von Radkersburg 1419 zweimal von den Deutschen u. am 14. October 1419 vom König Sigismund zwischen Nissa u. Nikopolis geschlagen. Während dieser Vorgänge war in Asien ein Betrüger aufgestanden, welcher sich für den vermißten Mustapha, jüngsten Sohn des Sultans Bajazet I. (s. oben), ausgab u. eine neue Religionslehre verkündigte, welche viele Anhänger fand. Er wurde jedoch geschlagen u. floh nach Thessalonich zu Manuel. Muhammed I. st. 1421; seine Veziere verheimlichten seinen Tod 40 Tage lang, bis sein Sohn Murad II. aus Asien ankam u. die Herrschaft übernahm. Jetzt erschien von Thessalonich ein anderer falscher Mustapha (deren standen nach u. nach gegen 30 auf), welcher von dem Empörer Dschuneid berathen, den Thron in Anspruch u. Adrianopel in Besitz nahm. Während seine Anhänger ein Heer Murads II. bei Adrianopel besiegten, rüstete Dschuneid in Asien ein zweites Heer aus u. schloß mit Genua einen Vertrag wegen der Überfahrt nach Europa. Indeß Mustapha wollte den Sultan in Asien angreifen, erlitt jedoch bei Ulabad eine Niederlage u. mußte, von seinen Anhängern u. von Dschuneid verlassen, nach Europa fliehen, wo er in die Hände Murads II. fiel, welcher ihn hängen ließ u. seinen Sitz in Adrianopel nahm. Nun bewilligte dieser den Genuesen große Handelsvorrechte u. belagerte im Juni 1422 Constantinopel von Neuem, um den byzantinischen Kaiser zu bestrafen, mußte aber im August die Belagerung ausheben, da auf Betrieb des Kaisers in Kleinasien ein neuer falscher Mustapha aufgestanden war. Der Empörer wurde aber schnell überwunden u. hingerichtet. Während Murad 1423 den Fürsten von Sinope, Isfendiar, bekriegte, unterwarfen seine Feldherren den Peloponnes u. Albanien. Darauf schloß er 1424 Frieden mit dem Kaiser, einen zweijährigen Waffenstillstand mit Ungarn u. erneuerte mit den übrigen Bundes- u. Vasallenfürsten die Verträge. 1425 erregte Dschuneid in Asien abermals einen Aufruhr u. nahm Smyrna u. Ephesus in Besitz, ward aber endlich überwältigt u. mit seiner Familie hingerichtet. Sein Aufstand hatte auch einen Krieg mit Kerman zur Folge, welcher erst 1428 geendigt wurde. Darauf brach wieder der Krieg mit Serbien, welches tributbar gemacht wurde, u. mit Ungarn aus, welches König Sigismund nach der Niederlage bei Kolumbacz an den Sultan abtreten mußte; 1430 eroberte Murad Salonichi von den Venetianern u. ließ die Bevölkerung theils niederhauen, theils gefangen fortführen. Die Venetianer eroberten u. schleiften dagegen ein Dardanellenschloß u. erneuerten darauf den Frieden. Nun wollte Murad den Despoten von Serbien züchtigen, welcher sich zweideutig bewiesen hatte, doch versöhnte ihn dieser durch Geschenke u. gab ihm seine Tochter in die Ehe. 1438 überfielen die Türken Siebenbürgen, eroberten nach langer Belagerung Semendria u. schlugen ein ungarisches Heer, welches zum Entsatze heranrückte. Bis dahin waren die Türken immer gegen Ungarn siegreich gewesen; doch von 1440 an trat ihnen Johann Hunyades entgegen u. gewann am 18. März 1442 die Schlacht bei Hermannstadt, in welcher 20,000 Türken blieben, u. eine zweite bei Vasag. 1443 eröffnete Hunyades mit Unterstützung deutscher Kreuzfahrer den sogen. Langen Feldzug, in welchem er binnen fünf Monaten fünf Hauptschlachten gewann u. mehre türkische Feldherren gefangen nahm. Die letzte Hauptschlacht bei Jalowacz erfolgte am 24. December 1443; die Pässe des Hämus wurden erstürmt, die wichtigsten Plätze der Bulgarei erobert u. da Murad II. eben in einem dritten Kriege mit Kerman u. in Bekämpfung der Epiroten unter Skanderbeg seine Streitkräfte erschöpft hatte, schloß er 13. Juni 1444 mit Ungarn u. dessen Bundesgenossen auf 10 Jahre den Frieden zu Szegedin; er gab Serbien u. die Herzegowina an Georg Brankowitsch zurück, trat die Oberherrschaft über die Walachei an Ungarn ab, legte, durch diese Unfälle geärgert, die Regierung nieder ernannte seinen noch minderjährigen Sohn Muhammed II., unter Aufsicht der Veziere, zum Sultan. König Wladislaw von Ungarn brach aber, das Osmanische Reich für wehrlos haltend, den beschwornen Frieden u. überfiel die Türken. Auf die Nachricht hiervon ging Murad II. selbst mit 40,000 Mann über den Bosporus u. schlug die Ungarn am 10. Nov. 1444 bei Varna gänzlich, legte die Regierung zum zweiten Mal nieder u. begab sich nach Magnesia. Doch schon 1445 nöthigte ihn ein Aufruhr der Janitscharen die Regierung wieder zu übernehmen, welche er nun bis an seinen Tod in Händen behielt. Zunächst wendete er sich gegen Griechenland, eroberte 1446 mehre Städte u. gewährte dem Kaiser Johann VII. den Frieden gegen einen erhöhten Tribut. Von der gänzlichen Unterwerfung des Byzantinischen Reiches wurde er durch die Ungarn abgehalten, welche Johann Hunyades mit 24,000 Mann abschickten, um die Niederlage bei Varna zu rächen. Murad II. zog ihm mit 150,000 Mann entgegen u. schlug ihn am 17. Oct. 1448 bei Kossowa, indem die Walachen zu den Türken übergingen. Ein gefährlicher Feind der Türken war Georg Castriota, genannt Skanderbeg, welcher seit 1443 in Epirus u. dem Peloponnes mit Glück gegen sie focht; er schlug 1443 das Heer des Ali Pascha bei Kroja, besiegte 1446 zwei andere türkische Heere u. 1448 den Pascha Mustapha, welchen er selbst gefangen nahm. 1449 u. 1450 entriß ihm zwar Murad II. mehre Festen, konnte aber Kroja nicht erobern u. kehrte nach Adrianopel zurück, wo er am 2. Febr. 1451 starb. Nun eilte sein Sohn Muhammed II aus Asien herbei, um den Thron in Besitz zu nehmen, ließ seinen Bruder Achmed umbringen u. bestätigte den Frieden mit allen europäischen Fürsten, um eine Empörung in Kerman zu unterdrücken; dann kehrte er nach Europa zurück u. rüstete sich zur Überwältigung des Byzantinischen Reiches. Der Kaiser Constantin XIII. suchte den Sultan durch Unterwürfigkeit zu besänftigen u. gestattete demselben sogar ein Schloß auf der europäischen[21] Seite des Bosporus zu erbauen, wodurch Muhammed Herr der Meerenge wurde. 1452 begannen die Feindseligkeiten der Türken gegen alle außerhalb Constantinopel wohnenden Griechen, welche ermordet od. gefangen fortgeführt wurden. Im April 1453 erschien Muhammed II. selbst mit 150,000 Mann vor Constantinopel u. schloß die Stadt von der Landseite ein, während 400 Schiffe die Belagerung von der Seeseite unterstützten. Von den christlichen Mächten schickten blos Venedig u. der Papst dem Kaiser 30 Galeeren zu Hülfe, welche aber von dem griechischen, durch fanatische Priester aufgereizten Pöbel fast feindselig empfangen wurden; auch der Genuese Giustiniani unterstützte den Kaiser mit 4000 Mann Söldnern, aber seine in Galeta wohnenden Landsleute standen mit den Türken in heimlicher Verbindung u. verriethen Giustinianis Anschlag die türkische Flotte zu verbrennen. Muhammed II. ließ, um in den innern Hafen zu kommen, 70 Schiffe zwei Stunden weit auf Walzen über Land um die Stadt ziehen u. der Versuch der Byzantiner diese zu vernichten mißlang. Als der Kaiser die Aufforderung zur Übergabe abgelehnt hatte, ließ der Sultan am 29. Mai die Stadt stürmen u. eroberte sie, s. Byzantinisches Reich S. 531.

Sultan Muhammed II. begann schon drei Tage nach der Einnahme die neue Einrichtung u. Bevölkerung Constantinopels. Er gestattete den Griechen die freie Ausübung ihres Gottesdienstes, gebot selbst die Einrichtung eines griechischen Patriarchen u. ertheilte den griechischen Einwohnern durch Schutzbriefe bürgerliche Rechte. Nun überfiel er Serbien, eroberte Ostrowitz, konnte aber Semendria nicht bezwingen u. kehrte, nachdem er das Land verwüstet hatte, heim. Da aber bald darauf sein Feldherr von den Serbiern u. Ungarn geschlagen worden war, so unternahm er 1455 einen zweiten Feldzug, auf welchem er Novaborda eroberte. Zugleich führte er einen Seekrieg gegen die Johanniter auf Rhodus u. gegen Lesbus, Chius u. Kos, ohne aber viel auszurichten. Im Juni 1456 belagerte er mit 150,000 Mann Belgrad u. sperrte, um den ungarischen Entsatz von der Wasserseite abzuwehren, mit 200 Schiffen die Donau. Um dem Vordringen der Türken Einhalt zu thun, hatte der Papst Calixtus III. einen Kreuzzug predigen lassen; eine zusammengelaufene Schaar unter Johann von Capistrano kam dahin, u. mit ihr sprengte Hunyades die türkische Flotte, führte Verstärkung nach Belgrad u. leitete deren Vertheidigung. Am 21. Juli erstürmte Muhammed II. die äußere Stadt, wurde aber aus deren Besitz gleich wieder verdrängt u. mußte mit dem Verlust alles Belagerungsgeschützes bis nach Sophia fliehen. 1458 unterjochte der Großvezier Serbien, während Muhammed selbst gegen Griechenland zog u. in zwei Feldzügen Athen, Kalamata u. Arkadia überwältigte. Dagegen gewann Skanderbeg drei große Schlachten gegen türkische Heere, u. Muhammed II. sah sich genöthigt selbst ihm einen ehrenvollen Frieden anzubieten, da er nach Asien ziehen mußte. Dort hatte schon längst das Kaiserthum Trapezunt (s.d.) die Ländergier der Türken gereizt, dessen Besitz ihnen zur ungestörten Behauptung Kleinasiens unentbehrlich war. Muhammed überfiel 1461 Amastra, die Hauptstadt der genuesischen Niederlassungen am Schwarzen Meer, darauf Sinope, welches er dem Turkomanenfürsten Ismael durch List entriß, u. erschien dann vor Trapezunt. Der Kaiser David übergab gegen freien Abzug mit seinen Schätzen die Stadt; dennoch ließ der Sultan ihn mit seiner Familie hinrichten. Von jetzt an nannte Muhammed II. sich Herrscher zweier Erdtheile. Gleich darauf 1462 zog er gegen Drakul, Fürsten der Walachei, welcher nicht nur den bedungenen Tribut verweigerte u. 20,000 Türken hatte umbringen lassen, sondern auch verheerend in die Bulgarei eingefallen war, u. besiegte ihn. 1463 überwältigte er Lesbus. Gleichzeitig mit dem bosnischen Kriege begann der Venetianische Krieg, welcher 16 Jahre lang zu Land u. Meer geführt wurde. Anfangs war der Vortheil auf der Seite der Türken, welche Korinth entsetzten u. dann Argos eroberten; bald darauf aber wurden die Türken von Skanderbeg, dem Verbündeten Venedigs, mehrmals geschlagen u. Muhammed II. griff vergebens Kroja an, bis Skanderbegs Tod 1467 ihn von diesem Feinde befreite. 1466 unterjochte der Sultan auch Kerman, fiel 1467 in Slawonien, Steuermark u. Kram ein u. drang bis Cilly vor, dagegen verlor er Ainos, Phokäa u. die Inseln Imbrus u. Lemnus an die Venetianer. Dies zu rächen zog er mit zwei Heeren u. 800 Schiffen gegen Negroponte; aber die venetianische Besatzung vertheidigte sich so tapfer, daß die Belagerer binnen 17 Tagen in fünf Stürmen 50,000 Mann verloren, ehe sie am 12. Juli 1470 die Stadt u. einige Tage darnach das Castell eroberten. 1468–72 wurde Muhammed II. durch den Karamanischen Krieg beschäftigt, denn unter Usum Hassan, Fürsten der Turkomanen vom weißen Hammel, war die ganze Bevölkerung gegen die Türken aufgestanden. Sein Sohn Mustapha erfocht zwar 1472 einen Sieg über die Empörer am Korailisee, dagegen wurde 1473 das türkische Hauptheer von Usum Hassan selbst am Euphrat geschlagen; aber bald darauf erlitt Usum Hassan bei Terdschan von dem Sultan selbst eine Niederlage. Mustapha, zum Statthalter von Kerman ernannt, führte den Krieg fort u. eroberte mehre Festungen, starb aber noch vor dem Ausgange des Krieges. Ihm folgte sein jüngerer Bruder Dschem (Zizim) als Statthalter, welcher 1475 Kerman völlig beruhigte. Um Syrmien festzuhalten, erbauten die Türken die Festung Schabacz, welches König Matthias vergeblich zu hindern suchte, u. von 1470–80 an thaten alljährlich türkische Reiterschren Streifzüge in Kroatien, Krain, Kärnten u. Steyermark, ohne daß der Kaiser Friedrich III. Vorkehrungen dagegen traf. Größere Unternehmungen der Türken waren 1474 die Belagerung von Skutari, welche erst nach einer Niederlage der türkischen Flotte durch die venetianische aufgehoben wurde; dann 1475 der Feldzug gegen die Moldau wegen verweigerten Tributs, wo aber das 100,000 Mann starke Heer der Türken in der Schlacht am See Rakowiz, 17. Januar 1475, von dem Fürsten Stephan völlig aufgerieben wurde. Muhammed II. rüstete sich indessen die Krim zu bekriegen; am 1. Juni 1475 erschien seine Flotte mit 40,000 Mann vor Kassa, dem Hauptstapelplatz der Genueser für ihren levantischen Handel, u. schon am dritten Tage ergab sich die Stadt. Gleich darauf fielen auch Asow u. andere Festen. Der levantische Handel der Genueser war hierdurch vernichtet u. der Khan der Krim mußte dem Sultan als Lehnsmann huldigen. Nun ließ Muhammed Akjerman einnehmen, dann brach er selbst in die Moldau ein u. besiegte am 26. Juli 1476 den Fürsten Stephan im Weißen Thale.[22] Die Moldau ging hierauf aus der polnischen Lehnsherrschaft in die türkische über. Nach fruchtlosen Friedensverhandlungen begannen die Feindseligkeiten gegen Venedig 1477 aufs Neue, u. Muhammed ließ Lepanto, Skutari u. Kroja belagern. Endlich erschien er selbst vor Skutari u. zwang diesen Platz zur Übergabe, worauf am 26. Jan. 1479 der Friede mit Venedig geschlossen wurde, Venedig erhielt alle Besitzungen in Albanien, Morea u. Dalmatien, außer Kroja u. Skutari, zurück, gab aber die eroberten Plätze heraus u. zahlte einen Theil der alten streitigen Schuld. Hierauf zog ein türkisches Heer nach Siebenbürgen u. verheerte das Land, es wurde jedoch am 13. Nov. 1479 in Brodfelde vom Grafen Kinisi von Temesvar gänzlich geschlagen u. 50,000 Türken blieben. Noch eroberte Muhammed II. Zante. Endlich unternahm er 1480 einen Feldzug gegen die Johanniterritter auf Rhodus u. landete im Frühjahr daselbst, mußte aber die Belagerung nach drei Monaten aufheben. Kurz darauf starb Muhammed II. am 3. 1481.

Ihm folgte sein Sohn Bajazet II. Gleich nach seiner Thronbesteigung mußte er gegen seinen jüngeren Bruder Dschem (Zizim), Statthalter von Kerman, zu Felde ziehen, welcher ihm in Kleinasien den Thron streitig machte. Bei Nikäa geschlagen, floh Dschem nach Ägypten u. dann nach Rhodus; endlich dem Papst Alexander VI. ausgeliefert ließ ihn dieser in Folge einer Übereinkunft mit Bajazet 1495 vergiften. Die Kriege seines Vaters in Italien u. gegen Ungarn setzte Bajazet ohne Energie fort. Der Sultan von Ägypten hatte stets die aufrührerischen Karamanier unterstützt u. jetzt, als ihn ein Turkomanenfürst um Hülfe bat, einen Theil von Kleinarmenien erobert. Anfangs waren die Ägyptier in drei Feldzügen u. drei großen Schlachten siegreich; 1490 kam durch Vermittelung des Fürsten von Tunis ein Friede zu Stande, in Folge dessen die Ägyptier im Besitz einiger eroberten Schiffer blieben. Darauf wollte Bajazet 1492 Belgrad durch Überrumpelung nehmen, wurde aber zurückgeschlagen. Von da wandte er sich nach Albanien u. ließ zugleich Steyermark, Kärnten, Siebenbürgen u. Kroatien verwüsten, aber bei Villach wurden die Räuber von einem christlichen Heerhaufen überfallen u. erschlagen. Dagegen gewann ein türkisches Heer im Sept. 1493 durch Verrath eine Schlacht gegen die Ungarn, doch rächte der Ungar Paul Kinisi diese Schmach durch einen Zug ins türkische Gebiet. Obgleich 1495 ein Waffenstillstand mit Ungarn auf drei Jahre zu Stande kam, fielen die Türken doch 1496 u. 1497 in Bosnien u. Dalmatien ein. 1490 u. 1493 hatte Bajazet Friedensverträge mit Polen geschlossen, welche aber 1497 der König Johann Albrecht von Polen brach, um die Moldau wieder zu erobern, weshalb die Türken 1498 zweimal in Polen einfielen. Gereizt durch den Papst u. die mit ihm alliirten Mächte Italiens, begann Bajazet II. 1499 den Krieg gegen Venedig, u. am 28. Juli erfocht seine Flotte den Sieg bei Sapienza u. eroberte am 26. Aug. Lepanto, u. ein türkisches Heer streifte nach Friaul u. Kärnten. Die Venetianer eroberten dagegen Kephalonia, die Türken aber Modon, Navarin u. Koron 1500. Nachdem die Venetianer 1502 Sta. Maura genommen hatten, wurde Friede geschlossen; Venedig behielt Kephalonia, gab aber Sta. Maura zurück. Die letzten Regierungsjahre Bajazets II. wurden durch die Empörungen u. Kriege seiner Söhne unter einander beunruhigt, welche sich den Thron sichern wollten. 1509 erhob sich der älteste, Korkud, welcher aber nach Ägypten fliehen mußte. Bajazet II. ernannte darauf seinen zweiten Sohn Achmed zum Thronfolger; dagegen lehnte sich aber der dritte Sohn Selim auf, welcher zwar 1311 eine Niederlage bei Adrianopel erlitt, aber in Asien gegen den Großvezier siegte, worauf die Janitscharen Selim nach Constantinopel beriefen, ihn für den rechtmäßigen Thronerben erklärten u. Bajazet II. 1512 zur Niederlegung der Regierung zwangen; er starb auf dem Wege nach seinem Verbannungsorte Demotika.

Selim I., der Henker, ließ sogleich die Söhne seiner Brüder ermorden. Darüber entspann sich ein Krieg mit seinen noch lebenden Brüdern, Korkud u. Achmed, welcher sich mit deren Besiegung u. Hinrichtung endigte. Murad, ein Sohn Achmeds, floh nach Persien zum Schah Ismael, u. deshalb brach ein Krieg mit diesem aus. Selim ließ eine Verfolgung der Schiiten in seinem Reiche anstellen u. 1514 an 40,000 derselben hinrichten, u. da der Schah in Persien mit den Sunniten das Gleiche that, so zog Setim gegen den Schah u. schlug denselben am 14. Aug. 1514 bei Dschaldern. Selim I. eroberte darauf Mesopotamien u. Amadia, traf eine neue Heereintheilung u. verminderte die Zahl der Janitscharen bis auf 12,000. Hierauf griff er Ägypten an, weil der dortige Sultan Kansu Gauri den aufrührerischen Ismael unterstützt hatte; durch den Sieg bei Aleppo am 24. August 1516 gewann er Aleppo, Palästina mit Jerusalem u. ganz Syrien u. verleibte dies Land dem T-n R. ein. Als Tumanbeg, der neue Sultan von Ägypten, die Anerkennung der türkischen Oberherrschaft verweigerte, rückte Selim in Ägypten ein, schlug 1517 Tumanbeg bei Ridania, zog in Kairo ein, fing endlich Tumanbeg, den er hinrichten ließ, verleibte Ägypten ebenfalls seinem Reiche ein, sowie er auch Mekka unterwarf; zugleich nahm er den Namen Khalif an, welchen die ägyptischen Sultane bis dahin geführt hatten. 1518 hatte Selim einen gefährlichen Aufruhr zu dämpfen, welchen ein Schwärmer Dschelali in Asien erregte; er starb, im Begriff einen neuen Zug gegen Persien zu unternehmen, am 22. Sept. 1520.

Ihm folgte sein einziger Sohn Solyman II der Große od. der Prächtige. Ein Aufruhr, welchen der ehemalige Großvezier von Ägypten, Ghasali, welcher sich zum Sultan von Ägypten aufgeworfen hatte, erregte, wurde durch die Schlacht bei Aleppo am 6. Febr. 1521 gedämpft u. darauf ein Krieg gegen Ungarn begonnen, wo Habacz, Semlin u. 25. Aug. 1521 Belgrad genommen wurden. Darauf griff Solyman Rhodus an; am 24. Juni 1522 landete der Großvezier Mustapha Kialu daselbst u. am 28. Juli erschien der Sultan mit 300 Segeln u. 100,000 M. Der Großmeister Villiers wehrte sich auf das Tapferste u. ergab sich erst am 24. Oct. Darauf beschäftigte den Sultan eine Empörung Achmed Paschas in Ägypten, welcher sich 1524 zum Sultan von Ägypten erklärte, u. ein Aufruhr der Janitscharen; beide wurden gestillt. Seit der Eroberung von Belgrad 1521 war Ungarn u. Kroatien den Türken stets offen gewesen; schon 1522 eroberten sie Ostrowicza u. Skardona, wurden aber bei Knim u. Krupa geschlagen; 1524 erlitten sie in Syrmien eine Niederlage u. mußten sich endlich von der Belagerung Jaiscas mit großem Verlust zurückziehen. Solyman II. erstürmte dagegen am 27. Juli Peterwardein u. schlug das ungarische Heer[23] am 29. Aug. 1526 bei Mohacz; in Folge dieses Sieges fielen Ofen (10. Sept.), Maroth u. andere Städte in türkische Hände. Im Jahr 1527 nahmen Empörungen der Fürsten von Kerman u. von Rum die Aufmerksamkeit u. Kräfte des Sultans in Anspruch; doch gelang es endlich dem Statthalter von Adana die Aufrührer zu bezwingen. Als 1529 Joh. Zapolya, Fürst von Siebenbürgen, u. König Ferdinand sich um die Krone Ungarns stritten, zog Solyman Ersterem unter der Bedingung, daß Ungarn der Pforte lehnbar würde, zu Hülfe nach Ungarn. Ofen, welches 1527 wieder in die Hände Ferdinands gefallen war, wurde am 3. Sept. erobert u. Joh. Zapolya als Lehnkönig von Ungarn eingesetzt. Dann brach Solyman gegen Österreich auf u. begann am 27. Sept. die Belagerung von Wien. Das türkische Heer zählte über 120,000 M. u. führte 20,000 Kameele, 800 Donauschiffe u. 400 Stück schweres Geschütz bei sich, Wien aber wurde nur von 16,000 M. unter dem Pfalzgrafen Philipp, Grafen Nikolas von Salm u. Freiherrn von Roggendorf vertheidigt. Als am 10. bis 12. u. am 14. Oct. von der Besatzung mehre Stürme auf zwei durch Minen geöffnete Breschen u. ein Generalsturm abgeschlagen worden waren, hob Solyman II. die Belagerung auf u. trat am 15. Oct. mit seinem um die Hälfte geschmolzenen Heere den Rückzug an. Trotz dieses Unfalles wies Solyman II. Ferdinands erneuerte Friedensanträge zurück, da er den König Joh. Zapolya nicht aufgeben wollte u. von Frankreich gegen Österreich aufgereizt wurde; er unternahm vielmehr 1532 einen neuen Feldzug gegen Ferdinand. Unterwegs wurden viele feste Schlösser erobert, aber Günz wehrte sich unter Nikolaus Jurischitz mit 700 M. drei Wochen lang tapfer, u. dadurch gewann Kaiser Karl V. u. Ferdinand Zeit Verstärkungen an sich zu ziehen u. die erneuete Belagerung von Wien, den Hauptzweck des Feldzugs, zu vereiteln. Nur Steyermark wurde ausgeplündert, Kasimbeg aber, Befehlshaber der leichten Reiterei, hierbei mit 16,000 M. aufgerieben. Der Sultan trat nun den Rückzug nach Ungarn an. Während dessen war Koron am 19. Sept. 1532 von dem kaiserlichen Admiral, Andreas Doria, erobert worden, welcher auch die Küste von Sikyon u. Korinth verwüstete. In dem am 23. Juni 1533 geschlossenen Frieden behielt König Ferdinand nur den von den Türken noch nicht eroberten Theil von Ungarn. Der längst beschlossene Feldzug gegen Persien wurde nun unternommen; der Schutz, welchen der Schah Thamasp einem abgefallenen türkischen Statthalter gewährte, gab den Vorwand dazu. Schon im Juli 1534 eroberte der Großvezier die Hauptstadt Tebris; Solyman II. selbst besetzte Bagdad u. nahm daselbst Winterquartiere, lehrte aber Anfang 1536 nach Constantinopel zurück. Hier schloß er ein Freundschaftsbündniß mit Frankreich u. ließ dann den Großvezier Ibrahim, welcher seit 14 Jahren alle Staatsgeschäfte geleitet hatte, hinrichten, weil derselbe dem Sultan vorbehaltene Herrscherrechte sich angemaßt hatte. Schon am 8. Aug. 1533 war Koron von den Türken unter Haireddin Barbarossa wieder erobert worden, welcher deshalb zum Großadmiral erhoben wurde. Derselbe nahm 1534 Tunis u., von da mit Hülfe des Kaisers Karl V. vertrieben, dafür Algier ein. Das freundschaftliche Verhältnis welches 35 Jahre hindurch mit Venedig bestanden hatte, wurde jetzt unterbrochen, indem der Sultan auf Haireddins Antrieb 1537 eine Landung auf Korfu unternehmen ließ. Dieses Unternehmen mißlang jedoch u. nur die kleine Insel Paxo wurde erobert. Dagegen machte ein türkisches Landheer in Dalmatien beträchtliche Fortschritte u. ein anderes fiel ungeachtet des bestehenden Friedens in Ungarn ein u. erfocht am 1. Nov. 1537 einen Sieg über die Österreicher. Darauf eroberte Haireddin 14 Inseln der Venetianer im Archipelagus, die Belagerung von Napoli di Romania hob er nach anderthalb Jahren auf, gewann aber am 28. Sept. 1538 die Seeschlacht bei Prevesa über die vereinigte Flotte des Papstes, Spaniens u. Venedigs. Nachdem der Krieg mit Venedig drei Jahre mit abwechselndem Glück geführt worden war, wurde im Juli 1539 Friede geschlossen; Venedig trat Napoli di Malvasia in Morea, einen Strich der dalmatischen Küste u. die Inseln des Archipelagus ab. Der Tod des Königs Johann Zapolya von Ungarn veranlaßte einen neuen Krieg mit Österreich, denn Ferdinand beanspruchte Nieder-Ungarn, welches Solyman II. für den Sohn des Verstorbenen vertheidigen wollte. Ferdinands Truppen rückten in Ungarn ein u. belagerten Ofen, eroberten Pesth, Waizen, Wissegrad u. Stuhlweißenburg, wurden aber vor Ofen vom Pascha von Semendria geschlagen u. verloren Pesth wieder. Zapolyas Wittwe, Isabella, sandte den Tribut von 30,000 Ducaten an Solyman II., welcher dafür ihren Sohn als König von Ungarn bestätigte u. zu einem Feldzuge gegen Österreich rüstete, aber, bei Ofen 1541 angelangt, solche Maßregeln traf, daß man deutlich sah, er wolle Ungarn seinem Reiche einverleiben. Ferdinand hatte unterdessen deutsche Hülfstruppen erhalten, drang in Ungarn vor u. schlug 1543 die Türken bei Sallas. 1544 wurde ein Waffenstillstand geschlossen u. nach mehrmaliger Verlängerung am 19. Juni 1547 in einen Frieden auf fünf Jahre verwandelt, nach welchem der Sultan alles in Ungarn Eroberte behielt u. von Österreich für das Übrige einen jährlichen Tribut von 30,000 Ducaten bekam. Nun that Solyman einen neuen Feldzug gegen Persien, um Elkas Mirsan, den Bruder des Schah Thamasp, in seinen Ansprüchen auf einen Theil von Persien zu unterstützen; er eroberte Tebris u. später auch Wan, u. während er selbst nach Constantinopel zurückkehrte, gewann sein Heer noch Georgien. Um zu verhindern, daß Siebenbürgen an Österreich kam, machte Solyman 1552 wieder einen Feldzug nach Ungarn; Veszprim u. Temesvar wurden gewonnen, wodurch das Banat an die Türkei kam. Dagegen wurde Erlau von den Türken lange vergeblich belagert. Der Persische Krieg war unterdessen mit geringem Erfolg fortgesetzt worden; daher ging Solyman II. im Spätsommer 1553 selbst dahin, drang über Erzerum nach Kars vor u. unterwarf die Landschaften Nachtschiwan, Eriwan u. Karabagh, worauf am 29 Mai 1555 der Friede zu Amasia zu Stande kam, in welchem Georgien, Wan u. Mosul an die Türken abgetreten wurden. Solyman II. gestattete daheim der ränkevollen Sultanin Roxolane zu vielen Einfluß; auf ihre Verdächtigung ließ er seinen ältern Sohn von einer andern Mutter, Mustapha, Statthalter von Kerman, 1553 in Aleppo hinrichten; auf ihren Rath wurden die Großen des Reichs ab- u. eingesetzt, u. alle waren blinde Werkzeuge ihres Willens. Sie st. 1558 u. 1559 brach der Bruderkrieg ihrer Söhne aus. Selim, der Thronfolger,[24] hatte sich den Lüsten ergeben; daher der jüngere Sohn Bajazet bei Volk u. Heer in größerem Ansehen stand; da aber ein kraftvoller Herrscher dem Großvezier Rustan nicht angenehm schien, so entzweite er beide Brüder, um den jüngeren zu verderben. Als Bajazet, von ihm verleitet, sich erhob, unterstützte er Selim mit einer großen Streitmacht; Bajazet wurde bei Konieh am 29. Mai 1559 geschlagen u. floh mit seinen vier Söhnen zum Schah nach Persien, welcher sie aufnahm u. ihnen Anfangs Schutz gewährte, nachher aber sie dem Sultan auslieferte, welcher sie 1561 erwürgen ließ. Unterdessen waren in Ungarn von beiden Seiten Städte genommen u. verloren worden; doch hatte Österreich im Ganzen mehr verloren; endlich kam 1562 ein Friede zu Stande; die Festung Tata blieb in den Händen der Türken, Österreich entsagte allen Ansprüchen auf Siebenbürgen u. verstand sich zu der früheren Abgabe von 30,000 Ducaten. Da jedoch dieser Friede von Solyman II. nicht unterzeichnet war, so fuhren die türkischen u. österreichischen Statthalter in Ungarn fort einander zu bekriegen. Nach Haireddin Barbarossas Tod 1546 erhielt Piali, ein Kroat, den Oberbefehl über die Flotte im Mittelmeer, welcher durch seine kühnen Unternehmungen die Küsten in Schrecken setzte. Auch machte sich Dragut, welcher Tripolis eroberte, die spanischen, sicilianischen u. neapolitanischen Küsten verheerte u. die christlichen Flotten schlug, sehr gefürchtet. Als der Vicekönig von Neapel, von allen Seemächten Italiens unterstützt, Dscherbe eroberte u. Tripolis belagerte, gewannen Piali u. Dragut am 14. Mai 1560 einen Sieg über die christliche Flotte u. eroberten Dscherbe zurück. Da die Johanniter auf Malta noch immer gefährliche Feinde der Türken waren u. Malta öfter zum Vereinigungspunkt der christlichen Seemächte diente, so beschloß Solyman II. ihre völlige Vertreibung aus dem Mittelmeere, u. im Mai 1565 erschien Piali mit 130 Segeln vor Malta, landete u. begann den Angriff des Forts St. Elmo, welches am 23. Juni genommen wurde; dagegen mußten die Türken die Belagerung des Schlosses St. Michael nach vielmaligem vergeblichen Stürmen am 11. Sept. aufheben, da die spanische Flotte zum Entsatz erschien. Um diese Scharte auszuwetzen, begab sich Solyman II. 1566 persönlich zu dem gegen Ungarn bestimmten Heere, wo die Feindseligkeiten immer fortgedauert u. die Ungarn 1565 Tokai erobert hatten. Am 4. Aug. langte er vor Szigeth an, welches von Zriny vertheidigt wurde; nach vierzehntägiger Belagerung wurde die Stadt genommen u. Zriny in das Schloß gedrängt; zwei Stürme schlug er hier ab, als aber eine große Bresche geöffnet war, machte er mit 600 M. einen Ausfall auf den Feind; zugleich flog auf seine Veranstaltung der Pulverthurm auf, von dessen Trümmern 3000 Feinde erschlagen wurden. Am 6. Sept. 1566 war Solyman II. im Lager gestorben, der Großvezier Sokolli verheimlichte aber seinen Tod dem Heere, bis der Thronfolger in seinem Lager angekommen war.

Selim II. war friedliebend u. unthätig, aber der Ruhm seines Vaters u. die kluge Leitung des Großveziers Sokolli sicherten die Macht des Reiches. Er schloß 1568 Friede mit Österreich, wobei die Türken eine kleine Grenzerweiterung erhielten, im Übrigen blieb alles wie vor dem Kriege. Die in Basra u. in dem von Ägypten aus eroberten Yemen ausgebrochenen Empörungen hatten diesen Friedensschluß u. die Erneuerung der Verträge mit den übrigen europäischen Mächten, so wie 1569 mit Persien nöthig gemacht. Doch entstand jetzt Krieg mit Rußland; denn auf des Statthalters von Kaffa Betrieb wurde 1569 Astrachan belagert, aber die Russen schlugen das Belagerungsheer zurück. Die Stillung des Aufruhrs in Arabien wurde 1570 durch Sinan-Pascha vollbracht. 1570 u. 1571 erfolgte die Eroberung Cyperns, s.d. (Gesch.). Unterdessen führten die türkischen Flotten den Krieg auch gegen die übrigen venetianischen Besitzungen fort. Candia u. Cerigo, Zante u. Cefalonia u. mehre Städte an der Küste wurden genommen. Da die Bitten der Venetianer um Frieden vom Sultan zurückgewiesen wurden, schlossen diese mit dem König von Spanien u. dem Papste ein Bündniß gegen die Türken; die Flotten dieser Mächte sammelten sich im Hafen von Messina unter Don Juan d'Austria u. segelten, 207 Galeeren, 30 Schiffe u. 6 schwimmende Batterien stark, mit 1815 Kanonen u. 28,000 Soldaten, auf die Höhe von Lepanto, wo in der Bucht die türkische Flotte, 222 Galeeren u. 60 andere Schiffe mit 750 Kanonen u. 34,000 Soldaten lag. Am 7. Oct. 1571 kam es zur Schlacht u. die Christen erkämpften einen vollständigen Sieg. Die Türken verloren fast alle ihre Schiffe u. 30,000 M.; an 350 Kanonen wurden von den Siegern erbeutet u. 15,000 christliche Gefangene befreit. Die Uneinigkeit der Verbündeten hinderte aber Don Juan den Sieg zu benutzen, die Türken ergänzten ihre Flotte schnell u. im Sommer 1572 erschienen wieder 250 türkische Schiffe im Adriatischen Meere. Venedig, welches von Spanien nicht hinreichend unterstützt wurde, schloß nun am 7. März 1573 Frieden mit der Pforte u. erhielt die türkischen Eroberungen in Dalmatien zurück. Unterdessen hatte Don Juan Tunis erobert; 1574 landete aber ein türkisches Heer u. eroberte diese Stadt wieder. Gleichzeitig wurde der Woiwode von der Moldau, welcher sich empört hatte, nach einer dreitägigen Schlacht am 11. Juni 1574 überwunden u. hingerichtet. Selim II. erneuerte noch den Frieden mit Österreich u. st. am 12. Dec. 1574.

Sein Sohn Murad III war ein beschränkter Fürst; Sokolli verlor sein Ansehen, u. als er 1579 starb, nahm die Unordnung in der Verwaltung überhand. Mit Österreich gab es unaufhörliche Kämpfe, obgleich kein Krieg erklärt war, u. die türkische Flotte plünderte die italienische Küste, ohne mit einer christlichen Macht im Kriege zu stehen. In Persien waren mehre Thronrevolutionen erfolgt, welche das Reich geschwächt hatten u. den Türken Lust zu Eroberungen machten, doch focht das türkische Heer Anfangs unglücklich, dann aber gewann es am 9. Aug. 1578 bei Tschildir eine Hauptschlacht, worauf sich die georgischen Fürsten unterwarfen u. die Türken ein großes Landgebiet gewannen. Eine zweite Schlacht wurde am 9. Nov. nach dreitägigem Kampfe am Kur ebenfalls gewonnen. Dagegen erfocht der persische Prinz Hamsa am 21. Nov. bei Aresch einen vollständigen Sieg über die Türken, doch erhielten sie im Frieden Tebris, Karabagh, Georgien, Schirwan abgetreten. 1593 wurde der Krieg gegen Österreich erklärt; er begann mit der Belagerung von Sissek, doch wurden am 22. Juni die Türken geschlagen. Nun erschien der Großvezier Sinan-Pascha selbst u. eroberte Veszprim, dagegen erlitt am 3. Nov. ein türkisches Corps bei Stuhlweißenburg durch General Hardegg eine Niederlage. Im Frühjahr 1594 belagerte [25] Erzherzog Matthias zwar Gran vergebens, dagegen eroberte Erzherzog Maximilian Gora, Petrinia, Sissek; Tata u. Raab gingen an die Türken verloren. Die Fürsten von der Walachei, der Moldau u. Siebenbürgen verbündeten sich nun mit Österreich; der Großvezier bat um Hülfe u. die heilige Fahne wurde nach dem Lager gebracht; Murad III. st. im Jan. 1595.

Muhammed III., sein Sohn stillte einen heftigen Aufruhr der Janitscharen durch Geld u. begann dann den Krieg gegen Ungarn wieder. Mehre Niederlagen erlitt Sinan-Pascha in der Walachei u. von den Kaiserlichen wurden die Türken am 4. Aug. bei Gran geschlagen u. diese Festung erobert. Der Großvezier Sinan-Pascha wurde deshalb entsetzt; sein Nachfolger, Ibrahim, eroberte am 28. Sept. 1596 Erlau; die Schlacht bei Kereszdes am 24. Octbr. war bereits von den Ungarn u. Deutschen gewonnen, als die Sieger zur Plünderung des türkischen Lagers sich zerstreuten, nun von dem Vezier Cigala überfallen u. völlig geschlagen wurden; doch hatte dieser Sieg wegen der Ungeschicklichkeit der türkischen Feldherren wenig Folgen. 1597 wurde Tata von den Türken, dagegen Papa von den Kaiserlichen genommen u. im November ein türkisches Heer bei Waitzen geschlagen. 1598 eroberten die Kaiserlichen Raab u. belagerten Warasdin. Um dies zu entsetzen u. Temesvar zu belagern, zog der Seraskier Saturdschi nach langer Unthätigkeit erst im Herbst heran, aber auf die Nachricht von der Niederlage eines Corps durch die Walachen, kehrte er nach Belgrad um, weshalb er hingerichtet wurde. Der Erzherzog Matthias hatte indessen Ofen vergebens belagert. Der Großvezier Ibrahim, geizig, arglistig u. grausam u. mehrmals ab- u. wieder eingesetzt, übernahm 1599 das Commando, that aber auch nichts. Erst im Juni 1600 wurde Papa von der Besatzung selbst den Türken überliefert u. Kanischa am 11. Sept. erobert. Die Ursache der lassen Kriegsführung in Ungarn lag in der schlechten Regierung, welche durch nie Sultanin Walide u. deren Günstlinge verwirrt wurde. Bestechungen u. Ungerechtigkeiten herrschten in allen Provinzen des Reichs u. riefen Empörungen hervor; so 1598 in Kerman u. Yemen, 1600 in Constantinopel von den Spahis, wobei die Günstlinge der Sultanin den Empörern Preis gegeben wurden. Noch vorher erregte Abdul Halim Achisade, an der Spitze der Kurden u. Turkomanen, in Asien eine Empörung, bemächtigte sich Edessa's u. erzwang dadurch, wie sein Bruder Deli Hussein, eine Statthalterschaft schlug darauf ein Heer des Sultans, welches gegen ihn ausgeschickt war, am 25. April 1600 bei Kaissarieh u. nannte sich darauf Kaiser von Asien. In Ungarn eroberte 1602 Erzherzog Matthias Pesth u. belagerte Ofen, der Großvezier aber bemächtigte sich Stuhlweißenburgs. Ein Aufruhr der Spahis in Constantinopel wurde 1603 im Januar unterdrückt, u. zugleich unterwarf sich Deli Hussein. Die Besatzung von Tebris hatte die Landschaft Aserbeidschan geplündert u. den Befehlshaber von Selmas genöthigt Schutz bei dem Schah Abbas zu suchen. Dieser ergriff den Vorwand zum Kriege, erschien mit einem Heere vor Tebris, schlug am 26. Sept. 1603 die türkische Armee u. eroberte die Stadt. Muhammed III. st. am 22. Dec. 1603. Sein Sohn Achmed I. war erst 14 Jahre alt, als er den Thron bestieg. Der Krieg gegen Persien wurde unglücklich geführt, der Schah Abbas eroberte nach achtmonatlicher Belagerung Eriwan, nahm die Huldigung der georgischen Lehnsfürsten an, gewann darauf auch Kars u. schlug die Türken unter Cicala am 6. Aug. 1605 bei Tebris. In Ungarn zog der Großvezier 1604 ins Feld u. eroberte am 29. Sept. 1605 Gran; seine Unterfeldherren aber Veszprim, Wissegrad u. Neuhäusel. Dann unterwarf er die Walachei u. setzte einen neuen Fürsten ein. Ein Heer ließ er in Steyermark einfallen; den Fürsten Boczkai von Siebenbürgen rief er im Nov. 1605 zum König von Ungarn aus. Der Friede mit Österreich, welcher wegen der asiatischen Angelegenheiten nothwendig wurde, kam am 11. Novbr. 1606 zu Sitvatorok auf 20 Jahre zu Stande; dieser Friede war der erste, welchen die Pforte mit einer europäischen Macht mit völliger Gleichstellung des anderen Theiles schloß u. worin sie Verpflichtungen übernahm, da sie früher nur Zugeständnisse u. Bewilligungen eingeräumt hatte. In ihm wurde gegen eine Geldsumme der jährliche Tribut Österreichs aufgehoben, Österreich behielt das, was es hatte, die Türken Ofen, Gran, Erlau u. Kanischa; Boczkai entsagte der Krone von Ungarn zu Gunsten Österreichs. Der Großvezier ging nun selbst nach Asien u. unterwarf die Empörer Kalender-Oghli u. Tschanbulad. Da der Krieg gegen Persien unaufhörlich zu Ungunsten der Türken geführt wurde, so schloß Achmed 1612 mit dem Schah Frieden, nach dessen Bestimmungen alle Länder, welche Murad III. u. Muhammed III. den Persern entrissen, Schah Abbas aber zurückerobert hatte, in dessen Händen blieben. Der Seekrieg mit mehren christlichen Mächten wurde indessen mit abwechselndem Glück geführt. Von 1611–13 hatten die Türken entschiedenes Unglück, bis der Kapudan-Pascha Muhammed abgesetzt wurde. Sein Nachfolger Khalif machte bald den türkischen Namen wieder gefürchtet; er unternahm einzelne Landungen auf Malta, bezwang den empörten Dei von Tunis u. die im Aufstand begriffenen Mainoten. Dagegen landeten im Nov. 1614 die Donischen Kosacken bei Sinope, plünderten diese Stadt u. verheerten die Gegend. Gegen Persien mußte 1616 ein neuer Feldzug unternommen werden, weil Schah Abbas seine Grenze überschritten hatte; Eriwan wurde vergebens von den Türken belagert, u. auf dem Rückzuge kam ein großer Theil des Heeres vor Hunger um. In der Moldau dagegen wurde der von den Kosacken vertriebene Fürst wieder eingesetzt. Es kam darüber u. wegen Einfälle der unter türkischer Hoheit stehenden Tataren mit Polen zu Mißhelligkeiten, doch hinderte der Vertrag von Brusa am 27. Sept. 1617 den Ausbruch des Krieges; nach diesem Vertrage sollten die Kosacken den Dnjepr nicht überschreiten u. die Polen sich nicht in die Angelegenheiten der Moldau, Walachei u. Siebenbürgens mischen.

