Galyzin

Galyzin

Galyzin (russisch Golitzin), altes russisches Bojarengeschlecht, führt seinen Ursprung bis Gedimin, Großfürsten von Lithauen, zurück. Gedimins Nachkommen waren: sein Sohn Narimund, u. sein Enkel Alexander, Patrik, Fürst von Zwenigorod, Iurj, welcher eine Schwester seines Fürsten heirathete, Wasilj, der schon Bojar genannt wird; 1) Iwan G., auch Bulgak genannt, Wasiljs Sohn, welcher dem Geschlechte den Namen gab, angeblich, weil er noch starke Lederhandschuhe (Golitsa) über den wollenen trug. Dieser Iwan hatte drei Söhne: Michail, s. G. 2), Iwan, s. G. 3) u. Andrej Iwanowitsch Kuraka, von dem die Fürsten Kurakin stammen. 2) Michail Iwanowitsch Bulgakow, ältester Sohn von G. 1), wurde Bojar u. Woiwode, befehligte die Russen gegen die Krimischen Tataren u. gegen die Lithauer, wurde aber 1514 von dem Fürsten Constantin von Ostrog ge[903] fangen u. 38 Jahre in Wilna in Gefangenschaft gehalten. Durch den Frieden befreit, ging er 1552 in das Dreieinigkeitskloster bei Moskau, wo er bald starb. 3) Wafilj Wasiljewitsch, war 1610, nach der Entsetzung Schuiskois, nahe daran, Czar zu werden, da ihn der Patriarch hierzu vorschlug, allein der Hetman der Kosaken Zolkiewski setzte die Wahl Wladislaws von Polen durch, u. G. wurde nun Anhänger der beiden falschen Demetrius. Mit dem Patriarchen Philaret als Gesandter nach Polen geschickt, wurde er unterwegs verhaftet u. st. 1619 in polnischer Gefangenschaft. Er hinterließ keine Kinder, u. seines Oheims 4) Iwan Jurjewitsch, des zweiten Sohns von G. 1) Enkel, 5) Andrej Andrejewitsch, setzte durch seine vier Söhne das Geschlecht fort u. ist Stammvater aller jetziger Fürsten G.; die Linie des zweiten Sohnes ist aber erloschen. Sein ältester Sohn: 6) Wasilj Andrejewitsch war Vater von 7) Wasilj Wasiljewitsch dem Großen, geb. um 1633; dieser leistete erst als Offizier bedeutende Dienste gegen die Krimischen Tataren u. gegen die Kosaken am Dneper, wurde nach Besiegung des Letzteren Hetman derselben, 1680 unter Czar Fedor Minister, hob als solcher die alte starre Rangordnung auf, organisirte die Armee u. regierte unter der Regentschaft seiner Geliebten, Sophie, Schwester Peters des Großen, nach Fedors Tode 1682 während der Minderjährigkeit Iwans u. Peters des Großen fast unumschränkt, besiegte 1682 die gegen diese von den Strelitzen u. Roskolniken versuchten Aufstände u. wurde Generalissimus u. Großsiegelbewahrer. Moskau verdankte ihm viele Verschönerungen. Um die Cultur machte er sich dadurch verdient, daß er Künstler u. Gelehrte ins Land zog. Zwar schloß er 1683 den ungünstigen Frieden von Andrussow mit Polen, brachte aber 1686 einen vortheilhaften Frieden in Moskau zu Stande. Er schickte eine Gesandtschaft an Ludwig XIV. u. unternahm 1687 u. 1688 unglückliche Feldzüge gegen die Krimischen Tataren; 1689 wollte er u. Sophie sich die in ihren Händen befindliche Regentschaft auf immer sichern, aber Peter der Große, die Pläne G-s vereitelnd, zwang Sophien in ein Kloster zu gehen u. verbannte G. nach Jarensk an der Grenze Sibiriens; später wurde ihm erlaubt, auf seinen Gütern bei Moskau zu leben. 1693 wieder in Untersuchung gezogen, wurde er nach Pustorzesk im Gouvernement Astrachan verbannt u. erhielt später nur mit Mühe die Erlaubniß, bis an die Pinega zurückkehren zu dürfen. Gegen das Ende seines Lebens ging er in ein Kloster, wo er 1713 st. 8) Boris Alexiewitsch, Vetter des Vorigen, aus der dritten Linie, die von G. 5) entsprossen war, geb. 1641; Regentschaftsrath, Gouverneur von Kasan u. Astrachan, Erzieher Peters des Großen, stand bei demselben in großer Gunst, rettete ihm in der von seiner Schwester Sophie erregten Verschwörung das Leben u. st. 1713. 9) Dimitrj I. Michailowitsch, von der vierten Linie; war einer der Urheber der Erhebung Anna Iwanownas zur Kaiserin, fiel aber bei ihr, weil er sie eine ihre Macht beschränkende Acte hatte unterschreiben lassen, in Ungnade u. st. 1738 im Gefängniß in Schlüsselburg. 10) Michail I. Michailowitsch, des Vorigen Bruder, geb. 1675; wohnte dem Kriege Peters des Großen gegen die Türken u. Schweden bei, zeichnete sich während desselben durch persönliche Tapferkeit, vornehmlich bei der Einnahme von Schlüsselburg aus, siegte bei Lesco über Löwenhaupt u. wurde in Folge dessen zum Generallieutenant ernannt. Als solcher nahm er Theil an der Schlacht bei Pultawa, wurde 1714 bis 1721 Gouverneur von Finnland, schlug den General Armfeld bei Lapola u. nahm an der Seeschlacht bei Hangönd Theil. Als General en Chef der russischen Armee brachte er den Nystädter Frieden zu Stande; bei Peters des Großen Abwesenheit in den persischen Feldzügen wurde er 1722 zum Gouverneur von Petersburg ernannt, commandirte 1723–28 gegen die Türken, wurde von Katharina I. 1725 zum Feldmarschall u. zum Präsidenten des Kriegscollegiums erhoben u. starb 1730 in Moskau. 