- Türkisches Reich [1]
Türkisches Reich (Osmanisches Reich), die gesammten Ländermassen, welche unter der unmittelbaren Herrschaft des Sultans (Padischah) in Constantinopel stehen, sich in Europa, Asien u. Afrika um das Becken des Mittelmeeres ausdehnen u. zusammen einen Flächeninhalt von über 86,000 QM. einnehmen, mit einer Bevölkerung von 37 Mill. Einwohnern. A) Die Europäische Türkei (Osmanisches Europa); grenzt an Süd-Rußland, Österreich, Galizien, Siebenbürgen, Ungarn, Slawonien, Kroatien u. Dalmatien, das Adriatische Meer, Griechenland, das Ägäische u. Schwarze Meer; von der Asiatischen Türkei wird sie durch die Straße der Dardanellen, das Marmorameer u. die Straße von Constantinopel geschieden; sie begreift auch den größten Theil der den Archipelagus bildenden Inseln, 9776 QM., u. bildet mit Griechenland die östlichste der großen Halbinseln Südeuropas, die sogenannte Balkan- d. Türkisch-Griechische Halbinsel. Offenbar hat die Europäische Türkei unter allen Halbinseln Europas die glücklichste Weltstellung. Im Norden ist sie durch ihre Landgrenze in Berührung mit zwei der mächtigsten Staaten des Erdtheiles, Rußland u. Österreich, u. die Donau könnte sie unmittelbar an alle Handelsinteressen Mitteleuropas knüpfen; aus der Südseite bildet sie das vermittelnde Glied zwischen Abend- u. Morgenland, beherrscht den Zugang zum Schwarzen Meere, sowie das Agäische Meer u. die ganze Osthälfte des Mittelmeeres, u. es gibt keinen Punkt in Europa, welchen die Natur ausdrücklicher zum Sitze eines Welthandels bestimmt zu haben scheint, als die Hauptstadt Constantinopel. Die Küstenlänge beträgt 383 Meilen, so daß 25 QM. auf 1 Meile Küste kommen. Das Gebiet besteht aus unmittelbaren u. mittelbaren Ländern. Die unmittelbaren Länder sind die alten Provinzen Thracien, Bulgarien, Bosnien mit Türkisch-Kroatien u. der Herzegowina, Albanien, Macedonien u. Thessalien, sowie die Inseln; die mittelbaren Länder (Schutzstaaten) sind die Moldau, Walachei u. Serbien. Im Allgemeinen ist die Oberfläche gebirgig, doch ist das Gebirgs system nicht durch eine hohe Centralkette zu einem organisch gegliederten Ganzen gebildet, sondern das Land ist von verschiedenartig gelagerten Bergketten durchzogen. Am Meerbusen von Fiume zweigt sich von den Julischen Alpen der Zug der Dinarischen od. Dalmatiner Alpen südöstlich ab, welche sich in ihrem Verlaufe zu dem Gebirgsstocke von Montenegro vereinigen. Von hier weiter nach Südosten thürmt sich der wahrscheinlich höchste Gebirgsstock der Halbinsel aus, der Schar-Dagh, dessen Gipfel aus 8000 Fuß geschätzt werden. Der Gebirgsrücken, welcher vom Schar-Dagh als Wasserscheide zwischen Donau u. Agäischem Meere nach Osten zieht, führt verschiedene Namen: Argentarogebirge, Egrisu-Dagh, Kurbetska, Planina, Orbelus. Von ihm zweigt sich östlich der Balkan ab, zunächst in einem Hauptzuge, weiter im Osten in Parallelketten, eine nördliche, der Kleine Balkan, u. eine südliche, der Große Balkan, welcher im Cap Emineh, am Schwarzen Meer endigt. Wahrscheinlich übersteigt die höchste Höhe der Balkangipfel nicht 3500 Fuß. Längs des Schwarzen Meeres streicht vom Ostende des Balkan das Strandscheagebirge bis an den Bosporus; vom Westende des Balkan zieht südöstlich der Despoto-Dagh (Rhodope), weiterhin Tekiri-Dagh genannt, bis zum Marmorameer. Von dem Berglande von Montenegro u. dem Schar'Dagh zieht südwärts die Kette des Bora-Dagh (Pindus), welche bis 7000 Fuß steigen mag u. von welcher sich nach Westen die wilden Terrassenlandschaften von Albanien abzweigen; am Südende des Bora-Dagh (unter 40° nördl. Breite) liegt der 3000 Fuß hohe Gebirgsknoten von Mezzowo (Lakmon der Alten), welchen man die Wurzel aller Halbinselgebirge nennen kann; nach allen Himmelsrichtungen strahlen Gebirgsmassen u. Ketten von ihm aus: nach Osten das Voluzzagebirge zum Busen von Saloniki, nach Nordwesten u. Südwesten die unzugänglichen Gebirgsmassen von Epirus, in denen einzelne Punkte 7000 Fuß erreichen. Die Ebenen zwischen diesen Gebirgsgliedern sind von verhältnißmäßig geringer Ausdehnung, so die der Save, der Narenta in der Herzegowina, die des Salambria in Thessalien, die des Vardar in Makedonien, die des Maritza in Thracien; am bedeutendsten sind die Ebenen im Norden der Donau, wo erst weit ab von diesem Strome das Walachische Tiefland zu Anhöhen aufsteigt, welche mit dem Gebirgszuge in Verbindung stehen, der in weiter Krümmung die Walachei u. Moldau von Siebenbürgen trennt u. 7–8000 Fuß aufsteigt. Hier in den Niederungen der Walachei finden sich auch ziemlich häufig seeartige Sümpfe. Von den Vorgebirgen sind die bedeutendsten am Adriatischen Meere: Cap Rodoni, Pali, Laghi, Linguetta (Glossa); am Ägäischen Meere: C. Hag. Dimitri, Zagora, Paliuri, Drepano, Monte Santo (C. Hag. Giorgi), Stiliburm; am Marmorameer: C. Anastasia u. am Schwarzen Meere: C. Karaburnu, Emineh Burnu u. Kali Akra (Tscheligra Burnu). Geognostisch herrschen die krystallinischen Schiefergebirge, die Kreide- u. die tertiären Bildungen unter allen Formationen am meisten vor; unter diesen überwiegen wieder die beiden letzteren an Ausdehnung die krystallinischen Schiefer. Von den vielen Pässen über die Gebirge sind die hauptsächlichsten: in Bosnien die von Bielopolje, Sienitza u. Pristina; in Albanien die von Prisrend, Tattowo, Konidscha, Lepeni, Ochrida, Mezzowo u. Trikala; in Thessalien der von Palatmina; von Serbien nach Macedonien der Paß von Katschanik; aus Bulgarien nach Thracien das Eiserne Thor (Demir-Kapu), ferner die Pässe von Gebrowa nach Kasanlik, von Osmanbazar nach Karnebat, von Parawady nach Aidos u. von Varna längs der Küste. Die bemerkenswerthesten Meerbusen sind an der Westküste: die von Drino, Durazzo, Avlona u. Arta; im Ägäischen Meere die von Volo, Saloniki, Kassandra, Monte Santo, Orphano, Euos u. Saros;[2] im Schwarzen Meere die Busen von Burgas u. Varna. Die bedeutendsten Halbinseln sind die Chalcidische u. die von Galipolis. An schiffbaren Strömen ist die Europäische Türkei verhältnißmäßig arm. Hauptstrom ist die Donau, Grenzfluß auf einer Strecke gegen Österreich; nimmt auf der Südseite die Save (ebenfalls Grenzfluß mit Österreich, mit den Nebenflüssen Unna, Verbas, Bosna, Drina, Kolubara türkischer Seits), die Morawa, den Timok, Isker, Jantra, Kara- od. Ake-Lom u.a., auf der Nordseite den Schyll, Aluta, Ardschisch mit Dumbowitza, Ialonitza, Sereth, Pruth u.a. auf. Viele von diesen Flüssen sind schiffbar, die Donau auch für Dampfschiffe. Küstenflüsse sind: des Adriatischen Meeres: Drin, Tobi (Iskumi), Vojussa; des Ionischen: Dris, Kalamas, Arta, Aspropotamo (in Griechenland mündend); des Ägäischen: Salambria, Vistrizza, Barbar, Karasu (Strymon), Maritza (Hebros), größter Fluß der Europäischen Türkei außer der Donau, mit den Nebenflüssen Stanimak, Usundscha, Arda, Tundscha, Gernitza, Erkene u.a.; des Schwarzen Meeres: der Kamsik; zum Marmormeer laufen ganz unbedeutende Gewässer. Unter den vielen Landseen sind die bedeutendsten: die von Skutari, von Ochrida u. von Janina in Albanien, der Karlas in Thessalien, der Kastoria, Betschik, Jenidsche, Presbau u. der Takinos in Macedonien, der Jesero in der Herzegowina, der Ramsin in Bulgarien, die Seen längs der Donau u. in der Walachei u. Moldau, der Jalpuch, Sasyk od. Kurduk, Schassany, Alibai u.a. in der Moldau. Von den bekannten Mineralwassern sind die meisten warme u. Schwefelquellen, da diese den Türken bei ihrer Gewohnheit häufig zu baden am meisten zusagen; geringere Aufmerksamkeit ist auf die kalten Mineralwasser verwendet. Außer in Albanien u. Bulgarien gibt es überall warme Quellen. Sauerbrunnen kennt man nur in Serbien u. Bosnien. Klima durch den Balkan verschieden; obgleich es überall mild ist, ist es doch nördlicher rauher, oft Frost, auch Schnee bringend, südwärts freundlicher, mit wenig Frost u. selten Schnee, aber mit zuweilen drückender Hitze, jedoch oft durch Winde vom Schwarzen Meer gemildert. Die Luft ist gesund, zuweilen erscheint jedoch die Pest, bes. im Süden, in neuerer Zeit seltener; Erdbeben kommen auch vor. Die hauptsächlichsten Producte sind aus dem Thierreich: Pferde (von besonderer Güte), Kameele, Maulthiere, Esel, Rindvieh, Schafe, Schweine, Ziegen (alle mehr od. weniger Gegenstände der Viehzucht), Roth- u. Schwarzwildpret, Hasen, Kaninchen, Gemsen, Moufflons, Gazellen, Auerochsen, Bären, Wölfe, Luchse; Seesäugethiere: Seehunde u. Delphine. Man zieht Tauben u. einiges Hausgeflügel; es gibt auch viel wildes Geflügel; die Gewässer bringen viele Fische, als Störe u. Hausen (auch zu Caviar benutzt), Welse u.a. Süßwasserfische, Thun- u.a. Seefische, so wie auch Überfluß an Muscheln, Tintenwürmern, Seeigeln; Bienen, Spanische Fliegen, Seidenwürmer, Kermesschildläuse werden benutzt; als Plage sind giftige Schlangen u. Heuschrecken häufig. Aus dem Pflanzenreiche: fast alle Getreidearten, Hülsenfrüchte, Gemüse, gute Melonen, Obst, auch edlere Südfrüchte, Wein (mit Gewinn auch von großen u. kleinen Rosinen); Färbe- u. Arzneikräuter, als bes. Mohn (zu Opium), Färberröthe, Soda, Mastix), Süßholz, Galläpfel u.a., Gummi-Traganth, Tabak, Baumwolle, viel Holz, darunter Oliven, Lorbeerbäume, Platanen. Das Mineralreich liefert Gold, Silber, Eisen, Blei, Kupfer, Steinkohlen, Schwefel, Salz (Stein- u. Seesalz), Marmor, Farben- u. Walkererde, Salpeter, Lemnische Erde, Meerschaum u.m. Vieles liegt noch ungenutzt u. verborgen.