Am 22. Nov. 1617 st. Sultan Achmed I. Da seine sieben Söhne noch unmündig waren, so folgte sein blödsinniger Bruder Mustapha I., doch wurde er bereits nach drei Monaten entsetzt u. Achmeds ältester Sohn Osman II. zum Sultan ausgerufen, welcher erst 12 Jahre alt war, aber bereits nach zwei Jahren die Regierung selbst übernahm. Schon unter Mustapha hatten die Türken gegen Persien abermals eine Niederlage erlitten u. schlossen am 26. Sept. 1618 den Frieden zu Seraw auf die früheren Bedingungen. Bald aber brach mit Polen,[26] wegen Absetzung des Fürsten Gratiani von der Moldau, ein Krieg aus. Der Großvezier rückte, von den Krimischen Tataren begleitet, in die Moldau ein, schlug am 20. Sept. 1620 die Polen u. trieb sie bis zum Dnjester, wo sie am 6. Oct. eine zweite Niederlage von den Tataren erlitten. 1621 zog der Sultan selbst gegen die Polen; da er aber das verschanzte Lager derselben bei Choczim trotz einem viermaligen Sturm vom 8. bis 14. Sept. nicht nehmen konnte u. seine Soldatesca wegen der bereits vorgerückten Jahreszeit nicht länger im Felde stehen wollte, so sah er sich genöthigt Ende 1621 Frieden zu schließen. Die Janitscharen erregten deshalb einen Aufruhr, stürzten den Sultan Osman am 20. Mai 1622 vom Throne u. setzten Mustapha wieder darauf. Indeß sowohl die Janitscharen als die Ulemas waren mit Mustapha unzufrieden u. setzten ihn am 30. Aug. 1623 abermals ab u. erhoben den zwölfjährigen Bruder des ermordeten Sultan Osman II., Murad IV. Ghasi, zum Sultan. Anfangs führte die Sultanin Walide u. der Großvezier die Regierung; nach drei Jahren ergriff er selbst die Zügel der Regierung u. führte sie energisch, er verbot u.a. das Weintrinken u. Tabaksrauchen bei Todesstrafe, obgleich er den Wein selbst sehr liebte. Bald erregten die Janitscharen u. Spahis einen Aufstand, weil ihnen, wegen Erschöpfung des Schatzes, das gebräuchliche Thronbesteigungsgeschenk nicht hatte gezahlt werden können. Als dieser unterdrückt war, mußte eine Empörung in Asien bekämpft werden. Dort hatte sich noch zu Osmans Zeit Bekir des Paschaliks Bagdad bemächtigt u., nachdem er von den Türken geschlagen worden, sich an den Schah Abbas gewendet, welcher ein Heer schickte u. Bagdad in Besitz nahm. Dies hatte die Absetzung des Großveziers zu Folge. Dessen Nachfolger Muhammed schlug den Empörer Abasi, welcher den Tod Osmans II. rächen wollte, am 15. Aug. 1624 bei Konieh, mußte ihm aber doch das Paschalik Erzerum bewilligen, wodurch Kleinasien beruhigt wurde. Fast gleichzeitig hiermit schickte der Sultan ein Heer gegen den Khan der Krim, Muhammed, welcher abgesetzt werden sollte, aber das türkische Heer bei Babatagh schlug, die Türken aus Kaffa vertrieb u. die Donauländer verwüsten ließ u. schließlich dennoch als Khan anerkannt wurde, weil der Krieg mit Persien alle Streitkräfte in Anspruch nahm. Der neue Großvezier, Hafis-Pascha, war gegen die Perser gezogen u. hatte im Mai 1625 bei Kerkuk einen Sieg erfochten; hierauf belagerte er Bagdad, wurde aber, nachdem er in drei Schlachten den Entsatz zurückgeschlagen, durch eine Empörung des Heeres am 21. Juni 1627 abzuziehen genöthigt. Hierauf folgte die wiederholte Empörung des Abasi in Erzerum; gegen ihn zog der neue Großvezier Chalil u. belagerte vom Anfang August an Erzerum, mußte aber des kalten Winters wegen im Nov. 1627 die Belagerung aufheben u. wurde deshalb abgesetzt. Sein Nachfolger Khosrew schloß Abasi abermals ein u. brachte ihn durch Unterhandlungen zur Unterwerfung. Gegen Ungarn waren unterdeß auf Antrieb des siebenbürgischen Fürsten Bethlen Gabor mehre Einfälle geschehen u. am 13. Sept. 1627 wurde der Friede zu Szöny auf 25 Jahre erneuert. Khosrew zog 1629 gegen Bagdad, gewann am 27. April 1630 die Schlacht bei Miseban u. schloß Bagdad ein, mußte aber nach viermonatlicher Belagerung im Novbr. 1630 wieder abziehen. Er wurde hingerichtet, u. seine beiden nächsten Nachfolger traf gleiches Loos. Soldatenempörungen in Constantinopel u. in Asien zerrütteten nun das Reich u. bedrohten selbst das Leben des Sultans, indeß er wußte die Aufrührer zu entwaffnen, dann entzog er den Spahis viele ihrer Vorrechte u. ließ die Rebellenhäupter hinrichten. Um den Krieg gegen Persien nachdrücklich zu führen, ging er selbst nach Asien über, strafte die schuldigen Beamten u. ließ selbst den Großmufti hinrichten, was noch kein Großsultan gewagt hatte. Als er deshalb einen Aufruhr fürchtete, kehrte er von Nikomedien nach Constantinopel zurück, der Großvezier aber überwältigte im Oct. 1633 den Drusenfürsten Fakhr-Eddin, welcher 30 Jahre lang im Aufstande gegen die Pforte gestanden hatte. Gleichzeitig hatte der Statthalter von Widdin mit den Tataren einen Feldzug gegen Polen gethan, war aber am 22. Oct. 1633 bei Kaminiec geschlagen worden. Murad IV. wurde seit 1634 immer grausamer u. schonte selbst seine Lieblinge u. Vertrauten nicht; von Persien aus, wo er am 8. Aug. 1635 Eriwan einnahm, gab er den Befehl zur Hinrichtung seiner Brüder Bajazet u. Solyman; nachdem er noch Tebris genommen hatte, kehrte er nach Constantinopel zurück. Unterdeß eroberten die Perser den 1. April 1636 Eriwan zurück u. es geschah nichts gegen sie. Zum Theil waren daran die Unruhen in Siebenbürgen schuld, um dessen erledigten Fürstenstuhl sich Stephan Bethlen, der Schützling der Pforte, u. Rakoczy, von den Ungarn unterstützt, bewarben. Die benachbarten türkischen Paschas von Ofen u. Bosnien brachten ein Heer für Bethlen zusammen, welches aber am 3. Oct. 1636 bei Temesvar eine Niederlage erlitt, worauf Rakoczy von der Pforte bestätigt wurde. 1638 zog Murad IV., nachdem er noch seinen Bruder Kasim hatte hinrichten lassen, nochmals gegen Persien; er nahm Eriwan wieder, eroberte Bagdad nach vierzigtägiger Belagerung u. schloß darauf Frieden mit Persien; Bagdad mit ganz Mesopotamien blieb dem T-n R-e. Gleichzeitig mit diesem Siege hatte der Kapudan-Pascha eine Seeschlacht gegen die Kosacken auf dem Schwarzen Meere gewonnen. Ein Seekrieg gegen Venedig wurde durch Vermittlung der europäischen Mächte geendigt. Murad IV. st. am 9. Febr. 1640. Er hatte an 100,000 Menschen hinrichten lassen.

Ihm folgte sein Bruder Ibrahim I, weichlich, dabei grausam u. ein Werkzeug seiner Weiber u. Günstlinge, welche im raschen Wechsel erhoben u. hingerichtet wurden. Mit Polen u. Rußland gab es der Kosacken wegen große Weiterungen. Ernstlicher waren die Feindseligkeiten mit Österreich, gegen welches Rakoczy die Pforte zu Kriegsrüstungen bewog, da er mit ihrem Beistande Oberungarn unterwerfen wollte. Da aber seine Waffen im Verlauf des Krieges unglücklich waren, so gebot der Sultan die Feindseligkeiten zu endigen u. erneuerte 1645 den Frieden von Szöny. 1642 wurde Asow, nachdem es fünf Jahre in den Händen der Kosacken gewesen, zurück erobert u. neu befestigt. Die Hauptanstrengung der Pforte war zu jener Zeit auf die venetianische Insel Candia gerichtet. Der Krieg wegen derselben begann 1645 u. währte 24 Jahre. Eine Flotte landete auf der Insel u. eroberte nach einer langen Belagerung Canea, trotz der tapfern Vertheidigung Cornaros. Die venetianische Flotte hatte unterdeß auf Morea gelandet u. 5000 Sklaven mit fortgeführt, weshalb der Sultan[27] alle in seinem Reiche befindlichen Christen ermorden lassen wollte. Der weitere Erfolg der türkischen Waffen wurde aber durch Aufstände in Cypern u. Kleinasien 1646 u. 1647 aufgehalten; in Candia wurde allein Retimo noch erobert, dagegen die Belagerung der Hauptstadt aufgehoben. In Dalmatien hatten die Venetianer entschieden das Übergewicht. In einem Aufruhr der Janitscharen, denen auch die Ulemas beitraten, wurde Ibrahim abgesetzt u. am 18. August 1648 erdrosselt. Sein Sohn Muhammed IV., erst sieben Jahre alt, bestieg nun den Thron, die Regierung führte in seinem Namen der Großvezier unter der Leitung der Großmutter u. Mutter des Sultans, aber diese waren uneinig, dazu wurde das Reich durch Aufstände u. zwei religiöse Parteien, die Orthodoxen u. die Mystiker, erschüttert, eine Münzverschlechterung erregte großes Mißvergnügen u. einen Auflauf der Kaufleute, in Folge deren der Großvezier hingerichtet wurde. Nun erhielt die Partei der jungen Walide das Übergewicht u. die alte, welche während der Regierung von vier Sultanen geherrscht hatte, wurde erdrosselt. Bei diesen inneren Zerrüttungen wurde der Krieg gegen Venedig nicht mit Nachdruck geführt u. die türkische Flotte am 10. Juli 1651 von der venetianischen geschlagen. Dagegen machten die Venetianer einen vergeblichen Angriff auf Dalmatien, u. am 10. Mai 1654 gelang es auch dem Kapudan-Pascha die venetianische Flotte zu schlagen. Noch vor diesem Siege hatten Irrungen mit Polen statt, da Chmelnicki, der Hetman der Zaporoger Kosacken, von dem König von Polen abgefallen war u. sich der Pforte unterworfen hatte. Um die Polen zu beschäftigen, unterstützten die Türken den Tatarkhan, welcher in Polen einfiel, aber bei Zynkowce geschlagen wurde, u. so kam am 17. December 1653 der Friede zu Kaminiec zu Stande. 1655 kam ein neuer Aufstand in Constantinopel zum Ausbruch u. machte auch den Empörern in Kleinasien Muth aufs Neue sich zu erheben. Eine Flotte, welche gegen die Venetianer auslief, wurde am Eingange in die Dardanellen am 6. Juli 1656 gänzlich geschlagen. Die Venetianer eroberten Tenedus, Samothrake u. Lemnus. In Folge dieser Unfälle überkam 1656 Muhammed Köprili, der Sohn eines französischen Renegaten, das Großvezirat u. die Leitung der Regierung; er unterdrückte die Intriguen des Harems u. verhinderte unnütze Grausamkeiten, übte aber gegen Empörer u. Pflichtvergessene Strenge. Obgleich die türkische Flotte am 2. Mai 1657 im Golf von Skalanora u. am 17. Juli d. J. in den Dardanellen von den Venetianern geschlagen wurde, so eroberte Köprili doch Tenedus u. Lemnus wieder, brach dann im April 1658 im Vereine mit einem polnischen Heere u. den Tataren in Siebenbürgen ein, eroberte den größten Theil des Landes u. erhob an Rakoczys Stelle den Barcsay zum Fürsten von Siebenbürgen. Von der gänzlichen Vernichtung Rakoczys wurde Köprili durch einen Aufruhr abgerufen, welchen in Kleinasien Abasa Hassan erregt hatte. Er ging selbst dahin, u. obgleich sein Oberfeldherr Murtesa-Pascha am 11. Decbr. 1658 von Abasa geschlagen wurde, so gelang es ihm selbst doch die Anhänger Abasas durch Verrath in seine Gewalt zu bekommen u. so die Ruhe herzustellen. Wegen Siebenbürgens entstanden schon jetzt Zwistigkeiten mit Österreich; die Kaiserlichen rückten in jenem Lande ein, u. der Pascha von Ofen eroberte Temesvar am 14. Juli 1660. Zugleich hatte eine türkische Armee den Tatarkhan gegen Rußland unterstützt, welcher am 10. Juli 1660 ein russisches Heer bei Maigli an der Wolga vernichtete. Dagegen hatten die Venetianer Skiathus erobert, von der französischen, päpstlichen u. maltesischen Flotte unterstützt, den Türken mehre Schlösser auf Candia abgenommen u. erfochten am 30. September 1662 einen Seesieg über die türkische Flotte bei Kos. Unterdessen war 1661 Köprili gestorben u. ihm folgte als Großvezier sein Sohn Achmed Köprili. Der Thronstreit Apafi's u. Kimeny's in Siebenbürgen veranlaßte 1663 einen Krieg der Pforte mit dem Kaiser. Der Feldzug gegen Ungarn wurde vom Großvezier im August mit einem Siege bei Gran eröffnet, welchem am 27. September die Eroberung von Neuhäusel folgte. Hierauf bemächtigten sich die Türken noch der Städte Neutra, Lewenz u. Neugrad, während die Tataren Schlesien u. Mähren überschwemmten. Dagegen unternahm Nikolaus Zriny einen glücklichen Streifzug an der Mur u. Drau u. eroberte mehre Städte. Das Waffenglück der Türken bewog die deutschen Fürsten u. den König von Frankreich dem Kaiser Hülfstruppen zu senden, durch welche Montecuculi das Übergewicht erhielt; ein türkisches Heer unter Kutschuk-Pascha wurde bei Heiligenkreuz an der Gran geschlagen u. Neutra am 7. Mai 1664 von den Christen wieder genommen. Doch eroberte der Großvezier, nachdem er Kanischa entsetzt hatte, am 29. Juni Serinwar, den eigentlichen Zankapfel des Krieges, u. dann die von den Kaiserlichen während des Feldzugs besetzten Festungen wieder. Während dessen siegte Souches am 19. Juli 1664 bei Lewenz über den Pascha von Neuhäusel. Montecuculi hatte sich, um sich mit den französischen u. Reichstruppen zu vereinigen, auf das linke Ufer der Raab zurückgezogen; auf dem rechten rückte der Großvezier gegen St. Gotthard vor, erlitt aber hier am 1. August 1664 durch Montecuculi eine völlige Niederlage u. zog sich nach ungeheurem Verlust zurück. Gegen alle Erwartung schlossen die kaiserlichen Minister am 10. August 1664 den Frieden von Vesvar, in welchem Neuhäusel, Serinwar u. Großwardein in den Händen der Türken blieben. Den Großvezier beschäftigten neue Empörungen in Asien u. die inneren Angelegenheiten mehre Jahre, dann unternahm er 1667 die Eroberung von Candia, aber erst am 6. September 1669 gelang es ihm die Stadt Candia zu erobern, worauf sogleich der Friede zu Stande kam, nach welchem Candia dem T-n R. einverleibt wurde. 1672 begann Achmed Köprili einen Krieg mit Polen, um die Ukrainischen Kosacken, welche sich der polnischen Lehnshoheit entzogen hatten u. zum Gehorsam zurückgebracht werden sollten, zu unterstützen. Johann Sobieski, der polnische Feldherr, konnte wegen zu geringer Unterstützung nicht widerstehen, u. die Türken eroberten die wichtige Festung Kaminiec am 25. August 1672, worauf der König Michael am 18. September 1672 den Frieden zu Buczacz schloß, wodurch er die Ukraine an die Kosacken u. Podolien an die Pforte abtrat u. sich zu einem jährlichen Tribut verpflichtete. Da aber der Reichstag diesen Frieden nicht genehmigte, so unternahm der Großvezier 1673 einen zweiten Feldzug gegen Polen, wurde aber am 11. November, als er bei Choczim über den Dnjester gehen wollte u. die Brücke brach, von Sobieski total geschlagen. Da[28] der König Michael starb, so hielten die Wahlunruhen die Polen ab den Sieg zu verfolgen, u. der Großvezier konnte 1674 durch Kara Mustapha am 4. September Human erstürmen lassen u. das Land zwischen Dnjester u. Dnjepr unterwerfen. Ibrahim verheerte Volhynien, u. Lemberg wurde nur durch die schnelle Ankunft des neuen Königs gerettet, welcher im August 1675 die Türken abermals schlug. Er wurde jedoch von den Reichsständen nicht hinreichend unterstützt u. mußte sich 1676 auf die Vertheidigung des verschanzten Lagers von Zurawno beschränken u., von dem türkischen Heere eingeschlossen, den ihm von den Großvezier vorgeschriebenen Vertrag vom 27. October 1676 annehmen u. Kaminiec, Podolien u. 1/3 der Ukraine in den Händen der Türken lassen. Drei Tage darnach st. Achmed Köprili, der beste Großvezier des T-n R-s; ihm folgte Kara Mustapha im Großvezirat. Der Abfall des ukrainischen Kosackenhermans Doroszenko, welcher sich der russischen Lehnshoheit unterwarf, veranlaßte 1677 einen Krieg gegen Rußland. 40,000 Türken griffen Cheryn an, wurden aber 14. August 1677 geschlagen u. mußten am 7. September die Belagerung aufheben. Darauf zog 1678 Muhammed IV. selbst gegen die Russen u. eroberte Cheryn; am 11. Februar 1681 wurde der Friede zu Rodzin geschlossen u. den Russen Asow abgetreten.

In Ungarn unterstützte die Pforte die Insurgenten u. erkannte den Emmerich Tököly als Lehnskönig von Mittelungarn an; als die Nachricht von dem am 31. März 1683 zwischen dem Kaiser u. Polen geschlossenen Bündniß eintraf, ging das türkische Hauptheer, nachdem es eine Menge fester Städte u. Schlösser erobert, Raab aber vergeblich angegriffen hatte, am 8. Juli über die Raab. Die kaiserliche Armee hatte sich zurückgezogen, u. am 9. Juli erschien der Großvezier Kara-Mustapha mit 200,000 M. vor Wien u. begann sogleich die zweite Belagerung Wiens. Der Commandant Graf Starbemberg, welcher nur 13,000 M. Besatzung u. 7000 Bürger als Beihülfe hatte, ließ alle Vorstädte diesseit der Donau abbrennen u. vereitelte mehrmals den Versuch der Türken eine Brücke über die Donau zu schlagen, um auf das linke Ufer zu kommen. Die Türken ängstigten indessen Wien durch heftige Beschießung, durch Sprengung von Minen u. durch 18 Stürme. Am 6. September ließ der Großvezier wieder 24 Stunden ununterbrochen stürmen, aber am 9. brach er auf die Nachricht, daß das christliche Heer im Anzuge sei, das Lager ab u. zog auf den Leopoldsberg u. die Wiener Waldgebirge. Am 12. September vereinigten sich die Polen u. Baiern mit den Sachsen u. Kaiserlichen u. griffen sogleich das Gebirg an. Sobieski befehligte den rechten Flügel, den linken der Herzog von Lothringen u. das Centrum die Kurfürsten von Baiern u. Sachsen. Die Janitscharen wurden aus den Hohlwegen von Nußdorf u. Heiligenstadt nach Döbling gedrängt. Um 2 Uhr des Nachmittags brachen die Polen aus dem Walde von Dornbach hervor u. stürmten in die Feinde; um 4 Uhr waren die Türken bis in ihr Hauptlager vor Wien zurückgedrängt; daselbst währte der Kampf noch eine Stunde, u. dann löste sich das türkische Heer in wilder Flucht auf. Das ganze Lager, 300 Stück Geschütz u. der ganze Schatz des Großveziers fiel in die Hände der Sieger; 10,000 Türken blieben u. sehr viele kamen noch auf der Flucht um. Die Türken hatten während der Belagerung über 50,000 M. verloren; dagegen war auch die Besatzung gänzlich erschöpft. Der Großvezier setzte, nachdem er die Festung Tata gesprengt hatte, seine Flucht nach Ofen fort. Der König von Polen u. der Herzog von Lothringen zogen sich längs der Donau hinunter bis gegen Gran. Auf dem Wege dahin wurden die Polen am 7. October in einen Hinterhalt gelockt u. 2000 M. niedergehauen. Am 9. October kam es bei Parkany (Barakan) zur Schlacht, in welcher die Türken 7000 M. u. in Folge davon Gran verloren. Durch die Unfälle der Türken kühn gemacht, brach der vormalige Fürst der Moldau, Stephan Petreischik, mit Kunicki, dem Hetman der Zaporoger Kosacken, in Bessarabien ein, wurden aber nach einem Siege am 4. Decbr. 1683 gezwungen das Türkische Gebiet zu räumen. Wegen der Niederlage bei Parkany wurde der Großvezier Kara Mustapha 25. November in Belgrad hingerichtet; sein Nachfolger, Ibrahim Scheitan, konnte das Glück der Türken in Ungarn nicht herstellen. Der Herzog von Lothringen eroberte am 18. Juni 1684 Wissegrad, darauf gewann er am 27. Juni die Schlacht bei Waitzen u. nahm diese Stadt, ging dann über die Donau u. belagerte Ofen. Obgleich ein türkisches Entsatzheer am 22. Juli bei Hamsabeg u. an demselben Tage ein anderes türkisches Heer bei Veroviz in Kroatien besiegt u. diese Stadt erobert wurde, so fiel Ofen doch nicht. Gleichzeitig wurde auch die von den Polen unternommene Belagerung von Kaminiec aufgehoben. Auch Venedig erklärte nun am 15. Juli 1684 der Pforte den Krieg u. ließ eine Armee durch Dalmatien nach Bosnien vorrücken. Zur See eroberten die Venetianer am 8. August Sta. Maura u. darauf Prevesa; dagegen wurde die venetianische Flotte, welche den Kapudan-Pascha bei Skio eingeschlossen hielt, am 24. October durch einen Sturm zerstreut. In Dalmatien wurde die von den Venetianern u. Morlachen belagerte Festung Sign am 7. April 1685 entsetzt; dagegen empörten sich in Morea die Mainoten u. verjagten die Türken. In Ungarn war noch vor Beginn des Feldzugs Waitzen durch Verrath wieder in die Hände der Türken gefallen, die Kaiserlichen eroberten dagegen Szolnok u. Szarvas. Darauf belagerten die Türken Gran, die Kaiserlichen dagegen Neuhäusel u. nahmen, nach dem Siege bei Gran am 16. August, am 19. jenen Platz mit Sturm, eroberten auch Vihiz in Kroatien. Da der Großvezier Kara Ibrahim diese Unfälle den christlichen Vasallenfürsten beimaß, so ließ er ihnen seinen Zorn fühlen; Fürst Tököly von Siebenbürgen wurde nach Wardein gelockt u. von da in Ketten nach Constantinopel abgeführt; der Wojwode von der Walachei mußte eine große Geldstrafe erlegen, der von der Moldau verlor sein Fürstentum. Der König von Polen, welcher in die Moldau einfiel, wurde bei Bojan geschlagen. Im März 1686 wurde der Friede der Türkei mit Rußland erneuert. Das Unglück der türkischen Waffen gegen Österreich mußte der Großvezier Ibrahim entgelten; er wurde abgesetzt u. Solyman Aindschi zu seinem Nachfolger ernannt, welcher nun mit ausgedehntester Vollmacht im Mai 1686 nach Ungarn aufbrach. Tököly hatte er in Freiheit gesetzt, um durch ihn dem von Österreich begünstigten Apafi das Gegengewicht zu halten. Unterdessen hatten die Kaiserlichen am 18. Juni die Belagerung von Ofen ernsthaft begonnen. Das Belagerungsheer[29] unter dem Herzog von Lothringen bestand aus 90,000 M. Ungarn, Kroaten, Deutschen u. Freiwilligen von allen Nationen Europas; Ofen dagegen wurde von 16,000 M. unter Abdurhaman Pascha vertheidigt. Binnen 14 Tagen wurden drei Stürme abgeschlagen u. nur die äußere Mauer erobert; am 22. Juli flog das Hauptpulvermagazin in die Luft, wodurch ein Wallbruch entstand, u. obgleich der Großvezier selbst zum Entsatz herbeikam, wurde Ofen am 2. Septb. durch Sturm erobert, nachdem es 145 Jahre im Besitz der Türken gewesen war. Darauf nahm der Herzog von Lothringen nach einander Segedin, Simontorega, Fünfkirchen, Eszek u. andere Städte. Der venetianische Feldherr, Graf Königsmarck, hatte unterdessen den Seraskier von Morea geschlagen u. am 2. Juni Navarin erobert, u. bemächtigte sich nach u. nach Moreas, so wie der Städte Patras, Lepanto u. Athen. In Dalmatien aber wurde Castelnuovo am 30. September 1687 erobert. Am 12. August 1687 wurde das türkische Heer bei Mohacz geschlagen u. mußte sich nach Peterwardein zurückziehen. Der Herzog von Lothringen eroberte alle feste Plätze in Slavonien u. auch Siebenbürgen unterwarf sich den Kaiserlichen. Erbittert über diese Unfälle, erregten die Paschas des Heeres einen Aufstand gegen den Großvezier Solyman Aindschi u. wählten Siwa Pascha zum Großvezier, welche Wahl der Sultan bestätigen mußte. Dennoch wurde die Ruhe dadurch nicht hergestellt; das Heer rückte auf Constantinopel los, u. Muhammed IV. wurde des Thrones entsetzt.

Solyman III., Bruder Muhammeds IV., welcher der Ermordung seiner übrigen Brüder entgangen war, weil er sich nie mit Staatsgeschäften, sondern allein mit Andachtsübungen beschäftigt hatte, wurde nun Padischah. Gleich nach seiner Thronbesteigung plünderten die Janitscharen mit dem Pöbel die Häuser der Vornehmen u. ermordeten auch den Großvezier Siwa Pascha. In Ungarn ging Erlau, Peterwardein, Weißenburg u. am 6. September 1688 Belgrad, in Griechenland Theben u. in Dalmatien Knin verloren u. in Aleppo u. Candia brachen Empörungen aus. Ferner machten die Kaiserlichen auch in Slavonien Fortschritte, u. blos gegen die Polen u. Russen hielt der Tatarkhan die türkischen Angelegenheiten aufrecht u. entsetzte das belagerte Kaminiec. In Dalmatien erfochten die Venetianer einen Sieg u. wiegelten die Bergvölker Huf, gegen welche die Paschen von Skutari u. Herzegowina vergebens kriegten; in Griechenland siegten Venedigs Waffen ebenfalls, das Schloß von Athen wurde gesprengt u. nur die Belagerung von Negroponte mußte nach 100 Tagen aufgehoben werden. Nach mehren vergeblichen Friedensanträgen wurde Rescheb Pascha zum Oberfeldherrn gegen die Kaiserlichen ernannt. Von den Türken wurde zwar Zwornik erobert u. Orsowa entsetzt, dagegen Rescheb am 30. Aug. 1689 bei Baludschina (Palascin) überfallen u. so wie am 24. September durch den Markgrafen von Baden bei Nissa geschlagen, worauf Nissa fiel. Nun übernahm der Großvezier selbst den Heeresbefehl, die Kaiserlichen aber eroberten noch St. Florentin, Feth-Islam u. Widdin. Dagegen wurden die Russen bei Perekop, das polnische Belagerungsheer bei Kaminiec geschlagen u. die Venetianer zur Aufhebung der Belagerung von Malvasia gezwungen. 1689 setzte Solyman III. den Großvezier ab u. Mustapha Köprili wurde dessen Nachfolger. Dieser stellte die Ordnung in der Verwaltung her, führte strenge Sparsamkeit ein, schaffte mehre drückende Auflagen ab u. war duldsam gegen die nichtmuhammedanischen Religionsparteien. Er erließ ein Aufgebot an alle Moslemin u. trat an die Spitze des so gewonnenen Heeres. Zugleich hatte er in Siebenbürgen unter Tököly ein Heer aufgestellt. Während nun dieser den österreichischen General Fleister besiegte u. Veterani u. der Markgraf von Baden zur Rettung Siebenbürgens herbeieilten, eroberte der Großvezier 1690 Nissa, Semendria u. am 9. October Belgrad, belagerte Eszek u. schlug das Entsatzheer unter Veterani, mußte aber wegen des nahenden Winters die Belagerung dennoch aufheben. Die Venetianer eroberten Malvasia, die letzte den Türken noch gehörige Stadt in Morea, u. der venetianische Admiral Daniel besiegte die türkische Flotte bei Mytilene.

Am 23. Juni 1691 starb Solyman II. u. ihm folgte sein Bruder Achmed II., von Köprili, mit Zurücksetzung der Söhne Solymans, auf den Thron erhoben. Bei der Beschränktheit des Sultans führte Köprili die Regierung, blieb aber bereits am 19. Aug. 1691 in der Schlacht bei Szalankemen, welche die Österreicher unter dem Markgrafen von Baden gewannen, worauf sich das türkische Heer nach Belgrad zurückzog, welcher Platz, in den nächsten Jahren wieder hart von den Österreichern bedrängt wurde. So sehr auch der Sultan den Frieden mit dem Kaiser wünschte u. so sehr England u. Holland denselben zu vermitteln strebten, so hintertrieben doch Frankreichs Intriguen denselben. Im Jahre 1694, wo die Pforte unglücklich gegen die Araber focht, am 12. Sept. Skio an die Venetianer verlor u. 6. Nov. eine Niederlage an dem Dnjestr von den Polen erlitt, starb auch der Sultan Achmed; ihm folgte sein Neffe Mustapha II., Muhammeds IV. Sohn. Er begann seine Regierung mit Kraft u. Einsicht u. wurde vom Großvezier Elmas in Herstellung der Ordnung unterstützt. Dem tuneser Seeräuber Mezzomorto wurde ein Theil der Flotte anvertraut, welcher damit im Febr. 1695 Skio zurück eroberte u. dafür Kapudan-Pascha wurde. Auch gegen die Russen waren die Türken 1695 siegreich, indem sie im Oct. den Czar Peter, welcher Asow angriff, zurückschlugen. Gegen den Kaiser zog Mustapha selbst ins Feld, nahm Lippa am 7. Sept. durch Sturm u. Titul u. schlug ein österreichisches Corps bei Karansebes, unweit Lippa, wobei Veterani blieb. Das kaiserliche Hauptheer commandirte der Kurfürst von Sachsen, August der Starke; derselbe belagerte 1696 Temesvar, zog sich aber vor dem Großvezier in ein festes Lager unter Bega u. erlitt am 15. Aug. eine Niederlage. Beinahe gleichzeitig eroberten die Russen Asow nach einer zweimonatlichen Belagerung. 1697 begann der Sultan mit 130,000 Mann u. 50,000 Ungarn u. Siebenbürgen unter Tököly den Feldzug gegen Ungarn, um die Belagerung von Peterwardein zu beginnen, aber beim Übergang über die Theiß bei Zenta wurde fast sein ganzes Heer vom Prinzen Eugen von Savoyen am 11. Sept. 1697 aufgerieben, indem dasselbe theils in der Theiß ertrank, theils niedergemacht, theils gefangen wurde. Mustapha selbst, welcher auf der anderen Seite der Theiß dem Untergang des Heeres zugesehen hatte, flüchtete mit den Trümmern des Heeres nach Temesvar. Im Nov. 1698 begannen nun die Friedensunterhandlungen[30] zu Karlowitz mit allen Mächten, gegen welche die Pforte im Krieg lag. Abgeordnete waren von Seiten der Pforte: Rami Mehemed Effendi u. Alexander Maurocordato; von Seiten des Kaisers: Wolfgang Graf von Öttingen u. Leopold Graf von Schlik; von Rußland: Procop Loydanowitz; von Polen: der Wojwode von Posen; von Venedig: Rigim; Lord Paget von englischer Seite u. Colliere von holländischer machten die Vermittler. Die Zusammenkunft fand unter Zelten statt, u. da man sich um das Ceremoniell stritt, so wurde ein rundes Gebäude von Holz gebaut mit eben so viel Thüren, als Gesandte waren, u. die Gesandten traten alle auf ein gegebenes Signal zugleich ein u. setzten sich auch zugleich. Zuerst kam den 25. Dec. 1698 ein Waffenstillstand zwischen den Russen u. Türken auf zwei Jahre zu Stande; beide Theile behielten ihre Eroberungen. Am 15. Jan. 1699 wurde ein ewiger Frieden mit Polen geschlossen; diese Republik bekam die Ukraine, Podolien u. Kaminiec wieder, gab dagegen mehre Plätze in der Moldau zurück. Hierauf folgte ein 25jähriger Zeitfrieden zwischen Österreich u. der Pforte; er wurde den 26. Jan. 1699 geschlossen, später 1703 in einen 30jährigen Frieden verwandelt, 1710 nochmals auf 30 Jahre verlängert, 1714 gebrochen, im Frieden von Passarowitz aber 1718 wieder erneuert. Siebenbürgen, so wie es Michael Apafi besessen hatte, kam an den Kaiser, die Türken behielten Temesvar, u. die anliegenden österreichischen Plätze sollten geschleift werden, das Gebiet zwischen der Theiß u. Donau blieb kaiserlich, eine von der Mündung der Marosch bis an die der Bossut in die Sau gezogene Linie sollte für Ungarn östlich u. die Sau bis zu ihrem Zusammenfluß mit der Unna südlich die Grenzen bilden. Der Friede mit Venedig kam noch etwas später zu Stande; Venedig behielt Morea, Sta. Maura u. Engina, gab aber Lepanto, Prevesa u. Romania heraus, nachdem diese Plätze geschleift worden waren. Die Tributzahlung wurde für immer aufgehoben.

Dieser für die Pforte nachtheilige Friedensschluß erregte bei allen Osmanen großes Mißvergnügen u. der Großvezier wurde abgesetzt. Da sein Nachfolger, der Seraskier Mustapha Daltaban, auf Anreizungen Frankreichs den Krieg wieder beginnen wollte, ließ ihn der Sultan hinrichten. Aber Janitscharen u. Volk in Constantinopel empörten sich u. zogen nach Adrianopel, wo sich Mustapha II. befand. Hier erhielten die Empörer eine Verstärkung von 50,000 M., welche vom Sultan gegen sie geschickt wurden, aber gemeinschaftliche Sache mit ihnen machten, ernannten einen neuen Großvezier u. forderten den Sultan auf die Regierung niederzulegen. Mustapha II. entsagte daher am 24. April 1702 dem Thron, welchen sein Bruder Achmed III. einnahm. Dieser zeigte sich Anfangs als milder u. einsichtsvoller Regent; die Empörer, denen er seine Erhebung zu danken hatte, vertheilte er in die Provinzen u. ließ dann die Häupter derselben hinrichten. Gleich seinem Bruder war er friedliebend u. benutzte die vortheilhafte Gelegenheit nicht, welche ihm der Spanische Erbfolgekrieg darbot den Kaiser anzugreifen. Seine Friedensliebe theilte mit ihm sein Großvezier Ali Pascha, welchem er seit 1705 die ganze Regierung überließ. Daher war König Karl XII. von Schweden, M er 1709 nach der Niederlage bei Pultawa nach der Türkei floh, kein willkommener Gast. Doch erhielt er eine Freistätte in Bender, u. erst 1711, nachdem Ali Pascha abgesetzt war durch die Intriguen des von Frankreich beeinflußten Serails der kriegerisch gesinnte Baltadschi Mehmed das Reichssiegel erhielt, begann der Krieg gegen Rußland. Der Großvezier rückte mit 150,000 M. von Adrianopel gegen die Moldau vor, deren Fürst Kantemir sich mit Rußland verbündet hatte. Peter der Große langte im Juni 1711 mit 80,000 M. am Pruth an, doch verlor er durch Mangel, Krankheit u. Desertion bald über die Hälfte davon u. wurde von dem türkischen Heere, zu welchem noch 40,000 Tataren gestoßen waren, völlig eingeschlossen, doch gelang es seiner Gemahlin Katharina ihn zu retten, indem dieselbe den Großvezier mit ihrem Schmucke bestach. Nach dem Vertrage von Falschi gestattete der Großvezier dem russischen Heere freien Abzug, wogegen Peter Asow zurückgab, die Festungen Kamienska, Samara u. Tighan schleifte, auch in die Angelegenheiten der unter polnischem u. türkischem Schutz stehenden Kosacken sich nicht einzumischen versprach. Zwar genehmigte Achmed III. den Frieden nicht, sondern entsetzte den Großvezier u. ließ Rußland abermals den Krieg erklären, aber der neue Großvezier, Ibrahim Mollah, ließ sich ebenfalls von Rußland bestechen, u. am 12. April 1712 kam ein neuer Friede zu Stande, worin Kiew u. die Ukraine diesseit des Dnjestr an Rußland abgetreten wurde. Noch einmal gelang es der schwedischen Partei die Pforte zum Kriege gegen Rußland zu bewegen, doch auch diesmal siegte das russische Geld. Der Großvezier wurde wieder gestürzt u. der Friede mit Rußland durch Englands u. Hollands Vermittelung am 24. Juni 1713 auf 25 Jahre geschlossen. Karl XII. mußte am 1. Oct. 1714 das Türkische Gebiet verlassen. 1711 brach auch eine Empörung in Kairo aus u. wurde erst 1714 gestillt. Unter dem Verwände, daß 1714 Venetianer dem widerspenstigen Pascha von Damask Waffen geliefert hätten, beschloß der neue Großvezier Kumurdschi-Ali u. der Diwan den Krieg gegen Venedig, indeß Kaiser Karl VI. erklärte, daß er als Garant des Karlowitzer Friedens der Pforte den Krieg ansagen werde, sobald diese Venedig bekriege. Die Pforte setzte sich daher gegen Ungarn in Vertheidigungszustand u. stellte auch gegen Rußland u. Polen Beobachtungscorps auf. Ein Heer in der Ebene von Adrianopel sollte zur Reserve dienen u. eins von 70,000 M. u. eine Flotte von 90 Segeln u. 60 Galeeren unter dem Kapudan-Pascha Dianun Pascha war zur Eroberung von Morea bestimmt. Während der General-Proveditore von Morea, Delfino, in dem Hafen von Elsimeno mit seiner gebrechlichen Flotte u. geringen Mannschaft auf die Türken wartete, landete der Kapudan- Pascha bei Cerigo, welches sich ihm sogleich, wie Napoli di Romania, ergab, u. zugleich drang der Großvezier durch die Landenge von Korinth in Morea ein u. eroberte Korinth. Ende 1715 war ganz Morea mit allen Festungen in türkischer Gewalt. Zugleich war der Pascha von Bosnien in Dalmatien eingefallen, fand aber hier entschlossenen Widerstand u. konnte nichts ausrichten. Kaiser Karl VI. schloß Anfang 1716 ein Schutz, u. Trutzbündniß mit Venedig u. stellte drei Heere in Ungarn unter Prinz Eugen auf, eins unter dessen Specialbefehl, an 70,000 M., das zweite, unter Graf Guido von Starhemberg, 30,000 M., das[31] dritte, unter dem General Heister, 25,000 M. stark. Zugleich kündigte er durch seinen Internuntius der Pforte an, daß, wenn bis zum 15. März nicht ein türkischer Unterhändler an der ungarischen Grenze erschiene, der Krieg erklärt sei. Der Großvezier erhielt nun den Oberbefehl über das bis 150,000 M. verstärkte Heer gegen Ungarn. Temesvar wurde in der Eile befestigt u. auch Belgrad mit 40,000 M. besetzt. Während sich Anfangs Juni der Großvezier mit 120,000 M. gegen die Save u. Belgrad wendete, zogen 30,000 M. zur Deckung von Temesvar. Der Großvezier verbot seinen Untergeneralen die Feindseligkeiten zuerst zu beginnen, um nicht als Verletzer des Karlowitzer Friedens zu erscheinen. Dennoch griffen die Türken den Grafen Palfy, welcher ihren Übergang über die Save beobachtete, zuerst bei Karlowitz an u. zwangen ihn zum Rückzuge auf das bei Peterwardein versammelte Hauptheer, welches nun, 80,000 M. stark, die Türken bei Peterwardein angriff u. sie schlug; die meisten Paschas blieben u. auch der Großvezier Kumurdschi-Ali starb den Tag darauf in Karlowitz an seinen Wunden; Verlust der Türken über 12,000 M., der der Kaiserlichen etwa 6000 M. Der Seraskier von Bosnien übernahm nun den Oberbefehl. Prinz Eugen ließ Temesvar einschließen u. erhielt diesen Platz 13. October durch Übergabe, worauf er das ganze Banat besetzte. Gegen Venedig hatten die Türken auch kein Glück gehabt u. der Kapudan-Pascha hatte die seit Anfang des Jahres unternommene Belagerung von Korfu wieder aufgehoben. Der Winter verlief unter eifrigen Rüstungen; die Kaiserlichen verstärkten sich bis auf 140,000 M. u. von der Pforte wurde der Pascha von Belgrad, Astschi-Ali, zum Großvezier ernannt, Rakoczy u. andere Feinde des Kaiserhauses aus Frankreich zurückgerufen; die Landarmee sollte Temesvar, der Kapudan-Pascha aber Korfu erobern. Dagegen war von den Kaiserlichen die Eroberung von Belgrad beschlossen worden, welche Festung Prinz Eugen am 18. Juni 1717 mit 100,000 M. einschloß, sein Lager vor derselben fest verschanzen u. am 22. eine Brücke, der Citadelle gegenüber, über die Donau, so wie auch eine über die Save schlagen ließ, um die Verbindung zu erleichtern. Er hatte bereits große Fortschritte gemacht u. sein Geschütz ängstigte Belgrad sehr, als am 16. Juli die Vorhut des türkischen Heeres auf den Höhen von Belgrad erschien u. sich im Rücken des Prinzen Eugen aufstellte, welcher nun in der rechten u. linken Flanke von der Donau u. Save u. im Rücken von der 150,000 M. starken Armee des Großveziers eingeschlossen war, während er vor der Fronte Belgrad hatte. Der Großvezier ließ vom 3. Aug. an das kaiserliche Lager wirksam beschießen, welches auch durch das Feuer der Festung viel litt. Der Prinz beschloß daher dem Großvezier eine Schlacht zu liefern; er ließ den Feldmarschalllieutenant Brown mit einem Corps zur Deckung des Lagers zurück u. griff am 16. Aug. mit etwa 60,000 M. die Türken an, u. bald verbreitete sich das Gefecht vom rechten Flügel der Kaiserlichen über die ganze Schlachtlinie. Die Spahis u. Tataren empfingen die kaiserliche Cavallerie mit Muth u. verschafften den Janitscharen Zeit sich zu sammeln. Mehrmals schwankte die Schlacht, endlich siegten die Kaiserlichen u. stürmten das türkische Lager. Verlust der Türken 10,000 Todte, 5000 Verwundete u. 3000 Ertrunkene, der Kaiserlichen 5000 Todte u. Verwundete; unter den Ersteren sechs Generale, verwundet war der Prinz Eugen selbst. Belgrad capitulirte nun am 18. Aug. die Besatzung erhielt freien Abzug. Bald darauf räumten die Türken auch Semendria u. Schabacz u. selbst Orsowa ergab sich dem General Mercy; nur Swornik blieb unerobert. Die Friedensunterhandlungen begannen nun unter Vermittelung Englands u. Hollands wieder, doch ließ sich der Kaiser auf keinen Separatfrieden ohne Venedig ein u. verlangte auch den ganzen Bezirk, welchen seine Armee jetzt besetzt hatte., u. außerdem noch Bosnien, Serbien u. einen Theil der Walachei. Der Sultan verwarf diese Bedingungen u. der Kaiser gab nach. Hierauf wurde zu Passarowitz ein Congreß eröffnet, welchem von kaiserlicher Seite der Graf Wirmont u. der Baron Tallmann, von venetianischer der Ritter Ruzzini u. von türkischer die Agas Ibrahim u. Muhammed beiwohnten; der Lord Montaign von britischer u. der Baron Collier von holländischer Seite waren als Vermittler zugegen. Am 21. Juni 1718 wurde der Friede zu Passarowitz unterzeichnet; der Friede von Karlowitz diente zur Grundlage, doch wurden die Grenzen zwischen Siebenbürgen u. Polen geregelt, Temesvar, Belgrad u. ein Theil von Serbien, Bosnien u. der Walachei an Österreich abgetreten; dagegen behielt die Pforte einige Plätze in Dalmatien u. die Insel Cerigo, auch Morea.