11) Michail II. Michailowitsch, geb. 1685, Bruder des Vorigen; bildete sich in Holland u. England für die Marine, wurde Viceadmiral, Geheimerath u. Senator u. übernahm die Mission an Anna Iwanowna nach Mitau, um dieser die russische Krone anzutragen. Darauf wurde er Präsident des Justizcollegiums, Gouverneur von Astrachan u. 1740 Grand-Ambassadeur in Persien. Unter Elisabeth wurde er Admiral, dann 1753 Gouverneur von Petersburg u. 1756 Großadmiral u. Präsident des Admiralitätscollegiums. Er legte seine Stellen beim Regierungsantritt Peters III. 1762 nieder, erhielt sie aber unter Katharina II. zurück u. st. 1764. 12) Alexander Michailowitsch, eins von den 17 Kindern von G. 10) u. der Prinzessin Kurakin; war Gesandtschaftsrath in Constantinopel, Gesandter in Dresden, dann Generalmajor, zeichnete sich im Siebenjährigen Kriege aus, wurde General en Chef u. befehligte, als Katharina II. sich des Thrones bemächtigte, in Livland, kam bei ihr in große Gunst, wurde Conseilmitglied u. Generaladjutant, befehligte 1768 die erste Armee am Dnistr, focht siegreich 1769 u. 1770 bei Chozim gegen die Türken, benahm sich aber später lässig u. unentschlossen u. verlor deshalb das Commando. In Petersburg angekommen, wurde er Feldmarschall u. Gouverneur von Petersburg u. st 1783. 13) Dimitrj II., Bruder des Vorigen, geb. 1724; russischer Gesandter in Wien; starb daselbst 1793 14) Dimitrj III., von der dritten Linie (s. Galyczin 5), wurde 1765 Gesandter in Paris u. 1773 im Haag; zog sich beim Anfang der Französischen Revolution nach Deutschland zurück u. st. 1803 in Braunschweig; er schr.: Description physique de la Tauride, Lyon 1788; Traité de minéralogie, Mastricht 1792, u. Ausg. Helmst. 1796; L'esprit des économistes, Braunschweig 1796. 15) Amalie, Tochter des preußischen Generals Grafen von Schmettau, geb. 1748 in Berlin; verlebte einen Theil ihrer Jugend am Hofe des Prinzen Ferdinand von Preußen, heirathete den Vorigen u. wählte, weil ihr Gemahl meist auf Reisen war, Münster zum Aufenthaltsorte. Sie versammelte Gelehrte (von Fürstenberg, Goethe, Jacobi, Hamann, Hemsterhuis), um sich, kränkelte aber an religiöser Schwärmerei u. trug viel zur Religionsveränderung Stolbergs bei; sie st. 1806 in Angelmode bei Münster. In Hemsterhuis' an sie gerichtete Lettre sur l'atheisme ist sie die Diotima. Ihr Sohn, Fürst Dimitrj G., ging als Missionär nach Amerika, wo er 1840 starb, u. ihre Tochter war an einen Fürsten von Salm[904] vermählt; vgl. Denkwürdigkeiten der Fürstin G., von Katerkamp, Münster 1828. 16) Alexander Nikolajewitsch, russischer Geheimer Rath, Ordenskanzler, Minister des öffentlichen Unterrichts u. des Cultus seit 1817, verlor 1824 sein Portefeuille u. behielt nur die Generaldirection der Posten. Er war auch Präsident der russischen Bibelgesellschaften bis zur Auflösung derselben 1826. 17) Dimitrj Wladimirowitsch, geb. 1771, General der Cavallerie, befehligte 1812 das zweite russische Reservecavallerie-, später bei der Verfolgung das dritte Infanteriecorps, wurde aber durch den General Kanowiczin ersetzt, führte dann die zweite Gardekuirassierdivision u. bei Lützen u. Bautzen interimistisch das Gardeeavalleriecorps u. das zweite Treffen der Russen. 1814 führte er die Reservecavallerie unter dem Großfürsten Constantin, war seit 1820 Militärgouverneur von Moskau u. Mitglied des Staatsraths, trug wesentlich zur Verschönerung von Moskau, so durch Anlegung der Boulevards vom Kreml u. von Twerkaja, bei u. st. 8. April 1844 in Paris, wo er sich zur Herstellung seiner Gesundheit aufhielt. 18) Fürst Sergei, diente schon unter Katharina als Soldat u. ist jetzt Reichsrath; er residirt gus seinem Gute Kusminski bei Moskau, welches prächtig eingerichtet u. mit Kunstwerken angefüllt ist; außer zur Unterstützung der Kunst verwendet er sein großes Vermögen auch zur Beförderung der Cultur in seinem Vaterlande. 19) Fürst Emanuel, hat sich um das Studium der Geographie verdient gemacht u. hielt sich lange in Paris auf, wo er 1853 starb; er übersetzte Wrangels Der Norden von Sibirien, ins Französische, Par. 1843, 2 Bde., u. gab heraus: La Finlande, ebd. 1852.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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