Die Einwohner sind ein Gemisch verschiedener Nationen: a) die Osmanen, das Herrschervolk, obgleich nicht das zahlreichste (etwa 1 Mill.), sind ein Stamm der Türken (den Namen Türken halten sie aber für einen Schimpfnamen u. gebrauchen ihn nur von den im Zustande der Roheit gebliebenen Nomadenhorden der Turkomanen), schön von Gestalt u. Gesichtszügen; der Osmane ist von klarem, gesundem Verstand, würdevoll u. tapfer, abgehärtet, ernst, gastfrei, mäßig im Essen, üppig in der Kleidung, das Alter ehrend, redlich im Handel u. Wandel, bigott im Islam, blind dem Fatalismus anhangend, sich daher um kein nahe bevorstehendes od. bereits geschehenes Lebensunglück bekümmernd, aber fest an eine stets waltende Vorsehung glaubend (Selbstmord ist unter ihnen fast unbekannt), abergläubisch (man glaubt an das böse Auge, die günstige od. nachtheilige Einwirkung von Edelsteinen, Prophezeihungen, Astrologie, Zauberer u. Hexen, wofür bes. die alten Juden u. Zigeuner gelten etc.), verehrt die Wahnsinnigen u. tastet sie unter keinen Umständen an, sondern gibt ihnen vielmehr in den Moscheen Aufenthalt; außerdem ist der Osmane herrschsüchtig, verachtet alle übrigen Nationen, am meisten die Christen u. Europäer; ferner ist der Osmane ohne Ausbildung seiner guten natürlichen Fähigkeiten u. Anlagen u. ohne Sinn, für Verbesserungen, dabei zum Aufruhr geneigt. Schlechter ist der Charakter der am Hofe Lebenden, welche oft Hinterlist, Feigheit, Habsucht, Sklavensinn zeigen; Sittenlosigkeit herrscht bei Vielen (Opiumgenuß u. Knabenliebe). Die Frauen, deren jeder Osmane vier (Nikiahfrauen), u. Beischläferinnen, so viel er will, haben kann, werden bei den Reichen in Harems eingeschlossen. Dennoch haben die gemeinen Osmanen selten mehr als Eine Frau, die Ärmeren leben ganz ehelos. Die Ehe ist bei den Osmanli nur ein bürgerlicher Contract, welcher vor Gericht von dem Mann mit der Familie der Frau geschlossen u. worin das Eingebrachte, das Leibgedinge der Frau, was ihr nach dem Tode des Mannes od. im Fall der Scheidung verbleiben soll etc., verzeichnet sind; der Kadi unterschreibt ihn. Solche Verschreibungen sind selbst vor Vermögensconfiscation sicher; oft verschreibt daher ein Großer, um im Fall der Absetzung u. Vermögensconfiscation noch wohlhabend zu bleiben, sein ganzes Vermögen seiner Frau. Oft bedingt sich die Frau, daß der Mann keine zweite Frau nehmen darf. Dennoch sind die Kinder der Sklavinnen eben so legitim, als die der wirklichen Frauen. Der Imam segnet die Ehe ein; über die Hochzeitsceremonien selbst s.u. Hochzeit S. 431. Zur Scheidung ist nur nöthig, daß der Mann einen Scheidebrief gibt, doch ist dies eine Seltenheit; auch die Frau darf darauf antragen. Die Frauen erscheinen immer mit, durch zwei Musselinbinden oben u. unten verbundenem Gesicht, so daß nur die Augen durchblicken. In mehren Gegenden, bes. Asiens, gehen aber die türkischen Frauen unverschleiert u. mit unverbundenem Gesicht. Kranke Frauen entschleiern sich nur bei größter Gefahr u. in Gegenwart des Mannes od. einer Dienerin dem Arzte, aber[3] auch wo möglich nur theilweise; so lassen sie Augen, Zunge sehen, verdecken aber das übrige Gesicht. Den Puls darf der Arzt nur durch eine Musselinschleife fühlen. Weiber verrichten die meisten Curen u. dienen als Hebammen (Eben Kadine); ein Accoucheur wäre bei Entbindungen auch bei der größten Gefahr unerhört. Die Frauen besuchen sich oft u. erwidern den Besuch stets, außerdem conversiren sie mit Bekanntinnen viel u. lange in den Bädern. Die Anwesenheit einer anderen Frau im Harem wird durch Pantoffeln vor dem Frauengemach angedeutet, u. der Mann darf dann, so lange diese dastehen, den Harem nicht betreten. Die Frauen besuchen oft anmuthige Orte vor den Städten u. Vergnügen sich hier mit Spielen; Männer halten sich von solchen Orten fern. Nie aber erscheinen sie mit dem Manne. Von Männern nehmen Frauen keinen Besuch an, nur selten bei großen Festen, Heirathen, Entbindungen, Beschneidungen machen die nächsten Verwandten, wie Vater, Bruder etc., ihnen Besuche, aber nur in Gegenwart des Mannes od. von Sklavinnen. Hier erscheinen die Frauen unverschleiert. Auch Mädchen halten sich sehr züchtig u. gehen stets verschleiert; nie ist eine Frau Hökerin od. Krämerin, nur in die Harems tragen alte Weiber Kleinigkeiten zu Putzsachen zum Verkauf. Nur Ärmere gehen allein auf den Straßen, Vornehme stets in Begleitung von Eunuchen od. anderen Sklaven; oft fahren sie auch in geschlossenen u. mit Vorhängen umhängten Wagen (Araba). Die Frauen genießen im Harem manche Rechte u. haben auch Einfluß, sie leiten die Erziehung ihrer Kinder, verachten aber die europäischen Verhältnisse. Untreue der Frauen kommt selten vor u. wird, wenn erwiesen, von dem Gatten in hergebrachter Weise damit bestraft, daß der Verführer ermordet, die Verführte ertränkt wird. Auch türkische Freudenmädchen gibt es trotz der Vielweiberei. Die erste Klasse (Almehs) sind in Dichtkunst, Saitenspiel u. Tanz sehr erfahren; ihre gemeineren Schwestern aber wohnen in größeren Städten in eigenen Stadttheilen u. stehen unter einer alten Kupplerin. Im Harem bringt der Osmanli den größten Theil seiner Zeit mit untergeschlagenen Füßen, der allgemeinen Weise der Osmanen, auf Polstern sitzend u. bequem lehnend, mit Tabaksrauchen zu. Auch die Frauen rauchen. Nahrung: Brod, oft von Mais, Hammelfleisch od. Geflügel, Gemüse, Eier-, Mehl- u. Milchspeisen, Pilau (s.d.), bei Ärmeren das Hauptgericht, Käse, Weintrauben, Wassermelonen od. süße Reisspeise mit Rosinen, bes. aber Pastetchen u. Kuchen aller Art. Der Osmane frühstückt nicht, od. nimmt höchstens eine Tasse Kaffee, u. hält dann zwei Mahlzeiten, Morgens zwischen 10 u. 11 Uhr u. Abends nach Sonnenuntergang die Hauptmahlzeit (Akscham); Getränk: in der Regel Wasser, seltener Milch, dagegen ist schwarzer, sehr starker Kaffee, aus sehr kleinen Tassen getrunken, ihnen fast unentbehrlich. Das Enthalten vom Genuß des Weines ist jetzt bei den vornehmen Osmanen bei weitem nicht so streng als sonst, auch das betreffende Gesetz ist seit 1826 von Mahmud II. aufgehoben. Außerdem ist der Genuß des Opiums sehr im Gange. Mit diesem u. bes. mit Wein u. Branntwein Berauschte sind indessen bei den Türken verachtet; Weinschenken u. Kaffeehäuser sind Regal der Regierung u. werden verpachtet; auch Restaurationen gibt es in den größeren Städten, in kleineren u. Dörfern ersetzen die Bäcker deren Stelle. Die Wohnungen sind unansehnlich u. schmucklos; die Privathäuser sind nach der Lehre des Koran (welcher jede Stadt der Osmanen nur als ein Feldlager betrachtet wissen will), meist von Holz u. einstöckig gebaut (daher u. aus Mangel an Feuerspritzen die vielen Feuersbrünste in großen Städten, welche oft mehre tausend Wohnungen verzehren) u. haben im Inneren einen viereckigen Hof, nach welchem die Fenster gehen, während nach außen nur ein eng vergitterter Vorsprung, wo die Frauen sitzen u. Beobachtungen anstellen, u. einige Gitterfenster vorhanden sind. Die Fenster sind gewöhnlich rund, meist ohne Glas, welches nur bei Reichen u. in großen Städten üblich ist; bei schlechtem Wetter setzt man in Ermangelung desselben nur einen Rahmen mit geöltem Papier vor. Der Hof ist bei Reichen mit Marmor ausgelegt, auch wohl mit Säulen umgeben, oft bei schönem Wetter mit Teppichen belegt u. ringsum mit Diwans besetzt. Ähnlich sind die kleinen Zimmer eingerichtet, sie sind meist geweißt, selten zieren Arabesken die Wände u. Decken; auch hier sind außer den Diwans, Teppichen auf dem Fußboden u. Vorhängen, welche die Fenster verdecken, keine Meubles vorhanden, doch enthält das Zimmer meist Wandschränke; auch haben die Häuser fast durchgängig keine Keller. Stets ist die Wohnung des Mannes u. seiner Diener (Salem-Lik) von dem Harem, der Wohnung für die Frauen, durch eine Mauer getrennt. Die Dächer sind meist flach. Türkische Architekten gibt es nicht, meist baut sich der Bauherr sein Haus selbst od. nimmt Griechen, Armenier u. Franken dazu. Die Osmanlis lieben die Gärten sehr; stets sind in denselben Kiosks u. Pavillons von Platanen beschattet u. neben ihnen ein od. einige Springbrunnen angebracht. Die öffentlichen Gebäude, bes. die Moscheen (s.d.), sind im maurischen u. persischen Baustyl, überladen u. pomphaft, wegen der häufig angebrachten Kuppeln neben den schlanken Minarets, auf deren Spitze der Halbmond glänzt, aber zierlich gebaut, doch meist ohne richtiges Verhältniß u. Symmetrie. Säulen werden häufig zur Verzierung, aber nicht in edeln Verhältnissen verwendet. Die Brücken sind selten von Stein, meist von Holz. Malerei u. Bildhauerkunst sind den Türken schon aus Religionsgründen fremd, da der Islam Darstellungen von menschlichen Figuren, als zur Abgötterei führend, verbietet; Griechen u. Armenier fertigen aber Arabeskenzierrathen für Moscheen, Diwans u. Gebäude der Reichen. Zuweilen zieren rohe Landschaften u. Städtegemälde die Häuser der Vornehmen u. Reichen, bes. die Harems. Die Nationalkleidung: bei Männern, welche nicht in Militär- od. Civildienst stehen, ein faltenreicher Rock (Kaftan), weite lange Beinkleider, eine Weste ohne Kragen unter dem Kaftan, eine lange Binde von farbigem Zeug um den Leib geschlungen, ein langes Hemd, meist gelbe Pantoffeln, bei schlechtem Wetter mit weiten Schuhen darüber, bunte od. gestickte Stiefeln, Turban bei Vornehmen mit Reiherbusch, ein langer, sorgsam gepflegter Bart, bei jüngeren Leuten ein Schnurrbart, glatt abgeschorene Haare, bis auf einen langen Büschel (Kiba) auf dem Scheitel, im Gürtel ein Dolch (Khandiar), an der Seite ein Säbel; die Frauen in ähnlicher Kleidung, auch mit weiten Beinkleidern, das Gesicht mit Schleiern (s. oben) tief umhüllt u. am Fuß gelbe Pantoffeln, beim Ausgehen doppelte übereinander, von denen, sie ein Paar beim Eintritt in fremde Harems zurücklassen, [4] Schmuck aller Art, Ohrringe, Halsbänder von türkischen Ducaten, Edelsteine in das Haar geflochten; weiße u. rothe Schminke, selbst Schminkpflästerchen legen sie fast immer an, malen die Augenbrauen schwarz u. färben sich die Nägel mit Alkanna. Die Beamten tragen jetzt ein eigenes Costüm, wo der krapprothe, gesilzte, weit über die Ohren gezogene Feß mit großer blauer Quaste u. ohne Schirm den Turban, der polnische schwarze Oberrock den Kaftan, die Pantalons die weiten Beinkleider verdrängt haben. Statt des langen Bartes trägt man einen Schnurrbart. Regen- u. Sonnenschirme sind noch nicht allgemein üblich. Religion ist der Islam (s.d.), u. zwar gehören die Türken zur Partei der Sunniten. Die Kinder werden nach der Geburt beschnitten (s. Beschneidung) u. ihnen dabei der Name gegeben. Von den Hochzeitgebräuchen s.u. Hochzeit S. 431; von den Gebräuchen bei der Bestattung der Todten u. ihren Leichenäckern s.u. Todtenbestattung S. 651 u. Todtenacker. Sprache: die Türkische (s.d.); die heilige, Hof- u. Gelehrtensprache ist die Arabische. Vergnügungen der Männer sind gymnastische Spiele, vorzüglich das Dscheridwerfen, die der Frauen das Schaukeln (s.d.), außerdem wird hier u. da Federball gespielt. Auch ergötzen sich die Türken an Tänzen, welche Griechen aufführen u. die zuweilen sehr obscön sind, s.u. Tanz S. 242. Auch Kunstreiter u. Taschenspieler haben neuerdings viel Beifall gefunden. Mit theatralischen Vorstellungen ist kaum ein Anfang gemacht. Die Kaffeehäuser werden stark besucht, u. es gibt dort eigene Erzähler, welche mit Geschichten u. Märchen das rauchende Publicum unterhalten. Zum türkischen Stamme gehören außerdem noch die Yurucken, welche in geringer Anzahl auf den Hochebenen des Despotogebirges nomadisiren u. während des Winters in ihre Dörfer in der Ebene von Seres u. längs der Bergkette nordöstlich von Saloniki herabkommen; sowie die Tataren, welche, bes. Viehzucht treibend, etwa 35,000 Köpfe, sich in der Dobrudscha angesiedelt haben, u. die Magyaren, 45,000 Seelen, in der Moldau u. in geringer Anzahl in der Walachei.
b) Zum Griechischen Stamme gehören die eigentlichen Griechen u. die Skipetaren (Albaner, Arnauten). Die Griechen bewohnen das ganze Gestade des Ägäischen, Marmora u. Schwarzen Meeres u. haben ihr Centrum in der Chalcidischen Halbinsel, wo sie meist ganz unvermischt leben; auf den Inseln bildet das griechische Volk die einzige Einwohnerschaft mit Ausnahme weniger Dörfer u. einiger Quartiere in befestigten Städten. Seit den Byzantinern nennen sich die Griechen in der Türkei Romanen (Ῥωμαῖοι), von den Türken werden sie Rumler (Singular: Rum), von den Slawen Reki genannt; ihre Sprache ist das Neu-Griechische (s.d.); sie sind sämmtlich Christen u. betragen etwa 1 Mill. Seelen. Die Skipetaren, wie sie sich selbst nennen u. was so viel wie Gebirgsbewohner bedeutet, bewohnen hauptsächlich Albanien (Epirus); sie mögen von den alten Illyriern abstammen, sind aber später durch hellenischen Einfluß gräcisirt worden. Nach einem der früheren Stämme, Albani, wurden sie von den Byzantinern in Arvaniti (Ἀρβανιτοί) corrumpirt, woraus die Türken den Namen Arnauten machten. Durch den Fluß Schkum sind sie in nördliche (Ghegen) u. südliche (Tosken) getrennt; zu den ersteren gehören die Stämme der Klementi, Pulati, Dukaginen u. Mirditen, zu den letzteren die Japiden, Chamiden u.a. Das Volk liebt vorzugsweise kriegerische Gewohnheiten u. läßt sich daher oft zum Heere anwerben. Nach einer gewissen Dienstzeit werden sie dann in Dörfern angesiedelt, woher es kommt, daß man an den verschiedensten Punkten der Türkei Arnautendörfer antrifft. Die nördlichen Stämme sind meist ganz unabhängig; sie sind theils katholischer, theils griechischer Religion, theils Muhammedaner; ihre Gesammtzahl wird auf 1,400,000 angegeben. c) Rumänen u. Zinzaren, zusammen etwa 4,300,000 Seelen. Die Rumänen sind die Bewohner der Walachei u. Moldau; sie selbst nennen sich Rumuni (Singular: Ruman), den Namen Walachen (s.d.) haben sie von der Bezeichnung Vlachi erhalten, welche ihnen zuerst die Byzantiner u. Magyaren beilegten. Außer in den Donaufürstenthümern findet man sie auch in Bulgarien (längs der Donau herauf bis Silistria u. in der Umgegend von Vratscha) u. im östlichen Theile von Serbien, Die Zinzaren, mit den Rumänen nahe verwandt, sind zerstreut über Niederalbanien, Thessalien u. das westliche Macedonien. d) Slawische Völkerschaften, zusammen nahe an 8 Mill. Seelen, sind: die Serben, in Serbien, Bosnien, Türkisch Kroatien, in der Herzegowina u. im nördlichen Albanien; die Bulgaren in Bulgarien u. in einem großen Theile von Macedonien u. Thracien; außerdem zerstreut unter den Albanern, Griechen u. Walachen. Russen sind in geringer Anzahl vorhanden in der Moldau u. in der Dodrudscha; die in der Moldau sind Anhänger der Secte Origenisten (Skoptzi), die in der Dobrudscha gehören der Secte Starowertzi (Altgläubige) an. Polen gibt es nur eine einzige Colonie an der Mündung des Salambria e) Semitischen Stammes gibt es Juden u. Araber. Die Juden, deren man 70,000 rechnet, sind über die ganze Türkei zerstreut, bes. in den Donaufürstenthümern zahlreich vertreten u. bewohnen in Philippopolis u. Saloniki ganze Stadttheile. Araber finden sich nur als eine mitten unter Türken bei Basardschik in der Dobrudscha lebende Kolonie. f) Armenier, etwa 400,000 Köpfe, von denen die Hälfte in Constantinopel lebt, die andere Hälfte über das ganze Land zerstreut ist u. in größerer Anzahl sich nur in Adrianopel, Philippopel, Bucharest u. Jassy vorfindet. Sämmtliche Armenier des T. R. bilden eine Nation, deren weltliche Angelegenheiten durch eine unter Bestätigung der Pforte wählbare Rathsversammlung von 20 Mitgliedern geregelt werden. In Allem, was innere Verhältnisse, Gemeindeausgaben, Schulen etc. betrifft, verwalten sie sich selbst. g) Zigeuner gibt es bes. in den Donaufürstenthümern, in Serbien, in Albanien u. an der obern Maritza; man schätzt ihre Zahl auf 200,000 Köpfe. h) Deutsche gibt es in geringer Anzahl in den größeren Städten, wie Constantinopel, Belgrad u. Bucharest, u. außerdem eine Colonie von etwa 1200 Personen in der Dobrudscha, am Südufer der Donau. Bei den Serben heißen sie Schwabi, bei den Rumänen Niamtz, bei den Türken Nemtsche. Die Gesammtzahl der Einwohner der Europäischen Türkei beträgt demnach etwa 161/2 Million. Der Religion nach sind von diesen etwa 41/2 Mill. Muhammedaner (Türken, Tataren, Bulgaren, Serben u. Skipetaren), 111/2 Mill. griechische Christen (Griechen, Rumänen, Serben, Bulgaren u. Skipetaren) u. Armenier,[5] 600,000 katholische Christen, die übrigen Juden, Zigeuner u. Protestanten (etwa nur 5000).