Als Peter der Große 1722 die inneren Unruhen in Persien zur Eroberung von Daghestan u. Schirwan benutzte, forderten Janitscharen u. Volk Krieg gegen Rußland, indeß kam durch Frankreichs Vermittelung ein Vertrag zwischen Rußland u. der Pforte zu Stande, wodurch beide sich ihre von Persien eroberten Provinzen verbürgten. Unterdessen, war der Schah Mir-Mahmud von einem Usurpator Aschraf verdrängt worden, welcher mit Schah Thamasp, Sohn des früheren Schah, um den Thron kämpfte. Gegen diesen zogen die Türken zu Felde u. eroberten 1725 Ardabil, auch gewannen sie vor Tebris am 25. Mai eine Hauptschlacht; aber am 20. Nov. 1726 schlug Aschraf die Türken bei Andscheden gänzlich, woraus am 3. Oct. 1727 ein Friede mit ihm zu Stande kam u. er als Schah von Persien anerkannt wurde, die Türken, aber im Besitz ihrer Eroberungen blieben. In Ägypten u. in Kleinasien kamen viele Empörungen vor, so belagerten Turkomannenstämme Ardebil, wurden aber zurückgetrieben. Indessen bewies der Großvezier Ibrahim sich thätig für die Verbesserung der Reichsverwaltung u. Einführung zweckmäßiger Einrichtungen, er legte sogar Bibliotheken an u. errichtete 1729 eine Buchdruckerei in Constantinopel, auch nahm er den Franzosen Bonneval in Dienst, welcher wesentliche Verbesserungen bei dem Heere einführte u. die türkische Politik in Einklang mit der der anderen europäischen Höfe brachte. Ein neuer Krieg begann 1730 mit Persien, wo Thamasp endlich den Schah Aschraf vom Throne gestoßen hatte u. nun die von der Pforte eroberten persischen Provinzen zurückforderte u. die Vergleichsvorschläge der Pforte abwies. Aber da Achmed III. trotz seiner aufgehäuften Schätze kein Geld zu den Rüstungen hergab, sondern eine Steuer auf den Kleinhandel legte, so erregte dies allgemeinen Unwillen. Achmed III. ging selbst mit dem Großvezier zur asiatischen Armee ab, u. da die Hauptstadt ohne Aussicht blieb, so brach am 28. Sept. 1730 eine Empörung aus; man verlangte die Auslieferung[32] des Großveziers u. des Großmufti u. eine Änderung der Regierung. Achmed III. eilte nach Constantinopel zurück u. ließ den Großvezier u. die übrigen verhaßten Großen hinrichten; doch nun verlangten die Empörer seine eigene Absetzung, u. er mußte sich in sein Schicksal fügen.

Ihm folgte sein Neffe Mahmud I, ein Sohn Mustapha's II., welcher Anfangs ganz in der Gewalt der Empörer war, welche die Staatsgeschäfte nach ihrer Willkür lenkten, bald aber die Gunst des Volks verloren, worauf Mahmud I. 500 von ihnen hinrichten ließ. Während dessen hatte der türkische Feldherr Rustan am 15. Sept. 1731 die Schlacht bei Kordischan gegen die Perser gewonnen, u. es erfolgte am 25. Februar 1732 der Friede mit Persien, worin ganz Georgien den Türken abgetreten, das Land jenseit des Araxes aber den Persern zurückgegeben wurde. Der Großvezier Topol Osman, welcher diesen Frieden geschlossen hatte, wurde als angeblicher Christenfreund abgesetzt. Darauf erklärte Nadir Schah, welcher den Schah Thamasp in Persien entthront hatte, daß er den Frieden mit der Pforte nicht gelten lassen würde, u. rückte gegen Bagdad vor, schloß aber nach wechselndem Kriegsglück den 13. Dec. 1733 einen Waffenstillstand mit der Pforte auf 1 Jahr. Während der Zeit erneuerte er jedoch seine Forderung der Zurückgabe aller Länder am rechten Ufer des Araxes, ging im Winter von 1734–35 über das Gebirge u. schlug am 14. Juni 1735 die Türken unter Abdullah Köprili bei Arbatschei gänzlich. Nun wurde im September 1736 Friede geschlossen, in welchem die Pforte alle seit Muhammed IV. gemachten Eroberungen in Persien zurückgab u. den Persern den Besuch heiliger. Orte im Türkischen Gebiet gestattete, auch Nadir Schah als Beherrscher von Persien anerkannte. In den polnisch-russischen Händeln hatte Mahmud I. die Partei des Königs Stanislaw genommen u. sich gegen Rußland erklärt, welches mit Österreich verbunden war. Zwar versuchte der Großvezier Ibrahim den Krieg durch einen Congreß zu Nemirow zu vermeiden, aber während desselben rückte ein russisches Heer vor Oczakow u. ein kaiserliches unter Wallis in der Walachei ein. Nachdem sich der Congreß im Juli 1737 aufgelöst hatte, übernahm der kaiserliche Feldmarschall von Seckendorff im Juni 1737 den Oberbefehl; das Heer, im Ganzen 70,000 M., war in drei Armeen getheilt, von denen die Hauptarmee von den Feldmarschällen Philippi u. Khevenhüller, die Armee von Kroatien vom Prinzen Joseph von Hildburghausen u. die siebenbürgische Armee vom General Wallis commandirt wurde. Zunächst erhielt Seckendorff am 3. August Nissa, die Hauptstadt Serbiens, durch Übergabe; darauf sendete er Khevenhüller gegen Widdin, während Wallis die Donauufer nach der Walachei hin besetzte. Der Prinz von Hildburghausen war am 25. Juli vor Banyaluka in Bosnien angekommen, mußte aber am 6. August die Belagerung aufheben u. sich zurückziehen. Da die Türken eine bedeutende Verstärkung nach Widdin geworfen hatten, so gab Seckendorff den Plan auf diese Festung auf u. wendete sich gegen Swornik. Er ließ also Khevenhüller an den Timok zurückmarschiren, um die Walachei, das Banat u. Serbien zu decken, u. zog selbst nach Bosnien. Am 29. September eroberte er zwar das feste Schloß Uschitze, aber wegen Austretens der Drina konnte er gegen Swornik nichts unternehmen, lehrte zu Anfang October an die Save zurück u. bezog bei Schabacz ein festes Lager. Khevenhüller hatte während der Zeit ruhig bei Pristol am Timok gelagert, war am 9. September über diesen gegangen u. hatte unsern der Donau ein Lager bezogen, aus welchem er Nissa verproviantiren u. die kaiserlichen Provinzen decken sollte, wurde aber hier bei Radejowitz am 28. September von den Türken angegriffen u. zog sich am 29. auf Brsa-Palanka zurück. Der größte Unfall in diesem Feldzug aber war der Verlust von Nissa an die Türken; durch Seckendorffs u. Khevenhüllers Rückzug sah sich auch Wallis, welcher unterdessen ruhig an der Donau gestanden hatte, zum Rückmarsch nach Siebenbürgen genöthigt; er vereinigte sich bei Kladowa mit Khevenhüller u. beide bezogen bei Temesvar Winterquartiere. Glücklicher waren die Russen; 1736 nahm Münnich die Linien von Perekop u. die Stadt selbst (28. u. 30. Mai 1736) u. darauf Baktschiserai, die Residenz des Tatarenkhans; Lascy eroberte Asow (4. Juli) u. Leontschew Kinburn. 1737 ging Münnich mit 60–70,000 M. über den Dnjeper, erhielt am 13. Juli Oczakow in Übergabe u. lehrte, nachdem er eine Besatzung unter Stofflen daselbst zurückgelassen hatte, in die Ukraine zurück. Zwar erschienen die Türken bald vor Oczakow, mußten aber im October die Belagerung wieder aufheben. Die Türken eröffneten den Feldzug in Serbien schon im Februar 1738, eroberten Uschitze wieder, sowie Alt-Orsowa u. Mehadia, Neu-Orsowa konnte aber der Pascha von Widdin nicht nehmen. Herzog Franz von Lothringen, an Seckendorffs Stelle mit dem Oberbefehl betraut, entsetzte am 4. Juli Neu-Orsowa u. eroberte am 15. Juli Mehadia wieder, als aber der Großvezier Sigen-Pascha mit Verstärkungen bei dem türkischen Heere ankam u. wieder gegen Neu-Orsowa vordrang, zog sich der Herzog über die Donau zurück. Mehadia ging noch einmal an die Türken verloren, auch Neu-Orsowa ergab sich nach einer Belagerung von sechs Wochen u. ebenso fielen Semendria u. Uj-Palanka wieder an die Türken, welche dann bis Nissa zurückgingen, während ihre Streifcorps die Gespannschaft Temesvar verwüsteten. Khevenhüller erhielt jetzt den Oberbefehl wieder; er verjagte zwar die Türken wieder aus Uj-Palanka, mußte sich aber dann auch zurückziehen u. bezog am 8.November hinter der Donau Winterquartiere. Bei den Russen brach Münnich zu Ostern 1738 mit 35,000 M. gegen den Dnjester auf, ging am 4. Juli über den Bug u. schlug am 11. die Türken am Flusse Rodima u. am 19.am Sabran; als er aber Anfangs August mit seinem geschwächten Heere am Dnjester ankam, fand er dort eine türkische Armee von 60,000 M. wohl verschanzt, welche ihm den Übergang verwehrte, u. er zog sich am 17. August nach einem Verluste von 20,000 M. durch Hunger u. Krankheit nach dem Bug u. im September weiter nach der Ukraine zurück. Der Feldmarschall Lascy hatte in der Krim eben so wenig ausgerichtet u. Kassa nicht erobern können; zugleich mußten Oczakow u. Kinburn geräumt werden. Bei den Kaiserlichen erhielt der Feldmarschall Wallis den Oberbefehl über das Heer, welches, das Corps Neippergs an der Drave (10,000 M.) eingeschlossen, noch nicht 40,000 M. zählte u. Neu-Orsowa belagern sollte. Am 27. Juni 1739 ging Wallis bei Mirowa über die Save u. griff am 2. Juli bei Grotzka die türkische Armee unter dem Großvezier Elias-Muhammed-Pascha[33] u. dem Pascha Bonneval an, wurde jedoch geschlagen. Er zog sich an die ungarische Grenze nach Szalankemen zurück, u. die Türken erschienen am 29. Juli vor Belgrad. Wallis, welcher sich außer Stande sah Belgrad zu entsetzen, bot den Türken gegen die Abtretung dieser Festung Frieden an. Der Kaiser Karl VI. verwarf aber diesen, übertrug die Unterhandlungen dem General Neipperg u. sendete den General Schmettau zum Heer, um sich von dem Stande der Dinge zu überzeugen. Dieser bewog Wallis wieder gegen Belgrad umzukehren, wo er gegen Ende August ankam, allein dennoch wurde am 1. September der Friede von Belgrad unterzeichnet, dem zu Folge Belgrad, Schabacz, Neu-Orsowa u. ganz Serbien wieder unter türkische Herrschaft kamen. Dieser Friede wurde am 8. September von Karl VI. ratificirt. Mit 65,000 M. war Münnich mit den Russen am 27. Juni aus seinem Hauptquartiere aufgebrochen u. erreichte schon am 29. Juli den Dnjester u. überschritt ihn am 30. bei Grobeck. Ihm gegenüber befehligte der Seraskier 90,000 Türken, welche am Pruth bei Choczim ein festes Lager bezogen, welches aber die Russen am 28. August erstürmten, worauf die Türken nach Bender flüchteten. Choczim selbst fiel am 30. Aug., u. am 23. Sept. rückten die Russen in Jassy ein, wo Münnich die Nachricht vom Beitritt Rußlands zum Frieden von Belgrad erhielt. In der Krim hatte Lascy ebenfalls die Oberhand behalten u. Asow behauptet, welches zu Folge des Friedens wieder in türkische Hände kam, aber die Festungswerke mußten geschleift werden. Als Grenze wurde an der Westseite der Dnjeper angenommen, wie sie 1706 bestimmt worden war; der Handel im Schwarzen Meer blieb den Türken ausschließlich u. Münnich mußte die Moldau wieder räumen. Durch den glücklichen Ausgang des Krieges ermuthigt, machte die Pforte große Schwierigkeiten bei Vollziehung des Friedens gegen Österreich u. benutzte die durch den Tod des Kaisers Karl VI. entstandenen Verwirrungen, um seiner Nachfolgerin Maria Theresia noch Gebiet abzubringen. Gleiche Versuche mit Rußland schlugen fehl, im Gegentheil erweiterten die Russen ihre Grenzen dem Vertrage zuwider u. ließen die Beschwerden darüber unberücksichtigt. Seit dem Belgrader Frieden suchte die Pforte mehr durch diplomatische Künste, als durch Waffenmacht bei den europäischen Mächten sich in Ansehen zu erhalten. Nadir Schah von Persien forderte 1742 die Abtretung von Diarbekr u. die Anerkennung seiner Ansprüche auf Oberarmenien, u. da die Pforte hierauf nicht einging, so erschien er mit 100,000 M. vor Bagdad u. belagerte Mosul, mußte aber nach einem Verluste von 30,000 M. am 20. October 1743 wieder abziehen u. ward auf dem Rückzuge im Passe Senne von den Türken geschlagen. Wegen des Krieges mit den Persern wurde die Pforte immer nachgiebiger gegen die europäischen Mächte; auf Rußlands Klagen setzte sie den Khan der Krim ab u. wegen des Österreichischen Erbfolgekrieges erließ sie eine Neutralitätserklärung 1744 (die erste türkische) u. gestattete keine Caperei mehr in den Meeren. Nadir Schah setzte währenddem zugleich die Friedensunterhandlungen u. Feindseligkeiten fort, vernichtete im April 1744 in Georgien ein türkisches Heer unter Jussuf Pascha vor Achalzik u. schlug am 31. Mai u. 24. August das Hauptheer bei Kars, welchen Platz er belagerte, mußte jedoch des strengen Winters wegen die Verlagerung wieder aufheben. Nachdem auch der Seraskier Dschegen Muhammed bei Eriwan eine völlige Niederlage erlitten hatte, kam es am 4. Sept. 1746 zum Frieden von Teheran, nach welchem alles im Statu quo blieb. Bedeutsam war gleichzeitig der Tod des 96jährigen Kislar Aga Bessir, welcher 30 Jahre lang nach einer gemäßigt friedlichen Politik mit Einsicht u. Glück die Staatsgeschäfte gelenkt hatte. Die Janitscharen u. das Volk forderten jetzt wieder mit Ungestüm Krieg u. erregten deshalb 1748–51 mehre Aufstände, welche indeß keine Veränderung der Politik der Pforte bewirkten. Ein Aufruhr in Ägypten endigte 1748 mit Niedermetzelung der Mamluken, dagegen brachen in Arabien die Unruhen der Wechabiten (s.d.) aus, deren Niederwerfung die Pforte über 50 Jahre beschäftigte. Auch in Serbien, in Bessarabien, am Euphrat u.a.O. fanden Aufstände statt, begünstigt durch Mahmuds I. schwache Regierung.

Mahmud I. st. Ende 1754, u. ihm folgte sein Bruder Osman III., ein beschränkter, friedlicher Fürst. Unter ihm verlor Frankreich, des Bundes mit Österreich gegen Preußen halber, den Einfluß, welchen es bei der Pforte besessen hatte. Raghib Pascha trat als Großvezier an die Spitze der Reichsgeschäfte. Osman III. st. bereits 1757. Sein Sohn Mustapha III. hatte viel Neigung zum Selbstherrschen, da er aber ohne Kenntniß der auswärtigen Angelegenheiten war, so überließ er solche seinem Großvezier u. beschäftigte sich ausschließlich mit dem Innern, welches er mit Milde verwaltete. Raghib-Pascha beharrte auf dem friedlichen System der Pforte u. ließ sich durch Englands Andringen zu einem Kriege mit Österreich nur dazu bringen, 1781 ein Beobachtungsheer an der ungarischen Grenze aufzustellen, doch schloß er, aller Intriguen Frankreichs u. Rußlands ungeachtet, am 12. Dec. 1761 ein Freundschaftsbündniß mit Preußen. Nach Raghibs Tod 1763 dämpfte der neue Großvezier Unruhen in Georgien, welche durch Rußland hervorgerufen u. genährt wurden. Darauf brachen 1766 u. 1767 Empörungen in Cypern, Arabien u. wieder in Georgien aus, welche auch unterdrückt wurden. Die Schritte der Kaiserin Katharina II. gegen Polen beunruhigten die französische Regierung, welche den Sultan Mustapha III. am 30. October 1768 zum Kriege mit Rußland vermochte. Der Großvezier Muhammed Emir sammelte ein Landheer von 200,000 M., während der Kapudan-Pascha Gazhi-Hassan eine Flotte von 30 Schiffen ausrüstete u. der Khan der Krim in Rußland einfiel. Galyzin, welcher das russische Heer befehligte, griff am 30. April die Verschanzungen bei Choczim an, bekam aber erst am 18. September die Festung in seine Gewalt, worauf die Russen unter General Stofflen Jassy, Galacz u. Bucharest eroberten, 1770 Giurgewo bedrohten, am 28. Januar ein türkisches Lager bei Braila nahmen u. diese Stadt verbrannten u. am 3. Febr. den Seraskier bei Giurgewo u. am 5. Mai ein türkisches Corps bei Braila schlugen. Indessen brach Romanzow, welcher an Galyzins Stelle den Oberbefehl erhalten hatte, mit der Hauptarmee aus Podolien auf u. wendete sich gegen Choczim, während eine andere russische Armee unter Panin von der Ukraine aus gegen den Dnjester zog, um Bender zu erobern. Von türkischer Seite sollte der Tatarkhan über den Pruth setzen, während der Großvezier bei Isakdschi am rechten Donauufer eine Stellung[34] nahm. Romanzow kam aber dem Khan zuvor u. schlug ihn am 28. Juni am Kalmassu u. am 18. Juli an der Larga u. am 1. August den Großvezier. Der Tatarkhan zog sich gegen Ismail zurück, wohin ihm der General Repnin mit 12,000 M. folgte. Dieser fand Ismail verlassen u. besetzte es am 6. August; er rückte hierauf vor Kilia, welches sich am 18. August ergab, u. ließ Akjerman durch den General Igelström einschließen, welches am 6. October fiel. Romanzow hatte unterdessen ein Lager am See Elpuch bezogen u. Braila einschließen lassen, welches sich am 5. November ergab. Auf der andern Seite war Panin am Dnjester glücklich, denn er erstürmte Bender in der Nacht vom 26.–27. September. Im Frühjahr 1770 segelte eine russische Flotte unter dem Admiral Spiritow in den Archipelagus, um die Mainoten zu unterstützen, welche sich gegen die Türkei erhoben hatten. Der Flotte Spiritows folgte die von Elphinstone, u. über beide sollte Gregor Orlow den Oberbefehl führen. Spiritow landete mit 500 Russen unter Theodor Orlow in der Maina, welche sich mit 50,000 Mainoten verbanden; sie nahmen nur Navarin, wurden aber am 19. April bei Tripolizza geschlagen u. schifften sich im Juni wieder ein u. überließen die Griechen ihrem Schicksale. Unterdessen hatten die Flotten von Elphinstone u. Spiritow sich mit einander vereinigt u. am 5. Juli schlug Gregor Orlow den Kapudan-Pascha bei Skio. Beide Admiralschiffe flogen bei diesem Kampfe in die Luft u. Orlow u. Spiritow retteten sich mit Mühe; die Überreste der türkischen Flotte flüchteten sich aber in die Bai von Tschesme, wo sie von den Russen sogleich blockirt u. am 16. Juli von Elphinstone fast ganz verbrannt wurde. Orlow blockirte die Dardanellenausgänge u. belagerte Lemnos, von wo er aber durch den neuen Kapudan-Pascha am 24. October vertrieben wurde. Da die Friedensunterhandlungen an den hohen Forderungen der Kaiserin Katharina II. gescheitert waren, so sammelte der Großvezier Seliktar Muhammed ein Heer an der Donau, dessen Artillerie durch den Baron Tott neu geregelt worden war. Bevor aber der Großvezier den Feldzug eröffnen konnte, eroberte der russische General Olitz am 1. März 1771 die Stadt Giurgewo u. General Weißmann am 4. April das Schloß Tuldscha. Darauf wendete sich der Letztere gegen Isakdscha, eroberte u. schleifte das feste Schloß u. die Magazine u. zog sich hierauf nach Ismail zurück; die Türken besetzten nach seinem Abzüge aber Isakdscha wieder. Gegen Ende Mais eröffneten die Türken endlich den Feldzug u. der Seraskier Musson Oglu schlug am 15. Juni Potemkin u. Gudowitsch u. eroberte am 20. Juni Giurgewo wieder. Achmed-Pascha hatte sich zu derselben Zeit mit 10,000 M. gegen Bucharest gewendet, war aber am 21. Juni von Nepnin zum Rückzuge gezwungen worden. Währenddessen stand der Großvezier jenseit der Donau bei Babadagh im Lager, wo sich seine Armee durch Entsendungen u. Desertion bald bis auf 10,000 M. verminderte. Romanzow aber war von Jassy bis an den See Kagul vorgerückt u. General Essen griff das Lager des Seraskiers bei Giurgewo in der Nacht vom 17.–18. August u. dann wieder am 12. September vergebens an. Dagegen scheierten auch die Versuche des Pascha von Widdin gegen Bucharest, u. auch an anderen Orten zogen die Türken den Kürzern. Am 1. November eroberte General Weißmann die Stadt Babadagh, worauf sich der Großvezier nach Adrianopel zurückzog. Von da wendete sich Weißmann gegen Isakdscha u. eroberte es am 4. November, u. am Ende des Feldzugs war das ganze linke Donauufer in der Gewalt der Russen. In der Krim stürmte am 21. Juni der russische General Dolgoruki die Linien von Perekop, u. als der General Prosorowski am 8. Juli ein tatarisches Corps bei Szuwasch schlug, so capitulirte auch die Stadt Perekop. Dolgoruki schlug am 10. Juli den Seraskier der Krim bei Kaffa u. eroberte Kaffa, Kertsch, Jenikale u. Sutak fast ohne Schwertstreich. Der Khan floh nach Constantinopel u. die Krim unterwarf sich den Russen; aber ein Versuch Dolgorukis Oczakow u. Kinburn zu erobern wurde im August zurückgewiesen. An die Stelle des Großveziers Seliktar Muhammed trat nun Muhsinsade. Dieser nahm schon im December 1771 sein Hauptquartier in Schumla, indessen gelang es Preußen u. Österreich einen Waffenstillstand zu Wege zu bringen, welcher am 10. Juni 1772 abgeschlossen u. sechs Wochen später auch auf die Flotten ausgedehnt wurde. Im Juli 1772 versammelten sich zu Fokschani die Friedensabgeordneten, aber die Unterhandlungen scheiterten an den hohen Forderungen der Russen u. an dem Starrsinn der Ulemas, u. am 22. März 1773 löste sich der Congreß auf. Der Feldmarschall Romanzow wollte 1773 über die Donau gehen u. ließ daher den General Suworow mit einer Abtheilung der russischen Armee in der Walachei am, 10. Mai bis Turtukai u. andere Streifcorps bis Karassu vordringen. Mitte Mais sendete nun der Großvezier mehre Corps aus dem Lager von Schumla gegen die Donau ab. Aber wenn auch der Seraskier von Rustschuk den General Repnin bei Rustschuk schlug u. gefangen nahm so besiegte dagegen Weißmann am 8. Juni die Türken bei Karassu u. wendete sich nun gegen Silistria, während Romanzow bei Balia über die Donau setzte. Am 29. Juni ließ Romanzow Silistria u. das Lager bei dieser Stadt durch 3 Colonnen vergebens stürmen; die Türken machten einen glücklichen Ausfall u. Romanzow ging am 1.–8. Jui bei Kainardschi über die Donau nach der Walachei zurück. Auch Soltikow, welcher mit dem walachischen Armeecorps gegen Rustschuk vorgerückt war, erhielt Befehl zum Rückzug. Die Türken wollten Anfangs diese glücklichen Erfolge benutzen, gaben aber die Offensive auf, als Suworow am 4. September den Versuch Hirsowa wieder zu erobern vereitelte. Während nun Kamenskoi Rustschuk u. Potemkin Silistria einschloß, ging Dolgoruki mit 6000 M. bei Hirsowa über die Donau u. vereinigte sich am 27. October bei Karamurad mit dem General Ungern, welcher mit 4000 M. bei Babadagh gestanden hatte, u. am 28. October schlugen Beide ein türkisches Corps wieder bei Karassu; zwei Paschas wurden gefangen u. das verlassene Basardschik besetzt. Hierauf zog Dolgoruki gegen Schumla, Ungern gegen Varna; aber Erster wich schnell, als ein türkisches Corps gegen ihn anrückte, u. Ungern ging, nach einem mißlungenen Angriff auf Varna, nach Ismail in die Winterquartiere. Zur See war 1773 nichts von Bedeutung geschehen, u. ein Versuch Orlows auf Bodrun wurde von dem Kapudan Pascha zurückgewiesen.

Am 24. Dec. 1773 starb Mustapha III., u. sein Bruder Abdul Hamid folgte; er war 48 Jahr[35] alt u. hatte 43 Jahre im Kerker gelebt, war geistlos u. beschränkt u. wünschte den Frieden mit dem Großvezier u. dem Heer. General Romanzow zeigte an, daß er zur Wiederaufnahme der Unterhandlungen ermächtigt sei, aber die Ulemas bestanden darauf, daß die Abtretung türkischer Festungen gegen die Grundsätze des Islam streite. Ehe aber ein neuer Feldzug gegen die Russen begann, war es der Pforte gelungen die von den Russen unterstützten Empörungen des Ali Bei in Ägypten u. des Schah Tahir in Syrien zu unterdrücken. Im April 1774 eröffneten die Türken den Feldzug u. operirten gegen Hirsowa. Im Mai brach auch Kamenskoi von Ismail auf, warf den Vortrab des Reis Effendi von Basardschik zurück u. vereinigte sich am 18. Juni mit Suworow. Am 19. schlugen beide die Türken bei Kosludschy u. trieben dieselben über den Balkan nach Karnabad, wo eine Reserve von 8000 Mann stand, mit welcher der Großvezier sich in die Verschanzungen von Schumla zurückzog. Am 7. Juli erschien Kamenskoi vor dem Lager u. dehnte, um den Großvezier von Adrianopel abzuschneiden, seinen Flügel auf den, Schumla beherrschenden Höhen aus, ließ aber am 14. Juli den Balkanpaß bei Tschalykawak erobern u. den General Miloradowitsch in den Rücken der Türken an den Kamtschykfluß vorrücken, wodurch der Großvezier eingeschlossen war. Während Kamenskois Operationen gegen Schumla entschloß sich der Divan endlich zum Frieden u. schickte den Kiaja Beg u. den Reis Effendi, nachdem mehre frühere Friedensanträge nicht angenommen worden waren, mit ausgedehnter Vollmacht ab, u. diese schlossen 21. Juli 1774 den Frieden zu Kutschuk Kainardschi mit dem Fürsten Repnin ab. Die Freiheit der Tataren in der Krim, in Bessarabien u. am Kuban wurde ausgesprochen, nur sollte der Pforte in Sachen der Religion die Protection über dieselben als Muhammedaner bleiben; Kertsch, Jenikale, Asow u. Kinburn an die Russen abgetreten, u. so die Türken ihrer Hauptschutzwehren beraubt; zugleich stipulirte sich Rußland die freie Schifffahrt auf dem Schwarzen u. Mittelmeere u. die Protection der griechischen Confessionsverwandten im ganzen T. R.; die Pforte erhielt die Moldau u. Walachei zurück, übernahm aber die Verpflichtung die dortigen Christen mild u. gerecht zu behandeln; außerdem mußte die Pforte noch 4 Mill. Rubel Kriegskosten an Rußland bezahlen u. ihre Flotte sogleich aus dem Archipelagus zurückziehen. Polen, die Hauptursache des Kriegs, war gar nicht erwähnt. Dieser für Rußland so günstige Friede war eigentlich der Ausgangspunkt der Orientalischen Frage. Obgleich in diesem Frieden die Freiheit der Krim u. des Kuban ausdrücklich ausgesprochen u. im Vergleiche von 1779 von Neuem bestätigt war, erklärte dennoch am 3. April 1783 die Kaiserin Katharina II. durch ein Manifest beides für russische Provinzen, da sie ihr der Khan gegen ein Jahrgeld abgetreten habe, u. die Pforte mußte diese Besitznahme bestätigen. Sie erneuerte 1784 den Frieden mit Rußland u. hatte nichts dagegen, daß sich der Fürst Heraclius von Georgien dieser Macht unterwarf. Eben so nachgiebig zeigte sich die Pforte gegen den Kaiser von Österreich, an welches sie 1784 die Bukowina abtrat, ohne jedoch dadurch die 1787 erfolgende Zusammenkunft des Kaisers Josephs II. von Österreich mit der Kaiserin Katharina von Rußland in Cherson, welche offenbar gegen die Pforte gerichtet war, verhindern zu können. Die Verhandlungen in Cherson wurden aber der Pforte von den Gesandten Englands, Preußens u. Hollands im gefährlichsten Lichte dargestellt, u. sie erklärte daher am 24. August 1787 vielfacher Kränkungen wegen den Krieg an Rußland. Rußland war nicht gerüstet u. suchte durch Unterhandlungen Zeit zu gewinnen, u. da die Türken ebenfalls unvorbereitet waren, so beschränkten sie sich für dieses Jahr auf einen Versuch Kinburn wieder zu erobern. 1788 rückte Romanzow mit einem Heere bis an den Dnjester vor, während Repnin ein anderes zwischen Dnjeper u. Dnjester sammelte u. Potemkin in der Krim Anstalten traf Oczakow zu erobern; der Prinz von Nassau commandirte die russische Flotte im Schwarzen Meeree. Indessen hatte auch Kaiser Joseph II., nachdem ein österreichisches Corps in der Nacht vom 2. zum 3. Dec. 1787 einen vergeblichen Versuch gemacht hatte Belgrad zu überrumpeln, am 9. Febr. 1788 den Krieg an die Pforte unter dem Vorwand erklärt, daß diese seine Vermittelung abgelehnt habe, u. war mit dem Feldmarschall Lascy u. 200,000 Mann an der türkischen Grenze erschienen, welche von Kroatien aus bis zur Bukowina einen langen Cordon zogen. Der Großvezier Jussuf ließ von seiner 120,000 Mann starken Armee alle Festungen besetzen, behielt aber doch ein Corps stark genug, um die kaiserliche Linie überall zu durchbrechen. Zwar eroberte der Prinz von Koburg im Verein mit 10,000 Russen unter Soltikow am 30. Septbr. Choczim u. der Kaiser nahm Schabacz am 28. April mit Sturm, dagegen konnte der Fürst Liechtenstein in Kroatien nichts ausrichten u. erlitt vor Dubicza eine Schlappe. Während Joseph II. u. Lascy die Belagerung von Belgrad vorbereiteten, vereinigte sich der Großvezier im Juli mit dem Seraskier von Widdin u. rückten gegen die kaiserliche Hauptarmee vor. Joseph II. zog sich über die Save zurück, u. nun ging der Großvezier bei Kladova über die Donau, jagte das Corps des Generals Wartensleben von den Höhen bei Mehadia herab u. drang am 8. August ins Temesvarer Banat ein. Die Kaiserlichen hielten erst Stand, als der Kaiser mit 40,000 Mann bei Slatina zu Wartensleben gestoßen war. Hier griff der Großvezier seit 14. Sept. wiederholt das österreichische Lager an, u. am 20. Sept. traten die Österreicher den Rückzug nach Temesvar an, welcher bei Lugos in förmliche Flucht ausartete. Siebenbürgen schwebte in der größten Gefahr, aber durch das Vorrücken der österreichischen Flügelcorps wurde der Großvezier zum Rückzug nach Belgrad gezwungen, wohin ihm der Kaiser folgte, welcher sich bei Semlin wieder mit den früher dort zurückgelassenen 30,000 Mann vereinigte, aber im Novbr. 1788 einen Waffenstillstand auf drei Monate schloß. In Kroatien hatte Laudon den Fünften Liechtenstein abgelöst u. dort den Sachen eine andere Wendung gegeben. Am 28. Aug. hatte er Dubicza u. am 3. Oct. Novi erobert. In der Walachei ruhten die Waffen. Thätiger wurde der Krieg von den Russen in der Krim, wo Potemkin u. Suworow das Commando hatten, am thätigsten aber der Seekrieg geführt, wo der Prinz von Nassau die russische Ruderflotte u. der Contreadmiral Paul Jones die Segelflotte befehligte, u. der Kapudan-Pascha Hassan ihnen gegenüber stand. Ende Mais erschien Hassan mit 10 Linienschiffen u. sechs Fregatten vor Oczakow, nachdem er auf der hohen[36] See eine zweite Flotte von acht Linienschiffen u. acht Fregatten zurückgelassen hatte. Aber er wurde in mehren Gefechten vom 27. Juni bis 1. Juli, dann nochmals vom 1. u. 2. Aug. geschlagen, hielt aber doch bis zum Oct. die See, worauf er nach Constantinopel zurückkehrte. Potemkin hatte sein Heer Ende Juni bei Sokoli gesammelt u. erschien Anfang Augusts vor Oczakow, um diese Festung zu belagern, welche er aber erst am 17. Dec. durch Sturm nahm, worauf er die Werke schleifen ließ. Der Großvezier Jussuf eröffnete schon früh den Feldzug von 1789 gegen die Österreicher; indem er an der Niederdonau eine Beobachtungsarmee gegen die Russen stehen ließ, ging er mit 90,000 Mann im März bei Rustschuk über dieselbe u. drang gegen Hermannstadt vor. Die österreichische Hauptarmee gegen ihn commandirte der Feldmarschall Haddik, während Laudon in Kroatien den Befehl führte.

Es waren die günstigsten Aussichten für die Türken, als Abd-ul-Hamid 7. April 1789 st. u. Selim III. den Thron bestieg. Dieser, ein Sohn Mustaphas III., aber von seinem Oheim Abd-ul-Hamid sorgfältig erzogen, rief den Großvezier Jussuf zurück u. an dessen Stelle trat Kustschuk-Hassan, welcher aber seinem Vorgänger an Talent u. Erfahrung weit nachstand. Dieser führte das türkische Heer über die Donau zurück, u. da bald darauf Haddik die Armee verließ, so erhielt Laudon, welcher am 9. Juli Berbir (Gradiska) erobert hatte, den Oberbefehl. Dieser ließ den General Clairfait bei Semlin zurück u. rückte vor Belgrad (14. Sept.), das sich ihm am 9. Oct. ergab, worauf er auch Semendria eroberte u. Neu-Orsowa blockirte. Eben so glücklich als Laudon, hatte in diesem Feldzuge der Prinz von Koburg im Verein mit Suworow gefochten u. den Seraskier am 31. Juli bei Fokschani u. den Großvezier am 22. Sept. bei Martinjesty geschlagen. Die russische Hauptarmee unter Potemkin hatte am 1. Mai 1789 Galacz erobert u. den Kapudan-Pascha Hassan, welcher das türkische Landheer in Bessarabien commandirte, bei Tobacz geschlagen; am 13. Oct. capitulirte Akjerman u. am 15. Bender. Im Jahre 1790 wurde der Krieg Anfangs lässig geführt; die Fortschritte der Russen hatten die westlichen Mächte bedenklich gemacht, u. um die Türkei nicht Rußland preiszugeben, hielten England, Österreich u. Preußen eine Conferenz in Reichenbach (s.d. 3) wegen Erhaltung der Türkei u. schlossen hier am 27. Juli die darauf bezügliche Convention. Deshalb zog sich auch Suworow, welcher sich am 15. Aug. mit dem Prinzen von Koburg vereinigt hatte, nach Kilia zurück u. blieb hier bis zu Ende Sept. Der Admiral Ribas aber lief mit der Ruderflotte in die Donau ein u. eroberte Tuldscha; sein Bruder bemächtigte sich der Stadt Isakdscha u. General Müller belagerte in der Mitte Sept. Kilianow, welche Festung sich am 15. Oct. an den General Gudowitsch ergab. Anfangs Nov. rückte dieser vor Ismail u. durch 40,000 Mann unter Suworow verstärkt, ließ er durch die Donauflotille die Stadt von der Wasserseite einschließen u. beschießen u. nahm sie am 22. Dec. mit Sturm. Über 30,000 Türken nebst dem Seraskier u. fünf Paschas blieben hierbei. In Folge der Reichenbacher Convention schloß der Kaiser Leopold II. am 23. Sept. einen Waffenstillstand mit den Türken. Um vorteilhaftere Bedingungen zu erzielen, ließ er noch vorher Widdin u. Giurgewo belagern, aber im Sept. sprengten die Türken die Linien der Kaiserlichen vor Giurgewo u. zwangen sie zur Aufhebung der Belagerung. Im Nov. 1790 versammelten sich hierauf türkische u. österreichische Bevollmächtigte, u. es kam am 4. Aug. 1791 mit Österreich der Friede zu Sistowa auf dem Status quo zu Stande. Gegen Rußland, welches den angebotenen Frieden nicht angenommen hätte, setzten die Türken den Krieg fort. Der Großvezier brach gleich nach Ismails Fall von Schumla gegen Rustschuk auf u. verstärkte die Besatzungen von Braila, Silistria u. Barna. Im Januar 1791 vereinigten sich die Generale Kutusow u. Galyzin, gingen am 6. April über die Donau, verjagten 18,000 Türken aus Matschin u. besetzten am 8. diese Stadt, wurden aber vor Braila am 12. April geschlagen u. zum Rückzuge nach Galacz genöthigt; auch gelang den Türken der Überfall zu Hirsowa am 25. Jan. Repnin erschien am 10. Juli mit 30,000 Mann vor dem türkischen Lager von Matschin, eroberte dasselbe u. zwang den Großvezier zum Rückzug nach dem Balkan. Kurz zuvor hatten die Russen auch in der Asiatischen Türkei Fortschritte gemacht u. am 3. Juli Anapa erobert. Zwar besiegte am 19. Juli der Kapudan-Pascha die russische Flotte unter dem Admiral Uschakow im Schwarzen Meer bei Jenikale, erlitt aber hier auch am 9. u. 11. Sept. eine Niederlage. Unterdessen hatten im August Friedensunterhandlungen mit Rußland zu Galacz begonnen, welche später in Jassy fortgesetzt wurden u. am 19. Jan. 1792 kam der Friede zu Jassy mit Rußland zu Stande. Die Türken traten Oczakow u. das Land am linken Ufer des Dnjesters ab, so daß dieser von nun an die Grenze bildete.

In Ägypten hatten sich unterdessen die Mamlukenbeis u. in Aleppo die Janitscharen empört, der Pascha von Bagdad wollte den erblichen Besitz seiner Provinz erzwingen, auch die andern Paschas in Asien versagten den Gehorsam u. in Europa hielten die Paschas die Einkünfte nach Gutdünken zurück. Um mehr Ordnung u. Festigkeit in die innere Regierung zu bringen, führte Selim III. einen Staatsrath von 12 Mitgliedern ein, wodurch die Gewalt des Großveziers beschränkt u. selbst durch gesetzliche Formen gebunden wurde. Eine Menge Neuerungen gingen nun vom Reis Effendi Raschid aus; die Wissenschaften wurden begünstigt, die in Verfall geratenen Buchdruckereien wieder in Thätigkeit gesetzt, zur Herstellung der Seemacht eine Ingenieurakademie unter Leitung französischer Offiziere gestiftet, neue Gieß- u. Zeughäuser errichtet u. die Arbeiten auf den Schiffswerften eifrig betrieben. Hierauf ließ Selim III. durch eine Commission (Nizam Dschedid) die europäische Disciplin u. Bewaffnung bei den Truppen einführen, u. weil die Janitscharen sich hiergegen sträubten, so beschloß der Staatsrath die Aufhebung derselben u. machte damit in den Grenzprovinzen den Anfang. Die deshalb in Belgrad u. mehren Orten ausgebrochenen Unruhen wurden zwar bald gedämpft, nicht aber in Widdin, wo Paswan Oglu, verletzt durch die Confiscation seiner väterlichen Güter, sich an die Spitze der Janitscharen stellte, mit den Einwohnern von Widdin den Pascha Vertrieb u. sich offen empörte. Der Staatsrath bewilligte zwar dem Paswan Oglu Verzeihung u. Ersatz für die eingezogenen Güter, aber dieser behielt die Gewalt in den Händen, forderte das Paschalik von Widdin für sich u. griff, als dieses ihm verweigert wurde, 1797 aufs Neue zu[37] den Waffen. Er besiegte überall die Truppen der Pforte u. bemächtigte sich mehrer Städte an der Donau; selbst der gegen ihn ausgesandte Kapudan-Pascha Hussein konnte nichts gegen ihn ausrichten, u. die Pforte schloß am 28. Oct. 1798 einen Vertrag mit ihm u. bewilligte ihm das Paschalik von Widdin. Zu dieser Nachgiebigkeit sah sich die Pforte bes. durch den Krieg veranlaßt, in welchen sie unerwartet u. unvorbereitet mit Frankreich verwickelt wurde, als Bonaparte im Juli 1798 Ägypten besetzte. Die Kriegserklärung der Pforte erfolgte am 10. Sept., u. am 23. Dec. 1798 u. 5. Jan. 1799 schloß sie Bündnisse mit Rußland u. England. Wenig leisteten die Türken in Ägypten, mehr in Syrien, wo sie sich in St. Jean d'Acre tapfer hielten, u. endlich wurden die Franzosen durch die Engländer u. Türken gezwungen Ägypten 1801 zu räumen, s.u. Französischer Revolutionskrieg S. 653 f. Kaum war dieser Krieg durch den Frieden zu Paris, am 25. Juni 1802, beendigt, als der Aufstand der Serbier unter Czerny Georg der türkischen Regierung neue Unruhen bereitete. Die Serbier bekamen die Oberhand, Czerny Georg belagerte Belgrad u. eroberte am 13. Dec. 1806 die Stadt u. am 30. Jan. 1807 auch die Citadelle, s.u. Serbien S. 868. Bei dem erneuerten Kriege zwischen Frankreich u. Rußland 1805 suchten beide Mächte die Pforte für sich zu gewinnen. Der Diwan hatte sich zwar, durch russischen u. britischen Einfluß bewogen, Anfangs geweigert Napoleon als Kaiser anzuerkennen, aber nach der Schlacht bei Austerlitz stieg Frankreichs Ansehen so, daß 1806 die Anerkennung Napoleons erfolgte u. den russischen Schiffen der Durchgang durch das Schwarze Meer gesperrt wurde. Als nun im August d. J. General Sebastiani als französischer Gesandter nach Constantinopel kam, wurde die französische Partei im Diwan bald überwiegend; die für Rußland gestimmten Hospodare der Walachei u. Moldau, Ypsilanti u. Morusi, wurden abgesetzt, obgleich der russische Botschafter erklärte, daß er die Absetzung als einen Kriegsfall ansehen müsse, u. am 20. Dec. 1806 wurde von den, Türken der Krieg gegen Rußland erklärt. Während aber Rußland mit den Franzosen in einen nachtheiligen Krieg verwickelt war, hatte der Großherr mit den Serbiern zu kämpfen, war Ägypten u. Arabien in Aufstand, herrschte in Rumelien u. Bulgarien Anarchie, kühne Räuber bedrohten selbst Adrianopel u. Ali-Pascha von Janina schaltete in Macedonien ganz als eigener Herr. Schon vor der Kriegserklärung hatte im November eine russische Armee unter Michelsen, Essen u. Richelieu Choczim u. Bender eingeschlossen u. am 29. Nov. Jassy besetzt; am 23. Decbr. schlug Michelsen ein türkisches Corps bei Grodau u. besetzte am 27. Bucharest. Der britische Botschafter in Constantinopel übernahm zwar noch einmal das Geschäft eines Vermittlers u. drang auf Entfernung des französischen Gesandten, da aber sein Vorschlag abgelehnt wurde, so verließ er am 25. Jan. 1807 Constantinopel u. am 18. Febr. segelte der britische Admiral Dukworth mit 5 britischen Linienschiffen u. 3 Fregatten durch die Dardanellen, verbrannte auf der Höhe von Galipoli eine türkische Escadre u. erschien am 20. Febr. vor Constantinopel, kehrte aber, da der Diwan erklärte, daß er erst weiter unterhandeln wolle, wenn die britische Flotte das Marmormeer verlassen habe, am 1. März nach Tenedos zurück. Da die Pforte dem russischen Heere nur schwache Streitkräfte entgegensetzen konnte, so vermochte sie Michelsen nirgends zu widerstehen u. die Vereinigung der Russen mit den Serbiern, am 7. Juni bei Groß-Ostrowa, nicht zu hindern. Am 19. Juni erstürmte ein Corps der Verbündeten die türkischen Verschanzungen bei Malainitza, während die russische Hauptarmee sich gegen Giurgewo u. Ismail wendete. Hier aber erschienen in der Mitte Juli der russische Fürst Wollinski u. der französische Oberst Guilleminot mit der Nachricht von dem Frieden zu Tilsit im russischen Hauptquartier, in dessen Folge zwischen Rußland u. der Pforte ein Waffenstillstand eintreten sollte, welcher am 24. August auf dem Schlosse Slobosia bei Giurgewo bis zum 8. April 1808 abgeschlossen wurde u. worin die Russen versprachen die Fürstenthümer binnen 36 Tagen zu räumen, was aber nicht geschah u. was zu dem Ausbruch eines neuen Krieges führte. Der Seekrieg war ebenfalls für die Türken sehr unglücklich ausgelaufen; am 4. April war die türkische Flotte bei Tenedos von dem russischen Admiral Siniävin, geschlagen u. jene Insel erobert worden; die Türken hatten 5 Linienschiffe u. 3 Fregatten verloren; am 1. Juli verloren sie in der Seeschlacht bei Lemnos von 22 Schiffen 9; aber auch Siniävin segelte nach der Schlacht, nachdem er die Werke von Tenedos hatte zerstören lassen, nach Korfu zurück. In der Asiatischen Türkei hatten die Russen am 24. April Anapa erobert u. am 18. Juni 1807 den Seraskier von Erzerum am Flusse Arbatschei geschlagen. Auch hier machte der Waffenstillstand den Feindseligkeiten ein Ende.

Als der Großvezier Ibrahim 1807 gegen Rußland zu Felde zog, kam eine Verschwörung gegen den Sultan u. bes. den Nizam Dschedid zum Ausbruch. Der Kaimakam stellte sich an deren Spitze, vertrieb am 25. Mai die neuen Soldaten aus den Dardanellen, drang in Constantinopel ein u. entsetzte am 31. Mai Selim III. u. erhob Mustapha IV., einen Sohn Abd-ul Hamids, auf den Thron, welcher sogleich die Einrichtungen seines Vorgängers wieder abschaffte u. sich dem französischen Interesse geneigt zeigte, ohne aber den Krieg gegen Rußland mit Nachdruck zu führen. Als der Pascha von Rustschük, Mustapha Bairakdar, im Juli 1808 eine Gegenrevolution machte, um Selim III. aus dem Kerker wieder auf den Thron zu führen, ließ Mustapha IV. den Sultan Selim 28. Juli ermorden, Bairakdar aber entsetzte nun Mustapha IV. u. erhob dessen Bruder Mahmud II. am 28. Juli auf den Thron. Mahmud II., 22 Jahre alt u. der einzige noch übrige Fürst aus Osmans Geschlecht, war heftig u. zur Grausamkeit geneigt, doch auch thätig u. auf Verbesserungen bedacht. Er ernannte Mustapha Bairakdar zum Großvezier u. wollte mit ihm die Verbesserungen des Heeres vollenden; doch die Janitscharen erregten am 14. Nov. 1808 einen Aufstand, in welchem Mustapha Bairakdar gedrängt, sich 16. Nov. mit den Seinigen in einen Thurm des Serails zurückzog u. sich hier mit ihnen in die Luft sprengte; Mustapha IV. wurde aber hierauf im Kerker getödtet. Um die Ruhe herzustellen, mußte Mahmud II. die Abschaffung der eingeführten Verbesserungen bestätigen. Im Anfange nahmen die inneren Angelegenheiten seine Thätigkeit allein in Anspruch. Am 5. Jan. 1809 hatte die Pforte in Constantinopel mit England Frieden geschlossen u. im Februar war endlich ein Friedenscongreß zu Jassy mit Rußland eröffnet[38] worden. Die russischen Bevollmächtigten forderten aber als Basis für die Präliminarien die Abtretung der Moldau u. Walachei, so wie die Entfernung des britischen Gesandten aus Constantinopel; Bedingungen, welche die türkischen Unterhändler verweigerten u. worauf sie Jassy verließen. Der Diwan erließ nun sogleich ein Kriegsmanifest u. erklärte den Krieg für einen heiligen. Jussuf Pascha wurde zum Großvezier ernannt u. in der Asiatischen Türkei ein Aufgebot erlassen. Bevor aber der Großvezier etwas unternehmen konnte, hatte der in der Moldau stehende russische General Prosorowski schon Befehl zum Vorrücken erhalten; seine Avantgarde unter Miloradowitsch hatte ein türkisches Corps bei Slobosia geschlagen u. Giurgewo eingeschlossen, aber jetzt verhinderte das Anschwellen der Flüsse den Fortgang aller Operationen, welche hier erst am 27. Juli durch den Übergang der Russen über die Donau bei Galacz wieder begannen. In Serbien hatte Czerny Georg, von einem russischen Corps unter dem General Nenadowitsch unterstützt, einen Angriff der Türken auf Sisakowa zurückgewiesen, war dann am 29. Juli über die Kolubra gegangen u. hatte die Türken bis zur Drina zurückgetrieben. An der Nieder-Donau hatte General Saß Isakdscha eingeschlossen, während die russische Donauflotille Ismail umgab u. Miloradowitsch Giurgewo vom 5. Aug. an blockirte. Der General Saß nöthigte Ismail sich am 26. Sept. zu ergeben, bald darauf fielen auch Matschin u. Hirsowa u. blos in Silistria leisteten die Türken Widerstand. Der Großvezier sendete den Pascha Pechliwan mit 15,000 Mann zum Entsatz dieser Festung ab, Bagration aber, welcher an des gestorbenen Prosorowski Stelle getreten war, ging ihm entgegen, zog sich jedoch nach der Kanonade bei Tatariza am 3. Nov. bei Hirsowa über die Donau zurück u. beendigte den Feldzug. In Asien hatten die Russen am 14. Nov. Poti erobert. Während des Winters auf 1810 waren neue Friedensversuche gemacht u. in Bucharest Unterhandlungen gepflogen worden, aber an der Forderung des Kaisers von Rußland, daß die Türken die Moldau u. Walachei abtreten sollten, scheiterten auch diese. Die Russen standen mit 8 Divisionen in Bessarabien, der Moldau u. Walachei, konnten den Serbiern die Hand bieten u. hatten Ismail, Hirsowa u. Matschin besetzt. Die Türken dagegen sammelten sich in dem festen Lager bei Schumla u. waren noch im Besitz mehrer Festungen auf beiden Donauufern. Das türkische Heer wurde von dem Großvezier Jussuf befehligt, an Bagrations Stelle aber kam der General Kamenskoi II. Gegen Ende Mai gingen die Russen in 4 Corps vorwärts. Während Kamenskoi II. selbst mit Langerons Corps Silistria einschloß, wendete sich Saß gegen Turtukai u. bombardirte es u. Kamenskoi I. mit dem 4. Corps unter Markow marschirte am 27. Mai auf Basardschik u. nahm diese Stadt am 3. Juni mit Sturm. Indessen blockirte Saß Rustschuk u. Langeron zwang Silistria am 11. Juni zu capituliren. Kamenskoi II. brach hierauf mit dem Langeronschen Corps gegen Schumla auf, wohin er auch die Corps von Kamenskoi I. u. Markow befehligte, besetzte Jenibazar u. griff am 23. Juni den Großvezier auf den Anhöhen von Schumla an, gab jedoch seit dem 25. den weiteren Angriff auf u. ging in eine Blockade über, um Schumla abzuschneiden; da aber am 7. Juli von Adrianopel her eine große Karavane wohlbehalten bei dem Großvezier ankam, so hob Kamenskoi II. die Blockade auf, übertrug seinem Bruder, Kamenskoi I., die Beobachtung des Veziers u. zog selbst mit dem größten Theile der Armee vor Rustschuk, wo Bosniak Aga commandirte u. welches Saß eingeschlossen u. am 21. Juli vergebens gestürmt hatte. Als Kamenskoi II. ankam, erhielt Saß den Oberbefehl auf dem linken Donauufer, wo er Giurgewo einschloß; Kamenskoi II. selbst aber blieb auf dem rechten Ufer, ließ die Donauinseln besetzen u. am 3. Aug. Rustschuk stürmen, konnte es aber auch nicht erobern. Gleich nach dem Abmarsche Kamenskois II. war Langeron, welcher den rechten Flügel der Belagerungsarmee commandirte, am 20. Juli von dem Seraskier von Braila, Achmet Effendi, bei Kadikioi u. Kamenskoi I. vom Großvezier unweit Tschesmelä erfolglos angegriffen worden; kurz darauf zogen sich die Russen nach Aflotar zurück, während Markow sich bei Karassu aufstellte u. Varna beobachtete, Langeron aber mit zur Belagerungsarmee vor Rustschuk gezogen wurde. An der Jantra, zwischen Kriwena u. Sistowa, sammelten die Söhne Ali Paschas von Janina, Muktar- u. Weli-Pascha, eine Armee von 40,000 Mann u. bezogen eine starke verschanzte Stellung, während der Großvezier über Rasgrad die russische Armee zu umgehen drohte. Um diesem zu begegnen, sollte der bei Krasna u. Tschernawoda aufgestellte General Kulnief gegen die türkischen Stellungen vorrücken; aber in Folge des Gefechts bei Bjela zog sich Kulnief zurück, die Paschas aber rückten bis Kriwena (Battin), 4 Meilen oberhalb Rustschuk vor, wo sie am 19. August ein Lager bezogen. Hierher folgte ihnen Kamenskoi II., nachdem er den General Woinow von Silistria an sich gezogen hatte, u. schlug hier die Türken am 7. Sept. gänzlich. Das türkische Lager war erobert, der Seraskier todt, Achmet-Pascha ergab sich am andern Morgen mit dem Rest des türkischen Heeres, die nach Rustschuk bestimmte türkische Proviantflotille wurde zum Theil erobert u. der Rest nach Sistowa zurückgejagt, wo er dem General St. Priest in die Hände fiel. Kamenskoi II. kehrte hierauf vor Rustschuk zurück, welches mit Giurgewo am 26. Sept. capitulirte u. nach 14 Tagen übergeben wurde. Nachdem Kamenskoi II. am 27. noch Nikopolis mit dem gegenüberliegenden Turna in Übergabe empfangen hatte, trat er den Rückmarsch in die Walachei an u. nahm sein Hauptquartier in Bucharest. Nur Essen blieb mit einer Division an der Donau, zu Rustschuk, Silistria u. Nikopolis, zurück. Der General St. Priest unternahm Mitte Januar 1811 einen Streifzug gegen den westlichen Balkan, eroberte Plewna u. nahm Loftscha mit Sturm.

Die gespannten Verhältnisse Rußlands zu Frankreich hatten die Abberufung von vier Infanteriedivisionen zur Folge, von denen zwei nach Podolien zogen, zwei aber am Pruth u. Dnjestr in Reserve blieben. An Kamenskois II. Stelle trat im März 1811 Kutusow als Obergeneral; er theilte die noch aus vier Infanterie- u. zwei Cavalleriedivisionen bestehende Armee in vier Corps, von denen das erste unter Langeron am Saborafluß die Mitte bildete; den rechten Flügel in der Kleinen Walachei bei Krajowa befehligte Saß u. dessen Spitze in Serbien General Orurk; den linken in der Großen Walachei bei Obileschte Woinow; das vierte Corps, unter Essen III., hatte in Rustschuk überwintert. Kutusow, auf die Defensive beschränkt, berief St. Priest von Loftscha zurück, ließ Nikopoli u. Silistria[39] schleifen u. behielt blos Rustschuk besetzt. Bei den Türken war an Jussufs Stelle der Seraskier von Braila, Achmet, Großvezier geworden; er stellte sich im Juni an die Spitze der 60,000 M. u. 78 Geschütze starken, in dem Lager bei Schumla versammelten Armee u. wollte Rustschuk wieder erobern. Kutusow aber ließ bei dessen Annäherung das Langeronsche Corps nach Giurgewo marschiren, ging dann am 1. Juli über die Donau u. stellte sich eine Stunde jenseit Rustschuk auf der Straße nach Rasgrad mit 18,000 M. auf. Hier griff ihn am 4. Juli der Großvezier mit 50,000 M. an, zog sich aber darauf in sein Lager zurück. Aber auch Kutusow trat in der Nacht den Rückzug an u. räumte Rustschuk am 5. Juli. Bosniak Aga nahm sogleich wieder Besitz von Rustschuk, während der Großvezier in dessen Umgebungen ein Lager bezog. Kutusow u. Langeron blieben in Giurgewo, Essen beobachtete Turtukai u. ein Corps setzte sich bei Turna fest. In der Nacht vom 8. zum 9. Sept. ging der Großvezier oberhalb Rustschuk über die Donau, u. am 14. Sept. standen bereits 30,000 Türken mit 50 Kanonen verschanzt am linken Donauufer, u. auf dem rechten Ufer befanden sich ebenfalls zwei verschanzte Lager. Aber während der Großvezier seinen Angriff auf die Russen verzögerte, erhielt Kutusow Verstärkung vom Pruth u. Dnjestr u. theilte jetzt die Armee in zwei große Corps, von denen das erste von Markow, das zweite von Essen III. befehligt wurde, Langeron aber ernannte er zu seinem Lieutenant. Vom 18. Sept. bis 2. Oct. griffen die Türken wiederholt die russischen Verschanzungen vergebens an. Dagegen eroberte Markow am 12. Oct. das Lager am rechten Donauufer, worauf der Großvezier aus dem Lager am linken Ufer sich eiligst flüchtete u. dem Pascha Tschapan-Oglu den Befehl über die Armee auf dem linken Stromufer übertrug. Die Lage dieses Corps wurde bald verzweifelt, da es rings von Feinden umgeben u. aus 200 Kanonen beschossen wurde (die russische Flotille war auch herbeigekommen), als am 28. Oct. in Folge der Eröffnung des Friedenscongresses zu Giurgewo die Feindseligkeiten eingestellt wurden. Am 8. Dec. streckten, vermöge einer Übereinkunft, die Türken auf dem linken Donauufer die Waffen u. wurden an der Olta in Cantonirung gelegt. In der Kleinen Walachei erhielt Ismael-Bei im August fortwährend Verstärkungen; aber dennoch nöthigte ihn General Saß endlich zum Rückzug über die Donau. Kutusow hatte im Winter von 1811 sein Hauptquartier u. den Friedenscongreß nach Bucharest verlegt. Die Unterhandlungen zogen sich in die Länge, denn die Pforte wollte nicht in Rußlands Forderungen willigen, da die Verhältnisse mit Frankreich immer gespannter wurden. Um ein Ende zu machen, kündigte Kutusow am 19. Jan. 1812 den Waffenstillstand auf u. schickte am 13. Febr. ein russisches Corps über die Donau, welches gegen Süden vordrang, aber wegen eintretenden Thauwetters sich bald wieder über die Donau zurückzog. Bald darauf knüpften die türkischen Abgeordneten die Unterhandlungen wieder an, u. am 28. Mai schloß Admiral Tschitschakow den Frieden zu Bucharest ab. Der Pruth wurde jetzt die Grenze Rußlands u. der Türkei, in Asien blieb Alles beim Alten u. den Serbiern wurde Amnestie versprochen.

Während dieses Krieges hatte ein blutiger Kampf zwischen den türkischen Paschas u. den Wechabiten (s.d.) in Arabien statt gehabt u. Letztere waren 1811 von dem Vicekönig von Ägypten besiegt worden. Seitdem leitete der Günstling des Sultans, Haled-Effendi, die Staatsgeschäfte u. bereitete die Maßregeln zur allmäligen Aufhebung der Janitscharen vor. Er gewann zu dem Zweck einige ihrer Häupter durch Geschenke u. Ehrenstellen, andere ließ er aus dem Wege räumen, die übrigen entzweite er unter einander u. schwächte sie auf alle Weise. Auch die Paschas demüthigte er u. beschränkte ihre Macht; nur Ali-Pascha von Janina u. Mehemed-Ali von Ägypten behaupteten durch richtige Tributzahlungen u. durch Klugheit ihre Stellung. Die Wechabiten schlug im Oct. 1818 Ibrahim, der Pflegesohn des Paschas von Ägypten, bei Drehijeh u. zertrümmerte nach dem Falle ihres Hauptes Abdallah ihre Macht für immer. 1821 brach der Aufstand der Griechen aus (s. Griechischer Freiheitskampf S. 618 ff.). Die Pforte konnte nicht kräftig gegen die Griechen auftreten; denn ein fortdauernder Aufstand des Pascha Ali von Janina u. ein ausbrechender Krieg mit Persien hielt sie in Schach. Indessen besiegte Khurschid-Pascha den Ali Pascha im Febr. 1822 u. wendete nun seine Macht gegen die Griechen. Rußland suchte vermittelnd einzuschreiten, wodurch zwischen dieser Macht u. der Pforte. Mißhelligkeiten entstanden, welche England u. Österreich beizulegen sich bemühten. Unterdeß kämpften die Griechen, auf Morea concentrirt u. von den Freunden ihrer Sache aus allen europäischen Ländern durch Freiwillige, Waffen u. Geld unterstützt, mit glücklichem Erfolg, erfochten mehre Vortheile über die türkischen Paschas, nahmen 1823 Athen, Napoli di Romania u. waren bes. zur See glücklich, wo sie 1821–1823 mehre Siege errangen (s. ebd. S. 620 f.). Durch die Griechischen Unruhen hatten die Janitscharen im Diwan großen Einfluß erhalten, auf ihr Verlangen mußte der Sultan seinen Rathgeber Haled-Effendi aufopfern, auch mehrmals die Großveziere u. andere hohe Reichsbeamtete hinrichten lassen. Die Finanzen waren gänzlich zerrüttet. Am 23. Juli 1823 wurde mit Persien der Friede zu Erzerum geschlossen. Gegen die Griechen berief endlich die Pforte den Pascha von Ägypten, welcher im Febr. 1825 20,000 M unter Ibrahim Pascha in Morea landen ließ. Dieser eroberte die ganze Halbinsel (s. ebd. S. 623). Nach dem Tode des Kaisers Alexander von Rußland vereinigte sich der Kaiser Nikolaus am 4. April 1826 in Petersburg mit England zur Vermittlung der Griechischen Sache. Ausdrücklich hatte sich aber Kaiser Nikolaus ausbedungen, daß die Behandlung der russisch-türkischen Angelegenheiten völlig unabhängig hiervon u. ohne Einmischung fremder Mächte geschehen sollten. So kamen Seid Mehemed Hadi Effendi u. Seid Ibrahim Iffet Effendi am 5. Aug. in Akjerman an, wo sich schon Fonton, Woronzow u. Ribeaupierre russischer Seits befanden, u. am 6. Oct. 1826 wurde der Vertrag von Akjerman abgeschlossen, in welchem die genaue Vollziehung des Friedens von Bukarest nochmals versprochen wurde. Rußland erhielt freie Schifffahrt für seine Flagge auf dem Schwarzen Meere u. Sicherheit gegen die Barbaresken, Errichtung von Diwans in der Moldau u. Walachei, Wiedererwählbarkeit der dortigen Hospodare nach ihrer siebenjährigen Verwaltung, Herstellung der Privilegien Serbiens, wo die Türken blos die Festungen besetzt halten sollten, Anerkennung der durch eine gemischte Commission[40] zu liquidirenden Privatforderungen der russischen Unterthanen; die Grenzbestimmung vom 2. Sept. 1817 an der Donau wurde anerkannt; die asiatischen Grenzen sollten bleiben, wie sie bestanden. Der zum russischen Botschafter bei der Pforte bestimmte Marquis von Ribeaupierre begab sich sodann nach Constantinopel, um die Vollziehung jener Convention zu betreiben u. vorzüglich den Unterhandlungen sich anzuschließen, welche der britische Botschafter daselbst in Betreff Griechenlands bereits eingeleitet hatte.

Noch vor dem Abschluß dieses Vertrages führte Sultan Mahmud II. die längst beschlossene Aufhebung der Janitscharen aus u. errichtete an ihrer Stelle ein neues, auf europäische Weise gebildetes Heer (Askeri Muhemidije), in welches einzutreten er die Janitscharen durch erhöhten Sold u. andere Vortheile zu bewegen suchte, doch in der Nacht auf den 15. Juni 1826 erregten sie einen Aufstand, stürmten das Haus ihres Aga, mordeten dessen Familie u. plünderten mehre Häuser der Großen u. den Pfortenpalast. Mahmud hatte unterdessen den Hussein-Pascha mit den neuen Truppen u. mit den Artilleristen nach Constantinopel berufen u. ließ nun die Kasernen der Empörer durch Artilleriefeuer angreifen u. ihre Kasernen verbrennen. Drei Tage dauerte der Kampf, u. nur die Aufsteckung der Fahne Muhammeds, das Zeichen für alle Moslems sich unter derselben zu scharen u. zu fechten, entschied den Sieg. Über 7000 Janitscharen blieben. Am 17. Juni wurden die Janitscharen definitiv aufgehoben, der Großmufti belegte ihren Namen auf ewig mit dem Fluch u. verbot jedem Moslem ihren Namen nur zu nennen. Ein furchtbares Blutgericht wurde darauf gehalten u. Ende Juli waren schon 16,000 Strafbare od. Verdächtige hingerichtet, 30,000 aber nach Asien verbannt. Auch die Jamaks, die Besatzung der Dardanellen, wurden, blos weil sie gefährlich schienen, entwaffnet u. 1000 niedergehauen, 3000 auf die Flotte geschleppt. In Constantinopel aber herrschte allgemeine Unzufriedenheit, welche sich am 31. August durch die Anlegung einer Feuersbrunst kund gab, wobei fast alle Paläste der Großen u. gegen 6000 Häuser verzehrt wurden. Um die Gemüther zu beruhigen, gab der Sultan mehre Polizeigesetze. Den Rajahs wurde eine strenge Kleiderordnung vorgeschrieben u. eine Sicherheitspolizei nach Art der französischen eingeführt. Dagegen wurde die Eröffnung von 2000 Wein u. Branntweinschenken erlaubt, allen Proselyten aber die Beschneidung erlassen u. das Weintrinken gestattet u. beides durch Fetwas des Großmufti gebilligt. Aber desto heftiger wurden die Complotte u. Brandstiftungen der echten Moslems. Endlich wurde am 22. October auch eine weitverzweigte Verschwörung entdeckt; die heimlichen Anhänger der Janitscharen, od. welche man für solche hielt, wurden überfallen u. nebst ihren Anhängern niedergemetzelt. Gleichzeitig entstanden in mehren Provinzen gefährliche Empörungen. In Bagdad erhob sich der Georgier Muhammed-Kiaja; der Pascha schlug zwar die Aufrührer mit gewaffneter Hand, konnte dieselben aber keineswegs unterwerfen. In Epirus u. Macedonien erhob sich die christliche Bevölkerung, mordeten die türkischen Beamten u. flüchteten in die Gebirge, von wo aus sie einen Raubkrieg gegen die Türken führten. In Kairo brach ein Aufruhr gegen den Vicekönig aus, welchen dieser zwar dämpfte, aber davon den Vorwand hernahm dem Sultan die geforderte Truppenverstärkung nach Morea abzuschlagen. In Griechenland waren die türkischen Waffen auch 1826 glücklich; Missolunghi u. Athen wurden erobert u. die gänzliche Bezwingung u. Vernichtung der Griechen stand nahe bevor, als sich endlich 1827 die europäischen Großmächte zur Vermittelung entschlossen, zu welchem Zweck am 6. Juli 1827 der Vertrag zu London zwischen Frankreich, England u. Rußland zu Stande kam, durch welchen die drei Mächte den Frieden zwischen der Pforte u., den Griechen zu bewirken sich verpflichteten. Ihren auch von Österreich u. Preußen unterstützten Antrag zum Waffenstillstand wies der Sultan in einem Tone zurück, daß die Gesandten Constantinopel verließen u. sich am Bord segelfertig in Hafen liegender Schiffe begaben. Als der Sultan die Nachricht von der Vernichtung der türkisch-ägyptischen Flotte in der Schlacht bei Navarin am 20. October durch die englisch-russisch-französische unter dem englischen Admiral Codrington am 1. Nov. erhielt, gerieth er in solchen Zorn, daß es nur den Bemühungen des österreichischen u. preußischen Gesandten gelang die Vergießung von Strömen Christenbluts in Constantinopel zu verhindern, u. am 3. November erklärte der Reis-Effendi den Dragomans der Gesandten der drei Mächte, daß ihre Anwesenheit in Constantinopel der Pforte gleichgültig sei. Der Diwan annullirte schon an 5. November alle Verträge mit England, Rußland u. Frankreich u. hierauf erklärte der Reis-Effendi dem österreichischen Internuntius, daß an Herstellung des Friedens blos dann zu denken sei, wenn die Convention vom 6. Juli 1827 aufgehoben u. für die Verluste bei Navarin hinlänglich Entschädigung u. Genugthuung geleistet werde. Am 10. November antworteten die Gesandten auf diese Erklärung ablehnend, aber dennoch dauerten die Unterhandlungen fort; endlich aber verließen die Gesandten Frankreichs u. Englands am 8. Dec. u. der russische am 11. Constantinopel. Der Sultan aber rief am 20. Dec. alle Moslems zu den Waffen u. entbot eine Versammlung der Notablen seines Reiches für den Januar 1828 nach Constantinopel, welche aus den reichen Grundbesitzern von den Bewohnern der Städte u. Flecken gewählt worden waren. Diese sprachen den Entschluß aus einen kräftigen Verteidigungskrieg zu führen, welcher beginnen sollte, sobald die Russen die Donau überschritten hätten, u. außerdem ermächtigten sie den Großherrn jedes Mittel zur Kriegführung zu ergreifen, welches der Großmufti u. die Gesetzkundigen billigen würden. Hierauf ließ die Pforte den Bosporus sperren u. verwies alle Russen, Engländer u. Franzosen aus Constantinopel. Da die Janitscharen aufgehoben, u. die neue Armee noch nicht hinlänglich organisirt war, blieb die Macht der Türken weit hinter den Erwartungen zurück. Nach Abzug der Truppen in den Festungen, der Streitmacht Redschid Paschas in Griechenland u. der 15,000 M., welche zum Schütze des Bosporus nöthig waren, blieben für die Armee in Asien blos 30,000 M., meist unregelmäßige Truppen, für das Lager bei Adrianopel etwa 20,000 M. unter Hussein-Pascha, für das bei Schumla unter Halil Pascha etwa 32,000 M. u. für die Donaufestungen u. die Verteidigung dieses Stromes höchstens 25,000 M. übrig. Nachdem der Großvezier Muhammed Selim im Lager bei Adrianopel angekommen war, übernahm der Seraskier [41] Hussein Pascha den Oberbefehl über das Lager von Schumla.

Zu Anfang des Jahres 1828 hatten die Russen 178,000 M. unter Witgenstein in Südrußland u. 70,000 gegen Kleinasien unter Paskewitsch zusammengezogen. Am 26. April wurde von Rußland der Krieg gegen die Pforte erklärt, das russische Heer ging über den Pruth u. besetzte Jassy u. Bucharest. Am 10. Mai wurden die Türken bei Galacz zum Rückzuge nach Braila genöthigt, vor welcher Festung gleich darauf Witgenstein u. am 21. Mai der Kaiser Nikolaus selbst ankam. Nachdem Witgenstein am 7. Juni unweit Isakdschi den Donauübergang erzwungen hatte, ließ er Braila auch vom andern Donauufer einschließen. Isakdschi ging schon am 11. Juni über, aber Braila wies am 15. Juni einen Sturm ab u. capitulirte erst, nachdem ein großer Theil der Stadt durch das russische Bombardement verbrannt war. Nun ergaben sich auch Matschin, Tultscha, Hirsowa u. Kostendsche. Am 6. Juli brach Witgenstein mit 50,000 M. aus dem Lager bei Karassu gegen Oglu Basardschik auf, während der General Roth mit etwa 40,000 M. bei Hirsowa die Donau überschritt u. Silistria u. Giurgewo blockiren ließ. Den Russen gegenüber standen blos einige Corps leichter Truppen, welche sich begnügten den Marsch derselben zu beunruhigen. Erst zu Anfang Augusts ging der Großvezier in das Lager bei Schumla, wo die russische Hauptarmee am 19. Juli erschienen war. Am 26. August überfiel Halil Pascha die Russen bei Tschengalik u. Eski Stambul u. that ihnen großen Schaden. Eben so wenig Glück hatte der rechte Flügel der Russen, welcher Silistria belagerte u. dessen äußerstes Flügelcorps unter General Geismar Widdin gegenüber stand. Am 18. August war Geismar von dem Pascha von Widdin mit 20,000 M. bei Galacz angegriffen u. bis Choral bei Krajowa zurückgedrängt worden. Am 14. Mai hatte der Admiral Greigh, welcher die russische Flotte im Schwarzen Meere befehligte, den General Mentschikow mit etwa 24,000 M. vor Anapa aus Land gesetzt, welches sich am 9. Juni den Russen ergab. Daraus erschien Mentschikow am 20. Juli vor Varna, eroberte am 2. August einige Hügel vor der Stadt u. setzte sich mit der Flotte in Verbindung, welche ihm Verstärkung zuführte, wurde aber bei einem Ausfall am 27. August tödtlich verwundet, worauf Woronzow den Oberbefehl über die Belagerung übernahm. Der Großvezier rüstete sich nun zum Entsatz Varnas u. zog deshalb 12,000 Albanesen unter Omer Vrione an sich; dieser drang auch Ende September gegen Varna vor, wurde aber vom Prinzen Eugen von Württemberg bei Hadschi Hassan Kear am 20. September zurückgeworfen u. mußte sein Vorhaben aufgeben. Inzwischen war Varna durch das russische Geschützfeuer so beschädigt worden, daß der Untergouverneur Jussuf Pascha die Stadt für unhaltbar erklärte. Alle unter seinen Befehlen stehenden Truppen legten die Waffen nieder, auch der Kapudan-Pascha zog sich mit 300 M. in die Citadelle zurück, u. die Russen besetzten am 11. October die Stadt. Der Kapudan-Pascha aber schloß eine Separatcapitulation, der zu Folge er sich mit den Seinigen nach Aidos begab. Bei Silistria u. Giurgewo erschwerten die Türken durch häufige Ausfälle die Belagerungsarbeiten, u. da vor Silistria der zu Ende October fallende Regen die russischen Trancheen füllte, so hob der Fürst Tscherbatow die Belagerung am 10. November auf. General Geismar aber überfiel die verschanzte Stellung des Pascha von Widdin bei Bojeletschi unweit Krajowa in der Nacht auf den 27. Sept., schlug die Türken in die Flucht, machte große Beute u. nahm auch 500 M. gefangen. Die vor Schumla stehende russische Hauptarmee hatte zwar am 31. August bei Jenibasar ein glückliches Gefecht gegen die Türken bestanden, mußte sich aber bald darauf wegen Mangels u. Krankheiten Anfangs November auf die Belagerungsarmee von Silistria zurückziehen. Das 3. Corps unter Rudzewitsch bildete die Nachhut, welche von Hussein Pascha lebhaft bedrängt wurde. Auch in der Walachei herrschte die größte Noth; bes. in Bucharest u. Umgegend wüthete die Pest u. war Mangel an Lebensmitteln. Im Winter wurde übrigens der Großvezier Muhammed Selim seiner Würde entsetzt, weil er Omer Vriones Versuch Varna zu entsetzen nicht hinlänglich unterstützt hatte, u. Reschid Pascha kam an seine Stelle. In Asien zog Paskewitsch im Juni seine Armee an dem Flusse Arbatschei bei dem befestigten Dorfe Gumry zusammen u. brach gegen Kars auf, welches er am 5. Juli erstürmte, worauf er eine Regentschaft des Paschaliks Kars niedersetzte u. den Graf Sipiäghin von Tiflis aus gegen Pott an der Mündung des Rioni entsendete, welches sich am 27. Juli ergab, worauf er Achalkalaki in 2 Tagen zur Übergabe zwang u. am 17. August vor Achalzik am Kur erschien, wo Mustapha u. Kios Muhammed den Russen den Übergang über den Kur zu wehren suchten. Paskewitsch schlug am 21. August die beiden Paschas, welche ihn plötzlich angegriffen hatten, u. nahm hierauf am 24. August Achalzik. Nun ergaben sich Aikhour, Bajazet, Diadin u. Topra-Kale u. Paskewitsch bezog im October Winterquartiere. Der heimliche Beistand der armenischen Christen hatte viel zu den glücklichen Erfolgen der Russen in Asien beigetragen.

Mahmud II. wollte noch während des Winters von 1828 auf 1829 den Russen alle Eroberungen wieder entreißen u. erneute daher das allgemeine Aufgebot. Der Großvezier sollte Varna unter jeder Bedingung wieder erobern; deshalb wurde Tschapan Oglu mit 12,000 M. nach Aidos gesendet, wo sich das Heer des Veziers sammelte u. wohin auch die Paschas Halil u. Alik so wie der Seliktar-Aga ihre Truppen führten. Die Besatzungen von Silistria, Giurgewo, Rustschuk, Semendria u. Widdis wurden vermehrt u. Verstärkung nach Asien geschickt, dagegen das Heer am Balkan aus Mangel an Proviant geschwächt. Aber alle Bemühungen Mahmuds II. den Krieg volkstümlich zu machen waren vergebens, es geschah beim Heere sehr wenig. Bei dem russischen Heere herrschte im Winter 1828–1829 großer Mangel, da die übeln Wege die Zufuhr von Kriegsbedürfnissen u. den Anmarsch von Verstärkungen fast unmöglich machte. Besser als die Hauptarmee befand sich das Corps des Generals Roth in u. um Varna; es hatte Prawady u. Basardschik befestigt u. besaß Kriegsmaterial u. Lebensmittel. Schon im Januar 1829 kam es zu mehren Gefechten; am 13. griff Ibrahim Pascha eine Abtheilung Russen bei Kosludsche an; dagegen erstürmten die Russen am 24. Januar die kleine Festung Kale, am 11. Januar ergab sich auch Turna an Langeron, am 18. Februar ward die türkische Flotille unweit Nikopolis überfallen u. verbrannt. Schon im Mai begann die Belagerung[42] von Giurgewo u. die Einschließung von Silistria. Bei der russischen Hauptarmee hatte während des Winters Feldmarschall Diebitsch den Oberbefehl erhalten. Um den Großherrn durch Landungen an den Küsten für seine Hauptstadt besorgt zu machen u. zur Schwächung seiner Armee am Balkan zu bewegen, lief der Contreadmiral Kumany schon am 23. Februar mit 5 Kriegs- u. mehren kleinen Schiffen, welche 2 Infanterieregimenter am Bord hatten, von Varna aus u. erschien am 27. Februar vor Sisebolu, welches Halil Pascha schon am 28. an die Russen übergab. Zwar ließ der Sultan eine Flotte am 23. März nach dem Schwarzen Meere absegeln, aber diese wagte nicht Kumanys Zug zu stören. Vergebens suchte auch Hussein Pascha von Burgas aus Sisebolu mit 6000 M. wieder zu erobern. Am 13. April lief der Admiral Greigh von Odessa mit der großen Flotte aus u. segelte in das Schwarze Meer; auch der Kapudan-Pascha verließ am 20. Mai mit 6 Linienschiffen u. 8 Fregatten den Bosporus u. griff kurz darauf 4 russische Schiffe in der Bai von Erekli an u. erfocht einen Sieg über dieselbe, doch kehrte auch der Kapudan-Pascha in den Bosporus zurück. Am 10. Mai brach der Feldmarschall Diebitsch mit 34 Bataillonen, 5 Kosackenregimentern, 8 Escadronen u. 121/2 Compagnien Artillerie auf, kam am 17. bei Silistria an, ging dort nach einem hartnäckigen Gefechte in 3 Colonnen über die Donau, schloß Silistria vollkommen ein u. sicherte auch die Verbindung des Belagerungscorps mit den Plätzen Kosludsche, Basardschik u. Prawady. Während dieses Marsches war es bei dem Rothschen Armeecorps schon zu hartnäckigen Gefechten gekommen. Der Großvezier hatte durch fliegende Corps die Communicationen zwischen Varna u. Isaldschi bedrohen lassen u. griff am 17. Mai mit 15,000 M. 3 russische Regimenter an, welche unweit Prawady bei Eski-Arnautlar aufgestellt waren, u. belagerte hierauf Prawady, indem er Diebitsch ganz außer Acht ließ, welchen er für zu schwach hielt, um etwas unternehmen zu können. Diebitsch aber brach am 4. Juni mit Pahlens Corps von Silistria, dessen Belagerung er dem General Krassowski übertrug, auf u. vereinigte sich am 10. Juni mit Roth. Auf die Nachricht von dieser Vereinigung hob Redschid Pascha die Belagerung von Prawady auf u. rückte mit 40,000 M. gegen die Defileen von Kulertscha vor. Am 11. Juni kam es zur Schlacht bei Madara, in welcher die Türken so geschlagen wurden, daß der Großvezier nur mit 15,000 M. nach Schumla zurückkehrte. Hier bot Diebitsch dem Großvezier Friedensunterhandlungen an; dieser nahm dieselben zwar an, aber sie zerschlugen sich, weil der Sultan auf Englands u. Frankreichs Hülfe hoffte, welche Mächte wieder Botschafter nach Constantinopel geschickt hatten. Indessen ergab sich Silistria am 30. Juni, u. da jetzt die russische Reserve unter dem General Witt in der Nähe der Donau ankam, so konnte Diebitsch den Übergang über den Balkan unternehmen. Da Reichid Pascha seine ganze Aufmerksamkeit auf die Pässe bei Schumla richtete u. selbst den untern Kamtschik von Truppen entblößt hatte, ließ Diebitsch den General Roth auf der linken Flanke mit 10–12,000 M. den Übergang über den untern Kamtschik erzwingen u. Rüdiger mit etwa 8000 M. gegen das Dorf Köpriköi am obern Kamtschik vordringen; Pahlen folgte beiden in kurzer Entfernung mit 12–15,000 M., das Centrum, 18,000 M. unter Krassowski, rückte aber gegen Schumla vor, um den Großvezier dort festzuhalten u. so die russische Operationslinie zu decken. Die Russen trieben allenthalben, den Kamtschik überschreitend, die Türken den 18.–20. Juni, bes. bei Köpriköi u. Derwisch-Irwan, aus ihren Verschanzungen. Der Großvezier, welcher erst am 20. Juni das Vorrücken der Russen erfahren hatte, sendete am 21. ein Corps unter den Paschas Ibrahim u. Muhammed dem Posten von Köpriköi zu Hülfe; aber dieser war schon in russischen Händen, u. die Türken mußten sich nach Aidos zurückziehen. Die rechte russische Flügelcolonne stieg bereits am 22. Juli den südlichen Abhang des Balkan herab, die an den Engpässen aufgestellten Türken vor sich hertreibend, u. an demselben Tage rückte auch General Roth mit dem linken Flügel über den Balkan bis Paliobona vor, vertrieb 7000 M. unter dem Pascha Abdul Rahman aus Monoster Köi u. wendete sich mit einem Theile seines Corps gegen Misiwri, welches schon am 23. sich ergab. Am 23. Juni fiel auch der Hafen Achioljü u. am 24. drang die Vorhut des Generals Roth mit den fliehenden Türken zugleich in Burgas ein. Unterdessen hatte sich Rüdiger gegen Aidos gewendet, wohin auch ein Theil des Rothschen Corps u. Pahlens Reserve zogen. Hier waren die Paschas Ibrahim u. Muhammed nach ihrem Rückzuge von Köpriköi stehen geblieben u. rückten am 25. Juli den Russen mit ihrer Cavallerie entgegen; Rüdiger schlug diese zurück, eroberte Aidos mit Sturm u. trieb dann das türkische Corps in die Berge nach Karnabad u. Schumla. Diebitsch nahm aber am 26. Juli in Aidos sein Hauptquartier. Unterdessen besetzte die Vorhut des Generals Rüdiger am 27. Juli Karnabad u. am 31. hatte Tschermetew bei Jambol ein Gefecht mit Halil Pascha, in dessen Folge am 2. August die Türken Jambol räumten. Krassowski hielt während der Zeit den Großvezier fortwährend bei Schumla fest u. Diebitsch brach mit der Hauptarmee, etwa 50,000 M., gegen Adrianopel auf, schlug am 12. August bei Sliwno das Corps des Seraskiers u. erschien am 19. August vor Adrianopel. Die Umgebungen dieser Stadt sind zum Widerstand trefflich geeignet, auch befanden sich dort neben 100,000 bewaffneten türkischen Einw. noch 10,000 M. Infanterie u. 1000 Reiter, aber seit der Überschreitung des Balkans dachte Niemand ernstlich an Vertheidigung. Schon am 20. August erschienen Abgeordnete des Seraskiers im russischen Lager u. boten eine Capitulation an. Diebitsch bewilligte sie, doch mußte ihm alles Eigenthum der Regierung ausgeliefert u. alle Truppen entwaffnet in ihre Heimath geschickt werden. Hierauf rückten die Russen noch an demselben Tage in Adrianopel ein. Unterdessen hatten die an der Donau zurückgelassenen russischen Untergenerale einen lebhaften kleinen Krieg mit türkischen Streifcorps zu führen, welche aus dem Lager von Nikopolis hervorkamen; deshalb erstürmte der in Turna befehligende russische Oberst Gowarow das Lager bei Nikopolis am 25. Juli, dagegen sah er sich am 14. August von den Türken in Turna eingeschlossen, wo ihn blos die schnelle Ankunft Kisselews rettete. Kurz darauf eroberten die Türken Rahowa u. stellten so die Verbindung zwischen Widdin u. Nilopolis wieder her; auch ihre Flotille erschien von Giurgewo her wieder auf der Donau u. zugleich kam der Pascha von Skutari in Widdin an[43] u. fiel in die Kleine Walachei ein, konnte aber dem General Geismar bei Kalafat nichts anhaben. In Asien hatte der Seraskier von Erzerum 50,000 M. zusammengebracht, von denen er 30,000 u. Hagki Pascha 20,000 M. befehligte. Mitte Juni brachen beide gegen Kars auf u. nahmen am Fuße des Sangabou eine feste Stellung; Paskewitsch aber ging am 26. Juni mit dem rechten Flügel über das Gebirge u. schloß die Türken so ringsum ein. Am 30. Juni griff er nun den Seraskier unweit Kainli an u. jagte ihn in die Berge; am 2. Juli aber den Hagki-Pascha, welchen er bei Milliduse zersprengte. Während dessen war auch der Plan des Paschas von Wan, die Festung Bajazet wieder zu erobern, gescheitert. Paskewitsch rückte nun am 8. Juli vor Erzerum. Von dort entflohen die Überreste der Armee des Seraskiers nach Tokat, u. Erzerum capitulirte am 9. Juli. Am 19. Juli nahm General Burtzow die Festung Baiburt, aus der Straße nach Trapezunt, u. wendete sich darauf gegen Gümisch-Chane, wo sich 10,000 Türken unter dem Pascha von Anapa gesammelt hatten. Am 31. Juli griff Burtzow die Türken an, wurde aber zum Rückzug nach Baiburt genöthigt. Aber nun eilte Paskewitsch mit dem Murajewschen Corps nach Baiburt, vernichtete am 8. August bei Chart eine Abtheilung von 2000 Lastern u. zersprengte am 9. bei Bahar ein anderes Corps von 3000 M. Am 24. Aug. griff General Simonitsch den Pascha von Trapezunt an, welcher in der Nähe von Gümisch-Chane auf dem Berge Ghians-Dey sich aufgestellt hatte, schlug ihn u. besetzte dann Gümisch-Chane.