Obwohl im Allgemeinen die Europäische Türkei einen außerordentlich fruchtbaren Boden hat, steht dennoch der Ackerbau auf einer sehr niedrigen Stufe, theils in Folge der Indolenz der Osmanen überhaupt, theils in Folge von den Gewaltmaßregeln der Regierung, welche früher die Producenten zwang das Getreide etc. zu bestimmten Preisen zu liefern, welche oft noch dazu nicht bezahlt wurden. So kommt es, daß weite fruchtbare Strecken unbebaut liegen u. die Hauptstadt Constantinopel mit russischem Getreide aus Odessa versorgt werden muß. Man reißt den Boden mit einem schlechten Pflug mehr auf, als daß man eigentlich pflügt, räumt die Steine u. das Unkraut, bes. die Disteln, nicht weg, säet nachlässig, schneidet das Getreide sehr unordentlich ab u. vernachlässigt die Strohnutzung. Das Getreide wird meist gleich auf dem Felde ausgedroschen od. durch Vieh ausgetreten, sonst bewahrt man es im Freien, seltner in kleinen Scheunen auf. Nur die Gegenden um die Städte u. einzelne Thäler werden mehr benutzt. Getreidearten (Mais, Weizen, Gerste, Hirse, Moorhirse, Reiß u.a.) sind die Feldfrüchte, welche man erbaut, doch wird auch Lein, Hanf, Safran, Spanischer Pfeffer, Rosinen, Lablab vulgaris u. Arzneikräuter, Hibiscus esculentus, Cerasus halepensis (letzter zu Pfeifenröhren), gewonnen. Der Gemüsebau zieht Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, Pferdebohnen, Kohl, Salat, Gurten, Kürbisse, Melonen, Pilze etc., seltener Artischocken, Rettiche u. Radischen, Linsen, Portulak, Spinat, Schnittlauch, Petersilie, Schalotten, Thymian etc. Der Obstbau gewinnt, außer mittelmäßigen Birnen, Äpfeln u. Pflaumen, Johannis-, Erd- u. Stachelbeeren, noch Oliven, Maulbeeren, Granatäpfel, Mandeln, Pfirsichen, Kirschen, Nüsse, Feigen; Südfrüchte gedeihen am besten in Thessalien, in Südalbanien u. auf den Inseln. Weinbau wird nur von den Christen betrieben; die Moldau allein liefert jährlich über 1 Mill. Eimer, sehr viel auch die Walachei, sowie der Wein überhaupt in allen Provinzen gedeiht, auf einigen Inseln sogar ganz vorzügliche Sorten. Die Gunst des Klimas u. der häufig für den Wein sehr geeignete Boden ersetzen, was an Cultur abgeht. Nur in der südlichen Türkei trocknet man die Trauben zu Rosinen, doch siedet man den Most zu Peckmes, einem braunen Syrup, ein. Der Ölbau wird in Thessalien u. Südalbanien bes. lebhaft betrieben, Mohn zu Opium bereitet; Baumwolle u. Tabak, beide sehr gesucht, gewonnen; Krapp wird häufig angebaut u. zu Türkisch Roth verwendet: Blumen, bes. Rosen, werden mit vieler Sorgfalt u. reichlich gezogen; Nutzholz liefern in Menge die noch immer ansehnlichen Waldungen, bes. in den nördlichen u. westlichen Provinzen; Forstcultur existirt dabei gar nicht. Von anderen Erzeugnissen aus dem Pflanzenreiche sind bes. zu nennen: Pistacien, Sumach, Knoppern, Galläpfel, Ladangummi (auf Candia), Mastix u.a. Die Viehzucht, durch treffliche Weiden befördert, wird mehr betrieben; Pferde (von guter Race), Rindvieh (in großen Herden), Schafe (in der Moldau u. Walachei allein 6 Mill. Stück, in einigen Gegenden mit Fettschwänzen), Ziegen, Schweine u. Federvieh, geben nicht nur den Bedarf, sondern auch zur Ausfuhr, Fleisch, Milch, Butter, Käse (mehr Quark ähnlich), Häute, Wolle etc. werden reichlich gewonnen. In bergigen Gegenden steigt der Hirt mit seinem Vieh den Sommer bei zunehmender Wärme immer höher u. kehrt ebenso im Herbst wieder zurück, bis er im November im Thal anlangt dort den Winter zubringt; Stallfütterung kennt man nicht. Bienenzucht nicht unbedeutend u. viel Wachsgewinn zur Ausfuhr; Seidenbau wird in südlichen Gegenden ziemlich stark betrieben. Blutegel gibt es in großer Menge u. sie bilden einen wichtigen Ausfuhrartikel. Der Bergbau könnte ergiebiger sein, viele Gegenden sind noch wenig benutzt u. nicht untersucht. Hauptsächlich hinderlich ist der Mangel an Bergleuten u. Bergbauverständigen. Am besten sind noch die Kupfer- u. Eisenminen bei Karatova, Egri Palanka, Klissura, Samakow u. einige in Bosnien. Das Hüttenwesen ist höchst unvollkommen bestellt. Steinsalz gibt es in großen Lagern in der Moldau u. Walachei, Boysalz wird an den Küsten gewonnen. Über die Industrie u. den Handel s. unten. Der Seehandel geht nur durch fremde Schiffe u. die Griechen haben ihn meist in Händen. Eingetheilt ist die Europäische Türkei in die 14 Ejalete: Tschirmen (Edirné, das alte Thracien), Silistria, Widdin, Nisch (Bulgarien), Selanik (Theile von Macedonien u. Thessalien), Yania (Janina, Südalbanien), Uskiup (Ostalbanien), Bosna (Bosnien u. Kroatien), Rumili (Mittelalbanien u. ein Theil von Macedonien), Djizaïr (Archipel), Kryt (Creta); dazu die Schutzstaaten: Eflek (Walachei), Boghdan Moldau) u. Syrp (Serbien). Hauptstadt, wie überhaupt aller osmanischen Besitzungen, Constantinopel (Stambul).
B) Asiatische Türkei (Osmanisches Asien), umfaßt eine Anzahl verschiedenartiger Gebiete, welche zusammen den westlichen Theil Asiens ausmachen u. die im Süden von Arabien, im Osten von Persien u. Russisch Transkaukasien, im Norden vom Schwarzen Meer u. im Westen vom Marmora-, Ägäischen u. Mittelmeer begrenzt werden. Mit Ausschluß Arabiens, welches nur zu einem kleinen (nicht genau bestimmten) Theile dazu gehört, wird der Flächeninhalt dieser Länder zu etwa 24,000 QM. geschätzt, mit einer Bevölkerung von 16 Mill. Seelen. Die Bestandtheile dieses weiten Gebietes sind: Kleinasien, Armenien, Kurdistan, Irak-Arabi, Mesopotamien, Syrien mit Palästina, die Halbinsel Sinai u. ein Theil von Arabien. Das Land ist zu einem großen Theile Hochland, dessen Gebirgsstock der Taurus, vom Kaukasus ausgehend, ist. In Nordost steigen die höchsten Gipfel auf; davon abgehende Zweige sind der eigentliche Taurus u. Antitaurus, der Almatagh (Amanisches Gebirg), Libanon, Antilibanon, Sindschar, Dschudi, an der persischen Grenze das Zagrosgebirg. Im Südosten, nach dem Persischen Meerbusen u. Arabien zu, breiten sich größere, jetzt unfruchtbare, früher zum Theil durch reichliche Kanalbewässerung fruchtbare Ebenen (Mesopotamien, Syrische Wüste) aus; manche Ebenen sind salzig. Flüsse: der schiffbare Tigris u. Euphrat, gehen nach dem Persischen Meerbusen; außerdem durchziehen nur kleinere Neben- u. Küstenflüsse das Land. Zum Schwarzen Meere gehen: Tschoroch, Jeschil-Irmak, Kisil-Irmak, Sakarja; zum Ägäischen: der Sarabad u. Meinder (Mainder, Mäander); zum Mittelmeer: der Sihon; Aras (Arasch) u. Kur gehen nach Russisch Transkaukasien in das Kaspische Meer, der Jordan zum Todten Meer. Seen: das [6] Todte Meer (Bahr et Lut), ohne Abfluß, der See Genezareth (Tabarieh), der Wan, Ulubad, Beg-Schehr u. Sidi-Schehr, Akserai u.a. Vorgebirge u. Busen am Schwarzen Meere: Hermonassa u. Jassun (am Busen Vona), Termeh u. Tscherehambe (am Busen Samsum), Jedsje, Kerempe, Babu (am Busen Sakarja), Kara; im Ägäischen Meere: Baba (am Busen von Edremid), Tschesme, Mentesche u. die Busen Sandarlik u.a.; am Mittelmeere: die Busen von Makri, von Santalia (mit den Vorgebirgen Chelidoni u. Anemur), von Skanderun u.a.; am Rothen Meer: das Vorgebirge Ras Mahomet mit den Busen von Suez u. von Akaba. Das Klima ist im Ganzen sehr mild, nur in den Ebenen u. Thälern ist die Hitze oft drückend, während andererseits auf den Hochländern von Armenien, Kurdistan u. Kleinasien oft eine rauhe Luft herrscht. Der Boden ist namentlich in Kleinasien u. Mesopotamien sehr fruchtbar, jedoch wird der Landbau sehr nachlässig betrieben; am wichtigsten ist Öl- u. Seidenbau; Viehzucht ist die Hauptbeschäftigung der zu einem großen Theile nomadisirenden Bewohner. Die bemerkenswerthesten Naturerzeugnisse sind: Öl, Mohn, Baumwolle, Krapp, Tabak, einige Arznei u. Gewürzpflanzen, Galläpfel, im Süden auch Palmen, auf dem Libanon Cedern, in Armenien u. Kleinasien Nadel- u. Laubwälder. Das Thierreich bietet viele u. zum Theil sehr gute Pferde, Büffel, Kameele, Schafe, Angoraziegen, Seidenraupen u. Purpurschnecken; wild Schakals, Hyänen. Edle u. unedle Metalle sind in Menge vorhanden, auch finden sich Steinkohlen, aber bei dem höchst mangelhaften Bergbau ist hier die Ausbeute verhältnißmäßig noch geringer als in der Europäischen Türkei. Die Industrie u. den Handel s. unten. Handelsplätze: Smyrna (bes. Seehandel), Damask, Aleppo, Brusa, Basra, Trabesun, Bagdad, Angora u.a. Bergbau bes. auf Kupfer in Tokat u. Egerum, auf Blei in Chalkis u. auf dem Ida. Von den Einwohnern sind die Osmanen das Herrschervolk, über 121/2 Mill.; außerdem leben hier: Griechen u. Armenier (zusammen etwa 300,000), Araber, Georgier, Lasen, Truchmenen, Kurden, Nosairen, Drusen, Juden (80,000), Zigeuner u. in den Handelsstädten Franken. Die Araber, Truchmenen, Kurden leben meist nomadisch, treiben Räuberei, transportiren Waaren u. gehören mehr dem Namen nach als wirklich zum T-n R. Hauptreligion: der Islam; neben ihm das Christen- u. Judenthum; die Drusen u. Kurden haben eigene Gottesverehrung. Man spricht türkisch, arabisch, griechisch, armenisch, persisch, kurdisch. Für die Verwaltung ist das asiatische gesammte Gebiet in 21 Ejalete (mit Ausnahme Arabiens) eingetheilt; je nach Umständen wird aber von einem Ejalet ein od. das andere Gebiet als Paschalik abgesondert, um zeitweilig von einem besonderen Pascha verwaltet zu werden. Die Ejalete sind: Chudawendiguiar, Aïdin, Kastamuni, Bezuk, Trapezunt, Siwas, Karaman, Adana u. Charput (in Kleinasien), Erzerum, Kars u. Wan (in Armenien), Diarbekr, Mossul u. Bagdad (Kurdistan), Bassora (Irak Arabi), Rakka (Mesopotamien), Aleppo, Damaskus, Tarabulus u. Akka (in Syrien). Die Häupter der kurdischen Stämme sind fast nur dem Namen nach der Pforte unterthan, in Wirklichkeit ganz unabhängig. C) Osmanisch Afrika. Dazu gehört Ägypten (Missr) mit Nubien, Tripolis (Tarablusi Gharb) mit Barka u. Fezzan u. endlich Tunis, welche nur dem Namen nach als türkische Provinzen betrachtet werden können; Ägypten u. Tripolis mehr, Tunis aber, welches nicht einmal Tribut zahlt, weniger. Der Flächengehalt dieses Gebietes beträgt etwa 44,000 QM. mit einer Bevölkerung von 5 Mill. Seelen. Über die innere Beschaffenheit, die Lage, den Boden, über Producte, Handel, Religion u. Sprache des Türkischen Afrikas s. die genannten einzelnen Länder desselben.
Die Staatsverfassung des T-en R-s trägt durchaus den Charakter einer absoluten Monarchie. Das ganze Reich steht unter dem Großsultan (Großherrn, Padischah) in Constantinopel, welcher dessen weltliches u. geistliches Haupt ist. Er nennt sich Nachfolger der Khalifen, indem Selim I. 1517 diesen Titel nach Bezwingung des damaligen Khalifen von Ägypten annahm, welchen Titel aber die rechtgläubigen Araber nicht anerkennen, da der osmanische Padischah nicht von Muhammed abstamme. Dennoch ertheilt er an muhammedanische Fürsten, welche auch nicht unter seiner Hoheit stehen, die Investitur. Obgleich der Padischah sich nach einigen von dem Koran ausgesprochenen (wie die Beschneidung, die Vielweiberei, das Verbot des Weines, des Schweinefleisches etc. aufrecht zu erhalten) od. von seinen Vorgängern gegebenen Gesetzen (sechs Kanunmanen) richten soll, so ist doch seine Regierung unumschränkt u. er ist Herr über Leben u. Tod aller Rajah (Nichtmuhammedaner), während er die Osmanlis nicht ohne Rechtsspruch tödten lassen soll. Thronerbe ist in der Regel der älteste Sohn, doch kann der Sultan auch ein anderes Glied seiner Familie zum Nachfolger bestimmen (einen Bruder, jüngeren Sohn). Er wird mit dem 15. Jahre mündig, Frauen sind absolut vom Throne ausgeschlossen. Um Aufstände u. Thronentsetzungen zu vermeiden, bestand seit Bajazet I. das Gesetz, daß alle Brüder des Padischah bei dessen Thronbesteigung hingerichtet werden sollten. Erst 1687 milderte Solyman III. dies Gesetz u. ließ seine Brüder eng u. ganz abgeschlossen in einem Schloß verwahren; der Kislar-Aga führt hier die Aufsicht über sie. Mehrmals kamen jedoch auch später noch Fälle vor, wo sie gleich bei der Thronbesteigung od. bei einem Aufruhr dennoch erdrosselt wurden. Auch der barbarische Gebrauch, alle Kinder der Töchter des Großherrn gleich nach der Geburt zu tödten, fand statt u. erst Mahmud II. machte hiervon eine Ausnahme u. ernannte seinen Enkel gleich zum Pascha von drei Roßschweifen. Der Titel des Padischah ist sehr schwülstig; er nennt sich Alempenah, d.i. Zuflucht der Welt, Zilullah, d.i. Schatten Gottes, Hunkiar (eigentlich Todtschläger), Herr über Leben u. Tod, Khalif (s. oben), oberster Imam etc. Statt der Krönung wird dem Sultan der Säbel Osmans in der Moschee Ejub in Constantinopel umgürtet, vorher muß der Schwur auf den Koran, als das höchste Gesetzbuch, von ihm abgelegt werden. Dem Großherrn werden, wenn er ins Feld zieht, sieben Roßschweife vorgetragen. Im diplomatischen Verkehr erhält der Sultan den Titel Kaiserliche Majestät, im Französischen Hautesse (nicht Altesse); bei eigenen Ausfertigungen gebraucht derselbe einen sehr ausführlichen, mit überschwänglichen Bezeichnungen versehenen Titel, in welchem namentlich der Herrschaft über die drei Städte Mekka, Medina u. Kuds (Jerusalem), gegen welche die[7] ganze Welt ihr Angesicht wendet, wenn sie betet, an erster Stelle gedacht ist. Das Reichswappen wird durch einen grünen Schild mit einem wachsenden silbernen Mond gebildet. Den Schild umgibt eine Löwenhaut, auf welcher ein Turban mit einer Reiberfeder liegt, dahinter sind zwei Standarten mit Roßschweifen schräg gestellt. Die Namenschiffer des Sultans heißt Thogra (s.d.). Die vielen Frauen des Großherrn sind eigentlich nur Sklavinnen (Odalisken), zum Theil ihm von seiner Mutter, seinen Schwestern, Tanten u. Großen geschenkte, reizende Mädchen, welche im Tanzen, Singen u. in allen Künsten der Koketterie unterrichtet sind, zum Theil gekauft, u. bewohnen große Säle. Mit den wenigsten pflegt der Padischah Umgang, findet aber eine Odaliske durch mehrfachen Umgang beim Großherrn Beifall, so schenkt er ihr einen kostbaren Pelz, sie heißt dann Kadine (Khadune, Frau, Madame, deren in der Regel sieben sind) u. erhält eine abgesonderte Wohnung. Wird ihm von einer ein Kind geboren, so heißt sie Hasseki (Assäki) Sultane, die erste, bei welcher dies geschieht, Sultane Favorite; feierlich vermählt wird nach einem Staatsgesetz, um Aufwand zu vermeiden, dem Padischah keine; die Mutter des Padischah heißt Sultane Valide; alle diese haben ansehnliche Einnahmen, letztere bedeutenden Einfluß auf die Geschäfte des Hofes u. des Staates. Auch die Töchter des Großherrn heißen Sultane. Oft verheirathet der Großherr Odalisken aus seinem Harem, selbst Kadinen, denen er den Scheidebrief gibt, od. Töchter u. Schwestern an Großwürdenträger od. Lieblinge, welche dadurch sich sehr geehrt fühlen u. sogleich ihrerseits ihren früheren Frauen den Scheidebrief geben müssen. Nur eine Kadine, welche dem Großherrn ein Kind geboren hat, kann nicht mehr verschenkt werden. Die Kadinen eines verstorbenen Großsultans kann der neue nicht zu Gemahlinnen nehmen, wohl aber gehören ihm dessen Odalisken; erstere werden mit ihrem Schmuck u. Schätzen in ein anderes Serail versetzt; ihre Söhne folgen ihnen, da sie im Gewahrsam des Kislar-Aga bleiben, so wenig als ihre Töchter, welche bis zu ihrer Verheirathung unter der Kehaja Kadine im Serail bleiben, wo sie dann ihre Mütter zu sich nehmen. Der Hofstaat ist sehr ansehnlich u. ceremonienreich; er zerfällt in äußeren u. inneren. Jener begreift die Personen, welche zum Dienste des Großherrn selbst bestellt sind u. unter dem Kapu-Agassi, gewöhnlich einem weißen Verschnittenen, stehen; sie sind getheilt in die Abtheilungen Khaß-Oda, Khassine-Odassi (Schatzkammer), Kilar-Odassi (Kellerei), Seferli-Odassi (weiße Zeugkammer), Bujük-Oda (große Kammer) u. Kutschük-Oda (kleine Kammer). Besondere Abtheilungen sind die Küche, der Stall, die Jägerei, die Vorbeter, Gärtner od. Gartenwächter (Bostandschis); sie u. ihr Vorgesetzter (Bostandschi-Baschi, sind jetzt durch die Garden u. den Capitän der Garde ersetzt), Hofärzte, die Kapitschi-Baschi, eine Art Kammerherren, welche die Kapitschis od. Thorwächter befehligen. Auch vier Mollas (s. unten) sind bei Hofe angestellt, der Hofprediger od. Almosenier, der Leibarzt, welcher oft nichts von der Arzneikunst versteht, aber aus den Mollas hervorgegangen sein muß, ein Richter über die Angelegenheiten von Mekka u. Medina, der Estambul-Effendi, welcher die Verproviantirung Constantinopels besorgt u. zugleich die Aufsicht über den Handel, die Künste hat, auch Erster Richter in Constantinopel ist. Niedere Diener sind: die Pagen (Itschoglams), sonst meist im Islam erzogene Christenkinder, welche zum Tribut eingeliefert u. zur Bedienung des Großherrn erzogen wurden, auch später oft wichtige Posten bekleiden, die Stummen, die Zwerge, die Musikanten, die Steigbügelhalter u.m.a., in allen mehr als 8000 Personen. Der innere Hofstaat begreift die Frauen des Serails, welche unter dem Kislar-Agassi, d.i. dem Haupt der Mädchen, einem schwarzen Verschnittenen, stehen u. von lauter Verschnittenen bedient werden. Dieser Kislar-Agassi meldet dem Großherrn jede Geburt eines Sohnes; er gilt oft auch in Staatsangelegenheiten viel u. ist oft sehr gefürchtet. Der Hof ist der Schauplatz der Intriguen der Verschnittenen, Sultaninnen, Odalisken u. anderer Personen. Gewöhnliche Residenz ist das Schloß Delmabaghdsche in Constantinopel (Pera); im Sommer (Mai) wird der Aufenthalt nach den Lustschlössern am Kiaghid Hane od. süßem Wasser verlegt, wo die Odalisken, dicht eingeschlossen, in officieller Zurückgezogenheit (Halvet) leben, unverschleiert in den schönen Parks umherschwärmen u. sich vergnügen. Manches von diesen Einrichtungen des Hofes hat sich indessen seit Mahmud II. geändert.
Alle Ämter des Reiches zerfallen in vier Klassen: wissenschaftliche od. Ämter des Lehrstandes (Ulema), Ämter der Feder (Kwalemüre od. Administrationsbeamte), Ämter des Säbels (Armee u. Flotte), Hofämter. Die höchsten Staatsbeamten u. die Generale führen den Titel Pascha, je nach dem Grade mit ein, zwei od. drei Roßschweifen; ihnen folgen im Range die Efendi. Die Söhne der Paschas u. die oberen Offiziere führen den Titel Bai, alle niederen Offiziere u. Beamten den Titel Aga. Die gesetzgebende u. vollziehende Gewalt wird vom Sultan durch Vermittlung zweier Personen ausgeübt, welche ihm insoweit am nächsten stehen, des Großveziers (Sadri Azam) u. des Mufti (Scheich-ül-Islam). Beide führen den Titel Hoheit. Der Großvezier gilt als der Alter ego des Großherrn; er führt im Geheimenrath den Vorsitz, bewahrt das Siegel des Sultans u. war sonst zugleich oberster Befehlshaber im Krieg u. Frieden. Er hat seinen amtlichen Aufenthalt bei der Hohen Pforte od. Pforte des Pascha, weshalb auch die ganze Regierung oft als die Ottomanische Pforte bezeichnet wird. Der Scheich ül-Islam od. Mufti ist der Wahrer des Gesetzes u. Chef der Ulema, selbst aber weder Priester noch Gerichtsperson, der höchst controlirende Beamte, so daß sein Gutachten (Fetwa) für jede Verordnung u. für jeden von der höchsten Behörde ausgehenden Act nothwendig ist. Nächst diesen beiden obersten Beamten sind die Geschäfte nach verschiedenen Branchen in der Art von Staatsministerien vertheilt. Die Staatsminister, mit dem Titel Muschir, sind: der Seraskier als der Kriegsminister u. oberste Befehlshaber des Heeres; der Kharidschijié-Naziri od. Minister der auswärtigen Angelegenheiten; der Umuri-Malié-Naziri (sonst Defterdar) od. Finanzminister; der Kapudan-Pascha od. Marineminister; der Evkaf-Naziri od. Minister der geistlichen Angelegenheiten, Generalinspector der Wakufs, d.i. der Moscheen u. der den frommen Stiftungen gehörigen Güter; der Tidjaret-Naziri als der Handelsminister; der Zabtijié-Muschiri als der Polizeiminister; der Harbié-Naziri als der Feldzeugmeister, Großmeister der [8] Artillerie u. Generalinspector der Festungen; der Zarbchane-Muschiri als der Minister des kaiserlichen Privatschatzes u. Oberaufseher der Münze. Mit den Geschäften des Ministers des Innern ist der Musteschar od. erste Rath des Großveziers betraut. Alle Minister vereinigen sich in wichtigen Fällen bes. bei Berathung der Fragen auswärtiger Politik unter dem Vorsitze des Großveziers u. unter hinzutritt des Scheich-ül-Islam, so wie des Präsidenten des Staatsraths zum Diwan od. Geheimenrathe. Der Diwan versammelt sich gewöhnlich zweimal wöchentlich im Serail; außerdem werden auch außerordentliche Sitzungen, in denen gewöhnlich der Sultan zugegen ist, unter tiefem Geheimniß gehalten. Der Diwan ist an die Entscheidung der Ulema's u. des Mufti gebunden. Mit jedem der ministeriellen Departements, ausgenommen dem der auswärtigen Angelegenheiten, sind permanente Räthe verbunden, welche die Fragen vorbereiten u. die Verordnungen ausarbeiten. Der wichtigste dieser Räthe ist der seit 1840 errichtete, aus einem Präsidenten, neun Räthen u. zwei Secretären zusammengesetzte Staatsrath der Justiz od. höchste Rath, etwa dem Staatsrath in civilisirten Staaten entsprechend. Zu seinem Ressort gehört die Bearbeitung alles dessen, was die Gesetzgebung u. innere Verwaltung betrifft. Als Gerichtshof erkennt er zugleich über alle Staatsverbrecher, namentlich über Mißbräuche, welche von hohen Beamten in Ausübung ihres Amtes begangen worden sind. Deshalb fungirt er zugleich als Rechnungshof u. hat die Bücher aller Finanzbeamten, nachdem sie bereits von dem Rechnungsrath geprüft worden sind, nochmals zu prüfen. Einmal im Jahre, am ersten Moharrem, d.i. dem ersten Tage des Jahres moslemitischer Zeitrechnung (18. Juni), erscheint der Großherr selbst im Staatsrath, läßt sich von der Lage der Angelegenheiten Rechnung ablegen u. ertheilt selbst seine Befehle. Außerdem besteht noch ein Rath des öffentlichen Unterrichts mit einem Präsidenten, acht Räthen u. zwei Secretären, ein Rechnungsrath mit einem Präsidenten, 11 Räthen u. zwei Secretären, ein Rath der öffentlichen Arbeiten unter dem Minister des Handels mit sechs Räthen u. einem Secretär, ein Rath der Bergwerke unter dem Minister der Münze mit fünf Räthen u. einem Secretär, der Polizeirath mit einem Unterpolizeidirector u. 12 Räthen, ein oberster Kriegsrath mit 15 Mitgliedern, welcher zugleich als letzte Revisions- u. Appellationsinstanz für militärische Vergehen fungirt, ein Feldzeugamt mit einem Präsidenten, sechs Räthen u. einem Secretär, der Admiralitätsrath mit einem Präsidenten, sieben Mitgliedern u. zwei Secretären, der Rath der Militärfabriken mit vier Mitgliedern, das seit 1840 errichtete Obersanitäts- u. Medicinalcollegium, bei welchem außer neun ordentlichen Mitgliedern auch sieben Abgeordnete der in Constantinopel residirenden Gesandtschaften von Rußland, Österreich, England, Frankreich, Preußen, Italien u. Griechenland fungiren, u. das Bureau der Übersetzer (Terdschuman-Odassi), eine unter dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten stehende Behörde, welche bes. für die Vermittlung des völkerrechtlichen Verkehrs mit den fremden Nationen thätig ist. Behufs der provinziellen u. localen Verwaltung ist ein Unterschied zwischen den unmittelbaren u. mittelbaren Ländern. Die mittelbaren, wozu in Europa die Moldau, Walachei u. Serbien, in Afrika Ägypten, Tunis u. Tripolis, in Asien verschiedene Bezirke Arabiens u. Syriens gehören, haben ihre eigene Verfassung u. ihre eigenen Fürsten, welche der Pforte nur tributär sind; die unmittelbaren werden unmittelbar vom Mittelpunkt der Regierung, aus verwaltet. Mit Einschluß der mittelbaren Besitzungen ist das ganze Reich in Ejalets od. Generalgouvernements getheilt, welche in Livas od. Provinzen zerfallen; die letzteren sind dann wieder in Kazas (Gazas) od. Districte getheilt. Im Ganzen zählt man 36 Ejalets, 171 Livas u. 1636 Kazas; die Europäische Türkei allein umfaßt 15 Ejalets, 46 Livas u. 370 Kazas. An der Spitze eines jeden Ejalets steht der Vali od. Mutessarif als Chef der gesammten Verwaltung. Auch in den unmittelbaren Besitzungen ist die Macht dieses Beamten eine sehr ausgedehnte. Er hat das Recht, unter seiner eigenen Verantwortlichkeit die Gouverneure der Livas, die Vorsteher der Kazas, überhaupt alle Civilbeamte seines Bezirks ein- u. abzusetzen; er kann die bewaffnete Macht in Anspruch nehmen u. ist nur der Pforte für seine Maßregeln verantwortlich. Als berathende Behörde steht ihm ein permanenter Rath (Medschlissi Kebir) zur Seite, welcher aus einem von der Pforte ernannten Präsidenten u. zwei Secretären, ferner aus dem Defterdar od. Obersteuereinnehmer des Gouvernements, den katholischen, griechischen od. armenischen Bischöfen, den Oberrabbiner u. mehren Kodscha Baschis, d.i. Abgeordneten der Gemeinden, zusammengesetzt ist. Jede Liva wird durch einen Kaïmakam od. Mohassil verwaltet, welcher in allen Beziehungen als Stellvertreter des Generalgouverneurs erscheint. Unter dem Beistand des Militärcommandanten der Provinz überwacht er die Recrutirung u. bildet mit den Mitgliedern des Civilgerichts u. Provinzialrathes (Medschli) das Criminalgericht der Provinz. Er führt den Vorsitz bei der Steueranlage, welche durch eine jährlich von den Gemeinden ernannte Commission bewirkt wird, u. hat außer der Militärmacht, welche er requiriren kann, selbst eine Anzahl Polizeitruppen unter seinem Befehle. Die Kazas unterstehen der Verwaltung von Mudirs, denen wiederum ein Rath der Notabeln (Wudschuk) zur Seite steht. Sie werden von den Valis ernannt u. sind Unterbeamte des Kaïmakams. Bezüglich der Verfassung der Ortsgemeinden (Nahijes) besteht ein Unterschied zwischen Stadt u. Landgemeinden. Jede Landgemeinde hat eine Gemeindevertretung, welche aus drei bis zwölf der angesehensten Bewohner (in den muselmanischen Dörfern Sabit, in den griechischen Proastos od. Protogeros, bei den Bulgaren Subaschi genannt) gebildet wird, u. einem Kodscha Baschi, welcher als amtlicher Abgeordneter des Dorfes die Vermittlung mit den oberen Behörden besorgt. Gemeindevertreter, wie Kodscha Baschi, werden jedes Jahr von den Dorfeinwohnern gewählt. Das Geschäft der Gemeindevertreter ist in der Regel ein unbesoldetes Ehrenamt; der Kodscha Baschi dagegen erhält meist eine mäßige Belohnung. Als ein vorzügliches Vorrecht der Gemeindevertretung ist das ihnen in neuerer Zeit übertragene Geschäft der Einziehung des Karadsch, d.i. der Gemeindesteuer, anzusehen, welche früherhin unter vielen Mißbräuchen nur von türkischen Steuereinnehmern erfolgte. Die Kodscha Baschis haben die Gemeindekassen zu führen, die Civilstandregister zu halten, treten als Friedensrichter auf, wenn die Parteien sich vereinigen vor ihnen anstatt vor dem Kadi od. Bischof die Sache zur Entscheidung zu bringen, u.[9] üben noch sonst manche Geschäfte der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie Verabfassung u. Bestätigung von Verträgen, Beglaubigung von Unterschriften, Versiegelungen etc. Die Verfassung der Stadtgemeinden ist der Verfassung der Dorfgemeinden ähnlich, nur daß in den Hauptstädten u. den von den Türken besetzten Festungen die Befehlshaber u. Gouverneure eine ausgedehntere Macht ausüben, u. in den Städten, welche mehre Kirchspiele od. Anhänger verschiedener Religionen umfassen, jede Religionsgemeinde gewöhnlich ihre besonderen Vertreter u. Beamten hat. Unter den griechischen Rajahs ist ihre Zahl nach den Kirchspielen geordnet; jedes Kirchspiel hat seine Ephoren, gewöhnlich drei, einen Administrator, Schreiber u. Kassirer, welche jedes Jahr durch allgemeine Abstimmung gewählt werden; ein Ephimerios des Patriarchen ertheilt ihnen die Investitur. Die Geschäfte des Ephoren sind dieselben wie die des Kodscha Baschi, mit Ausnahme der richterlichen Befugniß. Auch haben diese Vertreter in der Regel nichts mit der Gerichtsbarkeit zu schaffen, welche dann gewöhnlich dem Diwan des Patriarchen od. anderen Gerichten zusteht.