Das rasche Vordringen der Russen in Asien brachte in Constantinopel Furcht u. Schrecken hervor. Die Überbleibsel der Janitscharen u. deren Anhänger rotteten sich zusammen u. verweigerten den Gehorsam. Zwar wurde durch die Strenge des Seraskiers Khosrew-Pascha die Ruhe in Constantinopel erhalten, doch wurde Mahmud II. nachgiebiger, als der französische u. englische Botschafter ihm die große Gefahr vorstellten, in welcher er schwebte, u. bes. als der preußische Generallieutenant von Müffling, welcher seit dem 4. August in Constantinopel war, ihm im Namen seines Königs die Integrität des Reichs zusicherte, wofern er sich den billigen Forderungen des russischen Kaisers fügen u. den Tractat von Akjerman (s. oben S. 39 f.) erfüllen würde. Es kam in Adrianopel zu Unterhandlungen u. endlich am 14. September 1829 zum Friedensschluß. Zufolge des Adrianopler Friedens gab Rußland die Walachei u. Moldau, sowie die in Bulgarien u. Rumelien gemachten Eroberungen an die Pforte zurück; doch wurde die Macht der Pforte in der Moldau, Walachei u. Serbien dadurch ganz geschwächt, daß diese Länder freiere Verfassungen erhielten; als Grenze zwischen Rußland u. der Türkei wurde der Pruth u. das rechte Donauufer von seiner Mündung an festgesetzt; das Küstenland am Schwarzen Meere von der Mündung des Kuban bis Nikolajew, die Kaukasusländer u. der größte Theil des Paschaliks Achalzik mit der Stadt Achalzik u. der Festung Achalkalaki behielten die Russen, welche sich zugleich Handelsfreiheit im ganzen T-n R-e, freie Handelsschifffahrt auf der Donau, sowie im Schwarzen u. Mittelmeere, dazu 11/2 Mill. Ducaten Entschädigung für die russischen Unterthanen u. 10 Mill. Ducaten Kriegskosten ausbedangen. Die Schiffe aller mit der Pforte befreundeten Mächte sollten freien Durchzug durch die Dardanellen, haben. Durch diesen Friedensschluß wurde die Übermacht Rußlands in Osteuropa u. Westasien befestigt, die Freiheit der Griechen (s.u. Griechischer Freiheitskampf S. 627) anerkannt u. die Moldau u. Walachei bis zur Bezahlung der Contribution in russischen Händen gelassen. Der Sultan unterzeichnete am 27. September den Frieden, aber erst in der Mitte des October hörten überall die Feindseligkeiten auf, das letzte Gefecht bestand die Vorhut des Generals Geismar den 17. October 1829 bei Arnaud Kaleb, unweit Sophia. Die Friedensbedingungen wurden nach u. nach erfüllt, Giurgewo geräumt, die früher verbannten katholischen Armenier zurückberufen u. die sechs früher von Serbien abgerissenen Districte wieder mit demselben vereinigt. Um aber eine Minderung der Kriegscontribution zu erlangen, schickte Mahmud II. im November Halil-Pascha nach Petersburg, welcher wirklich (Mai 1830) die Erlassung von 3 Mill. Ducaten bewirkte.

Die Türkei hatte nun den Frieden, aber im Innern loderte überall die Empörung; in Bosnien, Albanien u. Macedonien war Alles in Aufruhr; in Kleinasien brachen Unruhen wegen Steuerdrucks aus, in Aleppo erregten die Reste der Janitscharen einen Aufruhr gegen Ali Bey u. selbst in Constantinopel wurden geheime Verbindungen entdeckt. Am gefährlichsten aber war die Spannung zwischen der Pforte u. dem Vicekönig von Ägypten. Mahmud II. konnte diesem die Kapitulation von Morea Anfang 1828 (s. Griechischer Freiheitskampf S. 626) so wenig verzeihen, als dieser jenem das über ihn verhängte Todesurtheil, u. daher erfüllte auch Mehmed Ali die Forderung des Sultans im Jahre 1829, 20,000 Mann unter Ibrahim nach Constantinopel zu senden, nicht, ob er gleich später seinen Antheil an der Kriegscontribution für die Russen zahlte u. noch im Nov. 1829 1/2 Mill. Talaris auf Abschlag nach Constantinopel schickte. Dabei sank der Großsultan im Vertrauen des türkischen Volkes immer tiefer, welchem die neuen Einrichtungen u. die europäischen Sitten, die er angenommen hatte, der Alleinhandel mit asiatischen Waaren, die Monopolisirung des Kaffeeschauks, die Erhöhung der Zölle verhaßt waren. Diese böse Stimmung äußerte sich in Brandstiftungen u. Unruhen aller Art. Gelang es nun auch dem Großvezier Reschid Pascha Bulgarien u. Rumelien zu beruhigen, auch die rebellischen Seybecks bei Magnesia im April 1830 u. dann bei Jenedschik unweit Smyrna im Mai 1830 zu schlagen, so erregte dagegen um diese Zeit Mustapha Pascha von Skutari in Albanien einen Aufstand, welcher selbst Bosnien mitergriff. Aber Reschid Pascha knüpfte mit den albanesischen Häuptlingen zu Bitoglia Unterhandlungen an u. ließ diese bei einem Manöver, zu welchem er sie einlud, ermorden, eroberte Perga u. Prevesa u. stellte so die Ruhe wieder her. Im Nov. 1830 wurde endlich auch Fürst Milosch als erblicher Fürst mit Serbien belehnt. Als im Jahre 1831 Rußland mit Polen engagirt war, glaubte der Sultan von dorther nichts zu befürchten zu haben u. nahm den Befehl zur völligen Räumung Griechenlands zurück, jedoch nach der Besiegung Polens schloß er sich um so fester an Rußland an, dessen Einfluß jetzt selbst den Englands überwog. Um diese Zeit durchreiste Mahmud II. die Europäische Türkei, u. die Sorgfalt, welche er auf die verarmten Provinzen wendete, machte einen günstigen Eindruck. In Albanien sachte der ehemalige Pascha Mustapha einen[44] neuen Aufruhr an; Reschid Pascha zog gegen ihn, u. wenn schon sich 12,000 Bosnier mit Mustapha vereinigten, schlug doch Reschid Pascha die Empörer u. zwang Mustapha sich nach Skutari zurückzuziehen, wo er von dem Pascha Muhammed von Rustschuk vom Juli 1831 an belagert wurde u. sich am 10. Nov. ergeben mußte. Die Unterwerfung Bosniens erfolgte erst im Mai 1832. Auch in der Asiatischen Türkei wütheten während des Jahres 1831 Empörung u. Pest. In Bagdad hatte sich Daud-Pascha empört u. wurde von Ali-Pascha von Aleppo in Bagdad vom 7. Juli an belagert u., als am 15. Sept. Ali-Pascha stürmte, von den Einwohnern gefangen u. ausgeliefert. Die Paschas von Wan u. von Damask waren ebenfalls im Aufruhr, aber der erstere wurde von dem Pascha von Erzerum, der andere von den Einwohnern der Stadt selbst besiegt. In Constantinopel häuften sich die Feuersbrünste als Zeichen der Unzufriedenheit mit den Maßregeln des Sultans; allein dieser änderte deshalb in seinem Vorgehen nichts, er ließ den aus der Verbannung zurückgekommenen katholischen Armeniern ihre von den Türken in Besitz genommenen Häuser zurückgeben u. erlaubte ihnen eine Kirche in Galata zu bauen, ertheilte den Rajahs von Kleinasien, welche an der griechischen Insurrection Theil genommen hatten, Amnestie u. gab ihnen ihre Güter zurück; ebenso erhielten auch die Bewohner von Chios u. Tenedos ihre während der griechischen Revolution eingezogenen Güter zurück. Am 1. Nov. erschien das erste Blatt des Moniteur Ottoman, die erste türkische Zeitung, in Französischer u. Türkischer Sprache. Mit dem Vicekönig war es schon seit 1830, wo derselbe Candia besetzte, zu Mißhelligkeiten gekommen; als er 1831 nun auch Syrien besetzen ließ, so kam es zwischen ihm u. der Pforte zum völligen Bruch; es wurde in Constantinopel der Bann über ihn u. Ibrahim ausgesprochen u. im März 1832 Hussein-Pascha zum Seraskier des Heeres gegen Ibrahim ernannt. Gegen den Bannspruch des Sultans erklärte der Vicekönig, daß dem T-n R-e u. der Landesreligion ein gänzlicher Verfall unter Mahmud II. drohe u. daß er daher sich berufen fühle als Beschützer des Reiches u. der Religion aufzutreten. In diesem Kriege zwischen Ägypten u. der Pforte wurde Akre u. Damask von den Ägyptiern erobert, Hussein Pascha von Ibrahim bei Hems am 7. Juli gänzlich geschlagen u. die Türken über den Taurus geworfen, so daß man bereits in Constantinopel einen Angriff der Ägyptier fürchtete (s.u. Ägypten S. 216). Im Feldzug 1832 wurde der Großvezier Reschid Pascha, welcher das Commando übernommen hatte, am 21. Dec. bei Konieh geschlagen (s. ebd.). Mahmud II, hatte schon im Nov., wiewohl vergebens, um Englands Vermittlung nachgesucht, nun wandte er sich im Febr. 1833 an den Kaiser Nikolaus mit der Bitte um Hülfe zu Land u. See. Ibrahim Pascha hatte einem Befehl seines Vaters vom 16. Jan. 1833 zufolge zu Kutahia auf der Straße nach Brussa Halt gemacht, u. unterdessen gelang es dem General Murawiew den Vicekönig von Ägypten zur Einstellung der Feindseligkeiten zu vermögen. Am 6. Febr. kam er mit dieser Nachricht nach Constantinopel zurück, u. am 14. Febr. ging von Sebastopol aus ein russisches Geschwader unter Lasarew nach Constantinopel unter Segel, um die Pforte in jedem Falle zu sichern. Auch in London u. Paris hatte man sich über Mittel berathen das T. R. zu retten u. zugleich Rußlands überwiegenden Einfluß in Constantinopel zu hemmen, u. am 17. Febr. kam der Admiral Roussin als französischer Botschafter dort an u. that am 19. Febr. dem Reis-Effendi den Vorschlag, daß die Pforte die Vermittlung Rußlands ablehnen möge, weil er den Frieden mit Ägypten abschließen wolle, da aber schon am 20. Febr. das russische Geschwader bei Bujukdere vor Anker ging, so war die Ablehnung der russischen Intervention unmöglich. Unterdessen waren türkische Abgeordnete nach Alexandrien u. ins Hauptquartier Ibrahims abgereist, um den Frieden zu unterhandeln, aber erst, als am 5. April das russische Hülfscorps bei Constantinopel ankam u. ein Lager auf der kleinasiatischen Seite bezog u. als Englands u. Österreichs Gesandten zum Frieden ermahnten, gab der Vicekönig nach, u. am 4. Mai 1833 wurde der Friede abgeschlossen, dem zufolge er zwar Vasall der Pforte blieb, in den Paschaliks von Ägypten u. Candia aber bestätigt wurde u. außerdem noch die Paschaliks Damask, Tripolis, Saida, Aleppo, Akre, Jerusalem u. Nablus erhielt. Am 24. Mai trat hierauf Ibrahim den Rückmarsch von Konieh an u. am 10. Juli verließ das russische Hülfsheer den Bosporus, nachdem am 8. Juli vom Grafen Orlow mit der Pforte eine Offensiv- u. Defensivallianz zu Hunkiar Iskallesi auf 10 Jahre abgeschlossen worden war, welcher zufolge die Pforte versprach auf Verlangen Rußlands die Dardanellen zu sperren u. mit keiner andern Macht ein Bündniß zu schließen. Diese Allianz gab zu mancherlei diplomatischen Verhandlungen Anlaß, es erschienen englische u. französische Flotten im Archipelagus, welche aber im Dec. in ihre Stationen zurückkehrten, u. im Febr. 1834 überreichten der britische u. französische Botschafter dem Reis-Effendi eine Note, in welcher sie Auskunft über die Verfahrungsweise verlangten, welche die Türkei zufolge ihrer Verbindlichkeiten gegen Rußland zu befolgen genöthigt sei, damit man entscheiden könne, ob Englands u. Frankreichs Verhältnisse mit der Pforte durch dieselben verändert werden könnten. Die Pforte aber wich dieser Antwort aus u. entgegnete, daß ohne Erlaubniß des Sultans kein Schiff das Recht habe in die Dardanellen einzulaufen. Am 29. Jan. 1834 wurde ein neuer Vertrag in Petersburg zwischen der Pforte u. Rußland abgeschlossen, dem zufolge der Rest der türkischen Contribution auf 1/3 ermäßigt u. bestimmt wurde, daß noch im April d.J. die Hospodare der Moldau u. Walachei ernannt u. dann diese Länder von den Russen geräumt werden sollten.

Unterdessen war Albanien, welches eine eigene Regierung wie Serbien verlangte, im Aufstand u. auch Kleinasien blieb unruhig, doch wurden schon im Jan. 1834 hier überall die Rebellen geschlagen. Dagegen brachen in Bosnien wieder Unruhen aus u. die Insel Samos, welche zu Folge des Londoner Protokolls wieder unter türkische Botmäßigkeit kommen sollte, weigerte sich die Oberherrschaft der Pforte wieder anzuerkennen, doch wurde letztere durch eine Escadre unter Hassan Bey im Juli 1834 unterworfen. Mahmud II. bewilligte ihr kurz darauf Handelsvortheile u. erlaubte ihren Schiffen freien Eintritt in die Dardanellen. Am 6. April 1834 hatte Mahmud II. Alexander Ghika zum Hospodar der Walachei u. Stourdza zum Hospodar der Moldau ernannt, worauf die russische Verwaltung der Fürstenthümer im Mai aufhörte u. im Juli die feierliche Belehnung der Hospodare erfolgte. Im Mai befahl der Sultan die Errichtung[45] einer bewaffneten Miliz durch das ganze Land, bei welcher Schulen des gegenseitigen Unterrichts angelegt wurden; überall wurden Straßen abgesteckt u. zu bauen angefangen u. ein regelmäßiger Postenlauf sollte eingerichtet werden. Die Organisation der Armee schritt rasch vorwärts, die Dardanellen wurden unter Aufsicht preußischer Ingenieurs neu befestigt u. auf den Werften herrschte große Thätigkeit. Am 11. Aug. 1834 gelangte der griechische Gesandte Zographos zur Übergabe seines Creditivs beim Großvezier. Am 31. Aug, setzte Mahmud II. plötzlich den Patriarchen von Constantinopel ab u. ernannte selbst einen neuen (eine Ernennung, welche blos der Heiligen Synode zukam), was auf die Rajahs einen üblen Eindruck machte. Gleiches geschah 1835 mit dem Oberrabbiner der Juden. Mitte 1834 wurden die Verhältnisse in Ägypten, da sich der Vicekönig der Bezahlung des Tributs weigerte u. ein Aufstand in Syrien gegen den Vicekönig dem Großherrn die Hoffnung gab diese Provinz den Agyptiern wieder zu entreißen, verwickelter. Mahmud II. ließ deshalb eine Flotte ausrüsten u. schickte reguläre Truppen nach Asien, welche Reschid Pascha bei Konieh in einem Lager sammelte. Die Unzufriedenheit mit den Ägyptiern wuchs in Syrien, u. Mehmed-Ali sah sich genöthigt selbst mit Verstärkung nach Jaffa zu gehen, um Ibrahim beizustehen. Für den Augenblick gelang ihm die Unterwerfung Syriens, aber kaum hatte er das Land verlassen, als die Empörung wieder ausbrach. Die Zeit war für den Sultan günstig, aber die Vorstellungen Englands, Rußlands u. Frankreichs bewogen ihn seine Flotte nicht auslaufen zu lassen u. sein Heer an den Grenzen zurückzuhalten, doch bestand er auf der Räumung des Bezirks von Orfa. Endlich wurden die Streitigkeiten gegen Ende 1834 durch britische Vermittlung beigelegt. In Constantinopel wurde im Jan. 1835 eine Verschwörung gegen Mahmud II. entdeckt u. zahlreiche Hinrichtungen konnten die Aufregung nicht beschwichtigen. Eine Umänderung türkischer Serailsitten zeigte sich bei der Geburt eines Enkels Mahmuds II.; er hatte im Juli 1834 seine älteste Tochter an den ehemaligen Kapudan-Pascha Halil verheirathet, u. als diese am 23. März 1835 einen Sohn gebar, beglückwünschte der Sultan, anstatt daß früher die Söhne der Töchter des Padischah sogleich nach der Geburt ermordet worden waren, unter Begleitung der vornehmsten Personen des Hofes, die junge Mutter. Im Frühjahr 1835 sendete Mahmud II. eine Escadre nach Tripolis in Afrika, welches ihm nach dem Verlust von Algier seiner Lage wegen höchst wichtig war. Diese Flotte brachte Tripolis wieder in unmittelbare Abhängigkeit von der Pforte (s. Tripoli S. 842). 1836 erlaubten sich die Türken in Bosnien schmähliche Bedrückungen gegen die Christen, so daß mehre Tausende der Verfolgten nach Serbien auswanderten. Den Versuch Mahmuds II. dort seine Reformen auszuführen wiesen die Bosnier im März mit Gewalt zurück, erlitten aber am 18. Sept. im Engpasse von Wrondik eine entscheidende Niederlage. 1837 wurde wieder eine Verschwörung gegen Mahmud II. in Constantinopel entdeckt, dennoch fuhr er fort sein Reich nach europäischer Weise zu reformiren, verordnete 1838 die Einführung von Prüfungen zur Erlangung eines Amtes, türkische Gesandte wurden an die Monarchen Europas geschickt, zur Erlernung des Französischen eine officielle Schule gegründet, gegen die Pest in Constantinopel Quarantaineanstalten errichtet, die Binnenzölle im Innern abgeschafft, Handelsverträge mit England u. Frankreich abgeschlossen, die Stelle eines Großveziers am 30. März 1838 aufgehoben u. dafür ein Staatsrath, Khosrew Pascha an der Spitze, eingesetzt. Der bisherige Großvezier Rauf Pascha wurde Minister des Innern u. Premierminister. 1833 brach der Krieg mit Ägypten von Neuem aus, indem die Pforte den die größten Umgriffe sich erlaubenden Vicekönig Mehemed Ali in seine Schranken zurückdrängen u. wo möglich vernichten wollte, doch wurden die Türken am 24. Juni bei Nesbi (Nisibi), indem die neugebildeten türkischen Truppen beim ersten ernstlichen Angriff davon tiefen, vollständig geschlagen (vgl. Ägypten S. 216). Bald darauf starb Mahmud II. am 1. Juli 1839.

Ihm folgte sein 16jähriger schwächlicher Sohn, Abdul Medschid Khan. Die wichtigste Gefahr drohte dem neuen Großherrn durch die Ägyptier von Syrien aus, wo Ibrahim mit einem großen Heere lagerte. Zwar stand dem Großherrn eine russische Flotte von 84 Schiffen u. ein russisches Landheer in Bessarabien, Grusien u. Armenien gegen die Ägyptier zu Gebote, aber diese Hülfe konnte leicht Conflicte mit England veranlassen, zudem war der Großherr von der eigenen Bevölkerung bedroht, welche zum größten Theil dem Reformwesen des vorigen Sultans gewaltsam ein Ende zu machen große Neigung hatte. In dieser Verlegenheit hatte er Niemand zum Beistand, als den alten Khosrew u. seine Mutter, die Sultanin Walide. Beide waren darin einverstanden, daß die neuen Organisationsversuche Mahmuds II. mindestens eine Beschränkung erleiden müßten, u. so wurde denn zunächst die Würde eines Großveziers wieder hergestellt u. Khosrew damit bekleidet u. die regelmäßigen Gesandten aus den Hauptstädten Europas wieder abberufen. Da führte plötzlich der Kapudan Pascha, Achmed Feazi Pascha, der bitterste Feind Khosrews, am 8. Juni 1839 die türkische Flotte (8 Linienschiffe, 11 Fregatten, 2 Corvetten, 2 Briggs) nach den Dardanellen u. am 5. Juli gegen den Befehl des Sultans, sich nicht weiter zu begeben, nach Alexandrien u. übergab die Flotte 14. Juli an der Vicekönig Mehemed Ali (vgl. Ägypten S. 216). Nun mußte Abdul Medschid nachgeben; da aber der Vicekönig alle gütlichen Vorschläge zurückwies, legten sich die Großmächte ins Mittel u. begannen über diesen Fall Conferenzen in London zu halten. Nur Frankreich blieb aus Rücksicht für Mehemed Ali hierbei passiv u. wollte denselben nicht durch Gewalt zur Anerkennung der Beschlüsse der Conferenz genöthigt wissen. Da gab Abdul Medschid plötzlich am 3. Nov. 1839, beredet durch Reschid Pascha, welcher das Princip des Fortschritts vertrat, ein neues Grundgesetz, den Hattischerif von Gülhanie (Tansimat), indem er die Großwürdenträger des Reiches, die Großen, welche sich gerade in Constantinopel befanden, die Scheiks der Derwische, die drei Patriarchen, die Oberrabbiner, das diplomatische Corps, die Ulemas, die Mollas, die Vorsteher der Corporationen u. viel Volk um den Kiosk von Gülhanie, einen Pavillon der Gärten des neuen Serails, versammeln u. den Hattischerif dort proclamiren ließ; er erklärte durch denselben, daß den Unterthanen Leben, Ehre u. Vermögen gesichert, Regelmäßigkeit u. Öffentlichkeit des Rechts verbürgt, die Auflagen regelmäßig u. gleich bestimmt[46] (der Charadsch [s.d.] der Rajahs also wegfallen), die Aushebung aus den Moslems zum Soldaten gleichmäßig u. eine feste Dienstzeit festgesetzt werden sollte; die Verkäuflichkeit u. Verpachtung der Ämter wurden ausdrücklich aufgehoben u. die Gleichheit der Rechte jedes Unterthanen, ohne Unterschied der Religion, gesichert u. feste Besoldungen versprochen. Da indeß die Volksstimme der Ausführung dieser Bestimmungen viel Schwierigkeiten entgegensetzte, so blieb das Meiste noch beim Alten, wie denn auch die Paschas auf alle mögliche Weise dieser türkischen Constitution ungestraft entgegenhandelten. Als Frankreich auf keine Weise dazu zu bringen war in Gewaltmaßregeln gegen Mehemed Ali zu willigen, so beschloß die Londoner Conferenz auch ohne Frankreich zu handeln, u. es kam der Vertrag vom 15. Juli 1840 zwischen England, Österreich, Rußland u. Preußen mit der Pforte zu Stande, worin erklärt wurde, daß die vier genannten Mächte Maßregeln ergreifen würden, um diejenige Übereinkunft zu verwirklichen, welche vom Großherrn dem Vicekönig bewilligt, werden würde. Hiernach sollte Mehemed Ali die Verwaltung von Ägypten erblich u. die Verwaltung von Südsyrien lebenslänglich erhalten, wenn er die von der Pforte gestellten Bedingungen binnen zehn Tagen annähme, Arabien, Candia u. Adana räume, die türkische Flotte zurückgäbe u. sich überhaupt verpflichte seine Streitkräfte als einen Theil der Streitkräfte der Pforte zu verwenden. Dieser Vertrag wurde 15. Sept. 1840 in London ratificirt. Da aber Mehemed Ali diese Bedingungen nicht annahm, so ward er in einem außerordentlichen Diwan zu Constantinopel entsetzt u. feierlich der Bann über ihn ausgesprochen u. statt seiner Izzet-Muhammed zum Pascha von Ägypten erhoben. Die britische Flotte bombardirte nun Beirut u. nahm es am 20. Sept. im Besitz; 10,000 Türken setzten von Cypern nach Syrien über, denen sich gegen 1500 englische u. österreichische Truppen beigesellt hatten u. Saida wurde am 27. Sept. gestürmt u. die Garnison gefangen. Auch vom. Libanon aus organisirte sich ein Aufstand gegen die Ägyptier. Am 8. Oct. war bereits das ganze nördliche Syrien, Tripoli u. St. Jean d'Acre ausgenommen, erobert. Ibrahim selbst wurde am 11. u. 12. Oct. bei Beirut durch den Briten Napier von 8000 Türken angegriffen u. mußte sich zurückziehen. Am 17. Oct. fiel Tripoli u. am 4 Novbr. nach einem Bombardement der vereinigten Flotte St. Jean d'Acre, worauf diese unter Napier vor Alexandrien erschien. Jetzt bequemte sich Mehemed Ali zu Unterhandlungen, welche sich aber erfolglos bis ins Jahr 1841 hinzogen, wo es zu einem allgemeinen Aufstand der Christen auf Candia kam, welcher bis zum August die volle Thätigkeit der Pforte in Anspruch nahm. Endlich gab Mehemed Ali nach, u. nachdem er die türkische Flotte herausgegeben, Syrien u. Arabien geräumt hatte, wurde ihm die Erblichkeit der Verwaltung des ägyptischen Paschaliks zugesichert u. die Investitur darüber am 10. Juni 1841 ertheilt. Kaum war Syrien von den Ägyptiern ganz geräumt, als die Christen, welche Ibrahim mit den Ägyptiern bisher geschützt hatte, Feindseligkeiten u. Insulten wieder ausgesetzt wurden, während der Kampf der Maroniten u. Drusen fortwährte, ohne daß die Pforte ihn stillen konnte. Unterdessen hatte das alte Spiel der Intriguen im Innern des Serails die Oberhand gewonnen, der alte Khosrew Pascha war gestürzt, worden u. der Widerwille gegen die Reformen u. gegen die Verwirklichung des Hattischerifs von Gülhanie immer offener hervor getreten; bes. kam es in Constantinopel zu mehren Verschwörungen gegen das Leben des jungen Sultans u. in den Provinzen herrschte Unzufriedenheit u. Gährung. Im August 1843 kam es in Bosnien zu einem Aufstand, wo sich die Türken dem neuen Besteuerungssystem widersetzten, weil dasselbe die Christen mit den Türken gleichstellte. Im Sept. folgte ein Aufstand in Albanien, wohin ein türkisches Heer von 20,000 Mann beordert wurde. In Syrien sollten 40,000 Recruten ausgehoben werden, aber die Bevölkerung setzte sich, obgleich 1843 im regulären Heere die feste Dienstzeit von fünf Jahren ausgesprochen worden war, bewaffnet entgegen. In Jerusalem legten dem Bau einer protestantischen Kirche die Muselmanen, trotz der unterdessen dort errichteten französischen, englischen, russischen u. sardinischen Consulate, Hindernisse in den Weg u. bei Aufsteckung der Flagge des französischen Consuls zu Jerusalem überfiel am 26. Juli 1843 das Volk das Consulat u. zerriß die Flagge. 1845 erreichten die Kämpfe der Drusen im Libanon einen solchen Höhegrad, daß endlich die völlige Entwaffnung des Libanon angeordnet ward. Allein hierbei erlaubten sich die türkischen Soldaten die gröbsten Excesse, gegen welche die Pforte endlich auf Requisition der europäischen Gesandten die ernstlichsten Maßregeln ergriff. Tausende von Christen waren indessen von Schebik Effendi, dem damaligen Machthaber in jener Gegend, aus ihrem Eigenthum vertrieben worden. Gleich zu Anfang des Jahres 1845 erließ Abdul Medschid einen Hattischerif an die Minister, worin er sich über die Erfolglosigkeit mancher Regierungsmaßregeln beschwerte. Bald darauf wurden aus allen Provinzen Abgeordnete eingerufen, um über die verschiedenen Landestheile Bericht zu erstatten. Beides blieb ohne Wirkung. Am 7. März erschien eine Kundmachung, in welcher der Großherr die vom obersten Reichsrath in Antrag gebrachte Bildung eines zeitweiligen Unterrichtsraths genehmigte. Der europäischen Diplomatie wurde zugesagt, daß das Gesetz, welches gegen Glaubenswechsel die Todesstrafe ausspricht, nicht mehr zur Ausführung kommen werde. Am 6. August 1845 wurde auch der Seraskier, Riza Pascha, bisher Günstling Abdul Medschids, durch eine Serailintrigue entsetzt u. Soliman Pascha erhielt seine Stelle, der bisherige Kapudan Pascha Halil Pascha wurde aber Mitte August entlassen u. Said Pascha Mitglied des obern Reichsraths. Ein Aufstand in Wan, welcher den Charakter einer fanatischen Reaction gegen alle Reformen der neuern Zeit annahm, so wie der Umstand, daß auch in mehren Provinzen zu derselben Zeit ein Aufruhr auszubrechen drohte, gab Veranlassung zur Wiedererrichtung von Janitscharen. Im Oct. 1845 wurde Reschid Pascha, als Haupt der Reformpartei, von seinem Gesandtschaftsposten in Paris zurückberufen u. zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Er neigte sich der Politik Frankreichs mehr hin, ohne es aber mit den verschiedenen Parteien zu verderben. Anfangs Januar 1846 wurde Khosrew Pascha in den Diwan zurückberufen u. zwei Ministerien für Ackerbau u. Polizei geschaffen. Ein Fortschritt war auch die aus der Notabelnversammlung zu Constantinopel vom Jahre 1845 hervorgegangene Errichtung von Municipalräthen für jede Provinz, durch welche die allerdings schon unter Mahmud[47] durch Benehmung des Rechtes über Leben u. Tod, mehr noch jetzt durch die neuen Steuergesetze beschränkte Gewalt der Provinzialstatthalter noch weiter beschränkt ward, indem Letztere verpflichtet wurden bei allen wichtigen Fragen die Entscheidung des Municipalrathes einzuholen. Zu Mitgliedern desselben wurden eine Anzahl Muhammedaner geistlichen u. weltlichen Standes u. außerdem je ein Vertreter der anderen Religionsgenossenschaften berufen. Hinsichtlich des Schulwesens wurde die in Galata Serai bestehende medicinische Lehranstalt zu einer Chirurgisch-medicinischen Akademie erweitert, eine höhere wissenschaftliche Unterrichtsanstalt für künftige Beamte gegründet u. ein Schulplan für die Kinderschulen u. die Religionsschulen erlassen. Um den Reformen willigeren Eingang zu verschaffen, unternahm der Sultan im Mai 1846, in Begleitung von Reschid Pascha, eine Reise durch die Provinzen, auf welcher die versammelten Primaten vorzugsweise auf die rechtliche Gleichstellung der Bekenner der verschiedenen Religionen hingewiesen wurden. Wenige Wochen nachher traf der Vicekönig von Ägypten, Mehemed Ali, in Constantinopel ein, um ein Zeugniß seiner Unterordnung unter die Pforte zu geben.

Neben diesen, die Zustände der Pforte in günstigem Lichte darstellenden Erscheinungen, traten jedoch auch andere Ereignisse ein, welche nur zu sehr geeignet waren jene wieder in den Schatten zu stellen. Dahin gehörten namentlich die Verhältnisse der evangelischen Armenier u. der geheimchristlichen Gemeinden in Albanien, sowie die Zustande in Bosnien. Unter den Armeniern war schon seit einiger Zeit in Folge der Bemühungen einer presbyterianisch-amerikanischen Mission in Constantinopel eine nicht geringe Anzahl für den evangelischen Glauben gewonnen worden u. Anfangs hierbei auch unbehelligt geblieben; nachdem aber, bei immer weiterer Ausdehnung der Bewegung, jetzt außer dem armenischen Patriarchat in Constantinopel auch die russische Regierung auf deren Unterdrückung gedrungen hatte, erfolgte in der Hauptstadt wie in den größeren Städten der Provinzen eine Reihe von Verfolgungen gegen die bei dem neuen Glauben Beharrenden; ja selbst der erste Prediger der Gemeinde in Constantinopel wurde ermordet. Bisher hatten sich die Vorstellungen der englischen u. preußischen Gesandtschaften bei der Pforte als machtlos erwiesen, da die Gewalt Reschid Paschas durch den Einfluß der alttürkischen Partei nicht wenig beschränkt war; erst jetzt ließ sich die Pforte bewegen jenen Bekehrten den Austritt aus ihrem Nationalverbände zu gestatten u. Maßregeln zu ihrem Schütze zu treffen, demnach aber wurden im Sommer 1846 die Christen in vier albanesischen Dörfern auf das Roheste gemißhandelt u. ihre Dörfer zerstört. Bosnien wurde im Jahr 1846 wieder der Schauplatz einer Erhebung, indem in der Kraina Mahomed Bey an die Spitze der Unzufriedenen trat u. über 30,000 Mann um sich versammelte, doch gelang es dem Vezier Kiamil Pascha Anfangs Nov. 1846 die Aufständischen bei Banialuka zu schlagen u. zu zerstreuen; sämmtliche Rädelsführer mußten ausgeliefert werden, welche dann nach Asien verbannt wurden. Im Libanon dagegen hatten sich die Verhältnisse günstiger gestaltet, indem auf wiederholte Reclamationen der Diplomatie die Entwaffnung nun auch bei den nichtchristlichen Stämmen durchgeführt ward; die Gerichtsbarkeit wurde geregelt, die Entschädigungsgelder ausgezahlt u. das Vertrauen zur Regierung wuchs dergestalt, daß selbst von christlicher Seite ein türkischer Befehlshaber erbeten wurde. Bezüglich der auswärtigen Politik war es in dieser Zeit nur zu einer vorübergehenden Spannung mit Frankreich wegen des Empfanges des Bey von Tunis in Paris gekommen. Nämlich durch den offenen Schutz Frankreichs ermuthigt, hatte der Bey seit geraumer Zeit die Tributzahlung an die Pforte eingestellt, wodurch die Souveränetätsrechte der letzteren über Tunis gänzlich aufgehoben zu werden schienen; um allen weiteren Entwicklungen auszuweichen, ernannte die Pforte den Bey Ende 1845 zum Ferik-Pascha auf Lebenszeit u. entsagte aller Tributzahlung für die Folge. Als jedoch der Bey im Herbst 1846 auf französische Veranlassung nach Paris kam u. dort mit allen einem Souverän gebührenden Ehren empfangen wurde, legte die Pforte dagegen Protest in einer besonderen Denkschrift nieder. Als wesentliche Folge des Streites blieb die zeitweilige Beschränkung des französischen Einflusses in Constantinopel zurück.

Die hervortretenden Ereignisse des Jahres 1847 waren der Kampf gegen die Kurden in Wan, ein neuer Aufstand in Albanien u. die Differenz mit Griechenland. Schon seit 1843 war die nestorianisch-christliche Bevölkerung des Districtes Hekkari am See Wan in Kurdistan den Verfolgungen des Kurdenhäuptlings, Beder Han Beg, ausgesetzt gewesen, indem ihre Dörfer zerstört u. die Menschen zu Tausenden niedergemacht worden waren; trotz der Intercessionen der christlichen Diplomaten bei der Pforte hatte sich 1846 das Blutbad unter den Christen erneut u. 1847 wurde der Bevölkerung jakobitischen Glaubens ein gleiches Schicksal bereitet. Da endlich sandte die Pforte ein Heer unter Omer Pascha gegen die aufrührerischen Districte, welches Ende Mai von Diarbekr aus auf dem rechten Ufer des Tigris vordrang, die kriegerischen Stämme des Gebirges unterjochte u. am 13. Juni in der Hauptschlacht bei Dschesireh Beder Han Beg völlig aufs Haupt schlug. Von da an galt Kurdistan für völlig sicher; Wan, Dschesireh u. Dschulamerk behielten Besatzungen. Da zugleich im Juni auch die Ratificirung des in Erzerum verhandelten Vertrages mit Persien (s.d. S. 862) eintraf, so war für jetzt der normale Zustand im Osten des Reiches gesichert. Der in demselben Jahre in Albanien ausgebrochene Aufstand hatte einen noch gefährlicheren Charakter als die früheren, indem Nord- u. Südalbanien sich vereinigten, unter Dsulaka u. Zeinel Bey die Offensive ergriffen, bei Kopraine die türkischen Truppen schlugen u. Berat eroberten; dagegen wurden die Aufständischen nach wenigen Monaten bei Berat u. Argyrokastro besiegt u. zum Gehorsam zurückgeführt. Zu Griechenland waren die Beziehungen der Türkei von vornherein keine freundlichen gewesen u. die Spannung war vielfach genährt worden durch Griechenlands Verhalten bei den Verhandlungen über einen gegenseitigen Handels- u. Schifffahrtsvertrag (1840), durch seine zweideutige Rolle bei dem Aufstand in Candia (1841), durch die nach Kolettis Eintritt ins Ministerium offen begünstigten Umtriebe zum Sturz der türkischen Regierung; jetzt brachte eine vom Könige von Griechenland dem türkischen Gesandten in Athen zugefügte Kränkung den Groll endlich zum Ausbruch (s.u. Griechenland S. 614). Erst gegen Ende des Jahres wurde durch[48] die Dazwischenkunst der Großmächte der Streit beigelegt, u. zwar in einer Weise, daß die Pforte hauptsächlich durch Englands Unterstützung einen diplomatischen Sieg davontrug; die Verhältnisse zu Griechenland blieben von da ungetrübt. Als der Sultan den Papst Pius IX. zu seiner Thronbesteigung durch einen außerordentlichen Gesandten begrüßen ließ, schickte der Päpstliche Stuhl, zugleich in der Hoffnung mit Umgehung der katholischen Höfe nun directen Einfluß im Oriente zu gewinnen, den außerordentlichen Nuntius Ferrieri im Jan. 1848 mit einem zahlreichen Gefolge nach Constantinopel ab. Derselbe wurde zwar glänzend empfanden, als er jedoch seine Absicht auf Vortheile für seine Kirche gegenüber den anderen christlichen Glaubensbekenntnissen kund werden ließ, so ging die Pforte auf seine Forderungen nicht ein.