Unter den Osmanen besteht eine völlige Gleichheit der Stände, u. jeder, welcher sich auszeichnet, kann zu Ämtern u. Ehrenstellen gelangen, ja die türkischen Großen lieben es die Ämter mit Leuten des niedersten Standes u. mit nur mittelmäßigen Köpfen zu besetzen, um die Untergebenen ganz in der Hand zu haben u. nicht von ihnen übersehen zu werden. Nach Verlust seiner Stelle tritt der Angestellte wieder unter das Volk zurück. Höchstens unterscheidet man Scherifs (Emirs, Nachkommen Osmans u. Muhammeds, welche die grüne Farbe zu tragen berechtigt sind), als eine Art Adel. Auch gibt es Lehnsherrn (Timarli, Timarioten), welche größere Grundstücke erhalten u. persönlich u. mit einem Theil ihrer Leute im Kriege beritten erscheinen müssen. Manche Familien haben auch Erbbesitz, so sind die Districtshauptmannschaften in Bosnien erblich, die Familie Ghaurini besitzt mehre Dörfer in Macedonien, die Tschapan-Oglu um Angora, die Kara-Osman-Ogludeglo um Pergamo. Die türkischen Unterthanen theilen sich im Allgemeinen in Osmanlis, Rajahs (d.i. Volk, Heerde, die Nichtmuhammedaner) u. Sklaven; letztere thun die Arbeit für die Osmanen, über ihre Verhältnisse u. Lage s.u. Sklaverei S. 176 f. Nur ein Muselman darf Sklaven laufen, Eunuchen darf nur der Großherr u. die Würdenträger des T-n R-es besitzen. Unter den Nichttürken, bes. unter den Slawen u. Griechen, besteht ein Adel. Rajahs erlangen in der Regel keine öffentliche Anstellung, doch wirken sie als Dolmetscher, Kaufleute u. unter der Hand desto mehr.
Die Gesetzgebung zerfällt in zwei Haupttheile: das religiöse Gesetz (Scheriat) u. das politische Gesetz (Kanun). Das Scheriat, welches indessen auch mit vielen bürgerlichen Rechtsvorschriften durchwebt ist, hat zu seinen Quellen den Koran, die Sunna od. religiöse Tradition, das Idschma i ümmet, d.i. die Erklärungen, Auslegungen u. Entscheidungen der vier ersten Khalifen, u. das Kazas od. die Sammlung gerichtlicher Entscheidungen der vier großen Imams Ebu Hanifé, Maliki, Schafii u. Hambeli (s.u. Türkische Literatur S. 951). Im Anschlusse hieran ist die Rechtsdisciplin durch eine Menge Rechtsgelehrter ausgebildet worden. Aus den Arbeiten derselben sind verschiedene Sammlungen hervorgegangen, welche ebenfalls als Rechtsquelle benutzt werden. Die erste dieser Sammlungen führt den Namen Perlen (Düvar) u. enthält Rechtssprüche u. Auslegungen bis zum Jahr 1470; die zweite führt den Namen Mülteka ül buhur (Verbindung der Meere) u. rührt von dem gelehrten Scheich Ibrahim Halebi (gest. 1549) her. Ursprünglich in Arabischer Sprache verfaßt, wurde die letztere Sammlung erst später in das Türkische übersetzt u. im Jahr 1824 revidirt. Sie bildet vorzugsweise die Grundlage für die bürgerlichen Rechtsverhältnisse u. das Civil- u. Criminalverfahren. Daneben haben auch noch die Provinzialgewohnheiten (Adets) große Bedeutung. Die neueren Verordnungen der Hohen Pforte führen verschiedene Namen. Organische Gesetze, welche der Sultan als Beherrscher der Gläubigen mit religiöser Sanction erläßt, werden Hatti-Scherif (erlauchte Schrift), Hatti-Humaium (hohe Schrift) od. einfach Hat (Schrift im eminenten Sinne) genannt; Befehle, welche der Sultan nur als politischer Herrscher erläßt, heißen Iradé; Verordnungen, welche sich auf Verwaltungsangelegenheiten beziehen, Fermans; diplomatische Conventionen Seneds; Verordnungen, welche die Ausführung eines Hatti-Scherif betreffen, Tansimat. Besonders bemerkenswerth sind unter den neueren Reformgesetzen des Sultans Abdul Medschid ein neues Strafgesetzbuch vom Jahr 1840, ein Handelsgesetzbuch von 1850, der Hatti-Scherif von Gülhane vom 2. Nov. 1839, der kaiserliche Hat vom 7. Sept. 1854 u. der Hatti-Humaium vom 18. Febr. 1856 (vgl. Petermann, Beiträge zur Geschichte der neuen Reformen des T. R-s, Berl. 1843). Durch den Hatti-Scherif von Gülhane geschah der große Schritt, um die bis dahin noch nicht bestandene Rechtsgleichheit der Rajahs mit den Bekennern des Islams anzubahnen. Nach dem eigentlichen moslemitischen Gesetz ist der Ungläubige rechtsunfähig, seine Rechtsfähigkeit hängt, wenn ihm das Leben geschenkt u. er nicht zum Sklaven gemacht wird, lediglich von der Gnade des Siegers ab, sein bisheriges Grundeigenthum geht auf den Staat über, wird ihm der Besitz gelassen, so ist derselbe lediglich ein widerruflicher, von welchem der Rajah Steuern u. Zehnten zu entrichten hat, deren Auferlegung früher meist nur von der Laune des Paschas abhing. Der Hatti-Scherif von Gülhane sicherte dagegen auch den Rajahs volle Gewähr sowohl ihres Lebens, als ihrer Ehre u. ihres Eigenthums zu; er versprach die Einführung einer regelmäßigen Art der Besteuerung u. ebenso die Einführung gleicher Grundsätze über die Aushebung zum Militär u. über die Dauer des Kriegsdienstes; auch sollten die unschuldigen Erben eines Verbrechers nicht ihrer gesetzlichen Rechte beraubt u. die Güter des Verbrechers nicht confiscirt werden. Diese Grundsätze wurden hierauf auch durch mehre Fermans (Tansimat, s.d.) näher geregelt u. in Ausführung gesetzt. Die wirkliche Befolgung der hiermit gegebenen Vorschriften wurde jedoch von den wenigsten Paschas eingehalten. Um dem Tansimat eine strengere Anwendung zu sichern u. den Grundsätzen des Hatti-Scherif eine weitere Entwickelung zu geben, erfolgte die Verkündigung des kaiserlichen Hat vom 7. Sept. 1854, welcher die volle Anwendung des Gesetzes bei den Gerichten, die Gerechtigkeit in allen Angelegenheiten, Ordnung[10] der Finanzen u. Verbesserung des Looses aller Klassen der Unterthanen als die Aufgabe der Regierung proclamirte. Noch größere Versprechungen enthält der Hat-Humaium vom 18. Febr. 1856. Derselbe verkündigte in 21 Punkten zunächst nochmals die Aufrechterhaltung des Hatti-Scherifs von Gülhane u. der Tansimatgesetze, neue Gewährleistung der der Griechischen u. Armenischen Kirche von Alters her zuständigen Vorrechte, Entbindung der Patriarchate u. Synoden von aller weltlicher u. gerichtlicher Gewalt u. Einrichtung einer besonderen Verwaltungsbehörde für die griechischen u. armenischen Rajahs, Gleichstellung der verschiedenen Culte u. allgemeine Erlaubnißertheilung zur Erbauung christlicher Kirchen, Verzicht auf Verfolgung wegen Glaubenswechsels, Zulassung der Christen zu allen Staatsämtern, Errichtung allgemeiner Volksschulen, Einführung weltlicher Gerichtsbarkeit für die Rajahs u. Bildung von aus Rajahs u. Muhammedanern zusammengesetzten Gerichtshöfen bei Streitigkeiten zwischen Gläubigen u. Ungläubigen, Codification aller Civil- u. Criminalgesetze mit Übersetzungen in allen Reichssprachen, Reform der Gefängnisse u. der Polizei, Zulassung der Christen zu allen militärischen Graden, Umgestaltung der Provinzialbehörden, Fähigkeit der Franken zum Erwerb von Grundbesitz, Einführung directer Besteuerung, Verbesserung der Straßen u. Kanäle, Einführung eines Voranschlags für den Staatshaushalt, Vertretung der Christen im Staatsrats Errichtung von Creditinstituten u. Reform der Münzeinrichtungen. Von allen diesen Reformen sind jedoch bei weitem die meisten auch jetzt noch nur auf dem Papiere zu finden. Ein Haupthemmniß jeder freieren Entwicklung bildet der schlechte Zustand der in moslemitischen Glaubenssätzen befangenen Rechtspflege. Der oberste Gerichtshof ist der Arzodassi, welcher in zwei Abtheilungen (Sudurs), die eine für Rumelien od. Europa (Sadri-Rumili od. Rumili-Kazi-Askeri), die andere für Anatolien od. Asien (Sadri-Anatoli od. Anatoli-Kazi-Askeri), jede mit einem Kazi Asker als Vorsitzender an der Spitze u. zehn Beisitzern zerfällt. Unter der Sanction des Scheich-ül-Islam besetzen beide Sudurs alle Richterstellen in ihren bezüglichen Departements. Eine Art Mittelinstanz bilden die 21 Mevleviets der unmittelbaren Länder, an deren Spitze je ein Mollah steht. Die Gerichte erster Instanz sind die Kazas (Gazas), deren es 120 gibt. Jedes dieser Gerichte besteht aus einem Richter (Mollah od. Kadi), einem Staatsanwalt (Mufti), einem Hülfsrichter (Naïb), einem Gerichtsvollzieher (Ayak Naïb) u. einem Schreiber (Basch Kiatib). Außerdem bestehen noch Orts- u. Friedensgerichte; die Christen wenden sich zur Entscheidung ihrer Rechtsstreitigkeiten oft an die Bischöfe, die Juden an den Rabbiner. Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Einheimischen u. Fremden gibt es gemischte Handelsgerichte u. Polizeistrafbehörden, für Streitigkeiten, bei denen blos Fremde betheiligt sind, die Consulatsgerichte der betreffenden Nationen. Die Gerichtssitzungen der türkischen Richter (Meskemes) geschehen ohne Beisitzer, nur der Schreiber protokollirt zu Füßen des Diwans, auf welchem der Richter sitzt; beim Zeugenverhör wird der Rajah als Zeuge gegen den Moslem nicht angenommen. Die Entscheidung wird meist sehr summarisch ertheilt. Die Schuldgesetze sind sehr streng; der siegende Gläubiger erhält entweder sogleich Befriedigung od. der Schuldner wandert in das Gefängniß, wenn er nicht einen Bürgen zu stellen vermag. Das Hypothekenrecht ist durchaus unausgebildet. Testamente werden meist mündlich vor Zeugen errichtet. Bei Erbschaften erhält meist der Jüngste das Haus. Unter den Criminalstrafen spielt die Todesstrafe eine sehr bedeutende Rolle; sie wird bald durch Kopfabschneiden mit dem Jattagan, bald durch Hängen, auch durch Ertränken vollzogen. Sonstige Strafen sind die Bastonade, bei welcher der Verbrecher Stockprügel auf die durch ein Bret gesteckten Fußsohlen empfängt, gewöhnliche Stockprügel u. Gefängniß. Die Folter besteht noch in großer Ausdehnung. Vgl. J. von Hammer, Staatsverfassung u. Verwaltung des Osmanischen Reichs, Wien 1815, 2 Thle.; A. von Bassé, Das Türkische Reich, Lpz. 1854; von Reden, Die Türkei u. Griechenland in ihrer Entwickelungsfähigkeit, Frankf. a. M. 1856.
Landesreligion ist der Islam (s.d.), nach der Secte der Sunniten. Oberstes Haupt des Islam ist der Großherr; das heilige Buch ist der Koran (s.d.); die Gelehrten, welche dasselbe erklären u. deuten, sind die Ulema's; an deren Spitze steht der Scheich-ül-Islam od. Großmufti, welcher in sich nächst dem Sultan die oberste Gewalt der Gesetzgebung u. das höchste kirchliche Amt vereinigt; er umgürtet bei der Thronbesteigung den Sultan mit dem Säbel Osmans u. seine Gutachten (Fetwa) sind von höchster Bedeutung. Der Ulema, gewöhnlich aus den niederen Klassen recrutirt, tritt, wenn er 10 od. 12 Jahre alt die Schule verläßt, als Novize in eine der mit den großen Moscheen verbundenen Medressés (die Seminarien des Islam), in welcher er als Softa 10–15 Jahre verbringt u. Unterricht in der Grammatik u. Arabischen Syntax, in der Logik, Moral, Rhetorik, Philosophie, Theologie, Rechtsgelehrsamkeit, im Koran u. in der Sunna erhält. Hinlänglich vorbereitet wird der Softa durch den Großmufti zum Wulazim ernannt, als welcher er Richter (Kadi) werden kann. Wenn er aber zu den höheren Würden des Gesetzes gelangen will, muß er von Neuem 7 Jahre auf das Studium des Rechtes, der Dogmatik u. mündlichen Auslegung etc. verwenden. Hierauf wird er vom Mufti zum Müderris ernannt. Die Gotteshäuser der Muhammedaner werden gewöhnlich Moscheen genannt; die größeren heißen Dschami, die kleineren Medschid. Die Geistlichkeit ist in fünf Klassen getheilt: die Scheichs, d.h. Älteste, sind die Hauptprediger in den Moscheen; die Khatib sind die Vorbeter des Khutbé (des öffentlichen Gebetes für den Sultan); die Imams besorgen den gewöhnlichen Dienst in den Moscheen u. die Trauungs- u. Begräbnißfeierlichkeiten; die Muëzzin verkünden von den Minarets die Stunden des Gebetes; die Kaïms sind die Wächter u. Diener der Moscheen. Die beiden letzten Klassen gehören nicht zu den Ulema's. Neben der Weltgeistlichkeit gibt es auch eine Ordensgeistlichkeit, die Derwische, eine Art Mönche. Die Geistlichkeit trägt hellgrüne Turbans, die Derwische hohe spitze Mützen von grauem Filz u. weite Röcke. Geduldet werden außerdem alle Anbeter nur Eines Gottes, die Götzendiener aber gebietet der Koran zu vernichten. Es besteht daher im T-n R. der griechische, katholische, armenische Cultus, so wie die Mosaische Religion; der Protestanten gibt es wenig. Alle die Andersgläubigen (Rajahs, s. oben) waren sonst in einem vollkommen rechtslosen Zustande; in neuerer Zeit sind mehre Gesetze[11] zu ihren Gunsten erlassen (s. oben S. 9), ohne daß jedoch hierdurch Ausbrüche der Volkswuth gegen sie in einzelnen Provinzen ihr Ende gefunden hätten. Die Griechisch-orthodoxe Kirche zählt noch, wie zu alten Zeiten, ihre Patriarchen von Constantinopel, Antiochia, Jerusalem u. Alexandria; die drei letzteren haben aber wenig Bedeutung. Der Patriarch von Constantinopel ist der ökumenische, das Haupt der Morgenländischen Kirche; er präsidirt der Heiligen Synode, welche aus den drei übrigen Patriarchen, zwölf Metropoliten u. Bischöfen u. zwölf angesehenen Laien besteht, u. hat die Große Schule der Nation unter sich. Unwissenheit der Geistlichen u. der Verkauf der geistlichen Stellen sind ganz gewöhnlich. Die Römisch-Katholische Kirche besteht theils aus Lateinischen Christen, theils aus Unirten Armeniern, Griechen etc. u. zählt 28 Patriarchen u. Bischöfe, von denen fünf auf die Europäische Türkei kommen. Die Armenier haben vier Patriarchen an der Spitze ihrer Glaubensgemeinschaft, in Constantinopel, Sis, Aktamar u. Jerusalem. Jede von der Pforte anerkannte Religionsgesellschaft (Millet) ist der Regierung gegenüber durch ihren Chef vertreten, die Juden durch ihren Großrabbiner in Constantinopel. Von einer geistigen Cultur der Muhammedaner, im Sinne der christlichen, kann keine Rede sein. Der öffentliche Unterricht ist im Jahr 1847 neu organisirt worden u. man hat die Lehrerstellen in drei Kategorien gebracht. In Elementarschulen wird Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion, Erdbeschreibung u. Geschichte des Osmanenreichs, sowie Türkische Sprache gelehrt; die Eltern müssen die Kinder in die Schulen schicken; der Unterricht ist unentgeldlich; wenn die Schule sich nicht aus eigenem Vermögen zu erhalten vermag, hilft die Regierung nach. In Mittelschulen wird Religionsgeschichte, Mathematik etc. gelehrt; auch hier ist der Unterricht frei u. die Anstalten werden von der Regierung unterhalten. Die höchsten Anstalten sind die Specialschulen, wie die beiden Schulen in den Moscheen der Sultane Achmed u. Selim für zum Civildienste bestimmte junge Leute, die 1850 gegründete Schule der Sultanin Mutter für den Unterricht in den höheren Zweigen der Staatsverwaltung u. Diplomatie, die Medresses für die Ulema's, die von Mahmud gegründete Medicinische Schule von Galata Seraï, die Kriegsschule, die Genie- u. Artillerieschule, die Marineschule, die Veterinärschule u.a. Die Christen haben ihr eigenes Schulwesen, welches jedoch häufig genug in sehr vernachlässigtem Zustande ist; in Bosnien u. der Herzegowina kommt beispielsweise auf 100 Dörfer kaum eine Schule. Der höhere Unterricht der Griechen steht unmittelbar unter dem Patriarchat u. wird durch die sogenannte Große Schule der Nation in Constantinopel bewirkt. Auch die Juden haben ihre eigenen Lehranstalten, doch in sehr armseliger Verfassung. Öffentliche Bibliotheken findet man in namhafter Anzahl, in Constantinopel allein etwa 40, aber der Zutritt ist durch die Statuten den Nichtmuhammedanern sehr erschwert. Seit 1851 besteht in Constantinopel auch eine Akademie der Wissenschaften u. seit 1853 eine Société orientale zu Durchforschung des Orients in culturhistorischer, naturwissenschaftlicher u. artistischer Beziehung. Die periodische Presse ist verhältnißmäßig schwach vertreten. Im Jahr 1853 gab es 34 periodische Blätter, von denen in Constantinopel 13, in Smyrna 6, in Kairo 2, in Alexandrien 1, in Serbien 8, in den Donaufürstenthümern 4 erschienen, davon waren in türkischer Sprache 4, in arabischer 1, in griechischer 3, in armenischer 2, in französischer 10, in italienischer 3, in bulgarischer 2, in serbischer 4, in walachischer 2, in deutscher Sprache 2 Blätter geschrieben. Die periodische Presse ist der Censur unterworfen. Die Zahl der Buch- u. Steindruckereien hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Über die wissenschaftliche Bildung s. Türkische Literatur.
Was die Finanzverwaltung betrifft, so sind die Nachrichten darüber, obwohl seit 1856 ein förmlicher Etat ausgestellt wird, noch sehr unregelmäßig. Jedes Ejalet hat einen Generaleinnehmer (Defterdar), jede Liwa einen Untereinnehmer (Mal Müderi), welcher in seinen Befugnissen auch die Überwachung gewisser besonderer Einnahmen, wie von Zöllen, Posten, Brückengeldern, Salinen, Fischereien etc. hat. Jährlich werden die Rechnungsgeschäftsbücher dem Finanzministerium zur Controle übersendet. Nach dem neuesten Etat von 1863–64 sollen die Gesammteinnahmen 12,042,160 Pfd. Sterl., die Ausgaben 11,876,000 (davon etwa 31/2 Mill. für die öffentliche Schuld) Pfd. Sterl. betragen, so daß sich ein Überschuß von 166,160 Pfd. Sterl. (à 125 Piaster) ergeben würde, während bisher noch immer sich alljährlich ein starkes Deficit gezeigt hat. Nach dem im April 1862 dem englischen Parlament vorgelegten Etat für das Finanzjahr 1859/60 betrugen die Einnahmen: Einkommensteuer 2,224,320, Loskauf vom Militär 476,873, Zehnten 2,844,515, Abgabe von Schafen, Schweinen u. Fischereien 866,851, Zölle 1,385,438, Tabaksteuer 205,822, Stempel u. Accise 62,436, Gewerbeconcessionen 813,258, Post 50,142, Salzminen 85,237, Tribute 374,296, Arsenaleinkünfte 118,719, Verschiedenes 203,701, zusammen 9,711,608 Pfd. Sterl. Die Ausgaben dagegen: Staatsschuld 1,577,823, Pilgerfahrt nach den heiligen Orten 384,252, Wohlthätigkeitsanstalten u. Pensionen 215,304, Einziehung entwertheter Münzen 261,336, Armee u. Marine 4,337,551, Civilliste 1,253,878, Auswärtiges 205,412, Handel u. öffentliche Arbeiten 77,940, Justiz 85,244, Inneres 1,524,333, Öffentlicher Unterricht 22,419, Polizei 110,373, Finanzverwaltung 1,022,348, Verschiedenes 10,370, zusammen 11,088,583 Pfd. Sterl., so daß sich ein Deficit von 1,376,975 Pfd. Sterl. ergab. Die Staatsschuld besteht in einer inneren u. einer äußeren. Die innere Schuld bestand 1861 aus: 6 Proc. consolidirte Schuld (Essams Djeddidés) 250 Mill. Piaster, 6 Proc. Schatzscheine (Hasné-Jahvili) 280 Mill. Piaster, 6 Proc. Schatzobligationen (Sherghis) 430 Mill. Piaster, Renten (Essams Mamtuzés) 75 Mill., Schuld von Galata 634 Mill., Papiergeld (Kaïméhs) 70,341,000, schwebende Schuld 550 Mill., zusammen 2,289,341,000 Piaster od. 18,312,000 Pfd. Sterl. (ungefähr 120 Mill. Thlr.); die äußere Schuld beträgt: Anleihe von 1854 zu 6 Proc. 3 Mill. Pfd. Sterl., Anleihe von 1855 zu 4 Proc. 5 Mill., Anleihe von 1856 zu 6 Proc. 5 Mill., französische Anleihe von 1860 zu 6 Proc. 2,037,220, Anleihe von 1862 in London zu 6 Proc. 8 Mill., zusammen die äußere Schuld (nach Abrechnung 1/2 Mill., welche bereits getilgt ist) 22,537,220 Pfd. Sterl. Die gesammte Staatsschuld betrug 1861, mithin beinahe 41 Mill. Pfund Sterling (ungefähr 280 Mill. Thlr.). Das Papiergeld (Kaïméh) wurde im Jahr 1856 auf 300 Mill. Piaster geschätzt,[12] ist aber seitdem allmälig eingezogen worden u. soll gegenwärtig ganz getilgt sein. Eine geordnete Finanzverwaltung würde die türkischen Staatsfinanzen mit zu den blühendsten in der Welt machen können, denn die Türkei besitzt überreiche Hülfsquellen in seinem so fruchtbaren Boden, in den unausgemessenen Waldungen u. in den kaum gekannten Bergwerken. Doch haben Verschleuderung der Gelder u. die verkehrtesten Besteuerungsverhältnisse das Reich dem Staatsbankerott nahe geführt. Die hauptsächlichsten Steuern sind: die (meist verpachteten) Zehnten, von Getreide, Obst, Schafen, Ziegen, Schweinen u. Bienenkörben erhoben, u. zwar in Rohprodukten. Die Einkommensteuer; sie ist sehr drückend, indem Getreide, Obst, Vieh etc. mit dem Zehnten eine doppelte Steuer, u. wenn dergleichen Gegenstände nach dem Auslande od. von u. nach Rumelien od. Kleinasien gebracht werden, sogar noch eine dritte Besteuerung tragen müssen; Seidenwaaren u. Tabak haben selbst noch eine vierte u. fünfte Steuer zu zahlen. Die Kopfsteuer (Kharadsch) wurde früher von den Rajahs für die Befreiung von Kriegsdiensten erhoben, allein seit 1856 sollen diese auch zum Kriegsdienste herangezogen werden, die nicht Eingestellten aber eine Militärsteuer zahlen; die Gewerbesteuer auf Boden u. Magazine wird nach dem Umfang der darin betriebenen Geschäfte mit monatlich 10–60 Piastern erhoben; die Stempelsteuer wird für alle an öffentliche Behörden gerichtete Eingaben für Eigenthumstitel etc. geleistet; die Accise wird von allen Lebensmitteln erhoben, welche vom Lande durch die Thore einer Stadt nach Thorschluß gebracht werden. Die Salinen u. Fischereien sind verpachtet. Zölle werden 5 Proc. von der Einfuhr, 12 Proc. von der Ausfuhr erhoben; die bedeutendsten Zollämter sind Varna, Constantinopel, Salonich, Janina, Skutari, Smyrna u. Beirut. In früherer Zeit waren Vermögensconfiscationen sehr häufig, seit dem Hatti-Scherif von Gülhane (1839) sollen sie jedoch nicht mehr vorkommen.