Das Jahr 1848 ließ die Türkei als Ganzes ruhig, nur in den obersten Regionen bewirkte die französische Februarrevolution einen Umschwung in antiliberalem Sinne, indem die alttürkische Partei, dem Sultan das Verderbliche des von Reschid Pascha vertretenen Fortschrittssystems an dem Beispiele des Abendlandes darlegend, den Sturz Reschid Paschas, nachdem dieser eben die französische Republik anerkannt hatte, am 27. April durchsetzte; seine Stelle als Großvezier erhielt nun Sarim Pascha, während Rifaat Pascha Minister des Auswärtigen wurde. Bald jedoch wurde der Sultan gegen die zur Macht gelangte Partei mißtrauisch, u. am 11. Aug. wurden die neuen Minister entlassen u. Reschid Pascha nebst Ali Pascha wieder ins Ministerium berufen. Das neue Ministerium erließ ein Rundschreiben an die Statthalter der Provinzen, worin die Verbesserung der allgemeinen Zustände, das Aufhören der Mißbrauche, der Erpressungen u. der Bestechlichkeit im Beamtenstande, die Aufrechthaltung der neuen Reformen als bes. nothwendig hingestellt, den Anhängern des alten Systems aber mit harten Strafen gedroht wurde. Die heimlichen Wühlereien der Gegenpartei, denen namentlich auch die damals zahlreichen Feuersbrünste in der Hauptstadt zugeschrieben wurden, fand eine gewaltthätige Unterdrückung in der Beseitigung einiger fanatischer Häupter. Inzwischen hatte das Umsichgreifen der europäischen Revolutionen die Pforte zu ausgedehnten Vorsichtsmaßregeln u. Rüstungen aufgefordert; dazu kam die Besorgniß wegen Rußland in Bezug auf die Donaufürstenthümer. Die Ereignisse in der Moldau (s.d. S. 361) gingen wohl ohne namhafte Verwickelung vorüber, obschon es Rußland verdroß, daß die bedrängten Bojaren den Schutz der Türkei angerufen hatten, welcher ihnen auch in sofern gewährt worden war, als ein türkischer Commissär in der Moldau erschien u. den Proceß der Bojaren leitete, worauf diese später exilirt wurden. Sobald aber Duhamel als russischer Commissär dort angekommen war, wurde der türkische Einfluß völlig überwogen. Viel größere Schwierigkeiten bereiteten nun aber die Zustände in der Walachei (s.d. Gesch.), in welcher bei weitem extremere Forderungen an den Fürsten Bibesco gestellt worden waren. Die nach dessen Entfernung niedergesetzte provisorische Regierung rief den Schutz der Pforte an, u. diese sandte im Juli Suleiman Pascha als Commissär nach Bukarest, als derselbe aber nach Auflösung der provisorischen Regierung eine Statthalterschaft eingesetzt u. dann eine allgemeine Amnestie ausgesprochen hatte, erklärten sich die Russen mit solch mildem Auftreten so wenig einverstanden, daß Duhamel die Moldau besetzen ließ. Die Pforte dagegen lehnte die Aufforderung des russischen Commissars gleichfalls Truppen nach der ohnehin völlig beruhigten Moldau zu senden ab, verstärkte jedoch das an der Donau stationirte Armeecorps bis auf 40,000 M. Bald fand aber der neue Commissär für die Walachei, Fnad Effendi, nachdem er statt der Statthalterschaft den Fürsten Kantakuzeno als provisorischen Statthalter eingesetzt hatte, für nöthig zur Unterstützung fernerer Maßregeln die türkischen Truppen in Bukarest einrücken zu lassen. Sofort entsandte Duhamel, gegen die Vorstellungen der Pforte, ein starkes russisches Truppencorps nach der Walachei u. gestattete sich bald auch Eingriffe in die innere Verwaltung des Landes. Die hierauf folgende Spannung wurde erst durch den von Rußland der Pforte endlich abgedrungenen Vertrag von Balta-Liman vom 1. Mai 1849 gehoben. Abgesehen von den die Verhältnisse der Donaufürstentühmer speciell berührenden Stipulationen desselben sicherte sich Rußland zunächst auf die nächsten sieben Jahre so ziemlich gleiche Rechte mit der Türkei auf die Donaufürstenthümer, indem vorläufig eine gemischte Occupationsarmee von 35,000 M. dort aufgestellt bleiben, nach Wiederherstellung der Ruhe auf 10,000 M. vermindert u. nach Beendigung der organischen Verbesserungen ganz zurückgezogen werden, indeß in der Nähe bleiben sollten, für den Fall, daß wichtige Ereignisse ähnliche Maßregeln erheischten. Eine günstigere Wendung für die Pforte im Jahr 1848 nahmen die ägyptischen Verhältnisse, indem Ibrahim Pascha, welcher für Mehemed Ali die Leitung der Geschäfte übernommen hatte, im September in Constantinopel die Belehnung als Statthalter Ägyptens erhielt. Nach seinem schon im November erfolgenden Tode wurde Mehemed Alis Enkel, Abbas Pascha, berufen, dessen Belehnung aber auf Bedingungen hin ertheilt, welche die Rechte der Pforte entschiedener als früher sicherten (s. Ägypten S. 217). Dagegen gerieth die Pforte nun wieder in die gefährlichsten Verwickelungen durch die Stellung, welche sie gegenüber der Ungarischen Revolution eingenommen hatte. Gemäß der Ansicht, daß die neuen Zeitverhältnisse der Türkei Zuwachs an Ansehen u. Macht verschaffen müßten, hatte Reschid Pascha sich den Ideen der politischen Propaganda immer williger zugeneigt. Die Bevollmächtigten u. Paschas der Pforte verkehrten mit den Magyaren aus dem freundschaftlichsten Fuße, wenn man auch in Constantinopel ihr Verhalten desavouirte; auf Andringen Rußlands u. Österreichs wurde Kossuths Bevollmächtigter, Baron Splenyi, aus Constantinopel gewiesen, dagegen unmittelbar darauf Andreassy als neuer ungarischer Botschafter zugelassen. Schaaren politischer Flüchtlinge, bes. Polen u. Italiener, zogen über Constantinopel nach Ungarn, während Andere als revolutionäre Agenten zurückblieben. Die Pforte selbst suchte zu verhindern, daß die Russen von der Walachei aus den Siebenbürgern zu Hülfe zögen, u. wies später einen Antrag Rußlands u. Österreichs, wonach ein russisches Armeecorps südlich von der Donau durch Serbien in Siebenbürgen einzurücken ermächtigt werden sollte, geradezu zurück. Nach der Katastrophe von Vilagos (13. Aug. 1849, s.u. Ungarn Gesch.) traten 4500 ungarische u. polnische Flüchtlinge, unter ihnen die Häupter der Ungarischen Revolution, [49] Kossuth, Bem. Dembinski u.a., Letztere nach ausdrücklicher Zusicherung des Schutzes, auf türkischen Boden über u. blieben zunächst in Widdin. Alsbald verlangten der österreichische u. russische Gesandte, gestützt, auf die Artikel der beiderseitigen Verträge (Karlowitzer Tractat von 1699, Passarowitzer u. Belgrader Tractat hinsichtlich Österreichs, Vertrag von Kutschuk-Kainardschi von 1774 hinsichtlich Rußlands), die Auslieferung der Revolutionshäupter. Die Pforte lehnte den Antrag ab, bot aber die Bürgschaft dafür an, daß die Flüchtlinge in Gewahrsam gehalten u. an weiteren Umtrieben verhindert würden. Jetzt verlangte Kaiser Nikolaus von der Pforte eine Verstärkung der Truppen in den Donaufürstenthümern zur Abwehr weiterer Übertritte zu schicken. Der türkische Ministerialrath erhielt seine Weigerung aufrecht, versprach jedoch die Entfernung der Flüchtlinge von der Grenze od. ihre Übersiedelung in entlegene Provinzen. Der russische u. österreichische Gesandte brachen am 17. Sept. den diplomatischen Verkehr mit der Pforte ab. Fuad Effendi aber ging als besonderer Abgesandter nach Petersburg, um das Antwortschreiben des Sultans auf das des Kaisers zu überbringen. Inzwischen begann man in Constantinopel im Stillen zu rüsten, u. eine englische u. französische Flotte näherte sich den Dardanellen; die englische lief bald nachher (4. Nov.) in den Dardanellen ein u. legte sich bei Barbieri vor Anker, während die französische bei Burlac stationirte; auf Rußlands Beschwerde verließ jedoch auch die englische Flotte bald wieder die Dardanellen. Von den auf türkischem Boden zurückgebliebenen Flüchtlingen wurden bis zum 3. Nov. Kossuth, Bem, Meszaros, Kmeti, Batthyanyi u.A., zusammen 320 Köpfe, von Widdin nach Schumla übergesiedelt. Die Verhandlungen währten indessen fort, u. noch war keine Aussicht auf friedlichen Austrag des Streites, zumal Rußland, statt gemäß dem Vertrag von Balta-Liman sein Heer in den Donaufürstenthümern auf 10,000 M., zu reduciren, dasselbe auf 40,000 M. brachte; u. Österreich erklärte in der Angelegenheit ganz mit Rußland gehen zu wollen. Da zugleich Serbien eifrig im Sinne Rußlands bearbeitet wurde, so setzte die Pforte ihre Rüstungen, bes. hinsichtlich der Flotte, fort. Mitte December trat jedoch bei gegenseitigem Nachgeben eine friedliche Ausgleichung ein. Rußland gegenüber willigte die Pforte ein aus ihren Staaten alle von Rußland namhaft gemachten Polen zu verweisen, welche als russische Unterthanen in Folge der Ereignisse in Ungarn sich nach der Türkei geflüchtet hatten, die aus ihrer Zahl zum Islam Übergetretenen nach Aleppo od. Konieh zu verbannen u. hinsichtlich der künftig mit fremden Pässen anlangenden Polen, welche der Anspinnung von Intriguen gegen Rußland verdächtig wären, auf Verlangen der betreffenden Gesandtschaften deren Vertreibung zu vollziehen. Gegenüber Österreich verpflichtete sich die Pforte alle ihr von Österreich namhaft gemachten Flüchtlinge zu Konieh in Kleinasien zu interniren; den zum Islam Übergetretenen sollten Aleppo, Konieh od. Cypern zum Aufenthaltsort angewiesen werden, worauf unter dem 6. April der diplomatische Verkehr mit Österreich wieder hergestellt wurde. Am Ende des Jahres 1849 verließen nun auch die verbundenen Flotten das Türkische Gebiet. Die Pforte aber traf sofort Anstalten den hinsichtlich der Flüchtlinge übernommenen Verpflichtungen nachzukommen, am 15. Febr. 1850 wurden Kossuth, Batthyanyi u. And. von Schumla nach Kiutahia übergesiedelt; am 24. gingen die zum Islam übergetretenen Flüchtlinge von Schumla nach Aleppo ab; ein dritter Transport brachte die ausgewiesenen russischen Flüchtlinge nach Malta. Zugleich war eine Beurlaubung der Truppen in großem Maßstabe eingetreten.

Die inneren Zustände hatten während dieser Wirren nicht gelitten, gaben im Gegentheil Zeugniß von den heilsamen Folgen der eingeführten Reformen; namentlich war dem Bestechungssysteme der Beamten kräftig Einhalt gethan worden. Nur in Bosnien, welches 1848 allen Aufreizungen von Seiten der Südslawen widerstanden hatte, war nach Besiegung der Ungarischen Revolution wieder ein Aufstand entzündet worden, dessen hauptsächlicher Herd abermals die Kraina war. Der ostensible Grund war, neben der anbefohlenen Stellung von Mannschaft zum regulären Heere, bes. die Auslegung einer neuen Grundsteuer, wonach jeder Türke u. Christ der Regierung 1/10 des Bodenertrages, jeder Christ außerdem noch den Spahis 1/3, von Heu u. Gartengewächsen aber die Hälfte entrichten sollte. Die christliche Bevölkerung hielt sich Anfangs jedem Widerstand fern, dagegen forderte ein Türke, Ali Keditsch, Anfang Juli 1849 zum bewaffneten Widerstände auf u. fand unter den Türken zahlreichen Anhang. Am 23. Juli erschienen die Insurgenten vor der Festung Bihac u. begannen dieselbe zu belagern, bemächtigten sich auch derselben am 1. März 1850. Darauf erklärten die meisten festen Städte ihren Beitritt zum Aufstand; die wenigen Anhänger der Regierung flüchteten zumeist auf österreichisches Gebiet. Jetzt griff die Bewegung auch tief nach Bosnien bis in die Herzegowina hinein, hier bes. zur Abwehr der Conscription. Der hiermit beauftragte Beamte wurde erschlagen, der Vezier am 15. Oct. aus Mostar vertrieben u. diese Festung selbst von den aufständischen Bewohnern in Vertheidigungszustand gesetzt. Inzwischen war Tahir Pascha gestorben u. Omer Pascha, der Statthalter von Bosnien, an die Spitze der bosnischen Armee getreten. Diesem gelang es die Insurgenten am 30. Oct. bei Zepse, am 19. Nov. bei Modrich, zwischen Dervent u. Kotarsko, u. am 20. Nov. bei dem Übergang über die Bosna zu schlagen. Nachdem die Insurgenten auch am 9. Febr. 1851 von Muhammed Skander Beg nach Mostar zurückgedrängt u. dies von den türkischen Truppen besetzt worden war, wurde der Aufstand für unterdrückt angesehen. Doch auch auf anderen Seiten nahmen Unruhen u. Ausstände im Jahre 1850 das Einschreiten der Pforte vielfach in Anspruch. Samos war schon im Sept. 1849 der Schauplatz einer bedenklichen Erhebung gewesen, indem die von dem Stellvertreter des Fürsten von Samos, Vogorides, hart gedrückten Samioten denselben verjagt u. die türkische Flagge herabgerissen hatten, worauf erst nach Erklärung der Insel in Blockadezustand (27. Oct.) die Ordnung durch den Kapudan Pascha, Mustapha Pascha, wieder hergestellt wurde. Am 12. April 1850 brach jedoch ein neuer Ausstand aus, welcher zwar schon binnen drei Tagen durch Mustapha Pascha unterdrückt wurde, doch es gährte fort. Als eine nach Constantinopel abgegangene Deputation, welche die Abstellung vieler Mißbräuche nachsuchen u. die Gewaltschritte gegen den Fürsten Vogorides rechtfertigen sollte, erfolglos zurückgekehrt war, wurde auch der provisorisch ernannte [50] Statthalter Konomenos vertrieben, u. es begann nun eine grenzenlose Anarchie. Erst nach längerem Zögern schritt die Pforte ein, indem am 4. Jan. 1851 die Insel in Belagerungszustand erklärt wurde, worauf sich die Aufständischen am 1. Febr. Mustapha Pascha unterwarfen. Von bedenklicherer Art war ein zunächst in Aleppo am 16. Oct. 1850 ausbrechender, wider die Christen gerichteter Aufstand, welcher sich dann weiter in Syrien ausbreitete. Neben den Beschwerden der Araber über die öffentlichen Processionen u. über das kirchliche Geläut der Christen, sowie über die erfolgreiche Thätigkeit der christlichen Missionäre u. die Bereicherung der christlichen Kaufleute, war es zunächst die Befreiung der Christen von der neu angeordneten Recrutirung, welche den lange verhaltenen Haß zum Ausbruch brachte; Gesindel nebst Arabern der Wüste begann in dem christlichen Stadttheil zu rauben, zu morden, Weiber zu mißhandeln u. Häuser in Brand zu stecken, u. trieb dies bei der Feigheit der türkischen Behörden mehre Tage ungehindert. Erst vom 30. Oct. an, nachdem aus Damask, wo Emin Pascha ähnliche Greuel unterdrückt hatte, noch zwei Bataillone türkische Truppen angelangt waren, ermannte sich der Militärcommandant Kherim Pascha zu kräftigeren Maßregeln, u. nachdem er am 4. Nov. die Araber vergeblich aufgefordert hatte die Waffen abzulegen, die bestimmte Zahl Recruten zu stellen u. den verursachten Schaden zu ersetzen, wurden die Araber angegriffen u. bis zum 7. Nov. der ganze rebellische Stadttheil erobert u. zerstört, die Araber aber, welche an 1000 M. verloren hatten, zersprengt. Die zwölf gefangenen Häuptlinge wurden nach Europa abgeführt u. über 320 Rebellen ein Gericht in Aleppo niedergesetzt. Starke Truppensendungen langten in Syrien an u. die Ruhe blieb nun ungestört. Fortgesetzte Streifzüge der Montenegriner (s. Montenegro S. 418) auf Türkisches Gebiet machten eine Truppenaufstellung an der Grenze nothwendig; doch trat rechtzeitig eine Ausgleichung ein. Im Ministerium war bereits im April eine Veränderung in so fern erfolgt, als Fuad Effendi als Minister des Innern eintrat u. Talat Effendi am 27. April an Stelle des abgetretenen Nafiz Pascha das Finanzministerium übernahm. Zeugniß von dem noch immer befolgten System des Fortschrittes gaben verschiedene Maßregeln; so die Anordnung, daß die von den Christen zu entrichtende Kopfsteuer nicht mehr von türkischen Beamten erhoben, sondern von den christlichen Gemeinden selbst vertheilt u. eingeliefert werden sollte; zur Unterdrückung der verderblichen Agiotage erfolgte eine Regulirung des Münzfußes; nach dem Vorbild von Constantinopel wurde auch für andere Orte, Kairo, Alexandrien, Smyrna etc. die Errichtung von gemischten (halb türkischen, halb fremden Unterthanen) Handelstribunalen angeordnet, so wie die Errichtung besonderer Gerichtshöfe für Fremde; Bastonnade, Peitsche u. Tortur wurden untersagt.

Unter den Ereignissen des Jahres 1851 stand eine Differenz mit dem Vicekönig von Ägypten im Vordergrund. Um Ägypten seine Abhängigkeit von der Pforte fühlbarer zu machen, wurde von derselben im Sept. 1851 eine Reihe von Forderungen an den Vicekönig gestellt, namentlich Verminderung des stehenden Heeres bis auf 18,000 Mann, Abtakelung der Flotte od. vielmehr Stellung derselben zur alleinigen Verfügung der Pforte; stetige Residenz eines Generalinspectors in Ägypten; Herausgabe der der muhammedanischen Geistlichkeit unter Mehemed Ali abgenommenen Ländereien; Verzichtung auf das Recht über Leben u. Tod; Einstellung der Eisenbahnarbeiten auf der Landenge von Suez bis zur Vorlegung des Nachweises, daß dazu die Hülfsquellen des eigenen Schatzes ohne Belastung des Landes u. fremde Subsidien ausreichten u. die Bahn von keiner fremden Macht gebaut werde. Der Vicekönig zeigte sich wenig geneigt auf diese Forderungen einzugehen u. setzte sich in Vertheidigungszustand. Zu Anfang 1852 ging Fuad Effendi in außerordentlicher Sendung nach Kairo u. ihm gelang es den Zwist zu schlichten, namentlich die Eisenbahnfrage wurde nach dem Wunsche des Vicekönigs erledigt u. hinsichtlich der Todesurtheile sollten diejenigen der großherrlichen Bestätigung noch auf weitere fünf Jahre entzogen bleiben, wobei es sich um die Concurrenz von Civilparteien handelte (19. April.). Kurz nach Aufstellung der Forderungen an Ägypten wurde von der Pforte an den Bey von Tunis das Verlangen einer förmlichen Annahme der Tansimat gerichtet; doch zogen sich die betreffenden Verhandlungen ohne bestimmtes Resultat in die Länge. In der Flüchtlingsangelegenheit begannen, nachdem das Jahr abgelaufen war, für welches die Pforte die aus Ungarn u. Siebenbürgen übergetretenen ungarischen u. polnischen Insurgenten festzuhalten versprechen u. nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika sich bereit erklärt hatte dieselben aufzunehmen: 1851 neue Unterhandlungen mit Österreich u. Rußland über die Freilassung derselben aus der Provinz Kiutahia. Unterstützt wurde diese Freilassung von Frankreich u. England, u. es wurde schließlich mit Österreich eine Einigung dahin getroffen, daß bei Entlassung der Übrigen wenigstens Kossuth, Batthyanyi, die beiden Perczel, Meszaros, Wysocki u. Arboth bis zum 9. Sept. d.J. von der Pforte überwacht würden. Neue Verwickelungen erwuchsen der Pforte gleichzeitig durch den jetzt auftauchenden Streit um das Heilige Grab, da der französische Gesandte im Namen seiner Republik u. des Papstes die Ansprüche der abendländischen Christenheit auf dasselbe gegenüber der morgenländischen geltend machte, wogegen sich Rußland im Namen der letzteren auf den verjährten, bei mehren Veranlassungen bisher nie angefochtenen Besitz stützte; einstweilen war noch kein Erfolg der diplomatischen Verhandlungen abzusehen, obschon die Pforte sich offenbar mehr dem überwiegenden Einflusse Rußlands hingab. Dagegen fand die so lange schwebende Frage wegen der vertragswidrigen Occupation der Donaufürstenthümer durch die Russen endlich ihre Lösung; seit 24. April zogen sich die russischen u. osmanischen Truppen zurück, worauf Schekib Effendi als Generalinspector in den Donauprovinzen dahin abging. Hinsichtlich der inneren Zustände des Landes erhob sich der kaum bezwungene Aufstand in der Kraina (Bosnien) schon Anfang März wieder; Jayca, am linken Ufer des Verbas u. der Pliva, ergab sich am 4. März den Insurgenten unter Omer Aga Hassanagin, indeß gelang es am 19. März Omer Pascha dieselben zwischen Jayca u. Gjulhissar zu schlagen, wobei das Haupt der Rebellen, Ladia Kapik, umkam, u. nach den Siegen bei Kozarak u. bei Bihacs konnte der Aufstand für gedämpft angesehen werden. Das Finanzwesen anlangend war die Regierung[51] in Constantinopel in diesem Jahre, gegenüber der beständig wachsenden Staatsschuld, bedacht gewesen möglich große Reductionen im Staatshaushalt herbeizuführen, u. es wurde zu diesem Zwecke namentlich das Polizeiministerium aufgehoben u. dem Kriegsministerium einverleibt, auch die Besoldungen der Gouverneure der Provinzen u. Districte ermäßigt. Zur Abhülfe der Finanznoth wurden unverzinsliche Staatsschuldscheine (Kaimé, s.d.) auf 10 Piaster lautend, creirt u. ausgegeben.

Im Jahre 1852 schritt Omer Pascha in Bosnien, um das nur noch locker mit dem Hauptlande zusammenhängende, tatsächlich in der Hand einiger Adelsfamilien befindliche Gebiet wieder unter die Souveränetät der Pforte zurückzuführen u. in die jetzt allgemein angestrebte Centralisation hineinzuziehen, mit den äußersten Gewaltmaßregeln vor. Besonders hatten jetzt die Christen, welche nun, auch die Lust zum Abfall u. die Hinneigung zu Österreich offener zeigten, die härtesten Verfolgungen zu erleiden. In dem durchaus militärisch besetzten Lande wurde eine allgemeine Entwaffnung aller Griechen u. Katholiken vorgenommen, viele Geistliche u. irgendwie einflußreiche Männer verhaftet, die katholische Geistlichkeit gezwungen von ihren Klostergütern den Zehnten zu entrichten. Selbst auf die österreichischen Unterthanen dehnte sich die Strenge Omer Paschas aus. Auch nachdem derselbe endlich abberufen worden war, milderte sich unter seinem Nachfolger das Loos der Christen nicht, weshalb Tausende nach Österreich auswanderten. Das Wiener Cabinet sah sich deshalb auch zu ernsten Vorstellungen bei der Pforte veranlaßt, u. die hiermit eintretende Spannung zwischen Österreich u. der Pforte wurde noch vermehrt durch den türkischer Seits gemachten Versuch auf einem türkischen Streifen Landes in Dalmatien Strandbefestigungen anzulegen, weshalb auch zwei österreichische Kriegsschiffe nach der Bucht von Cattaro abgingen, um die gebotene Einstellung der Arbeit zu unterstützen. Unter die in diesem Jahre angegriffenen neuen Maßregeln der Regierung gehörte namentlich die Einführung einer gemischten Personal- u. Vermögenssteuer, welche im Durchschnitte mit 20 Piastern auf den Kopf bemessen worden war. Auch die Anordnung einer Art Censur für die im Reiche lebenden Fremden wurde in Folge der Verbreitung vieler Broschüren über die Zustände des T-n R-es beliebt, wonach der Druck von Büchern u. Broschüren ohne vorhergängige Autorisation verboten war. Das Ministerium unterlag in diesem Jahre den wesentlichsten Veränderungen; am 26. Jan. 1852 wurde Reschid Pascha seines Amtes als Großvezier entsetzt u. dasselbe an Rauf Pascha übertragen (ein vorübergehender Sieg des russischen über den englischen Einfluß). Den äußeren Anlaß zu dem Systemwechsel gab die Angelegenheit wegen Regulirung der Verhältnisse des Heiligen Grabes, welche dann am 14. Febr. eine vorläufige Erledigung mit Anerkennung der Gleichberechtigung aller Confessionen fand. Reschid Pascha wurde zwar bereits am 5. März wieder zum Großvezier erhoben, jedoch schon im August durch Ali Pascha verdrängt, welcher aber am 3. Oct. wieder dem bisherigen Marineminister Mehemed Ali Pascha weichen mußte, welcher zur Fortschrittspartei gerechnet wurde. Der letztere Wechsel wurde in Verbindung gebracht mit der in Paris u. London negociirten Anleihe, welche als eine mit Ungläubigen unmittelbar getroffene Vereinbarung des widrigsten Eindruckes nicht verfehlte, die Bestätigung derselben wurde darum auch hintertrieben u. die bereits gemachten Zahlungen zurückgestellt, statt derselben aber eine Nationalanleihe ausgeschrieben, an welcher sich der Sultan selbst mit 40 Mill. Piaster u. der Hingabe von einem großen Theile seines Silbergeräthes betheiligte; außerdem wurde dem Vicekönig von Ägypten die Vorauserlegung eines zweijährigen Tributes abgefordert. Zugleich wurde die Errichtung einer Bank beschlossen. Die inneren Verhältnisse verlangten aber auch ungewöhnliche Anstrengungen, namentlich waren in Asien die Zustande wieder sehr gefahrdrohend geworden. Im östlichen Syrien befand sich die arabische Bevölkerung in offenem Aufstande; in Mesopotamien spielten einzelne Stämme derselben völlig den Meister; eine Expedition gegen die Araber in Jemen endigte mit einer völligen Niederlage der Türken unter Mustapha Pascha. Ebenso vermochte die Bekämpfung der Drusen in Syrien keinen nachhaltigen Erfolg herbeizuführen; erst die angeordnete Berufung eines Provinzialrathes, welchem auch die Drusenhäuptlinge beiwohnen sollten, ließ einige Ordnung in den empörten Landstrichen zurückkehren. Und hierzu kam nun noch eine neue Differenz mit Montenegro. Hier hatte der neue Vladika Danilo Njegosch durch Rußland die fast unumwundene Erklärung seiner Unabhängigkeit von der Pforte erhalten (s. Montenegro S. 418). Die Pforte hatte sich zunächst mit einem Protest begnügt: als aber die Nahié Piperi, auf Überredung Osman Pascha von Skutari, abgefallen war u. durch den Versuch des Vladika im November dieselbe mit Waffengewalt wiederzugewinnen ein allgemeiner Kampf in Montenegro ausbrach, wobei der Vladika bei seinem Angriff auf die Piperi mit dem bei Podgorizza aufgestellten türkischen Hülfstruppen in blutige Conflicte gerieth, so versetzte die Pforte die oberalbanesische Küste in Blockadezustand, zu dessen Handhabung eine Flotte ausgesendet wurde, u. ließ 55,000 Mann gegen die Grenze ziehen. Am Ende des Jahres währte der Krieg noch mit aller Heftigkeit fort. Inzwischen drohten auf anderer Seite neue Verwickelungen durch das von Constantinopel aus ergangene Verbot der fremden Dampfschifffahrt im Bosporus. Die Heilige Grabangelegenheit fand dagegen jetzt eine zeitweilige u. theilweise Erledigung durch die Verordnung des Sultans, wonach den Griechen das Recht jährlich zweimal in der Kapelle des Ölberges Messe zu lesen eingeräumt wurde, während den römischen Katholiken dies nur einmal erlaubt war; ebenso wurden die Rechtsansprüche der Orientalischen Kirche auf das Besitzthum des Heiligen Grabes anerkannt.

Unter solchen Verhältnissen brach nun das verhängnißvolle Jahr 1853 für die Türkei an, von dem schon nach altem Volksglauben die Vernichtung des nun eben 400jährigen Osmanenreichs in Stambul erwartet wurde. Wirklich waren auch für die Türkei auf allen Seiten so ernste Verwickelungen vorhanden, daß die Erfüllung jener Erwartung nicht unmöglich zu sein schien. Die Pforte war mit Rußland u. den katholischen Mächten entzweit wegen der Heiligen Stätten, mit sämmtlichen Gesandtschaften wegen eines neuen Gesetzes über die Außercurssetzung ausländischer Münzen; mit England u. Österreich wegen, des Verbotes der Schifffahrt im Bosporus; mit Österreich wegen der Angelegenheit[52] des bosnischen Christen; mit England u. Frankreich wegen der Anleihe. Der Krieg gegen Montenegro, mit wechselndem Glück geführt, dauerte bis gegen Ende Februar, wo dann in Folge der Vermittelung Österreichs u. Rußlands die Feindseligkeiten aufhörten (s. Montenegro S. 418 f.). Inzwischen war aber ein viel drohenderes Ereigniß eingetreten; am 30 Jan. war Graf Leiningen als außerordentlicher Botschafter Österreichs in Constantinopel eingetroffen u. verlangte im Namen seiner Regierung von der Pforte Herstellung des Statusquo in Montenegro sowohl in territorialer als administrativer Beziehung u. Räumung des Landes von den türkischen Truppen; sofortige Internirung der in der Nähe der österreichischen Grenzen sich aufhaltenden österreichischen Flüchtlinge; Anerkennung der türkischen Enclaven Kleck u. Suttorina (s.d.) in Dalmatien als neutralen Bodens; Zusicherung einer gerechten u. menschlichen Behandlung der Rajahs in Bosnien u. der Herzegowina; Aufhebung der in den genannten Provinzen widerrechtlich erhobenen Zollaufschläge auf österreichische Ein- u. Ausfuhrartikel, ebenso der widerrechtlichen Besteuerung des Tabaksbaues u. des Ausfuhrverbotes von Holz; endlich Befriedigung der gerechten Ansprüche einer Anzahl von österreichischen Unterthanen an die Pforte. Als der Großvezier diese Forderungen unbedingt ablehnte, wurde das an der Unna stehende österreichische Observationscorps auf 50,000 Mann gebracht u. die österreichische Gesandtschaft bereitete sich zur Abreise von Constantinopel. Zugleich nahm auch Rußland eine kriegerische Miene an; das fünfte russische Armeecorps war bereits an die türkische Grenze gerückt. Auf das am 10. Febr. vom Grafen Leiningen übergebene Ultimatum fand am 12. Febr. eine nochmalige Berathung der Pfortenminister statt, in Folge deren alle Ansprüche Österreichs zugestanden wurden; als geheime Artikel in der getroffenen Übereinkunft wurden bezeichnet: die Berechtigung Österreichs, bei Gebietsverletzungen durch türkische Grenznachbarn, sofort die Grenze zu überschreiten u. sich selbst Genugthuung zu nehmen, u. ferner das Zugeständniß des österreichischen Oberhoheitsrechtes über die christliche Bevölkerung Bosniens u. der Herzegowina. Die nächste Wirkung von diesem siegreichen Auftreten Österreichs gab sich in der Beilegung der Montenegrohändel kund; eine zweite in den Verhältnissen Bosniens. Hier sollten nach einem großherrlichen Ferman Christen u. Juden gleiche Rechte mit den Türken genießen, in ihrem Eigenthum ungeschmälert bleiben u. in dem großen Verwaltungsrathe für Bosnien Sitz u. Stimme haben; statt des bisherigen Besteuerungs u. Pachtsystems eine Häuserconscription u. Verzeichnung alles beweglichen u. unbeweglichen Eigenthums stattfinden u. danach die Regelung der Steuer erfolgen. In kurzer Zeit kehrte der größte Theil der auf österreichisches Gebiet geflüchteten Christen nach Bosnien zurück. Anderwärts war dagegen das Schicksal der Rajahs wieder sehr in Frage gestellt durch die laut großherrlichem Ferman vom 22. Jan. verfügte Aufhebung des wichtigeren Theiles der Tansimat, wodurch den Provinzialstatthaltern fast der volle Besitz ihrer früheren, beinahe unbeschränkten Gewalt wiedergegeben wurde.

Der Conflict mit Österreich war jetzt kaum in einer die Pforte tief demüthigenden Weise geschlichtet worden, als nun Rußland wieder feindselig gegen die Türkei auftrat. Schon am 16. Febr. Überreichte der russische Geschäftsträger dem Minister des Auswärtigen eine Note, in welcher das Petersburger Cabinet sich über den Angriff auf Montenegro beklagte u. die Unabhängigkeit des Landes als eine zweifellose Thatsache hinstellte. Kurz darauf traf nun aber Fürst Mentschikow in besonderer Mission in Constantinopel ein, welcher durch seine Verletzung der am türkischen Hofe so hoch gehaltenen Etikette bewies, daß es auf eine tiefe Demüthigung der Pforte abgesehen sei. Als Hauptpunkte der Forderungen seines Kaisers bezeichnete Mentschikow die Vergütung von 40 Mill. Piaster als Kriegskosten während der Besetzung der Donaufürstenthümer im Jahre 1850, die Rücknahme des zu Gunsten Frankreichs erlassenen Fermans in Betreff der Heiligen Stätten u. endlich die Lösung der schwebenden Differenzen über dieselben zu Gunsten der Griechischen Kirche. Die Natur dieser Forderungen, sowie Mentschikows Auftreten, führten nun zunächst die Entlassung des Ministers des Äußern, Fuad Effendi, herbei, an dessen Stelle der fügsamere Rifaat Pascha berufen wurde. Der Fürst hierdurch nicht befriedigt, stellte ein Ultimatum für seine Forderungen. Darauf erklärte der Sultan, daß er auf dieselben nicht eingehen könne, u. rief sofort den Schutz Englands u. Frankreichs an. Hierauf traten an die Stelle von Begebenheiten weitläufige diplomatische Verhandlungen. Nicht ohne Zusammenhang mit den obschwebenden Verhältnissen war wohl die in jene Zeit fallende Gewährung aller der Zugeständnisse an den Vicekönig von Ägypten, welche demselben noch im vorigen Jahre verweigert worden waren: Verleihung eines, ihn über alle Paschas, selbst über den Großvezier stellenden Titels u. des Rechtes über Leben u. Tod, ohne die früheren Beschränkungen, sowie einer unbeschränkten Autorität über alle Glieder der Familie Mehemed Alis. Erst mit dem, Mitte Aprils erfolgenden Eintreffen des englischen u. französischen Gesandten schien die Entscheidung wieder näher gerückt zu werden. Nach Empfang neuer Instructionen reichte Fürst Mentschikow am 7. Mai aufs Neue seine Forderungen ein, dieselben bezogen sich besonders auf das Protectorat Rußlands über die griechischen Christen im T-n R., der russische Gesandte in Constantinopel nebst allen russischen Consuln u. Agenten in der Türkei sollten das Recht besitzen die Kirche gegen allen Druck u. alle Verfolgung zu schützen, die Patriarchen von Constantinopel, Antiochien, Alexandrien u. Jerusalem sollten nicht mehr ohne rechtmäßigen Grund abgesetzt werden können; außerdem sollte der Diwan zu Jerusalem die Aufrechthaltung der durch die letzten Fermane festgesetzten Verhältnisse verbürgen u. sich verpflichten daran ohne vorherige Vereinbarung mit Rußland nichts zu ändern. Die Pforte lehnte die Erfüllung dieser Forderungen ab u. am 13. Mai trat Rifaat Pascha sein Ministerium an Reschid Pascha ab, dessen Abneigung gegen Rußland offenkundig war; Mustapha wurde Großvezier. Die Streitfrage wegen der Heiligen Stätten war übrigens laut des jetzt veröffentlichten Ferman als in einer allseitig befriedigenden Weise gelöst zu betrachten. Um so mehr bestand Mentschikow, alle Vermittelungsversuche der übrigen Gesandten zurückweisend, auf der Erledigung der hinsichtlich der griechischen Christen gestellten Forderungen, und als sich keine Aussicht auf eine fügsame Entscheidung[53] der Pforte eröffnete, reiste er, noch vor Ablauf des von ihm gestellten Termins, am 22. Mai ab u. wenige Tage darauf wurden alle diplomatischen Verbindungen zwischen der Pforte u. Rußland abgebrochen. In Folge davon gerieth der Handel in Stockung, schlugen die Curse bedeutend auf. Die Pforte betrieb nun die Kriegsrüstungen eifrig; die alttürkische Partei namentlich zeigte große Begeisterung für den Krieg; die Landwehr wurde einberufen u. die Flotte stellte sich theils im Bosporus, theils bei Varna auf; sie bestand aus 4 Linienschiffen von 80–100 Kanonen, 2 Fregatten, mehren Kriegsdampfern, 12 Corvetten u. verschiedenen kleinen Segeln. Zugleich wurde aber auch Seitens der Pforte der europäischen Diplomatie am 2. Juni ein rechtfertigendes Memoire hinsichtlich ihrer Politik gegen Rußland übergeben. England u. Frankreich schienen jetzt auch offen auf die Seite der Türkei getreten zu sein. Mitte Juni nahmen die vereinigten Flotten beider Mächte, 31 Schiffe von 1620 Kanonen, ihre Stellung in der Besikabai vor der Straße der Dardanellen. Dagegen näherten sich nun aber auch die russischen Heere, zusammen mindestens 120,000 M. stark, der türkischen Grenze u. die russische Flotte im Schwarzen Meere bestand aus 13 Linienschiffen, 8 Fregatten, 6 Corvetten u. 12 kleinern Fahrzeugen. Während so die Situation ein durchaus kriegerisches Ansehen genommen hatte, traf am 9. Juni das letzte russische Ultimatum ein, im Wesentlichen aus folgenden Forderungen bestehend: die Pforte verspreche die griechischen Christen u. die griechische Geistlichkeit des Reiches bei denjenigen Privilegien u. Immunitäten zu erhalten, welche sie von Alters her besessen, sowie diesen Christen u. der kaiserlichen Botschaft alle Rechte einzuräumen, welche den Christen anderer Confessionen u. den Gesandten anderer Souveräne zugestanden worden seien od. zugestanden werden würden; die Pforte verspreche ferner in den Angelegenheiten des Heiligen Grabes Alles im Statusquo zu lassen u. die Bekenner der griechischen Kirche bei den Privilegien u. Immunitäten zu belassen, welche sie von Alters her besessen; sie willige sodann ein, daß zu Jerusalem eine griechische Kirche u. ein griechisches Hospital für die russischen Pilger erbaut werde, welches unter dem russischen Generalconsulat für Syrien u. Palästina stehen werde; die Pforte mache sich endlich anheischig sofort die nöthigen Befehle zur Anfertigung des betreffenden Fermans zu erlassen. Nach Ablauf einer achttägigen Bedenkzeit werde Rußland im Falle der Weigerung die Grenzen überschreiten. Inzwischen hatte die Pforte durch einen unter dem 6. Juni erlassenen Ferman an die geistlichen Häupter aller christlichen Genossenschaften, nach Hinweis auf den bisher den verschiedenen Glaubensgenossen gewählten Schutz, denselben die Zusicherung ertheilt, daß alle noch vorhandenen Mißbräuche vollständig entfernt u. die besonderen geistlichen Privilegien der Kirchen u. Klöster, sowie ihrer Besitzungen, unverletzt erhalten werden sollten. Das russische Ultimatum wurde jedoch nach Berathung mit den europäischen Gesandten verworfen, u. am 20. Juni reiste der russische Gesandtschaftssecretär ab, wogegen der Kaiser von Rußland das Manifest von Peterhof am 26. Juni erließ, worin er seinen Entschluß verkündete die Donaufürstenthümer besetzen zu lassen; am 2. Juli begann die russische Armee, vorläufig 25,000 M., bald jedoch 50,000 M. stark, den Übergang über den Pruth; binnen sechs Tagen war die ganze Donau besetzt. In der russischen Circulardepesche vom 2. Juli wurde namentlich auch das Erscheinen der englisch-französischen Flotte in der Besikabai als Grund jener Besetzung angegeben. Die Pforte ihrerseits zog um Schumla im Corps von 95,000, bei Erzerum ein zweites von 80,000 M. zusammen, während der Vicekönig von Ägypten 20,000 M. mit 13 Linienschiffen in Alexandrien zur Überfahrt bereit hielt, von denen der eine Theil im Juli auch wirklich von Ägypten abging. Inzwischen war aber die angebotene österreichische Vermittelung angenommen worden. Freiherr von Bruck traf am 25. Juni als österreichischer Internuntius in Constantinopel ein u. fand von allen Seiten ein vertrauensvolles Entgegenkommen. Zugleich schickte Österreich ein Beobachtungscorps von 30,000 M. an die Grenze. In dem Ministerium riethen Mustapha u. Reschid Pascha, gegenüber der Kriegspartei im Ministerium, Mehemed Ali Pascha an der Spitze, beharrlich zum Frieden. Gegen die Besetzung der Donaufürstenthümer, in denen übrigens die russische Truppenmacht nur noch um beiläufig 20,000 M. vermehrt worden war, erließ die Pforte einen Protest vom 14. Juli. Mit der am 24. Juli erfolgten Eröffnung einer diplomatischen Conferenz zu Wien, bei welcher Frankreich, England, Österreich u. Preußen vertreten waren, schien endlich eine bestimmte Aussicht auf friedliche Beilegung der orientalischen Wirren gegeben zu sein. Die von da ausgegangenen Vorschläge kamen auf Folgendes hinaus: Die Pforte ziehe die vom Fürsten Mentschikow an sie gerichteten Vorstellungen sowie das innige Interesse, welches der russische Kaiser an der Aufrechthaltung der seiner Religion in den Staaten des Sultans zustehenden geistlichen Privilegien u. Immunitäten nimmt, in Erwägung u. erkläre, daß es eine Ehrensache für sie sei diese Rechte u. Privilegien für immer ungeschmälert zu erhalten; sie sei entschlossen den Buchstaben wie den Geist der beiden Verträge von Kutschuk-Kainardschi u. Adrianopel streng zu beobachten, um den Bekennern des Griechischen Glaubens dieselben Vortheile u. Begünstigungen zu gewähren, welche sie künftig den übrigen christlichen Confessionen ihres Reiches gewähren werde; zugleich würden dann feierlichst die die Heiligen Stätten betreffenden Fermans bestätigt u. erklärt, daß der daraus hervorgehende Statusquo für immer aufrecht erhalten, od. daß wenigstens keine Veränderung ohne vorgängige Zustimmung Englands u. Frankreichs damit vorgenommen werden solle; endlich verspreche die türkische Regierung die zur Erbauung der russischen Kirche, des Klosters u. Hospizes in Jerusalem, welche unter russischen Schutz gestellt werden sollen, nöthigen Befehle zu ertheilen. Der Kaiser von Rußland erklärte seine Zustimmung damit, u. so schien die Differenz endgültig geschlichtet. Nun aber erhob die Pforte unerwartet Widerspruch, indem sie zwar nicht den ganzen Entwurf verwarf, dennoch aber auf mehre dem Anschein nach allerdings wenig wesentliche Abänderungen drang, wodurch alle die Ausdrücke entfernt werden sollten, welche es in Zweifel stellen konnten, daß Rußland kein Recht zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten habe. Dabei wurden die Rüstungen in einer Großartigkeit fortgesetzt, wie sie Niemand dem anscheinend zerfallenden Staate zugetraut hätte. Geldmittel kamen auf unbegreifliche Weise zum Vorschein, die Donaulinie,[54] die Balkanpässe u. alle sonstigen wichtigen Pässe waren stark befestigt; von den 250,000 M., welche der Sultan aufstellte, standen 150,000 M. unter Omer Pascha an der Donau, 100,000 M. unter Abdi Pascha u. Rizat Pascha in Asien. Am 14. August langte auch die erste Division des ägyptischen Hülfsheeres, 12 Schiffe mit 610 Kanonen u. 7100 M., an, auch der Bey von Tunis stellte Hülfstruppen. Der Kaiser von Rußland verwarf die Modificationen der Pforte u. verlangte einfache Annahme des Wiener Entwurfes. Am 25. Sept. wurde behufs der letzten Entscheidung ein Diwan versammelt, bestehend aus den Ministern, dem hohen u. niedern Clerus, den höhern Civil- u. Militärbehörden, welcher sich einverstanden mit dem vom Ministerium bereits gefaßten Beschlüsse, auf keine weiteren Verhandlungen einzugehen, erklärte. Hierauf ertheilte der Sultan seine Sanction zu dem Beschlusse u. so wurde von der Pforte der Krieg an Rußland erklärt (s. Russisch-Türkischer Krieg S. 608). Omer Pascha, dessen Heer inzwischen auf 100,000 M. Infanterie mit 250 Kanonen u. 10 Regimenter Kavallerie angewachsen war, verlangte von dem russischen Oberbefehlshaber Gortschakow in den Donauprovinzen die Räumung der Fürstenthümer binnen 15 Tagen, u. als Gortschakow eine ablehnende Antwort gab, so begannen am 23. Oct. die Feindseligkeiten. Gleichzeitig waren auch die vereinigten englischen u. französischen Flotten aus der Besikabai in die Dardanellen eingelaufen u. hatten sich vor Galipoli vor Anker gelegt. Beim Einzug der Russen im Herbst 1853 in die Fürstenthümer dankten die von der Pforte ernannten Hospodare, Fürst Stirbey in der Moldau u. Fürst Ghika in der Walachei, ab u. übergaben die Regierung den beiden außerordentlichen Verwaltungsräthen zu Jassy u. Bucharest; jedoch setzte Kaiser Nikolaus eine gemeinschaftliche Verwaltung für beide Länder ein, welche er am 8. November dem Baron Budberg unter Oberleitung des befehlhabenden Generals Gortschakow anvertraute. Zur Bestreitung der laufenden Kriegskosten streckten England u. Frankreich (1854) jedes 10 Mill. Franken vor, welche aus der Einnahme einer zu London u. Paris nochmals versuchten Anleihe zurückbezahlt werden sollten; jedoch gelang es der türkischen Regierung erst 1855 mit Hülfe des Hauses Rothschild u. unter Bürgschaft Englands u. Frankreichs 125 Mill. Franken aufzubringen. Noch im December 1853 hatte der Sultan drei Hattischerifs in Bezug auf Serbien, die Moldau u. die Walachei unterzeichnet, worin das Protectorat Rußlands für aufgehoben erklärt, die Rechte u. Vorrechte dieser Länder aber vom Sultan von Neuem bestätigt wurden. Der Fürst von Serbien dankte unter dem 2. Febr. 1854 im Namen seines Landes für die Bestätigung der Freiheit, sprach jedoch auch den Wunsch, daß die russisch-türkischen Verträge von Bucharest, Akjerman u. Adrianopel aufrecht erhalten werden möchten, sowie den Entschluß Serbiens aus, seine vertragsmäßigen Beziehungen sowohl gegen Rußland, wie gegen die Türkei getreulich wahrzunehmen. Zur besseren Ausführung der Tansimat ordnete der Sultan am 7. September 1854 die Niedersetzung eines außerordentlichen Vollzugsrathes von sechs höheren Staatsbeamten an, welche die Gebrechen der Verwaltung, des Finanzwesens u. der Rechtspflege aufsuchen u. die zur Beförderung der Volkswohlfahrt erforderlichen Maßregeln vorschlagen sollten. Am 8. October 1854 wurde der Sklavenhandel überhaupt u. namentlich der Circassier im T-n R. untersagt. Am 17. Sept. 1854 löste der Sultan die Baschi-Bozuks (s.d.) auf, welche zu Anfange des Krieges freiwillig die Waffen ergriffen, aber bes. in Gegenden mit griechischer Bevölkerung Grausamkeiten u. Rohheiten aller Art begangen hatten. Wurden diese Bestrebungen der europäischen Civilisation Seitens der Regierung von der türkischen Bevölkerung, welche sich neben dem überwältigenden Eindruck fränkischer Machtentwickelung in der Hauptstadt u. in dem Herzen des Reiches in ihrem Nationalstolze gekränkt fühlte, auch nicht unterstützt, so gewannen sie doch das Vertrauen u. die Zuneigung der christlichen Unterthanen.

Der Krieg an der Donau war unterdessen, während die Kriegsflotten der Engländer u. Franzosen bereits (2. November 1853) in den Bosporus eingelaufen waren u. die Westmächte eifrigst zum Kriege rüsteten, verhältnißmäßig glücklich geführt worden, aber die fortwährenden Niederlagen in Kleinasien, in Folge deren das türkische Heer mit großem Verluste schon am 1. December 1853 nach Kars flüchten mußte, u. die Vernichtung der türkischen Kriegsflotte im Hafen von Sinope durch den russischen Admiral Nachimow (30. November 1853), nöthigten den Sultan am 6. December den bewaffneten Schutz der englischen u. französischen Kriegsschiffe in Anspruch zu nehmen. Unter diesen Umständen konnte die türkische Regierung bei den diplomatischen Verhandlungen, welche zwischen Frankreich, England, Österreich u. Preußen einerseits u. Rußland andererseits noch geführt wurden, sich nur an die Schutzmächte anlehnen. Am 4. Jan. 1854 war die westmächtliche Flotte ins Schwarze Meer eingelaufen, um die Thätigkeit der russischen Kriegsschiffe gegen die Türkei zu hindern. Die Hülfe schien um so nöthiger, als auch vom Königreich Griechenland aus ein Aufstand in den zunächst gelegenen türkischen Provinzen angestiftet wurde. Die Griechen hielten die Zeit, wo die Westmächte mit Rußland beschäftigt sein würden, für günstig, um sich auf Kosten der Türkei zu vergrößern od. wo möglich ein Byzantinisches Kaiserreich wiederherzustellen. Schon am 27. Januar 1854 erfolgte die Erhebung einiger griechisch-albanesischer Districte in Epirus, im Februar der Aufstand der Griechen in Thessalien. Die Vorstellungen des türkischen Gesandten in Athen gegen den von Griechenland aus den Aufständischen offen geleisteten Beistand blieben fruchtlos (s. Griechenland S. 616 f.). Nach der Kriegserklärung von Seiten Frankreichs u. Englands gegen Rußland, 28. März 1854 (s.u. Russisch-Türkischer Krieg S. 610) langten am 31. März 1854 die ersten französischen Hülfstruppen in Galipoli an, nachdem am 12. März zwischen England, Frankreich u. der Pforte ein Vertrag abgeschlossen worden war, wonach Frankreich u. England sich verpflichteten die Türkei mit Waffengewalt bis zum Abschluß eines die Unabhängigkeit des T-n R-s u. die vollen Rechte des Sultans sichernden Friedens zu unterstützen, auch sofort nach dem Friedensschluß alle während des Krieges von ihren Truppen besetzten Gebietstheile der Türkei zu räumen; die Pforte ihrerseits, ohne die Zustimmung der beiden Schutzmächte keinen Waffenstillstand od. Frieden zu schließen. Am 14. April landeten die ersten englischen Hülfstruppen in Constantinopel.[55] Zugleich drangen die Gesandten der dem Sultan befreundeten vier Großmächte in die griechische Regierung keine Veranlassung zu begründeten Beschwerden weiter zu geben, worauf nach wiederholten vergeblichen Warnungen der griechische Gesandte in Constantinopel seine Pässe erhielt, die Griechen aus dem T-n R. ausgewiesen wurden 28. März), die Westmächte (am 18. Mai) die griechischen Küsten in Blockadezustand erklärten u. englisch-französische Truppen den Piräus besetzten (25. Mai), um die griechische Regierung an der Unterstützung des Ausstandes in Epirus u. Thessalien zu hindern. Dieser wurde dann von den Türken selbst leicht unterdrückt u. die Erstürmung des verschanzten Lagers der Griechen bei Kalabaka in Thessalien (18. Juni) durch Abdi Pascha u. Fuad Effendi stellte die Ruhe vollständig wieder her. Um drohenden Bewegungen der slawischen Völkerschaften im Norden der Türkei zu Gunsten Rußlands vorzubeugen, war die türkische Regierung mit Österreich in nähere Verbindung getreten, so daß sie am 27. Mai dem serbischen Fürsten den Einmarsch österreichischer Truppen in Montenegro u. Albanien für den Fall anzeigen konnte, daß die russische Partei einen Aufstand versuchen würde, u. Österreich hatte mit Preußen u. dem Deutschen Bunde Verträge geschlossen u. am 3. Juni eine Aufforderung an Rußland ergehen lassen die Donaufürstenthümer zu räumen. Während die russische Regierung hierin nachgab, kam eine Übereinkunft zwischen Österreich u. der Türkei zur Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes in den Donaufürstenthümern, nach der Räumung durch die Russen, zu Stande, wonach die Moldau u. Walachei bis zur Ausführung eines Friedensvertrages zwischen Rußland u. der Türkei durch österreichische Truppen besetzt werden sollten. Im August 1854 waren die Fürstenthümer von den Russen geräumt u. von den Österreichern besetzt, worauf von türkischen Regierungscommissarien die früheren Verwaltungen wiederhergestellt wurden, auch die Hospodare Stirbey u. Ghika die Regierung wieder übernahmen. Der Streit mit Griechenland wurde unter Vermittlung der Westmächte beigelegt. Griechenland mußte sich verpflichten kräftige Maßregeln zur Verhinderung der Räubereien an der türkischen Grenze zu ergreifen u. Bürgschaften gegen Wiederkehr ähnlicher Vorgänge übernehmen. Das Ministerium vom 13. Mai 1853 war, weil der Großvezier Mustapha sich weder den Westmächten noch den Russen zuneigte, am 27. Mai 1854 aufgelöst worden; Mehemet Köprili Pascha wurde Großvezier; Reschid Pascha blieb Minister des Äußeren; die bedeutendsten unter den übrigen Ministern waren der Kriegsminister Riza-Pascha, der Seeminister u. Schwager des Sultans Halil Pascha, der Polizeiminister Arif Pascha u. Aali Pascha. Schon am 23. November 1854 erhielt jedoch Mehemet Köprili eine andere Stellung; der Sultan erhob Reschid Pascha zum Großvezier u. übertrug das Ministerium des Äußeren an Aali.

Nachdem die westmächtlichen Truppen Anfang September den Feldzug in der Krim (s. Russisch-Türkischer Krieg S. 612) begonnen u. die Österreicher die Fürstenthümer besetzt hatten, wurden die türkischen Truppen im December 1854 nach der Krim übergeschifft, um Eupatoria zu besetzen. Ein Versuch der Russen diesen befestigten Platz zu nehmen wurde am 17. Februar 1855 von den Türken zurückgewiesen. Ebenso gelang es den türkischen Truppen unter Elim Pascha in Asien vor dem Dorfe Derban die aufständischen Kurden (9. Febr. 1855) zu schlagen, worauf sie siegreich in Dschesireh einrückten. An den in Wien am 15. März eröffneten Friedensconferenzen nahmen auch zwei Abgeordnete der türkischen Regierung Theil u. erlangten dabei die ausdrückliche Anerkennung der Integrität der Türkei von Seiten der Vertreter der fünf Großmächte. Allein bei der Fortsetzung des Krieges waren die türkischen Waffen nicht glücklich. In der Krim war den türkischen Truppen unter Omer Pascha ein sehr untergeordneter Platz angewiesen worden, tiefer, als der der sardinischen Hülfstruppen, welche unterdessen in Folge eines Bündnisses mit den Westmächten u. eines Vertrages mit der Türkei zur Theilnahme an dem Kriege in der Krim gelandet waren. In Asien waren die beiden türkischen Heere, welche der Sultan den Russen entgegengestellt hatte, in vollständiger Auflösung begriffen, die Festung Kars von Murawiew eingeschlossen u. dem Falle nahe. Nach dem Falle von Sebastopol (s.u. Russisch-Türkischer Krieg S. 619) marschirte Omer Pascha, um im Rücken des in Kleinasien beschäftigten russischen Heeres Transkaukasien anzugreifen u. so den General Murawiew zu zwingen die Belagerung von Kars aufzugeben, auf Kutaïs los u. erzwang den Übergang über den Ingur (in Mingrelien); allein der Einfall der Türken in ein wesentlich christliches Land entfesselte den Religionshaß, u. als am 23. Novbr. Kars in die Hände der Russen fiel u. die ganze Besatzung in Gefangenschaft gerieth, trat Omer Pascha den Rückzug an, wobei der größte Theil seiner Truppen aufgerieben wurde. Unterdessen hatte Österreich im November 1855 mit den Westmächten die Friedensbedingungen festgestellt, welche es als letztes Wort seinerseits der russischen Regierung vorlegen wollte; dieselben waren, bevor sie nach Petersburg Übermacht wurden, von der türkischen Regierung genehmigt worden. Außerdem hatten aber Frankreich, England u. Österreich beschlossen noch vor Abschluß des Friedens eine Vereinbarung mit dem Sultan über die Verhältnisse der Christen in der Türkei zu Stande zu bringen. In Folge dessen erließ der Sultan bereits am 18. Febr. 1856 einen Hattischerif (Hatti-Humajum) zur Befestigung u. Erweiterung des Hattischerifs von Gülhanie u. der darauf bezüglichen Verwaltungsgesetze (Tansimat), dessen Ausführung eine neue Ordnung der Dinge begründen sollte. Die hauptsächlichsten Punkte waren: Gleicher Genuß der Rechte ohne Unterschied des Standes od. der Religion, Sicherheit u. Schutz der Person, des Eigenthums, der Ehre; Aufrechthaltung u. Bestätigung aller der den christlichen u. nichtmuhammedanischen Gemeinden seit alter Zeit od. später gewährten geistlichen Freiheiten u. Rechten; Erhaltung des kirchlichen Vermögens in seinem Bestände, aber Verwaltung durch Geistliche u. Laien; feste Besoldüng der Geistlichen mit Wegfall ihrer bisherigen Einnahmen; Recht eigene Kirchen, Schulen, Hospitäler, Kirchhöfe zu haben u. dieselben nach dem ursprünglichen Bauriß wieder aufzubauen; volle Freiheit in der Ausübung jedes Glaubensbekenntnisses; Aufhebung alles dessen, was in der Verwaltung u. Rechtspflege für die Rajahs verletzend sein kann; Zulassung der Rajahs zu Staatsämtern ohne Unterschied der Religion; gleiche Theilnahme[56] am Genuß des öffentlichen Unterrichtes; Recht jeder Gemeinde Unterrichtsanstalten zu errichten; Verhandlung der Gegenstände des Handels, der Polizei u. des Strafrechts, wobei Muhammedaner u. Rajahs betheiligt sind, öffentlich u. mündlich vor gemischten Gerichten; Zulassung jedes Eides u. von Zeugen jedes Glaubens; öffentliche Verhandlung von Civilsachen vor gemischten Provinzialräthen in Gegenwart des Regierungspräsidenten u. Richters im Orte (jedoch können Processe in Erbschafts- u. anderen dergleichen Angelegenheiten von Christen derselben Religion auch beim Patriarchen od. dem Gemeinderath anhängig gemacht werden); baldige Ausarbeitung von Gesetzbüchern über Verbrechen u. Strafen, Handelsangelegenheiten u. Gerichtsverfahren u. Veröffentlichung derselben in allen Sprachen des Reiches; Verbesserung des Gefängnißwesens u. der Strafanstalten, sowie der Polizei; Gleichheit der Besteuerung, gleiche Verpflichtung zum Kriegsdienst, jedoch mit Loskauf u. Stellvertretung; Fremden wird das Recht eingeräumt Grundeigenthum zu erwerben mit gleichen Verpflichtungen, wie die der Eingeborenen, u. nach mit den fremden Mächten getroffenem Übereinkommen; Aufhebung der Staatseinnahmenverpachtung, allmälige Einführung unmittelbarer Steuererhebung; Festsetzung der Gemeindeabgaben nach billigem Verhältniß ohne Gefährdung der Arbeit; Verbesserung der Verkehrswege u. Verkehrsmittel; jährliche Festsetzung u. Veröffentlichung der Staatseinnahmen u. Ausgaben; Berufung von Notablen (auch christlichen) aus allen Theilen des Reiches zur Theilnahme an den Berathungen über allgemeinwichtige Angelegenheiten im Verein mit dem Diwan (Staatsrath); den dazu von der Regierung berufenen Mitgliedern, deren Wirksamkeit auf ein Jahr beschränkt ist, wird vollkommene Redefreiheit zugesichert; Gründung von Banken u. Geldgeschäftsanstalten zur Hebung des Handels, Ackerbaues, Gewerbfleißes u. zur Verbesserung des Münz- u. Finanzwesens; Wissenschaft, Kunst u. Geldkräfte Europas sollen möglichst benutzt werden, um alle diese Zwecke zu erreichen. Das Recht mit Glocken zum Gottesdienst zu läuten u. neue Kirchen zu bauen wurde den Christen nicht eingeräumt; gleichwohl genehmigte die türkische Regierung seit dem Frühjahr 1856 nicht nur alle Gesuche den Bau neuer Kirchen betreffend, sondern gestattete auch den Griechen in Constantinopel, aber nur als besondere Gnade, den Gebrauch der Glocken. Überhaupt stieß die Ausführung des Verfassungsgesetzes auf lebhaften Widerstand von Seiten der Türken, wie der Christen. Im Laufe des Jahres 1855 waren auch mehre Veränderungen im Ministerium vorgegangen: Aali Pascha wurde Großvezier (2. Juli), Fuad Pascha Minister des Äußeren (Mai), Mehemed Ruschdi Pascha Kriegsminister (2. Juni). Nachdem Rußland die Vorschläge Österreichs u. der Westmächte genehmigt hatte, nahm der Großvezier u. der türkische Gesandte zu Paris an den am 25. Febr. 1856 zu Paris eröffneten Friedensconferenzen Theil u. am 30. März wurde der Pariser Friede abgeschlossen, dessen Bedingungen s.u. Russisch-Türkischer Krieg S. 621 ff.

Unruhige Bewegungen in Arabien, welche seit mehren Jahren dahin gingen, die heiligen Städte Mekka u. Medina von der Botmäßigkeit der Türken zu befreien, wurden unterdrückt. Der Großscherif Emir Abdel Mutaleb, welcher in Mekka unter Oberhoheit der Pforte u. zunächst unter dem turkischen Statthalter daselbst stand, entfloh 1855 nach Taïf, um von da aus desto ungestörter seine Landsleute aufzuwiegeln. Der Aufstand brach aus, als in Folge des Verbotes des Sklavenhandels die Sklavenmärkte geschlossen wurden, u. die türkische Besatzung zog sich in die Festung Mekka, zurück. Der Sultan setzte den Großscherif ab u. ernannte den Emir Ibn-Anu dazu; als er am 17. April 1856 in Mekka einzog, war die Ruhe vollständig wieder hergestellt. Die von der Pforte am 16. Juni 1849 auf sieben Jahre ernannten Hospodare der Moldau u. Walachei zeigten dem französischen Einflüsse gegenüber, welcher die Vereinigung derselben unter einem Bonaparte betrieb, einen zu großen Mangel an Selbständigkeit, so daß der Sultan bis zur endgültigen Regelung der Verfassungsverhältnisse durch die europäische Commission für diese Fürstenthümer zwei türkische Regierungscommissäre (Kaimakams) ernannte, am 7. Juli den Fürsten Alex. Den. Ghika für die Walachei u. am 17. Juli Theodoritza Balsch für die Moldau. Im Laufe des Monats August war die Räumung der Türkei von Seiten der englischen u. französischen Hülfstruppen vollendet worden; allein die englische Kriegsflotte blieb im Schwarzen Meere u. die österreichische Besatzung in den Donaufürstenthümern bis zur vollständigen Ausführung des Pariser Friedensvertrages, welche in Bezug auf die vertragsmäßige Abtretung russischen Gebietes auf Schwierigkeiten stieß. Bei der Krönung des Kaisers Alexander II. zu Moskau am 7. September ließ sich der Sultan durch seinen außerordentlichen Gesandten Mehemed Köprili vertreten. Mit der niederländischen Regierung schloß die Pforte im März 1857 einen auf vollständige Gegenseitigkeit gegründeten Handelsvertrag. Die inneren Verhältnisse waren nicht erfreulich. Die bemittelte nichtarbeitende Klasse der Osmanli zeigte sich als durchaus ungeeignet im Geiste europäischer Civilisation vorzuschreiben, geeigneter dazu die türkischen Kaufleute u. Handwerker, welche jedoch kaum den fünften Theil der türkischen Bevölkerung bilden. Freilich erschwerten auch die Christen, namentlich die Slawen, die Ausführung des Hat durch Forderungen, deren letztes Ziel nichts Geringeres als vollständige Unabhängigkeit zu sein schien, u. welche der türkischen Reaction in die Hände arbeiteten. Im Januar 1857 wurde durch Vermittelung eines englischen Agenten eine neue Anleihe im Betrage von 300 Millionen Piastern abgeschlossen. Neben der Durchsuchung der Landenge von Suez (s.d.), deren Ausführung von Seiten Englands Widerstand zu finden schien, tauchten mehre Eisenbahnprojecte auf; den Bau der Bahn von Smyrna nach Aïdin übernahm eine englische Gesellschaft, u. die Arbeiten sollten im Frühjahr 1857 beginnen. Der englische Generalmajor Chesney erhielt die Bewilligung zu der sogenannten Euphratbahn (s.d.), welche von Seleucia nach Dschaber-Kaliffi führen u. den Verkehr vom Mittelmeere nach dem Persischen Meerbusen u. von da nach Ostindien vermitteln soll; der Engländer Lionel Gisborn ein Privileg zur Errichtung eines elektrischen Telegraphen von den Dardanellen an längs der Euphratbahn nach dem Persischen Meerbusen. Die Begünstigung der Einwanderung, um den Ackerbau zu heben, schien nicht ohne Erfolg zu bleiben; im [57] April 1857 schifften sich in Constantinopel 150 Polen nach Thessalien ein, um sich auf den dortigen Gütern Reschid-Paschas niederzulassen. Dem Bedürfniß größerer öffentlicher Sicherheit sollte durch Errichtung von Reichsgendarmerie genügt werden; die Ausführung beschränkte sich aber im Jahr 1856 auf zwei Gendarmeriebataillone in der Hauptstadt, nachdem die von den Franzosen daselbst gebildete Gendarmerie mit den französischen Truppen die Türkei verlassen hatten. Am 28. Novbr. trat in Folge der Schwierigkeit der politischen Verhältnisse eine neue Ministerveränderung ein; Reschid wurde von Neuem Großvezier u. Ethem Minister des Äußeren. Um die Schwierigkeiten zu heben, welche die zur Feststellung der neuen Grenze zwischen Rußland u. der Türkei an Ort u. Stelle gesandte europäische Commission bei Ausführung des Friedensvertrages gesunden hatte, trat eine Konferenz von Bevollmächtigten der beim Pariser Kongreß versammelt gewesenen Mächte in Paris zusammen u. beschloß am 6. Jan. 1857, daß die neue russisch türkische Grenze längs dem Trajanswall, indem sie die Städte Belgrad u. Tabak der Moldau zutheilte, bis zum Flusse Jalpuk sich erstrecken, u. daß Rußland auf dem rechten Ufer dieses Stromes die Stadt Komrat mit einem Gebiete von etwa 7 Quadratmeilen behalten sollte; daß ferner die im Westen der neuen Grenzscheide gelegenen Gebiete der Moldau zugetheilt werden, mit Ausnahme des Donaudeltas u. der Schlangeninsel, welche unmittelbar an die Türkei zurückfallen sollten. Es wurde außerdem festgesetzt, daß spätestens am 30. März die Grenzregelung bewerkstelligt sein sollte, u. daß bis zu dieser Zeit die österreichischen Truppen die Donaufürstenthümer u. die britische Flotte die inneren Gewässer der Türkei zu räumen hätten. Die aus Bevollmächtigten der Vertragsmächte zur Regelung der Verhältnisse der Moldau u. Walachei gebildete Commission, deren Mitglieder sich bereits in Constantinopel befanden, sollte sich sodann zu Anfang Aprils in die Fürstenthümer begeben, um sich ihrer Aufgabe zu entledigen u. nach Beendigung ihrer Arbeiten darüber derjenigen Konferenz zu berichten, welche nach Art. 25 des Pariser Friedensvertrages durch eine Übereinkunft, welche zwischen den Vertragsbetheiligten über die Organisation der Fürstenthümer vereinbarte schließliche Verständigung bestätigen sollte. Diese Bestimmungen kamen zur Ausführung. Im März 1857 starb der Kaimakam der Moldau Balsch; der Sultan ernannte an seiner Stelle einen Fanarioten, Vogorides. Nachdem auch die türkischen Truppen die Fürstenthümer verlassen hatten, ließ die türkische Regierung durch ihren Kommissär Kabeli Effendi die Einberufung der beiden Specialrathsversammlungen (Diwans ad hoc) anordnen, welche die Wünsche der rumänischen Bevölkerung der europäischen Commission mittheilen sollten. Es handelte sich dabei hauptsächlich um die Vereinigung der beiden Fürstenthümer, welche von Seiten der französischen Regierung offen befürwortet u. betrieben wurde, dabei von Rußland u. Sardinien unterstützt; während nunmehr nicht blos Österreich u. die Türkei, sondern auch England der Vereinigung entgegentraten. Unter solchen Umständen fanden die Wahlen der Abgeordneten zu den Diwans im Juli in den Fürstenthümern statt, im Ganzen gegen die Vereinigung ausfallend, zum Theil bei großer Aufregung wohl ordnungswidrig. Auch Preußen hatte diese Überzeugung gewonnen. Die Gesandten von Frankreich, Rußland, Preußen u. Sardinien forderten hierauf die türkische Regierung auf diese Wahlen für ungültig zu erklären, was diese auch nach einer zwischen den französischen, englischen u. österreichischen Regierungen eingetretenen Verständigung zuletzt that. Es wurden daher neue Wahlen angeordnet, s.u. Walachei. In den inneren Angelegenheiten wurde mit dem besten Willen fortgeschritten. Da die türkische Polizei zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit bes. in der Hauptstadt wegen Anwesenheit vieler unter dem Schütze der Gesandtschaften stehenden fremden Abenteurer nicht ausreichte, so wurden von türkischen Beamten u. den europäischen Gesandten Konferenzen abgehalten, um gemeinschaftlich die Wirksamkeit polizeilicher Maßregeln zu fördern. Auch in den Provinzen machte sich eine bessere Polizeiverwaltung bemerklich. Die Thätigkeit des zur Vollziehung der Tansimat niedergesetzten Rathes offenbarte sich in der Bekanntmachung einer neuen Gerichtsordnung, welche das Civilrecht, die Handels-, Kriminal- u. Verwaltungsgesetzgebung umfaßte. Am 23. Mai wurde der elektrische Telegraph zwischen Adrianopel u. Philippopel dem Betriebe übergeben, welcher aber nur in Türkischer Sprache abgefaßte Depeschen befördert.

Ministerwechsel, wie sie in Constantinopel an der Tagesordnung sind, welche aber fast nie eine durchgreifende Systemänderung bedeuten, kamen auch im Jahre 1857 mehrfach vor; im März wurde Sami Pascha zum Unterrichts-, Achmet Vasik Effendi zum, Justizminister ernannt; im Mai übernahm Ali Ghalib Pascha an Stelle Ethem Paschas das Ministerium des Äußeren. Allein schon Ende Juli trat wieder eine vollständige Umgestaltung ein: Mustapha Pascha wurde zum Großvezier, Raschid Pascha, der bisherige Großvezier, zum Tansimatpräsidenten, Aali Pascha zum Minister des Äußeren, Ali Ghalib zum Minister der frommen Stiftungen ernannt. Im October aber trat Raschid Pascha wieder als Großvezier ein, Riza Pascha wurde Kriegsminister, Aali Pascha blieb als Minister des Äußeren. Die neuen Wahlen in den Donanfürstenthümern fielen im Sinne der Unionspartei aus. Der Diwan der Moldau wurde am 4. Oct. 1857 eröffnet u. nahm einen Antrag an, welcher folgende fünf Punkte als allgemeine Wünsche zusammenfaßte: Aufrechterhaltung der Rechte der Fürstenthümer u. bes. des Rechts der Autonomie innerhalb der Grenzen der mit der Pforte abgeschlossenen Capitulationen; Vereinigung, der Fürstenthümer in einen einzigen Staat unter dem Namen Rumänien; ein fremder erblicher Fürst aus einer europäischen Herrscherfamilie; Neutralität des Gebietes der Fürstenthümer; die gesetzgebende Gewalt in den Händen einer gewählten Versammlung, in welcher alle Interessen der Nation vertreten sind. Alles unter Garantie der Mächte, welche den Pariser Friedensvertrag gezeichnet hatten. In ganz gleicher Weise sprach sich der am 11. Oct. zusammengetretene Diwan der Walachei aus. Aali Pascha protestirte in einer Circulardepesche vom 23. Sept. 1857 gegen das Vereinigungsproject, ohne jedoch jeden Gedanken an eine Annäherung der Gesetzgebung zurückzuweisen, welche sich mit den Rechten des Sultans u. der Aufrechterhaltung der politischen Trennung der beiden Provinzen vereinigen lasse. Ein noch schärferes Circular[58] folgte unterm 28. Oct.; beide Depeschen erhielten von den Großmächten die deren verschiedenen Auffassungen entsprechenden Antworten, s.u. Walachei u. Moldau. Mit dem Schluß des Jahres 1857 wurden die Diwans durch großherrlichen Ferman aufgelöst. Seit Juni 1857 brach die Gährung in Bosnien u. der Herzegowina wieder in neuen Unruhen aus; sie hatten jedoch weniger einen politischen Charakter, sondern waren vielmehr gegen die Bedrückungen der Grundherren u. gegen die Übergriffe der türkischen Beys gegenüber den Christen gerichtet. Da Verhandlungen mit dem Gouverneur der Provinz ohne Erfolg blieben, schickten die Christen einen Deputirten an den Fürsten Kallimachi, türkischen Gesandten in Wien, um demselben eine an den Sultan gerichtete Petition zu übergeben. Inmittelst aber hatten Excesse der Baschi-Bozuks in der Herzegowina die Unzufriedenheit noch mehr angefacht u. die Gegend zwischen Mostar u. der montenegrinischen Grenze war in vollem Aufstand. Fürst Danilo von Montenegro wurde von den Türken beschuldigt den Aufstand zu unterstützen, u. sowohl zu Land als zu Wasser wurden Truppen abgeschickt, welche sich mehr u. mehr der montenegrinischen Grenze näherten. Als die Türken einen montenegrinischen Priester Namens Radocay verrätherischer Weise ermordet hatten, kam der Kampf zum Ausbruch; ein Corps von 800 Mann unter Führung von Ino Radonitsch rückte gegen Zupci vor, überraschte die Türken u. trieb sie bis zur Citadelle von Trebinje zurück; doch kehrten auch die Montenegriner wieder nach ihrem Gebiete um. Der Anschluß der Dörfer Djurmani u. Missic an Montenegro wurde von dem Senator Turo Plamenaz dazu benutzt, um sich mit 500 Montenegrinern in Spizza festzusetzen, aber der Anmarsch von 3000 Türken nöthigte sie der Übermacht zu weichen. Neue Feindseligkeiten rief dann der Einmarsch der Türken in das Gebiet von Grahowo hervor, welcher Ort zwar auf türkischem Grund u. Boden liegt, aber unter dem Protectorat von Montenegro steht. Die Montenegriner griffen die Türken am 11. Mai 1858 unvermuthet an u. brachten ihnen nach hartnäckigem Kampfe eine vollständige Niederlage bei. Die Türken zogen sich nach Trebinje zurück, um die über Klek gesandten Verstärkungen abzuwarten. Inmittelst hatten die Großmächte beider Parteien die ernstlichsten Vorstellungen für Erhaltung des Friedens gemacht; obwohl sie je nach ihrem Interesse eine verschiedene Stellung einnahmen, unterstützte doch keine das türkische Ansinnen, daß Fürst Danilo die Oberherrschaft der Pforte anerkennen solle, vielmehr bemühten sie sich gemeinsam die Pforte von weiteren Angriffen abzuhalten. Man kam überein, die türkisch-montenegrinische Sache durch eine von den Großmächten zu ernennende Commission auf der Grundlage des Status quo von 1856 schlechthin zu lassen, u. am 14. Mai ertheilte die Pforte an Hussein-Pascha, den Anführer der türkischen Truppen, den Befehl sich weiterer Feindseligkeiten zu enthalten, nachdem am 13. die Montenegriner sich noch eines türkischen Transports bemächtigt u. mehre Dörfer geplündert hatten. Doch fuhr die Pforte fort Truppen nach der Herzegowina zu schicken, u. zwar auf dem ihr von Österreich gestatteten Weg über Ragusa. Die Christen der Herzegowina riefen die Vermittlung der Consuln Frankreichs u. Englands an u. erklärten auf deren Zureden ihre Unterwerfung (14. Juli 1858), indem sie zugleich ihre sehr mäßigen Forderungen formulirten. Kemal-Effendi wurde hierauf von der Pforte befehligt die angesammelten Truppen zu entfernen.

Noch vor Beendigung dieser Unruhen war auf der Insel Candia ein anderer Aufstand ausgebrochen; am 16. Mai 1858 hatte eine Schaar von etwa 1000 Griechen nahe bei der Hauptstadt Canea eine feste Stellung eingenommen u. erklärten, sie wollten zwar keinen Act des Angriffes vornehmen u. des Sultans treue Unterthanen bleiben, aber sie verweigerten die Zahlung der ihnen auferlegten neuen Steuern, bes. der Conscriptionssteuer, welche sogar für 3 Jahre rückwärts entrichtet werden sollte. Der Gouverneur Vely Pascha langte bald mit 700 M. Linientruppen von Candia an; Anfangs gebrauchte er keine Gewalt, als er jedoch allen Muselmanen Befehl ertheilte vom Lande zur Stadt zu kommen, stieg die Aufregung u. die Zahl der Aufständischen wuchs auf mehr als 6000 an. Sie überreichten dem Pascha u. sämmtlichen Consuln, mit Ausnahme des englischen, eine Beschwerdenschrift. Inmittelst hatte die Pforte zwei außerordentliche Commissare, den Admiral Achmet u. Rhamsi-Effendi, nach der Insel geschickt, welche auf alle Forderungen der Christen eingingen u. darüber nach Constantinopel berichteten. Während die Rückantwort von dort erwartet wurde, gab die Ermordung eines Türken durch einen jungen Griechen (2. Juli 1858) der muselmanischen Bevölkerung Anlaß zu offenen Gewaltthaten. Die bewaffneten Türken erzwangen unter Drohungen von den Commissaren, daß der Grieche gehängt wurde, u. schleiften dann seinen Leichnam durch die Straßen von Canea. Auf die Nachricht hiervon sammelten sich die Christen auf dem Lande wieder, auch in Candia u. Retimo brachen Unruhen aus. Inmittelst aber überbrachte Sami-Pascha, welcher an Velys Stelle zum Gouverneur ernannt worden war, die Entscheidung der Pforte, welche den Forderungen der Christen günstig war. Es wurde Allen, welche die Waffen ergriffen hatten, Amnestie verwilligt, die Aufrechterhaltung des Hatti-Humayum in Bezug auf freie Religionsübung in allen Punkten zugesichert, hinsichtlich der Steuern, der Wahl der Bezirksvorstände u. der Beschränkung der türkischen Richter bezüglich der christlichen Unmündigen den Wünschen der christlichen Bevölkerung entsprochen. Ende Juli kehrte dieselbe friedlich zu ihren Wohnungen zurück. In der Umgebung von Mekka hatte die Verkündigung der Aufhebung des Sklavenhandels eine aufständische Bewegung hervorgerufen, in Folge deren der Groß-Scherif Mutalab durch seinen Vorgänger, Ibn-Arun, ersetzt worden war. Mit dem muselmanischen Fanatismus vereinigte sich in jenen Gegenden die Rivalität der arabischen Schiffer u. Kaufleute mit einer als bevorstehend angekündigten Dampfschiffverbindung im Rothen Meere u. mit den neuerdings namentlich in Dscheddah angesiedelten europäischen Handelshäusern. Am Abend des 15. Juni 1858 wurde plötzlich das englische Consulat in Dscheddah von einem Volkshaufen gestürmt, der Consul Page ermordet u. das Haus geplündert. Gleiches Schicksal hatte das französische Consulat, wo der Consul Eveillard gleichfalls ermordet wurde. Alle Christen, welche sie erlangen konnten, wurden von den Wüthenden ermordet, nur wenige retteten sich an Bord des englischen Kriegsschiffes Cyclops, welches[59] vor Dscheddah lag u. hierdurch erst von den Vorgängen in der Stadt Kenntniß erhielt. Erst am 19. Juni stellte der Gouverneur Namik-Pascha, welcher während des Blutbades gerade in Mekka gewesen war, die Ruhe wieder her. Auf die Nachricht von diesen Vorfällen schickte die Pforte sofort Ismail Pascha mit den gemessensten Befehlen nach Dscheddah, die Rädelsführer des Aufstandes zu verhaften u. mit dem Tode zu bestrafen; Entschädigung für alle durch den Aufstand verursachten Verluste wurde zugesichert u. ein französischer u. englischer Commissar sollte sich an Ort u. Stelle begeben, um die Ausführung aller dieser Maßregeln zu bewachen. Noch bevor aber Ismail Pascha in Dscheddah ankam, hatte der Cyclops, welcher die Geretteten nach Suez gebracht hatte, auf Befehl der englischen Regierung sich wieder vor Dscheddah begeben u. der Capitän verlangte sofortige Hinrichtung der Rädelsführer. Als Namik Pascha sich dagegen darauf berief, daß ihm als Gouverneur das Recht über Leben u. Tod nicht zustehe, begann der Cyclops am 25. u. 26. Juli die Stadt zu bombardiren, bis Ismail Pascha mit dem großherrlichen Ferman ankam, auf Grund dessen elf Personen hingerichtet wurden. In Serbien war die Regierung des Fürsten Alexander sehr unbeliebt geworden, namentlich weil er alle einträgliche Stellen an Glieder der Familie seiner Gemahlin, den Nenadowitschs, verlieh u. sich ganz von dem österreichischen Generalconsul leiten ließ. Am 9. Oct. 1857 wurde ein Complot gegen das Leben des Fürsten entdeckt, bei welchem mehre Mitglieder u. selbst der Präsident des Senates betheiligt waren. Sie wurden verhaftet u. die Mehrzahl der nicht verhafteten Senatoren gezwungen ihre Entlassung zu nehmen. Doch untersagte ein Befehl der Pforte die Ausführung des Todesurtheils gegen die Verschwörer, u. unter dem Einfluß von Ethem Pascha, welcher als außerordentlicher Commissar nach Belgrad geschickt ward, wurde ihre Strafe in Verbannung verwandelt. Die nationale Partei näherte sich hierauf wieder den Anhängern des Fürsten, Garaschanin übernahm das Ministerium des Innern, Voutschitsch den Vorsitz des Senats. Ein neues Gesetz regelte die Beziehungen des Fürsten zum Senat u. erweiterte des Letzteren Befugnisse. Die Pforte ertheilte demselben trotz des Abrathens Österreichs ihre Zustimmung. Doch gaben Streitigkeiten über den Aufenthalt der Türken in Serbien u. ein Attentat auf den britischen Konsul Anlaß zu neuen Verordnungen, welche das Ministerium im Einverständniß mit dem Senat zu Einberufung einer Nationalversammlung (Skuptschina) bewogen, welche am 30. Nov. (12. Dec.) 1858 eröffnet wurde (s. Serbien). Schon am 7. Nov. 1857 war in Wien die Acte zur Regelung der Donauschifffahrt von den Bevollmächtigten der Uferstaaten unterzeichnet u. am 9. Jan. 1858 ratificirt worden. Doch erregte die Bestimmung desselben, nach welcher die Schifffahrt an den Ufern des Flusses nur den Angehörigen der Uferstaaten vorbehalten bleiben sollte, den Widerspruch der Westmächte. Österreich hielt aber deren Einwendungen gegenüber die Ansicht fest, daß dieser Vertrag unabhängig von der Pariser Konferenz sei, während die türkische Regierung für dieselbe nicht blos das Recht, sondern auch die Pflicht einer Prüfung der Schifffahrtsacte in Anspruch nahm u. sich bereit erklärte etwaige Vorschläge zu berücksichtigen. Die Schlußacte über die Feststellung der Grenze zwischen Rußland u. der Türkei in Asien wurde am 5. Dec. 1857 unterzeichnet. Die Besetzung der Insel Perim (s.d.) durch die Engländer rief einen Protest der Pforte hervor; doch wurde die Angelegenheit beigelegt, Perim blieb Freihafen. Am 22. Mai 1858 trat in Paris die beschlossene Konferenz zur Regelung der Organisation der Donaufürstenthümer zusammen; die Pforte war hierbei durch Fuad-Pascha vertreten. Am 19. Aug. wurde der Staatsvertrag unterzeichnet u. am 2. Oct. ratificirt, nach welchem Moldau u. Walachei unter der Benennung Vereinigte Fürstenthümer der Moldau u. der Walachei unter der Oberhoheit des Sultans bleiben u. sich frei verwalten, die öffentlichen Gewalten in jedem Fürstenthum einem Hospodar u. einer aus Wahlen hervorgegangenen Versammlung unter Mitwirkung einer beiden Fürstenthümern gemeinschaftlichen Centralcommission anvertraut werden sollen. Weitere Bestimmungen waren: Tributpflichtigkeit der Fürstenthümer an die Pforte (Moldau 11/2, Walachei 21/2 Mill. Piaster), Investitur der von der gesetzgebenden Versammlung auf Lebenszeit zu wählenden Hospodare durch den Sultan, Verantwortlichkeit der Minister, Festsetzung eines Budgets für jedes Fürstenthum, Steuerbewilligungsrecht der Versammlungen, gemeinschaftlicher oberster Gerichts- u. Cassationshof in Fokschani, wo auch die aus 16 Mitgliedern zusammengesetzte permanente Centralcommission ihren Sitz haben sollte, Gleichheit vor dem Gesetz, Abschaffung aller Monopole etc. Am 30. Oct. wurde in Bukarest u. am 1. Nov. in Jassy der großherrliche Hatti-Scherif verlesen, welcher die Einsetzung von je drei provisorischen Kaimakamen verfügte, unter welchen die Listen zur Wahl der neuen Hospodare aufgestellt werden sollten. Die Fürsten Alexander Ghika u. Vogorides legten die Regierung in deren Hände nieder. Bezüglich der Donauschifffahrtsacte enthielt sich die Pariser Konferenz zwar der ausdrücklichen Abänderung, lud aber die Uferstaaten ein, die für nothwendig erachteten Abänderungen derselben vorzunehmen. Die mit den Erörterungen über die Donaumündungen beauftragte technische Commission hatte sich einstimmig für Schiffbarmachung des St. Georgearmes ausgesprochen u. dies wurde angenommen. Die hierzu erforderliche Zeit wurde auf 3–5 Jahre angesetzt. Die montenegrinische Grenzregulirungscommission trat am 14. Oct. 1858 in Constantinopel zusammen u. beendete ihre Arbeiten am 8. Nov. Die streitigen Districte von Grochow u. Jupa, nördlich von der Tschernagora, wurden definitiv den Montenegrinern abgetreten, wogegen der District von Kutschi unter türkische Herrschaft zurückfiel. Redschid-Pascha, dessen Wiedereintritt in das Ministerium der letzte Act des Einflusses des bald darauf abberufenen englischen Botschafters Lord Stratford de Redcliffe war, starb plötzlich am 7. Jan. 1858; ihm folgte Aali-Pascha im Großvezierat, Fuad-Pascha, wurde Minister des Äußeren. Aali-Pascha bemühte sich namentlich um die Ordnung der Finanzen; die Verschwendungen des Hauses des Sultans u. die Geldnoth waren aufs Äußerste gestiegen. Dem zu steuern war der Zweck zweier Fermans vom 17. u. 26. Aug. 1858, welche verschiedene Veränderungen in der hohen Verwaltung zur Folge hatten. Mehemed Köprisli-Pascha wurde zum Kapudan-Pascha, Ruschdi-Pascha zum Tansimatpräsidenten ernannt, die vier Schwiegersöhne des Sultans, Aali-Ghalib, Ethem, Mahmud u. Il Hami Pascha, wurden ihrer [60] Stellen enthoben. Gleichzeitig gelang es ein Anlehen von 5 Mill. Pfd. Sterl. abzuschließen, dessen Betrag vorzugsweise zur Einlösung des Papiergeldes bestimmt wurde. Ein wichtiger Fortschritt für die öffentliche Sicherheit war die Errichtung einer Municipalität für Constantinopel u. die Vorstädte u. die Eintheilung derselben in 14 Arrondissements. Von Constantinopel über Adrianopel, Alexanitza u. nach Belgrad u. andererseits nach Kleinasien wurde eine directe Telegraphenlinie hergestellt, dagegen wurden die projectirten Eisenbahnbauten noch nur lässig betrieben.

Das Jahr 1859 übernahm von seinem Vorgänger die serbische u. die moldau-walachische Frage als noch immer nicht definitiv geordnet; doch war der Zustand des Reiches im Allgemeinen ruhiger. Die Ereignisse in Serbien, welche die Abdankung des Fürsten Alexander Karageorgewitsch u. die Wiedereinsetzung des Fürsten Milosch durch die Skuptschina zur Folge hatten, s.u. Serbien S. 874. Die Pforte ertheilte dem neuerwählten Fürsten die Investitur (12. Jan. 1859), ohne jedoch hierbei der Erblichkeit zu gedenken. Am 9. Febr. wurde der Investiturberat in Belgrad verkündet u. noch an demselben Tage legte die Skuptschina gegen dieses Übergehen der Erblichkeit Protest ein; doch blieb diese Frage ungelöst, da die Pforte bei ihrem Widerspruch beharrte. Die moldauische Nationalversammlung wurde in Jassy am 9. Jan. 1859 eröffnet; schon am 16. erwählte sie den Oberst Johann Alexander Cusa einstimmig zum regierenden Fürsten der Moldau, welcher die Regierung unter dem Namen Alexander Johann I. antrat. Die Nationalversammlung der Walachei trat erst am 3. Febr. 1859 zusammen u. wählte am 5. Febr. Alexander Cusa auch zum Fürsten der Walachei, u. dieser zog am 20. in Bukarest ein. Die Bevollmächtigten der Großmächte traten am 7. April von Neuem in Paris zusammen, um über die Doppelwahl Cusa's Beschluß zu fassen; erst am 6. Sept. vereinigte man sich dahin, daß dem neuerwählten Fürsten ausnahmsweise die Investitur als Hospodar der Moldau u. Walachei ertheilt werden sollte, was durch zwei getrennte Fermans der Pforte geschah. Schon im August hatte sich die Centralcommission in Fokschani versammelt. Am 18. Dec. löste der Fürst die Nationalversammlungen beider Fürstenthümer auf. Die auf Grund des Protokolls vom 8. Nov. 1858 mit Feststellung der türkisch-montenegrinischen Grenze beauftragte internationale Commission von Ingenieuren war in Folge des Ausbruchs des italienischen Krieges auseinander gegangen; nach Abschluß des Friedens trat sie wieder zusammen u. beendigte bis Ende 1859 ihre Arbeiten. Die eigentlichen Anstifter des Blutbades in Dscheddah waren trotz des energischen Vorschreitens des Capitäns des englischen Kriegsschiffes Cyclops noch immer straflos geblieben; erst im Jan. 1859 gelang es der Energie der dorthin gesandten französischen u. englischen Agenten zu erwirken, daß die zu den vornehmsten Einwohnern der Stadt gehörigen Rädelsführer ergriffen u. öffentlich hingerichtet wurden. Vorzugsweise dem englischen Einflüsse ist es zuzuschreiben, daß die von dem Vicekönig von Ägypten bedungene Genehmigung der Pforte zu dem Project einer Durchstechung der Landenge von Suez (s.d.) nicht ertheilt wurde. Als trotzdem Lesseps am 25. April 1859 die Arbeiten feierlich eröffnen ließ, gelang es dem englischen Einfluß den Vicekönig zu einem Circular zu bestimmen, in welchem er erklärte, die Fortsetzung der Arbeiten vor erlangter Autorisation der Pforte nicht gestatten zu wollen, u. als die Arbeiten trotzdem als vorbereitende Studien fortgesetzt wurden, erschien sogar die englische Flotte von Malta vor Alexandrien, angeblich um den auf einer Reise begriffenen Sultan dort zu begrüßen. Aber nach der Nachricht vom Abschluß des Friedens von Villafranca, änderte der Sultan seinen Reiseplan u. kam gar nicht nach Ägypten, sondern kehrte von Salonich nach Constantinopel zurück. Auf der Insel Candia dauerte die Aufregung fort u. namentlich gegen die Mitte des Jahres 1859 standen in Folge der Härte des Gouverneurs Husnein-Pascha die Christen wiederum gegen die Türken in Waffen. Auf beiden Seiten kamen zahlreiche Mordthaten vor, welche immer zu neuen Gewaltthaten reizten. Am 17. Sept. wurde in Constantinopel eine Verschwörung gegen die Person des Sultans entdeckt, deren hauptsächliche Anstifter Scheik-Ahmed, Bokir-Effendi, Dscheffer-Pascha u. Hussein-Pascha waren. Der Zweck der Verschwörung, welche sich über mehre Provinzen u. durch alle Klassen der Bevölkerung verbreitete, scheint nicht sowohl eine Umgestaltung der Dinge im alttürkischen Sinne, als die Errichtung einer Militärherrschaft gewesen zu sein. Man wollte sich des Sultans bemächtigen, die gegenwärtigen Minister beseitigen u. andere an deren Stelle setzen. Riza-Pascha war der Gegenstand besonderen Hasses der Verschworenen, welche ihrerseits fast von der gesammten Bevölkerung als Märtyrer verehrt wurden. Den Vertretern der Pariser Vertragsmächte gab diese Verschwörung Anlaß zu einem gemeinschaftlichen Memorandum an die Pforte, welches unterm 3. Oct. 1859 Reformen in der Verwaltung, Abstellung der Mißbräuche, einsichtige Sparsamkeit, überhaupt die Einrichtung einer Regierungsweise verlangte, unter welcher alle Unterthanen des Sultans, Muselmanen u. Christen, statt unter den gleichen Übelständen zu leiden, an den gleichen Wohlthaten Theil haben würden. Die Verschworenen erfuhren eine milde Behandlung, fünf derselben wurden zum Tode verurtheilt, aber zur Verbannung begnadigt. Ein am 15. Oct. verlesener Hatti-Scherif gegen die Unordnung in den Staatsausgaben bildete die Antwort auf das Memorandum der Großmächte; als aber hierdurch ermuthigt Aali-Pascha in einem Conseil auf eine strenge Controle der Ausgaben im Departement des Krieges, der Marine u. bes. der Civilliste drang, wurde schon am 18. Oct. an seine Stelle Mehemed-Köprisli-Pascha zum Großvezier ernannt, welcher seinerseits am 26. Dec. wieder Mahomed-Ruschdi-Pascha weichen mußte.