Die türkische Kriegs macht steht unter dem Oberbefehl des Sultans. Die Centralleitung der militärischen Angelegenheiten der Landarmee wird durch den Seraskier (Kriegsminister) u. das Seraskierat (Kriegsministerium) ausgeübt. Für das Artilleriewesen, die Festungen u. die Militärfabriken bestehen eigene Commissionen. Das Seraskierat hat seinen Sitz zu Constantinopel; es ist zusammengesetzt aus dem Seraskier, vier Feriks, fünf Liwas, dem Molla (oberstem Militärrichter), fünf höheren u. einer Anzahl niederer Offiziere u. Beamten. Die gegenwärtige Organisation der Armee wurde nach europäischem Muster von Mahmud II. begonnen, doch erst dessen Nachfolger Abdul-Medschid vermochte von 1843 an mit der Neubildung der Armee wesentlich vorwärts zu kommen, u. noch gegenwärtig sind die Formationen nicht ganz beendet, obgleich auch der jetzige Sultan Abdul-Aziz das Reformwerk mit größter Energie fortsetzt. In der Armee bestehen folgende Chargen: Serdar (Generalissimus, nur in besonderen Fällen), Muschir (Marschall), Ferik (Divisionsgeneral), Liwa-Pascha (Generalmajor), Miri-Alaj (Oberst), Kaimakam (Oberstlieutenant), Alai-Emini (Verwaltungsmajor), Bim-Baschi (Bataillonscommandeur), Kolassé (Adjutantmajor), Juz-Baschi (Compagniechef), Mulazimi-Zani (Oberlieutenant), Mulazimi-Evvel (Uterlieutenant). Die Armee besteht aus dem Nizam (Linie), Redif (Landwehr), Hijadé (Reserve) u. den irregulären Aufgeboten. Der Nizam besteht aus sechs Ordu (Armeecorps) u. einigen in diese Armeecorps nicht eingetheilten Truppen. Die erste Ordu (Gardecorps) u. die zweite haben ihren Stab zu Constantinopel, die dritte zu Monastir, die vierte zu Kerberut, die fünfte zu Damaskus, die sechste zu Bagdad. Jede Ordu wird befehligt von einem Muschir; dessen Stab besorgt die Verwaltung u. die Generalstabsgeschäfte u. zählt einen Ferik, einen Liwa, drei Miri-Alajs od. Kaimakams u. zwei Ulemas (Gesetzkundige). Ein besonderes Corps des Generalstabes existirt nicht im türkischen Heere. Jede Ordu soll an Truppen enthalten sechs Regimenter Infanterie, vier Regimenter Cavallerie u. ein Artillerieregiment. Je zwei Infanterie- od. Cavallerieregimenter bilden eine Brigade, je zwei Brigaden eine Division. Die Zusammensetzung der Armeekörper ist aber von dieser reglementaren Formation meist sehr abweichend. Die Organisation der Ordu befindet sich in sehr verschiedenen Stadien. Bei den zwei ersten Armeecorps, welche als Elite betrachtet werden, ist dieselbe vollständig durchgeführt, der Sollstand der Truppen ist sogar überschritten; von dieser Überzahl werden zeitweise Chargen u. Leute an die in der Formation zurückgebliebenen Corps abgegeben. Die dritte Ordu hat seit 1859 ihre Formation vollendet. Bei der vierten u. fünften Ordu kann man höchstens die Infanterie dem Plane gemäß formirt annehmen; die Cavallerieregimenter sind zwar auch formirt, aber weit unter dem Stand u. auch in der Ausbildung zurück; die Artillerieregimenter haben ihre Batterien noch nicht ausreichend bemannt u. sind sehr unvollkommen ausgerüstet. Bei der sechsten Ordu befinden sich auch die Infanterieregimenter noch weit unter der Sollstärke, die Cavallerie besteht nur aus schwachen irregulären Haufen u. die Artillerie hat nur vier schlecht ausgerüstete Batterien. Jedes Infanterieregiment hat vier Bataillone (Tabor) zu acht Compagnien; jedes vierte Bataillon ist ein Jäger- od. Zuaven- (Dschidschanedi-) Bataillon. Jede Compagnie zählt 100 Streitbare, jedes Bataillon hat als Sollstärke 27 Offiziere u. 784 Mann, jedes Regiment 118 Offiziere u. 3191 Mann. Die Zuavenbataillone sind ganz neu errichtet u. ihre Formation ist noch nicht vollendet. Jedes Regiment hat zwei Fahnen, eine grüne, die Prophetenfahne, welche nur bei Feierlichkeiten gebraucht wird, u. eine rothe, welche mit ins Feld genommen wird. Die gesammte Cavallerie ist leichte Reiterei. Jedes Regiment hat sechs Escadronen, die erste u. letzte mit Säbeln, die vier Mittelescadronen mit Lanzen bewaffnet; eine Escadron soll zwei Hauptleute, zwei Lieutenants u. 149 Mann zählen, ein Regiment 933 Mann mit 871 Pferden. Fahnen od. Standarten hat die Cavallerie nicht. Die Artillerieregimenter unterstehen in technischer u. administrativer Beziehung dem Artillerieinspector, in den übrigen dienstlichen Angelegenheiten dem Muschir. Der Regimentskommandeur (Topschi-Pascha) hat den Rang eines Brigadegenerals. Das Regiment zählt 1638 Köpfe u. 12 Batterien (einschließlich einer Gebirgsbatterie) in fünf Abtheilungen; jede Batterie hat sechs Geschütze (Acht- od. Zwölfpfünder); bespannt sind die Geschütze mit sechs od. acht Pferden, die Gebirgsgeschütze werden jedes durch drei Tragthiere fortgeschafft. Das Artilleriematerial ist im Allgemeinen gut u. die Feldartillerie ist die am besten[13] geschulte Waffe im türkischen Heere. Man ist darüber die gezogenen Geschütze einzuführen u. hat solche sowohl im Anstände bestellt, als auch im Artilleriearsenal anfertigen lassen. Außer diesen sechs Ordu gehören noch zum Nizam: die zwei Artilleriebrigaden des Bosporus u. der Dardanellen; jede Brigade besteht aus zwei Regimentern, jedes Regiment ist in zwei Bataillons zu drei Compagnien gegliedert; jedes Regiment besetzt die Werke an einem Ufer der Meerengen u. zählt 900 Mann; in den Batterien jeder Meerenge befinden sich 400 bis 500 schwere Geschütze; Bombenkanonen sind davon sehr wenige, gezogene Kanonen sind noch gar nicht vorhanden, dagegen gibt es Kammergeschütze (Kamerlins), welche ungeheure Steinkugeln schießen; das Geniecorps, zwei Bataillone (jedes hat eine Mineur-, zwei Sappeur u. eine Pontoniercompagnie; die letztere hat zwei Biragosche Brückenequipagen) in der Stärke der Infanteriebataillone; die selbständige Brigade auf der Insel Kreta, 4000 Mann; die Gendarmerie, noch in der Bildung begriffen, zählt gegenwärtig erst 4000 Mann, soll aber noch bedeutend verstärkt werden, so daß jedes Ejalet ein selbständiges Corps erhalten kann; vom Artilleriehandwerkerregiment zu drei Bataillonen, jedes etwa 600 Mann, sind die beiden ersten Bataillone im Artilleriearsenal zu Tophana, das dritte in den Gewehrfabriken zu Dolmabaghdsche zu Zeitum-Burnu verwendet; die bestehenden zwei Arbeitercompagnien sind in der Lederfabrik zu Beykos verwendet zur Herstellung des für die Armee nothwendigen Riemzeuges. Der Redif (Landwehr) soll Truppen aller Waffen in derselben Anzahl, Stärke u. Formation erhalten, wie der Nizam. Im Frieden sind nur die Cadres aufgestellt, die übrige Mannschaft ist beurlaubt u. wird in jeder Ordu von einem Brigadegeneral beaufsichtigt; zur Ergänzung der Regimenter sind dem Redif stets dieselben Bezirke angewiesen wie dem Nizam. Bestimmungsmäßig soll die Redifmannschaft alljährlich einen Monat zu Waffenübungen einberufen werden, man hat aber von diesem Gesetz noch keine Anwendung gemacht. Die Organisirung des Redif ist bei den beiden ersten Ordu völlig durchgeführt, beim 3. u. 4. Corps noch unvollständig u. beim 5. u. 6. noch nicht begonnen. Die Hijadé (Armeeserve) wird aus den vom Redif entlassenen Mannschaften gebildet, von den Behörden des Redif geleitet u. soll lediglich im Kriege zur Completirung der Armee angewendet werden. Die irregulären Truppen sind der Zahl u. dem Werthe nach von den politischen Verhältnissen der einzelnen Theile des Reichs abhängig u. entziehen sich daher jeder genauern Schätzung. Sie bestehen aus Baschi-Bozuks, den Freiwilligen, den Miriditen u. den Jerli-Toptschis. Die Baschi-Bozuks (d.h. Tollköpfe) sind zumeist schlecht bewaffnete Infanteriehorden; vor Ausbruch eines Krieges, bei innern Unruhen etc. erhalten die Gouverneure der Ejalete den Auftrag eine bestimmte Anzahl Mannschaft anzuwerden; die Gouverneure übergeben sodann die Werbung in der Regel an Stammhäuptlinge od. andere Unternehmer, welche die billigsten Forderungen stellen; von den Werbegeldern erhalten jedoch die Geworbenen den kleinsten Theil, das Meiste behalten Gouverneur u. Unternehmer. Die so geworbenen, undisciplinirten Horden werden gewöhnlich als Vor- u. Sicherheitstruppen, sowie zu den kleinen Diensten des Heeres verwendet, leben hauptsächlich von Plünderung u. Erpressung, da ihnen gewöhnlich kein Sold, nur Brod gewährt wird, sind theils mehr eine Geisel für das eigene Land als ein Schrecken für den Feind u. leiden meist sehr durch Desertionen. Im Kriege von 1853 sollen die Baschi-Bozuks 30,000 Köpfe gezählt haben. Die muselmännischen Freiwilligen, meist Reiterabtheilungen, werden bald Spahis, bald Beduinen etc. genannt; das Hauptcontingent dieser Freiwilligen stellen die arabischen Stamme. Die Leute formiren größere od. kleinere Trupps unter Anführung ihrer Beys (Stammhäupter), welche eine unumschränkte Gewalt ausüben u. meist strenge Disciplin aufrecht erhalten; daher sind diese Reiterschaaren gewöhnlich recht brauchbar. Das Erscheinen dieser Freiwilligen hängt lediglich von dem guten Willen der Beys ab, welche daher durch Versprechungen od. Geschenke gewonnen werden müssen. Im letzten Russisch-Türkischen Kriege gab es etwa 10,000 solcher Freiwilligen. Bei großen politischen Gefahren des Reiches wird die Fahne des Propheten aufgepflanzt u. die Gläubigen werden zur Vertheidigung des Islam aufgeboten; in solchem Falle läßt sich erwarten, daß die moslemitische Bevölkerung sich massenhaft erheben u. die Mängel der Übung u. Formation durch Fanatismus ersetzend, doch Entscheidendes zu leisten vermag. Die Miriditen sind die katholischen Albanien u. bilden unter ihren Häuptlingen kleine Infanterietrupps, zusammen etwa 1500 geübte Schützen, welche sich stets, bes. aber 1853 bei Oltenitza, vor allen Irregulären ausgezeichnet haben. Die Jerli-Toptschis sind eine Art Nationalgarde in den festen Plätzen, hauptsächlich zum Artilleriedienst in denselben bestimmt u. von Jugend auf dafür eingeübt; der hartnäckige Widerstand, welchen türkische Festungen gewöhnlich leisten, ist zum Theile ihnen zuzuschreiben, da sie mit dem Platze zugleich ihre Habe u. ihre Familien vertheidigen. Die Armeeverwaltung: Ergänzt wird das Heer durch Conscription, bei welcher das Loos dann entscheidet. Die Stellungspflichtigkeit beginnt mit dem vollendeten 20. Lebensjahre u. erstreckt sich gesetzlich auf die gesammte Bevölkerung, in Wirklichkeit aber fast ausschließlich auf Muhammedaner. Jeder Gestellte kann sich mit der Summe von 5000 Piastern loskaufen. Die Dienstzeit beträgt 5 Jahre im Nizam, dann 7 Jahre im Redif u. hierauf 5 Jahre in der Hijadé. Zum Redif gehört die Mannschaft, welche im Nizam die Dienstzeit vollbracht hat, u. alle jene Stellungspflichtigen, welche für diensttauglich befunden, sich aber durch das Loos vom Eintritt in den Nizam befreit hatten. In die Hijadé wird nur die Mannschaft eingetheilt, welche aus dem Redif entlassen ist. Die Christen entziehen sich der Aushebung meist durch Zahlung eines Kopfsteuerzuschlages (60–250 Piaster). Die Aushebungscommissionen, aus Offizieren, Ulemas u. Ärzten zusammengesetzt, nehmen in jedem Frühjahr die Recrutirung vor; doch die schlechte Beamtenwirthschaft, sowie Abneigung der Bevölkerung gegen den Dienst im Heere, sind Hindernisse, welche das Aushebungsgeschäft sehr in die Länge ziehen; es zeigt sich hie u. da selbst thätlicher Widerstand gegen die Recrutirung, so daß die Behörden dann förmliche Menschenraubzüge zur Erlangung der nöthigen Anzahl Recruten anwenden. Die Last der Heeresergänzung tragen fast ausschließlich die ärmeren Klassen der Moslims; sie ist für dieselbe um so[14] drückender, als die vorherrschend von Muhammedanern bewohnten Gegenden relativ geringer bevölkert sind. Das Militärbildungswesen steht im Allgemeinen noch auf niedriger Stufe. Von Truppenschulen gibt es nur Batterie- od. Compagnieschulen bei der Artillerie u. beim Geniecorps. In dem Hauptorte jeder Ordu befindet sich eine Vorbereitungsanstalt für die beiden Offizierschulen: die allgemeine Militärschule, seit 1830 nach der Militärschule von St. Cyr gegründet, u. die Artillerieschule für Artillerie u. Genie. Die Zöglinge dieser beiden Schulen, deren jede 100 zählt, treten als Offiziere in die Armee, meist mit bevorzugtem Avancement. Die Mehrzahl der übrigen Offiziere geht aus Unteroffizieren hervor. Die Subalternoffiziere werden von den Muschirn, bei der Artillerie u. den technischen Truppen von dem Seraskier, Generale u. Stabsoffiziere von dem Sultan ernannt. In der Regel sollen die Beförderungen nach dem Dienstalter gehen, doch herrscht darin die größte Willkür. Der Bedarf der Armee an Pferden wird durch die Truppenkörper mittelst Handeinkauf u. bei dem großen Pferdereichthum ganz im Inlande gedeckt. Die Pferde für die Artillerie werden durch Remontedepots beschafft, deren in Rumelien zwei, in Kleinasien eins sich befindet. Außer der vollständigen Bekleidung u. Bewaffnung, Unterkunft, Transportmitteln u. Spitalverpflegung erhalten die Militärs Sold u. Naturalverpflegung. An monatlichem Sold wird gewährt: einem Gemeinen (Nefer) 4,20 Francs, einem Sergeant 8,40 Frcs., dem Unterlieutenant 35 Frcs., dem Oberlieutenant 42 Frcs., dem Hauptmann 56 Frcs., dem Adjutantmajor 112 Frcs., dem Major 150, Oberstlieutenant 280, Oberst 420, dem Generalmajor 1050, dem Divisionsgeneral 1500, dem Muschir 6000 Frcs.; Rationen erhält Jeder bis einschließlich des Oberlieutenants täglich 1, der Hauptmann 2, der Brigadegeneral 32, der Muschir 128; eine solche Ration ist im Frieden 13 Loth Reis od. Gemüse, 15 Loth Fleisch, 54 Loth Brod u. außerdem eine geringe Quantität Öl, Butter, Salz u. Holz; im Kriege ist die Ration doppelt so stark. Obwohl mithin die Naturalverpflegung reich bemessen ist, sind die Truppen doch selten gut verpflegt, theils in Folge der ungeordneten Finanzverhältnisse des Staates, theils in Folge der Bestechlichkeit der Beamten u. höheren Offiziere; auch der Sold wird oft unregelmäßig ausgezahlt u. zwar desto öfter, je weiter die Truppe von der Hauptstadt entfernt ist. Im Frieden sind die Truppen in den größeren Städten des Landes in Kasernen untergebracht, welche häufig musterhaft