Im Jahre 1860 fühlten die Beziehungen der Pforte zu den ihrer Suzeränetät unterstehenden Staaten keine europäische Verwickelung herbei. Mit Serbien dauerten die alten Streitigkeiten fort. Im Mai 1860 hatte Fürst Milosch eine Deputation nach Constantinopel geschickt, welche Anerkennung der Erblichkeit seiner Fürstenwürde, vollständige Räumung Serbiens durch die Türken, endlich Abschaffung od. doch gänzliche Umgestaltung des serbischen Grundgesetzes von 1838 verlangen sollte. Die Pforte ertheilte auf alle diese Forderungen eine im Wesentlichen ablehnende Antwort, bestätigte aber, als Milosch am 26. Sept. gestorben war, dessen Sohn Michael Obrenowitsch III. ohne Schwierigkeit als seinen Nachfolger. In den Donaufürstenthümern[61] hatte die Auflösung der Versammlungen nicht den von dem Fürsten Cusa erwarteten Erfolg. Die neugewählten Versammlungen hatten genau denselben Charakter, wie die früheren, u. die Opposition derselben veranlaßte wiederholte Ministerwechsel. Ende September begab sich Fürst Cusa nach Constantinopel, wo er vom Sultan ohne besonderes Investiturceremoniell in feierlicher Audienz empfangen u. überhaupt gut aufgenommen wurde. Auch an der Grenze mit Montenegro wurde die Ruhe nicht wesentlich gestört. Dem Fürsten Danilo, welcher am 11. Aug. in Cattaro von einem flüchtigen Montenegriner ermordet worden war, folgte sein Neffe Nikolaus, Sohn des Mirko Petrowitsch. Dieser trat in friedliche Beziehungen zu dem Pascha von Skutari u. versuchte sich mit demselben über die noch immer schwebenden Grenzstreitigkeiten auseinander zu setzen. Die Lage der Christen in den der unmittelbaren türkischen Herrschaft unterworfenen Provinzen war fortdauernd eine höchst traurige. Aus Bosnien u. der Herzegowina wanderten zahlreiche Familien nach Österreich aus. In Bulgarien, Macedonien, Thessalien u. Epirus nahmen Mord u. Plünderung immer mehr überhand, u. nicht selten begingen gerade die an den Grenzen aufgestellten Truppen die gröbsten Excesse. Rußland lud in einer Note vom 5. Mai die Großmächte ein sich mit ihm zu einem gemeinsamen Einschreiten für die Christen in der Türkei zu vereinigen u. namentlich zu erklären, daß sie den gegenwärtigen Zustand der Dinge in den christlichen Provinzen des T-n R-es nicht länger dulden könnten u. wirksame Garantien für Abstellung der Beschwerden verlangten. England ging zwar nicht ohne Weiteres hierauf ein, doch veranlaßten die russischen Vorschläge einen Ministerwechsel in Constantinopel. An Stelle Mehemed-Ruschdi-Pascha's wurde Mehmed-Köprisli-Pascha wieder Großvezier; neben ihm stand Fuad-Pascha für das Äußere, Riza-Pascha für den Krieg, Mehemed-Ali-Pascha für die Marine, Muktar-Pascha für die Finanzen, Ethem-Pascha für den Handel, Muktar-Bey für die Justiz, Aali-Pascha als Präsident des Tansimatrathes. Die Pforte zog sich dadurch aus der ihr drohenden Verlegenheit, daß der neue Großvezier beauftragt wurde die Untersuchungen über die Beschwerden der Christen in den Provinzen persönlich vorzunehmen u. die Ungerechtigkeiten abzustellen, u. die Großmächte erklärten sich hiermit einverstanden. Mehemed-Köprisli-Pascha reiste über Varna nach Schumla, Rustschuk, Widdin, Sophia, Monastir u. kehrte über Salonich nach Constantinopel zurück, aber seine Reise hat an dem Stand der Dinge nichts geändert. Sein Bericht an den Sultan stellte sogar in Abrede, daß die Christen überhaupt Grund zu Klagen hätten, gab jedoch zu, daß einige Zweige der Verwaltung einer ernstlichen Reform bedürftig seien. Nicht ohne politische Bedeutung war auch eine Bewegung auf kirchlichem Gebiete. Die Bulgaren erklärten, daß sie sich von dem griechischen Patriarchen in Constantinopel lossagten, doch waren die Meinungen darüber getheilt, ob sie ein unabhängiges Bisthum bilden od. in eine Union mit der Römischen Kirche treten wollten. Aus der Krim u. vom Kaukasus wanderten Tataren u. Tscherkessen zahlreich in die Türkei, namentlich in die Dobrudscha, in Bulgarien u. die asiatischen Grenzprovinzen ein. Die Begünstigungen, mit denen sie von ihren muhammedanischen Glaubensgenossen aufgenommen wurden, veranlaßten neue Bedrückungen der Christen, welche Wohnungen u. Ländereien abtreten mußten; viele bulgarische Familien wanderten ihrerseits wieder nach Serbien aus. Andere ließen sich, um den Schutz der Consuln zu erlangen, als russische od. österreichische Unterthanen naturalisiren. Die Pforte verfügte zwar unterm 14. Sept., daß alle diese neuen Schützlinge der Fremden, welche als solche oft nur durch einen Paß aus der nächsten Grenzstadt legitimirt waren, binnen drei Monaten das Land verlassen sollten; doch ist dies nicht zur Ausführung gekommen. Dem übeln Stande der Finanzen konnte durch ein unter höchst ungünstigen Bedingungen in Paris abgeschlossenes Anlehen von 400 Mill. Frcs., wofür kaum 200 Mill. baar eingezahlt wurden, bei der fortdauernden Unordnung in der Verwaltung der Staatseinnahmen nur wenig abgeholfen werden.

Am augenscheinlichsten aber legten sich die verrotteten Zustände der Türkei im Jahr 1860 durch die Ereignisse in Syrien blos. Der Libanon, seit 1841 unter einen Christen- u. einen Drusenhäuptling getheilt, war schon seit Jahren ziemlich unruhig; auch in dem nur von Christen bewegten Bezirke waren Streitigkeiten zwischen dem Kaimakam, den Scheiks, der Geistlichkeit u. den Bauern ausgebrochen. Schon im Aug. 1859 war es in dem Dorfe Botmery zu einem Conflict gekommen, in welchem die Christen die Oberhand behielten, kurz darauf plünderte u. verbrannte aber der Drusenchef Jussuf Abdul-Melek mehre Christendörfer. Doch wurde von dem Gouverneur in Beirut Kurschid-Pascha der Frieden wieder hergestellt, freilich nur auf kurze Zeit. Die Christen waren selbst in den Küstenstädten nicht vor Meuchelmord sicher, für welchen sie niemals Genugthuung erhielten, u. als am 27. Mai 1860 ungefähr 500 Maroniten in Baabda, unweit Beirut, versammelt waren, brach der Kampf offen aus. Die Drusen griffen die Maroniten an, zersprengten dieselben u. zerstörten u. plünderten nun Alles, was ihnen in den Weg kam. Als ein Angriff der Christen auf das Dorf Abadieh mißlang, begannen Mord u. Brand auf allen Seiten, u. die türkischen Truppen blieben durchaus unthätig od. betheiligten sich gar an der Ausplünderung der Christen. Gräuel aller Art wurden begangen. Der Druse Said-Bey-Djemblatt brandschatzte u. plünderte die Christen im Bezirke Djezzin. Weiber, Kinder u. Greise, welche sich vor dem von ihm angerichteten Blutbad nach Sayda flüchten wollten, wurden von den dortigen Muselmanen niedergemacht. Drusen vom Hauran belagerten die Städte Hasbeya u. Rascheya. Osman-Bey, Gouverneur in Hasbeya, versprach den Christen, welche Mangel an Lebensmitteln litten, Schutz, wenn sie ihre Waffen ablieferten. Kaum aber war dies geschehen, als Osman-Bey sie wehrlos den Drusen auslieferte, welche sie ermordeten. Gleiches geschah in Rascheya. Zahlé, der festeste Punkt der Christen, wurde unter den Augen von türkischen, angeblich den Christen zu Hülfe geschickten Truppen am 18. Juni gleichfalls von den Drusen erstürmt. In Deir-el-Kamar waren die Christen aus Mangel an Schießbedarf genöthigt gewesen zu capituliren, doch war ihnen unter Garantie eines türkischen Generals Tahir-Pascha Sicherheit des Lebens versprochen worden. Nachdem derselbe sich wieder[62] entfernt hatte, drangen die Drusen in kleinen Abtheilungen in die Stadt, entwaffneten die überraschten Christen u. begannen sodann ein allgemeines Morden u. Plündern; selbst das Serail von Deir-el-Kamar, wohin sich viele geflüchtet hatten, wurde ihnen geöffnet u. die Soldaten vereinigten sich mit ihnen zur Niedermetzelung der Unglücklichen. Am schrecklichsten aber waren die Gräuelscenen in Damaskus. Sechs Tage dauerte dort das Blutbad, welches mehr als 6000 Personen das Leben kostete, u. alle Christen der Stadt würden umgekommen sein, wenn nicht Abdel-Kader die Flüchtigen in sein Haus aufgenommen u. mit einer kleinen Schaar Algerier beschützt hätte. Die Nachrichten von diesen Vorgängen versetzten ganz Europa in Aufregung. Die Großmächte einigten sich sofort dahin, daß ein französisches Hülfscorps nach Syrien geschickt u. die englische Flotte an der Küste erheblich verstärkt werden sollte. Doch kam ein Protokoll über diese Intervention erst am 3. Aug. zu Stande, nicht ohne daß die Pforte u. England mehrfache Schwierigkeiten bereitet hatten. Nach dieser unter dem 5. Sept. zum förmlichen Vertrag erhobenen Verabredung sollte ein Truppencorps, dessen Stärke bis auf 12,000 Mann gebracht werden konnte, nach Syrien geschickt werden, um zur Wiederherstellung der Ruhe beizutragen; der Kaiser Napoleon willigte ein sofort die Hälfte dieses Corps zu stellen; über die Stellung der anderen Hälfte, dafern sie nöthig, wollte man sich im diplomatischen Wege verständigen. Der commandirende General sollte sich mit dem Commissar der Pforte über die zu ergreifenden Maßregeln verständigen, die Besetzung Syriens nicht länger als sechs Monate dauern. In einem Zusatzartikel wurde ausdrücklich versprochen, daß keine der contrahirenden Mächte irgend eine Territorialvergrößerung od. sonst einen Vortheil für sich allein erstrebe, u. der Pforte nachdrücklich die Verbesserung der Lage der Christen im ganzen Reiche empfohlen. Schon am 17. Juli war Fuad-Pascha mit unbeschränkter Vollmacht als außerordentlicher Pfortencommissar in Beirut angekommen; am 16. Aug. landeten die ersten französischen Truppen unter Oberbefehl des Generals Beaufort d'Hautpoul. Erst im October trat in Beirut eine internationale Commission zusammen, welche die Ursachen der letzten Ereignisse aufsuchen, die Bestrafung der Schuldigen veranlassen u. die Entschädigungen feststellen sollte. Am 29. Juli zog Fuad-Pascha an der Spitze von 3000 Mann in Damaskus ein, zahlreiche Verhaftungen erfolgten, aber die Hauptanstifter von höherem Range blieben sämmtlich in Freiheit. Erst als die französischen Truppen ankamen, entschloß sich Fuad-Pascha zu größerer Energie, u. am 20. Aug. wurden 57 Schuldige in Damaskus gehängt u. 111 erschossen. Einige Zeit später wurden Achmet-Pascha, Gouverneur von Damaskus während des Blutbades, Osman-Bey u. andere höhere türkische Beamte hingerichtet. Viele Andere wurden zu Freiheitsstrafen od. zu Verbannung verurtheilt. Auf Einladung von Fuad-Pascha hatten sich 15 Anführer der Drusen in Beirut eingefunden u. wurden dort gefangen genommen. Eine Expedition, welche sich in den letzten Tagen des September nach dem Gebirge in Bewegung setzte, verfehlte aber ihren Zweck fast gänzlich, da die Türken alle Drusen nach dem Hauran entfliehen ließen u. nur wenige Hunderte in Moktara ergriffen wurden. Die Drusenführer u. türkischen Beamten wurden in Beirut am 22. Dec. abgeurtheilt, über elf, darunter Said-Bey-Djimblatt, wurde das Todesurtheil, gegen Kurschid-Pascha, Tahir-Pascha u. die übrigen Türken nur lebenslängliches Gefängniß ausgesprochen; in Moktara verurtheilte man 20 Drusenführer zum Tode. Said-Bey-Djemblatt starb im Gefängniß; die übrigen Todesurtheile wurden in lebenslängliches Gefängniß verwandelt. Abgesehen von diesen Bestrafungen ist aber für die bedrängten Christen nur wenig geschehen. In Damaskus übernahm zwar Fuad-Pascha den bisher vom französischen Consulat besorgten Unterhalt der Christen u. ließ denselben einen türkischen Stadttheil einräumen, da ihr eigener ganz in Trümmern lag; doch wanderten so Viele aus, daß Fuad-Pascha dies sogar verbot. Über die von der Stadt Damaskus zu zahlende Entschädigung gelangte man aber ebensowenig zu einer Einigung, wie über eine von den Drusen des Gebirges zu fordernde Contribution. Sicherheit u. Rückerstattung ihres Eigenthums erlangten die Christen nur da, wo französische Truppenabtheilungen waren, u. dies war Ende 1860 in Beirut, Sayda, Deïr-el-Kamar, Kab-Elias u. Zahlé der Fall. Die Türken thaten nichts, u. Unordnung u. Unruhe, welche durch die drohende Stellung der in dem unwirthlichen Hauran zusammengedrängten Drusen nur vermehrt wurden, herrschten überall. Daher schlug Frankreich eine Verlängerung der Occupation vor, welche nach längeren Verhandlungen endlich bis zum 5. Juni 1861 verwilligt wurde. An diesem Tage verließen die französischen Truppen Syrien, doch wurde die zur Überwachung der Ruhe an den Küsten kreuzende englische u. französische Flotte verstärkt. Vorher noch hatte man sich über die den Christen zu gewährende Entschädigung geeinigt. Gleichzeitig wurde unter dem 9. Juni 1861 eine Neuorganisation der Verwaltung des Libanon beschlossen. Es wurde statt der bisherigen getheilten Verwaltung zunächst auf drei Jahre ein einziger christlicher Gouverneur mit dem Sitz in Deir-el-Kamar eingesetzt, welcher direct von Constantinopel, nicht von dem Pascha von Beirut abhängt u. nur in Folge eines Urtheilsspruches abberufen werden kann. Der schwierige Posten wurde einem katholischen Armenier, Davud-Pascha, übertragen, welcher die Ruhe thunlichst aufrecht erhielt u. sich bemühte durch Bildung einer einheimischen Miliz die türkischen Truppen entbehrlich zu machen, aber auch seinerseits von Gewaltthätigkeiten sich nicht frei hielt; namentlich erregte gegen Ende 1861 sein Verfahren gegen einen jungen Maronitenhäuptling, Jussuf Karam, welcher nach Beirut gelockt u. dort verhaftet u. später nach Constantinopel verwiesen wurde, großes Aufsehen.

Die Bestätigung der neuen Verwaltungsorganisation des Libanon war einer der letzten Regierungsacte des Sultans Abdul-Medjid. Er starb am 25. Juni 1861, u. ihm folgte sein Bruder Abdul-Aziz, welcher sofort Veränderungen im obersten Regierungspersonal vornahm u. vielfache Reformen verkündigte. Riza-Pascha wurde durch Namik-Pascha ersetzt, Mehemed-Ali-Pascha zum Oberaufseher des großherrlichen Palastes ernannt. Die Einrichtung des Harems sollte reformirt, der Tansimatrath mit dem der Justiz verschmolzen werden; an die Spitze des letzteren kam Fuad-Pascha u. wurde im Ministerium des Auswärtigen durch Aali-Pascha ersetzt, nachdun der Letztere seit dem[63] 6 Aug. an Stelle Köprisli-Paschas Großvezier geworden war, im November aber diesen Posten an Fuad-Pascha abgetreten hatte. Ein neuer Orden unter dem Namen Osmanieh wurde gestiftet, alle überflüssigen Beamtenstellen sollten eingezogen, im Heere Ersparungen eingeführt, den Unterschleifen durch heimliche Aufseher gesteuert werden. Aber fast alle diese Reformen blieben nur auf dem Papier stehen, u. abgesehen von einigen Veränderungen im Militär blieb Alles beim Alten. So erregte namentlich die Finanzlage fortdauernd die ernstesten Besorgnisse; schon im Februar 1861 hatte eine Handelskrisis in Constantinopel zahlreiche Bankerotte veranlaßt u. das Agio war auf eine noch nie dagewesene Höhe gestiegen. Am 14. April verfügte die Pforte die Neuausgabe von 1250 Mill. Piaster Papiergeld mit Zwangscurs für das ganze Reich u. ein Zwangsanlehen von 150 Mill. Piaster u. Gründung einer Wechselkasse mit 375 Mill. Capital. Aber schon im December hatte der Handel von Constantinopel eine neue noch schlimmere Krisis zu bestehen, welche sogar einen Aufstand befürchten ließ, bis es der Pforte im März 1862 gelang in London ein neues Anlehen abzuschließen. Mit Frankreich wurde unterm 29. April 1861 ein Handelsvertrag abgeschlossen, welcher die Franzosen den meistbegünstigten Nationen gleichstellte, einen Ausfuhrzoll von 8 Procent, welcher in acht Jahren allmälig bis auf 1 Procent herabgesetzt werden sollte, einen Transitzoll von 2–3 Proc. stipulirte u. auch für Ägypten, Serbien u. die Donaufürstenthümer Gültigkeit haben sollte. Ähnliche Verträge mit Italien u. Belgien folgten. Die Lage der Christen in Bulgarien war im Jahr 1861 um nichts gebessert, wie zahlreiche Petitionen u. Beschwerden, welche sie an die Consuln in Belgrad richteten, u. die fortdauernden Auswanderungen bezeugten. Vergebens verlangte ein Memorandum des russischen Gesandten Fürsten Labanow eine Conferenz der Vertreter der Großmächte mit den Ministern des Sultans, um die Reformen zur Verbesserung der Lage der Christen zu berathen. Die Pforte bestritt die Richtigkeit der von Rußland behaupteten Thatsachen u. beschränkte sich schließlich darauf, am 27. Mai Mittheilung über, von ihr im Princip beschlossene Reformen zu machen, welche Abschaffung des Pachtsystems bei den indirecten u. Controle der Erhebung der directen Steuern, Organisation der Polizei in den Provinzen, Einführung von Criminalgerichtshöfen, Zulassung der Christen als Zeugen etc. bezweckten, aber nicht zur Ausführung kamen. Auch die kirchliche Bewegung in Bulgarien kam zu keinem Abschluß. Gegen Ende des Jahres 1860 hatte das griechische Patriarchat alle die Bulgaren, welche sich von der Griechischen Kirche getrennt hatten, u. namentlich die Bischöfe Hilarion u. Auxentius, welche eine besondere bulgarische Kirche erstrebten, excommunicirt. Diese antworteten durch ein Manifest vom 8. Jan. 1861, u. obwohl die Pforte ihr Verlangen nach einer getrennten Verwaltung bestimmt abschlug, glaubte doch das griechische Patriarchat einige Concessionen anbieten zu müssen, welche aber von den Bulgaren nicht angenommen wurden. Darauf wurden die beiden Bischöfe abgesetzt u. verbannt, hierdurch aber die Trennung zwischen der Griechischen Kirche u. den Bulgaren nur erweitert. Schon am 30. Dec. 1860 aber hatten in Constantinopel zwei Archimandriten u. drei Prister in Begleitung von 200 bulgarischen Häuptlingen dem Erzbischof der katholischen Armenier u. dem päpstlichen Delegaten eine Adresse an den Papst überreicht, in welcher sie Namens der bulgarischen Nation, nach Aufzählung ihrer Beschwerden gegen den griechischen Clerus, baten die bulgarische Kirche in den Schoß der katholischen aufzunehmen u. deren getrennte u. nationale Hierarchie als canonisch anzuerkennen. Der Papst ging auf dieses Gesuch bereitwillig ein, eine provisorische Kapelle wurde in Constantinopel eingeweiht, die neue Gemeinde von der Pforte anerkannt u. ein Archimandrit Joseph Sekolski als unirter Erzbischof von Bulgarien vom Papst geweiht u. von der Pforte bestätigt. Aber bald brachten Geldmangel u. Streitigkeiten zwischen Geistlichen u. Laien ihn in eine schwierige Lage u. er verschwand plötzlich am 18. Juni 1861 aus Constantinopel, ohne daß die näheren Umstände bekannt geworden sind. Im Febr. 1862 wurde dann ein bulgarischer Priester Arabajeski zum Administrator der unirten Bulgaren ernannt. Selbst unter den orthodoxen Griechen erfolgten Übertritte zum Katholicismus u. der griechische Patriarch Joachim forderte im Oct. 1861 selbst eine Commission zur Untersuchung der Klagen der Bevölkerung über Bedrückungen u. Simonie; er wurde jedoch von der Commission für unschuldig erklärt. In den Donaufürstenthümern hatte die Regierung des Fürsten Cusa während des Jahres 1861 mit vielfachen inneren Schwierigkeiten zu kämpfen, welche wiederholte Ministerwechsel veranlaßten. Hervorgerufen wurden dieselben namentlich durch den Aufenthalt von ungarischen Flüchtlingen im Lande, die Beschlagnahme zweier mit Waffen beladener Schiffe in Galatz, die Erhebung der Bulgaren in einem Theile Bessarabiens, Irrungen mit dem Metropolitan von Jassy, unruhige Bewegungen in einigen walachischen Städten, namentlich aber auch durch das noch immer einer definitiven Regelung entbehrende Verhältniß der Landbauer zu den Grundherren. An den Aufenthalt des Fürsten Cusa in Constantinopel im Oct. 1860 knüpften sich Verhandlungen mit der Pforte, in denen der Fürst die Vereinigung der beiden Versammlungen u. Ministerien u. eine Reform des Wahlgesetzes verlangte. Auf Grund eines von dem Fürsten überreichten Memorandum verließ Aali-Pascha am 1. Mai 1861 ein Circularschreiben an die Gesandten bei den Großmächten über die Union der Fürstenthümer, welches den Ausgangspunkt für lange u. verwickelte Verhandlungen bildete. Unterm 4. Dec. 1861 endlich erkannte die Pforte die zeitweilige Union der Fürstenthümer an. Am 23. Dec. wurde diese Vereinigung zu einem Staate Rumänien in Bukarest u. Jassy proclamirt, statt der beiden Ministerien ein einziges gebildet, u. am 5. Febr. 1862 trat die erste einheitliche gesetzgebende Versammlung der Vereinigten Fürstenthümer in Bukarest zusammen. Fürst Michael von Serbien schickte zur Beilegung der noch immer, namentlich wegen des Aufenthalts der Türken in Serbien, mit der Pforte schwebenden Differenzen den Minister Garaschanin nach Constantinopel; aber die Verhandlungen hatten keinen Erfolg, vielmehr wurde durch die Einwanderung vieler bulgarischer Flüchtlinge in Serbien, durch die Beschlüsse der am 18. Aug. zusammengetretenen Skuptschina über Bildung einer Nationalmiliz, Organisation des Senates u. Vertretung des Fürsten im Ausland,[64] der Zwiespalt nur erweitert. Die Pforte übergab den Schutzmächten eine Protestation wegen der letzterwähnten drei Punkte, u. England u. Österreich unterstützten dieselbe. Nachdem aber Garaschanin, inmittelst Predstavnik (erster Minister) geworden, unterm 27. Jan. 1862 die Aufstellungen der Pforte zurückgewiesen hatte, blieb die Sache für jetzt ohne weiteren Verfolg. In der Herzegowina u. an der Grenze Montenegros fingen mit Beginn des Jahres 1861 die Unruhen von Neuem an. Gewaltthätigkeiten der Türken gegen die christliche Bevölkerung u. gegen Montenegriner brachten die niemals ganz unterdrückte Gährung zum Ausbruch. Die Montenegriner rächten die Gewaltthätigkeiten mit Raub u. Plünderung, bald war der Aufstand der Rajahs in der ganzen Herzegowina ausgebrochen u. wurde von zahlreichen Montenegrinern unterstützt. Auf allen Seiten wüthete der Kampf u. fiel meistentheils zum Nachtheil der Türken aus; sämmtliche türkische Dörfer an der montenegrinischen Grenze wurden eingeäschert, türkische Kriegs u. Munitionstransporte weggenommen, blutige Gefechte in der Umgehung von Nikschics, Korneits u. Zubci bis vor die Thore von Trebinje geliefert. Der Hauptführer der Ausständigen Luka Wukalowics eroberte u. zerstörte die Thürme von Suttorina, wodurch eine Verbindung mit dem Meere hergestellt wurde, u. brachte überhaupt in die Kriegführung des Aufstandes eine mehr einheitliche Leitung. Die Pforte hatte sofort zahlreiche Truppen zur Unterdrückung des Aufstandes abgeschickt, die Albanische Küste in Blockadezustand erklärt u. beauftragte im April Omer-Pascha mit der Pacificirung des Aufstandes durch Güte od. Gewalt. Eine europäische Commission wurde ihm beigegeben. Die Forderungen der Christen wurden von Omer-Pascha in einer Proclamation vom 11. Mai 1861 beantwortet, welche von den Christen im Juli erwidert wurde. Da eine von der europäischen Commission zu Stande gebrachte Zusammenkunft zwischen Omer-Pascha u. den Führern des Aufstandes, welche in Castel-nuovo auf österreichischem Gebiet stattfand, zu keiner Verständigung führte, so erklärte Omer-Pascha die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten u. blockirte Montenegro, nachdem zu einer mit dem Fürsten Nikolaus veranstalteten Zusammenkunft der Letztere gar nicht erschienen war. Doch setzten sich die Unterhandlungen auch während den militärischen Operationen fort, deren Resultate übrigens wenig bedeutend waren. Die europäische Commission, deren Bemühungen vergeblich gewesen waren, wurde im Oct. 1861 aufgelöst. Im November hatte Luka Wukalowics in dem kleinen Bezirk der Suttorina, wo Österreich das Recht beansprucht die Errichtung eines jeden militärischen Etablissements u. selbst die eines Handelshafens zu untersagen, eine schwache Batterie errichtet. Als der Insurgentenführer die Aufforderung dieselbe binnen acht Tagen zu entfernen nicht beachtete, rückte eine Compagnie österreichischer Soldaten über die Grenze u. zerstörte die Batterie ohne Widerstand zu finden. Dieses Vorgehen Österreichs veranlaßte von Seiten der Pforte u. der Großmächte Proteste, welche jedoch weitere Folgen nicht hatten. Erst im Frühjahr 1862 konnte Omer-Pascha die Kriegsoperationen ernstlich beginnen; auf Trebinje gestützt, rückte er langsam vor, um die Bergbewohner einzuschließen, fand aber hierbei vielfach einen hartnäckigen Widerstand. Die Kämpfe drehten sich namentlich um die Bezirke u. Ortschaften von Bagnani, Zubci, Kouschewitza, Drecevitza, Nicsich u. Grahowo. Vlutige Gefechte fanden am 18. April bei Kristitza, am 18. April u. 6. Mai am Skutarisee statt u. die siegreichen Bergvölker nahmen die Stadt Nicsich ein. Seit Mitte Mai aber wandte sich das Kriegsglück mehr den Türken zu; die Montenegriner wurden wieder aus Nicsich vertrieben, Derwisch-Pascha, Omer-Paschas Untergeneral, drang in den Engpaß von Duga vor, Angriffe der Insurgenten unter Luka Wukalowics auf die Forts von Zubci wurden abgeschlagen, die Türken setzten auf das rechte Ufer des Limflusses über, besetzten den District Wassojewich u. rückten endlich von Spucz aus in Montenegro selbst ein. Noch immer wehrten sich die Bergbewohner mit äußerster Hartnäckigkeit u. brachten den Türken viele Verluste bei; am 5. Juni schlug Derwisch-Pascha im Passe von Uskok auf der Straße von Nicsich nach Spucz ein von dem Fürsten selbst befehligtes montenegrinisches Corps u. verfolgte die Fliehenden bis zum Kloster Ostrog. Am 24. Aug. griffen die türkischen Truppen die Stellung der Montenegriner auf dem Rieka beherrschenden Gebirge an, warfen die Bergvölker aus vierfachen Verschanzungen heraus, schlugen dieselben am 25. in einer Schlacht, nahmen Rieka ein u. rückten nun bis in die Nähe von Cettinje vor. Nur die diplomatischen Verhandlungen verhinderten das Besetzen dieser Stadt. Das Ultimatum der Pforte forderte Anerkennung der Suzeränetät, das Durchzugsrecht für türkische Truppen, Herausgabe der Gefangenen, Unterlassung jeder Hülfeleistung in der Herzegowina etc. Der Fürst Nikolaus nahm nach Berathung mit einer Versammlung der Senatoren u. Wojwoden u. nachdem er vergebens auf Hülfe von Serbien aus gehofft hatte, die ihm vorgelegten Bedingungen an, mit Ausnahme jedoch der Anerkennung der Suzeränetät. Davom 31. Aug. 1862 datirte Friedensinstrument, welches Fürst Nikolaus am 13. Sept. unterzeichnete, regelte die Grenze Montenegro's nach der von der gemischten Commission 1859 festgesetzten Demarcationslinie, eröffnete den Montenegrinern den Hafen von Antivari als Freihafen, bestimmte gegenseitige Freilassung der Gefangenen u. Erstattung der geraubten Gegenstände, untersagte aber den Montegrinern die feindlichen Züge über die Grenze u. die Unterstützung eines Aufstandes in den Grenzdistricten, sowie die Errichtung von Bollwerken an den Grenzen; mehre Punkte der dem Handel zu öffnenden Route von der Herzegowina nach Skutari, durch das Innere Montenegro's sollen von türkischen Truppen in Blockhäusern besetzt werden. Der Großwojwode Mirko Petrovich, das Haupt der montenegrinischen Kriegspartei, wurde vom Staatsdienst ausgeschlossen. Rußland legte gegen die Militärstraße durch Montenegro Protest ein. Im engsten Zusammenhange mit den Wirren in der Herzegowina u. in Montenegro standen die gleichzeitigen Ereignisse in Serbien. Die wachsende Spannung zwischen Serbien u. Türken, welche im Juni 1862 zu offenen Feindseligkeiten u. zu einem Bombardement der Stadt Belgrad führte u. einen allgemeinen Aufstand gegen die Türken befürchten ließ (s. Serbien), war durch die Kämpfe in Montenegro nicht wenig genährt worden. Die in Constantinopel zusammengetretene Conferenz der Gesandten der Pariser Vertragsmächte unterzeichnete, nachdem ein neuer Zusammenstoß[65] zwischen Serben u. Türken die Aufregung wieder entflammt hatte, am 4. September 1862 ein Protokoll, welches die serbischen Händel wesentlich auf Grundlage des Status quo ante beilegte. Nach demselben hatten die Serben die in der Stadt Belgrad errichteten Vertheidigungswerke, die Türken die Festungen Sikol u. Uschiza zu schleifen, die Besitzungen der Muselmanen in Belgrad sollten gegen Entschädigung an die serbische Regierung überlassen, die Gerichtsbarkeit der serbischen Behörden über die ganze Stadt u. Vorstadt Belgrads erstreckt werden, alle Muselmanen, welche noch im Lande, abgesehen von den fünf befestigten Plätzen, wohnten, das serbische Gebiet verlassen etc. Am 6. Oct. wurde der hierauf bezügliche Ferman dem Fürsten Michael überreicht u. von demselben durch eine Proclamation bekannt gemacht.

Die übrigen Theile der Türkei erfreuten sich im Jahr 1862 verhältnißmäßiger Ruhe, doch fehlte es an den verschiedensten Orten nicht an blutigen u. gewaltthätigen Auftritten, welche bei der Schwäche der türkischen Verwaltung meistens ungeahndet blieben. In Syrien regten sich die Drusen von Neuem u. lieferten dem Pascha von Damaskus mehre Gefechte; in Armenien wurden Christen umgebracht u. von Asis-Pascha, Statthalter von Marasch, friedliche Dörfer überfallen u. Gräuel aller Art verübt. Eine Reihe Handelsverträge mit Rußland (28. Febr.), Schweden (11. März), Spanien, dem Deutschen Zollverein (19. u. 20. März) u. Österreich (22. Mai) wurden abgeschlossen. Als ein Vorschritt zur Menschlichkeit verdient erwähnt zu werden, daß der Gebrauch die männlichen Kinder kaiserlicher Prinzessinnen zu tödten vom Sultan abgeschafft wurde. Eine Zeit lang litt der Sultan an einer heftigen nervösen Aufregung, welche sogar den Eintritt geistiger Störungen befürchten ließ. In den höchsten Verwaltungskreisen kam als einzige bemerkenswerthe Veränderung vor, daß der eine Zeit lang allmächtige Günstling Mehemed-Ali, Großadmiral, in Ungnade fiel u. Emir Pascha zum Münzminister ernannt wurde. Die Revolution in Griechenland veranlaßte die Pforte an der griechischen Grenze einige Truppen zusammenzuziehen. Schon im Dec. 1862 hatte die von den Türken unter Derwisch-Pascha versuchte Errichtung der Blockhäuser an der Straße durch die Lerda in ganz Montenegro eine große Aufregung u. neue Rüstungen hervorgerufen. Österreich u. Frankreich verwendeten sich bei der Pforte diplomatisch u. machten den Vermittelungsvorschlag, daß die Straße nur an dem Anfangs- u. Endpunkte befestigt u. zur Commercialstraße erklärt werden sollte. Nachdem deshalb eine montenegrinische Deputation nach Constantinopel geschickt worden war, gab die Pforte hierzu ihre Einwilligung (März 1863). Das Jahr 1863 brachte wiederholte Ministerwechsel, welche fast lediglich auf Intriguen einzelner Persönlichkeiten zurückzuführen, für die Richtung der Politik ohne Bedeutung sind. In den ersten Tagen des Januar wurde Kiamil Pascha an Fuad Pascha's Stelle Großvezier, Mehemed Pascha Großadmiral, Raschid Pascha Kriegsminister, Ali Pascha blieb im Amt. Doch war dieser Triumph der hauptsächlich von Sia Pascha vertretenen Partei von kurzer Dauer; Fuad Pascha trat nominell als Präsident des obersten Gerichtshofs wieder in das Ministerium ein, verwaltete aber der That nach die Geschäfte des Großveziers, bekleidete eine Zeit lang die Stelle des Seraskiers u. wurde am 1. Mai wieder zum Großvezier ernannt. Nachdem am 18. Jan. der bisherige Vicekönig von Ägypten Said Pascha gestorben war, folgte ihm Ismael Pascha ohne Ruhestörung; er langte Ende Febr. in Constantinopel an u. erhielt vom Sultan die Investitur, welchem er dafür eine Dampffregatte zum Geschenk machte. Die Arbeiten am Suezkanal wurden auch unter dem neuen Vicekönig fortgesetzt, doch gelang es Ismael Pascha nicht, mit der Pforte eine vollständige Einigung in dieser Beziehung zu erzielen, vielmehr machte eine Depesche des türkischen Ministers des Auswärtigen (Mai 1863) die Einwilligung der Pforte abhängig von der Lösung folgender drei Fragen: der Neutralitätserklärung des Kanals, der Aufhebung der Zwangsarbeit u. dem Verzicht der Compagnie auf Besitz der die Kanäle umgebenden Territorien. Anfang April unternahm der Sultan eine Reise nach Ägypten, besuchte Alexandrien u. Kairo u. kehrte über Smyrna zurück, allenthalben mit gewohnter Verschwendung reiche Geschenke zurücklassend, zu welchem Berufe ihm sogar die Baareinzahlungen auf ein neues Anlehen nachgeschickt werden mußten. Zur Hebung des Staatscredits wurde nach langer Verhandlung mit dem Pariser Credit-Mobilier u. der osmanischen Bank in London ein Vertrag wegen Errichtung einer neuen Bank mit einem Capitale von 2,530,000 Pfd. Sterl. abgeschlossen; doch verspricht die enge Verbindung mit der Staatskasse dem Institut kein erfreuliches Gedeihen. Der Sultan verzichtete auf den Bezug eines großen Theils seiner Civilliste u. viele Großwürdenträger sahen sich genöthigt seinem Beispiel zu folgen; auch wurden viele überflüssige Beamte, wenigstens Christen, ihrer Stellen entlassen. Andererseits aber verschenkte der Sultan große Summen an die Soldaten seiner Garde u. die Mannschaften der Flotte, während in den Provinzen der Sold der Soldaten mehre Jahre lang rückständig blieb u. mit dem Mangel der nothwendigsten Bedürfnisse Unordnung u. Zuchtlosigkeit immer mehr über Hand nahm. Die Angelegenheiten wegen Entschädigung der Opfer des Juli 1860 in Syrien ging nur sehr langsam vorwärts, viele Ansprüche waren nach Ablauf von drei Jahren noch nicht einmal regulirt u. auf die regulirten Beträge war kam ein Viertel ausgezahlt worden, so daß die Entschädigungsberechtigten nicht selten die ihnen von der Regierung abgestellten Schuldverschreibungen mit 40–50 Proc. Verlust verkauften. Auch kamen wieder vereinzelte Metzeleien im Libanon vor u. selbst Damaskus war von zwei der vornehmsten Drusenscheichs mit einem Überfall bedroht, welcher nur durch die Energie der Consuln verhindert wurde. In Smyrna wurde kurz vor Ostern durch einen Auflauf der Griechen gegen die Juden die Ruhe gestört, doch wurde Blutvergießen verhütet. Auch in Bosnien u. der Herzegowina kam es mehrfach zu unruhigen Auftritten, Mord u. Plünderung. Die Insel Rhodus wurde am 22. April durch ein fürchterliches Erdbeben heimgesucht, welches in 22 Dörfern mehr als 2000 Häuser zerstörte. Zu den Tributärstaaten Serbien u. Rumänien blieben die Beziehungen gespannt. Serbien namentlich erweckte durch eine großartige Waffeneinfuhr die ernstesten Besorgnisse, welche durch, mit großem Aufwand betriebene Rüstungen noch mehr gesteigert wurden. Doch wurde die Sache nach einem gereizten Noten-, Wechsel beigelegt, obwohl die Pforte Truppen an[66] der serbischen Grenze zusammengezogen hatte u. die Haltung beider Parteien eine drohende blieb. In Rumänien bildete sich gegen den Fürsten Cusa sowohl im Volk als in der Kammer aus verschiedenartigen Elementen eine sehr energische Opposition, die letztere verwarf alle wichtigeren Anträge des Ministeriums u. sprach sich in einer Adresse sogar für Einsetzung eines anderen europäischen Fürsten aus. Die Pforte enthielt sich der Einmischung in diese Differenzen. Um die Mitte des Jahres 1863 wurde in Constantinopel eine türkische Industrieausstellung abgehalten, welche aber nur ein sehr dürftiges Resultat ergab.

Vgl. J. B. Egnatius, De origine Turcarum, Köln 1539, Fol.; P. Jovius, Commentario della cosa de' Turchi, da Orcana circa il 1328 a Selim il 1512, Ven. 1541; P. Lonicerus, Chronicon Turcicum, Franks. 1584, 2 Bde. (deutsch von H. Moller, Zweibr. 1697); F. Sansovino, Historia universale dell' origine ed imperio de Turchi, vermehrt von M. Bisaccioni, Ven. 1654; J. Leunclavius, Annales Sultanorum Ottomanidarum, Franks. 1588; Dessen Neue Chronicka türkischer Nation, ebd. 1590, Fol.; R. Knolles, General History of the Turks, Lond. 1610, Fol., fortgesetzt von P. Ricaut u. R. Manley bis 1687, ebd. 1687, 2 Bde., Fol.; G. Elmacin, Historia Saracenica etc., aus dem Arabischen ins Lateinische von T. von Erpe, Leyden 1625, Fol.; F. Petit de la Croix, Etat général de l'Empire Ottoman depuis sa fondation jusqu'à présent, aus dem Türkischen, Par. 1583, 3 Bde.; Die neueröffnete Ottomannische Pforte, Augsb. 1694–1700, 2 Bde., Fol.; D. Kantemir, The history of the growth and decady from Othman etc. to Mohameth IV., aus dem Lateinischen von N. Tindal, Lond. 1734 (deutsch von J. L. Schmid. Hamb. 1754); V. Mignot, Histoire de l'Empire Ottoman jusqu'a la paix de Belgrad en 1740, Par. 1771 (deutsch von J. G. Wachsmuth, Mitau 1774, 3 Bde.); C. G. Heyne, Türkische Geschichte, Lpz. 1772, 2 Bde.; Mouradgea d'Ohsson, Tableau général de l'Empire Ottoman, Par. 1788–1824, 7 Bde. (deutsch von C. D. Beck, Lpz. 1788–93, 3 Bde.); Galletti, Geschichte des Türkischen Reichs, Gotha 1801; Geschichte des Osmanischen Reichs von seiner Entstehung bis auf die neuesten Zeiten, Wien 1811, 4 Bde.; A. J. L. von Wackerbarth, Die früheste Geschichte der Türken bis zur Vernichtung des Byzantinischen Kaiserthums etc., Hamb. 1822, Fol.; G. Rampoldi, Annali Muselmani, Mail. 1822, 12 Bde.; Pallas, Histoire abrégée de l'Empire Ottoman, Par. 1825; J. von Hammer, Geschichte des Osmanischen Reichs, Pesth 1827–34, 10 Bde., 2. Aufl. ebd. 1834–36; J. W. Zinkeisen, Geschichte des Osmanischen Reichs in Europa etc., Hamb. u. Gotha 1840 ff. (bis 1863 7 Bde.); Poujoulat, Histoire de Constantinople, Par. 1853, 2 Bde.; Lamartine, Histoire de la Turquie, ebd. 1854, Lpz. 1854. 4 Bde. (deutsch von Nordmann, Wien 1854 ff., 8 Bde.); v. Tholdt, Die politischen Phasen des Türken-Mondes, chronologisch-historisch geordnet, Wien 1860; vgl. auch die Literatur zu Russisch-Türkischer Krieg S. 624.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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