sind. Die Kasernen haben große Höfe u. Bäder, die Zimmer sind durchgängig sehr rein gehalten, wozu die Sitte beim Eintritt die Fußbekleidung abzulegen nicht wenig beiträgt; die Mannschaft schläft auf Teppichen; die Subalternoffiziere sind ebenfalls kasernirt, u. die Offiziere einer Compagnie bewohnen in der Regel ein Zimmer. Im Felde haben die Truppen Zelte. Die Bekleidung wird durch Unternehmer in Constantinopel geliefert u. von hier aus an die Truppen versendet; dabei leiden die Truppen in den entfernteren Provinzen oft am Notwendigsten Mangel. Bekleidungsmagazine gibt es nicht, bei Erhöhung des Truppenbestandes muß Alles neu beschafft werden; nur für den Redif sind die Bekleidungen zum Theil in den Hauptorten der Bezirke vorhanden. Permanente Spitäler gibt es nur in Constantinopel u. in Schumla; in den übrigen Garnisonen werden dieselben nach Bedarf errichtet; die Leitung der Spitäler ist in der Regel europäischen Ärzten anvertraut; im Frieden ist die Krankenpflege gut, u. die Anstalten zeichnen sich durch Reinlichkeit u. Ordnung aus (das Spital der Garde in Constantinopel ist vielleicht das schönste derartige Etablissement in Europa). Dagegen ist im Kriege die Sanitätspflege ganz unzureichend. Ein geregeltes Fuhrwesen hat die Armee nicht; der Transport der Armeebedürfnisse geschieht durch requirirte Saumthiere; der Train türkischer Heeresabtheilungen ist im Felde daher zahlreich u. schwerfällig. Die Bewaffnung des Nizam ist gut; die Gewehre sind gezogen; die Säbel der Cavallerie haben Körbe; für den Redif bestehen Waffendepots, nicht aber für die irregulären Truppen. Die Feldartillerie besitzt ein gutes u. sehr reichliches Material, weniger entsprechend ist die Festungsartillerie; man arbeitet gegenwärtig daran für die Feldartillerie die gezogenen Geschütze nach dem französischen System La Hitte einzuführen. Außer den Schulen sind an Militäretablissements vorhanden: das Artilleriearsenal zu Tophana, die Eisengießerei zu Samakof für Marine- u. Festungskanonen, die Waffenfabrik in Zeitum-Burnu, die Pulverfabriken, welche hinreichend gutes Pulver liefern, die Lederfabrik in Beykos u. die Feßfabrik in Ejub. Die Rechtspflege der Militärs findet nach einem eigenen Gesetzbuche statt durch ein Gericht, welches aus Offizieren u. Mannschaften, je nach dem Grade der Inquisition, zusammengesetzt ist. Als oberstes Militärgericht fungirt eine Abtheilung des Seraskierats unter dem Vorsitze des Molla. Das Disciplinarstrafrecht steht jedem Abtheilungscommandanten zu; als Strafen werden Arrest, Degradirung, selten Stockhiebe (u. nur bei der Mannschaft) angewendet. Die Willkür, mit welcher früher die höheren Befehlshaber selbst über Offiziere Peitschenhiebe, od. wohl gar auch die Todesstrafe disciplinarisch verhängten, ist aus der Armee verschwunden. Uniform ist bei der Infanterie dunkelblauer Waffenrock mit rothen Passepoils, grauer Mantel mit Kapuze, dunkelblaue Pantalons mit rothen Streifen, Schuhe mit Ledergamaschen, Kopfbedeckung ein rother Feß mit einem Messingringe u. blauer Quaste am Scheitel; der Tornister ist aus Kalbfell, Patrontasche u. Bajonnet werden an einem schwarzen Kuppel getragen. Die Offiziere haben goldene Epauletten u. goldene Litzen am Kragen, die Stabsoffiziere auch Goldborden an den Pantalons. Die Zuavenbataillone haben arabische Kleidung: dunkelblauen Spenser u. Weste mit rothen Tressen, rothe Hose, weißen Turban u. als Waffe einen Dornstutzen mit Haubajonnet. Die Cavallerie trägt dunkelblaue Attilla mit rothen Passepoils, dunkelblaue Weste, als Fußbekleidung Halbstiefel, Feß, Pantalon u. Mantel wie die Infanterie; bewaffnet ist die Cavallerie mit Säbel u. zwei Pistolen, die Flügelescadronen außerdem mit einem Karabiner, die Mittelescadronen mit einer Lanze. Die berittenen Artilleristen sind der Cavallerie, die unberittenen der Infanterie ähnlich bekleidet. Die berittene Gensdarmerie trägt einen Stahlhelm, sonst wie die Flügelescadronen der Cavallerie; die unberittene Gensdarmerie trägt einen Kalpak (statt des Feß), sonst wie die Infanterie. Der Redif ist ganz wie der Nizam bekleidet, hat jedoch weiße Mäntel. Die wichtigsten Festungen[15] des T-n R-s sind: Tultscha, Matschin, Hirsowa u. Ismail, Rassowa, Silistria, Turtukai, Rustschuk, Nikopoli, Rahowa u. Widdin, sämmtlich an der Donau; im Balkangebirge Schumla, am Schwarzen Meere Varna, in Serbien Belgrad, Semendria u. Schabatz, in Asien Kars u. Erzerum, außerdem eine große Menge kleiner befestigter Plätze in Bosnien, der Herzegowina, Albanien etc. u. die Befestigungen am Bosporus u. an den Dardanellen. Die Reglements sind dem französischen nachgebildet. Die Disciplin in der Armee ist im Allgemeinen gut; der türkische Soldat ist nüchtern u. mäßig, sehr gehorsam, treu u. gelehrig; Excesse kommen beinahe nie vor; zwischen Offizieren u. Soldaten besteht große Vertraulichkeit. Die Gesammtstärke der Armee (einschließlich der Irregulären), nach ihrer bisher vollendeten Organisation, kann man auf etwa 205,000 Mann berechnen, darunter 35,000 Reiter mit 552 Geschützen, wozu noch die Hülfscontingente von Ägypten, Tripolis u. Tunis mit etwa 17,000 Mann (darunter 3000 Reiter) u. 32 Geschützen kommen.
Die Kriegsmarine hat in der neueren Zeit wiederholt schwere Verluste erlitten. Bei Navarin wurde sie 1827 beinahe vernichtet; die Gründung eines selbständigen Griechenlands beraubte sie des besten Theiles ihrer Bemannung; 1840 gingen durch Verrath 22 größere Fahrzeuge an Ägypten verloren u. bei Sinope wurden 1854 13 Hochbordschiffe zerstört. Immer aber ist die Flotte wieder auf einen achtunggebietenden Stand gebracht worden. Das Marineministerium steht unter dem Kapudan-Pascha (Großadmiral), welchem ein Admiralitätsrath beigegeben ist. Gegenwärtig zählt die Flotte 126 Kriegsfahrzeuge mit 2607 Geschützen. Die Dampfflotte zählt 5 Schraubenlinienschiffe, 16 Fregatten, 12 Corvetten, 5 Kanonenboote u. 42 kleine Dampfer, zusammen 80 Fahrzeuge mit 1240 Geschützen u. 17,740 Pferdekraft. Die Segelflotte zählt 6 Linienschiffe (davon 2 nur als Hafenschiffe brauchbar), 5 Fregatten, 3 Corvetten, 6 Goëletten, 14 Briggs u. 12 Avisos, zusammen 46 Fahrzeuge mit 1367 Kanonen. Die Construction der Schiffe ist sehr gut, meist sind sie in England od. auf inländischen Werften von englischen Ingenieuren erbaut; das Material ist vortrefflich: die Bauhölzer kommen aus Kleinasien, die Masten aus Bulgarien u. den Donaufürstenthümern, Segel u. Taue aus Rußland, Eisen u. Kupfer aus den Minen von Samakof u. Tokat. Das Hauptarsenal ist in Constantinopel, kleinere Arsenale u. Werfte befinden sich in Sinope, Egreli, Matalin u. Rhodus. Das Matrosencorps zählt 18,000–20,000 Mann u. wird aus den Küstenprovinzen nach denselben Grundsätzen wie die Landarmee rekrutirt; auch Christen werden für die Marine ausgehoben. Die Marineinfanterie besteht aus zwei Regimentern à zwei Bataillonen, jedes Bataillon zu acht Compagnien mit etwa 900 Mann. Die Seeoffiziere ergänzen sich theils aus den Matrosen, theils aus der Marineschule zu Constantinopel, welche 90 Zöglinge hat. Die Dienstzeit in der Marine dauert acht Jahre. Die bedeutendsten Kriegshafen sind Constantinopel, Galipoli u. Varna. Die Flagge ist roth mit weißem Halbmond, die Kauffartheiflagge roth.
Das Reichswappen (Tenghra) ist ein grüner Schild, mit einem wechselnden silbernen Mond (das Enblem, welches Muhammed II. nach der Eroberung von Constantinopel auf seine Fahnen setzen ließ). Den Schild umstiegt eine Löwenhaut, auf welcher ein Turban mit einer Reiherfeder liegt; hinter demselben sind zwei Standarten mit Roßschweifen schräg gestellt. Der Sultan führt aber in seinem Wappen seinen u. seines Vaters od. Vorfahren Namenszug mit dem Beisatze: unüberwindlicher Kaiser u. einer Blume aus sechs Blättern als Beizeichen. Die Orden im T-n R-e sind: der 1799 gestiftete Orden des halben Mondes (für Verdienste von Ausländern) in drei Klassen, wozu noch eine Medaille kommt; der Orden des Ruhms (Nifschani iftichar), 1831 gestiftet, in vier Klassen; der 1852 gestiftete Medschidiaorden mit fünf Klassen. Außerdem gibt es eine Ehrenmedaille für die Teilnehmer an der Schlacht von Abukir (für die englischen Militärs in Gold) mit der türkischen Chiffre Selim III., ferner vier silberne Kriegsmedaillen von 1856 für Silistria, Kars, die Krim u. eine allgemeine Kriegsmedaille (die letztere für Offiziere in Gold). Sonst bestehen als Auszeichnungen Ehrenkaftane u. Ehrensäbel.
Über Acker-, Gemüse-, Obst-, Wein-, Ölbau, über Viehzucht, Bergbau etc. der Türken s. oben S. 6. Die gewerbliche Thätigkeit findet im T-n R-e noch ganz nach alter Art statt. Mit Ausnahme der für den täglichen Verkehr unentbehrlichen Gewerbszweige sind die übrigen auf gewisse Orte u. gewisse Personen beschränkt. Von der Regierung gar nicht unterstützt, durch die wachsende Einfuhr fremder Fabrikate in jeder Weise gehemmt, ist die Industrie auf sehr enge Gebiete gewiesen, wenn nicht vom Untergange bedroht, wie dies mit einigen Artikeln schon wirklich der Fall ist. In früheren Zeiten bezog das Abendland eine Menge kostbarer Stoffe aus dem T-n R-e; jetzt haben die dortigen Fabriken nicht allein ihre auswärtigen Käufer verloren, sondern sie stoßen im eigenen Lande auf fremde Waaren, welche besser u. wohlfeiler als die heimischen Erzeugnisse sind. Es gibt Windmühlen, bes. am Ägäischen Meere u. auf den Inseln; Wassermühlen, gewöhnlich mit Turbinen, sind weniger vorhanden, als man bei der großen Menge von Gebirgswässern vermuthen sollte; im Innern des Landes werden meist Handmühlen angewendet, doch hat die neueste Zeit auch Dampfmühlen gebracht; so gibt es auch Säge-, Walk-, Tabaks- u. Pulvermühlen. Viele Handwerker in der Türkei, Zimmerleute od. Bauhandwerker (denn eigentliche Maurer gibt es nicht, s. oben), Tischler, Sattler, Töpfer, Buchbinder etc., stehen noch auf einer sehr niedern Stufe, da sie nur nach türkischer Weise arbeiten; selbst die Schneider u. Schuster arbeiten schlecht, die feineren Kleider liefern europäische Arbeiter, gut sind dagegen die Bäcker, Pastetenbäcker, Fleischer u. Metallarbeiter, bes. Kessel-, Blech-, Messer- u. Klingenschmiede, welche treffliche Arbeit (vgl. Damasciren) liefern. Bes. geschickt sind die Gerber, namentlich in Saffian u. Corduan. Auch Weberei von grobem Tuch u. Seide, so wie Stickerei (von Frauen gefertigt) verstehen die Türken gut, können aber mit fremden Fabriken nicht Preis halten; Shawls fertigt man in der Türkei nicht, sondern erhält die sogenannten Türkischen Shawls von Persien u. Kaschemir, die ordinären von England. Die türkischen Teppiche sind berühmt, eben so die Echtheit ihrer Farben, Posamentirerarbeiten liefern bes. die Griechen u. Juden. Die Luladgiler, Leute, welche Pfeifenköpfe[16] aus Siegelerde od. Meerschaum schneiden, sind sehr zahlreich; Branntwein destilliren die Griechen aus Zwetschen, der Liqueur kommt aber aus Europa, Rosenwasser u. Rosenöl wird bes. in Thracien bereitet, Seife wird viel verfertigt; Pottasche u. Salpeter wird bes. im Norden der Europäischen Türkei gewonnen, ebenso Seesalz an den Maremmen des Agäischen u. Schwarzen Meeres, Steinsalz in der Walachei, viel wird auch eingeführt, Holzkohlen in Macedonien u. Bosnien bereitet, Papier nur in wenigen Fabriken, in Smyrna, Constantinopel u. in Serbien, alles andere eingeführt. Die verschiedenen Handwerke (Sahanat) bilden eigene Zünfte (Esnat), von denen jede unter ihrem Usta Baschi steht, welcher die Gerichtsbarkeit übt, sie bei den Behörden vertritt u. das Mittelglied zwischen beiden ist, auch selbst zu den Ortsbehörden gehört, doch sind die Zünfte nicht so scharf geschieden wie in Europa. Für Ausländer sind die Gewerbe von Staatsabgaben frei, jedoch müssen diejenigen, welche auch von Einheimischen zunftmäßig betrieben werden, an diese Gewerke eine kleine Abgabe geben. Schlosser, Schmiede, Klempner, Tischler, Kunstdrechsler, Sattler u. Riemer, Wagenbauer, Uhrmacher, Gold- u. Bijouteriearbeiter, Lithographen etc. sind sämmtlich Ausländer. Producte der gewerblichen Thätigkeit des T-n R-s waren auch auf den Ausstellungen in London u. Paris vertreten u. neuestens war sogar eine Industrieausstellung in Constantinopel veranstaltet. Sowohl der Land- als Seehandel sind im T-n R. von größter Wichtigkeit, aber das Haupthinderniß für den ersteren sind die schlechten Verkehrsmittel, u. so entspricht denn der Umfang des Handels der Größe des Reichs keineswegs. Obwohl schon 1847 vom Sultan angeordnet worden ist, daß alle Beamte sich aufs thätigste mit Verbesserung der Communicationen u. namentlich mit Herstellung eines Systems von Straßen nach den großen Mittelpunkten des Verkehrs im Reiche beschäftigen sollen, gibt es doch noch nicht so viele Kunststraßen, wie in einem der Mittelstaaten Deutschlands, die meisten Wege sind nur Saumpfade, auf einzelnen kurzen Strecken gepflastert. Eisenbahnen hat man kurze Strecken erst in allerneuester Zeit angelegt. Von größtem Nutzen für den Binnenverkehr, welcher fast ausschließlich durch Tragthiere (in Asien namentlich Kameele) betrieben wird, sind die Messen u. Märkte, von denen die wichtigsten zu Usundschowa in Thracien (23. Sept. bis 2. Oct.), Seres, Folticzeny (Moldau), Nevrocope u. Marassia (Thracien), Scharkoi, Karusa u. Giuma (Bulgarien), Kumi u. Fersala (Thessalien). Der Handel von Mittel- u. Westeuropa mit dem T-n R. befindet sich vorzugsweise in den Händen der Ausländer, von denen die Griechen einen zahlreichen Bestandtheil ausmachen; im Levantiner u. Küstenhandel hingegen sind auch viele türkische Unterthanen, namentlich Griechen, Armenier u. Bulgaren, beschäftigt. Bankiers u. Wechsler sind fast nur Armenier u. Griechen, in deren Händen sich auch fast ausschließlich der Binnenhandel befindet. Hinsichtlich des Umfanges des Handelsverkehrs mit dem Auslande fehlen officielle Nachrichten; doch haben ihn die bedeutendsten Statistiker zu schätzen versucht u. die Einfuhr zu etwa 70 Mill., die Ausfuhr zu 60 Mill. Thalern berechnet, wobei in erster Linie England, Österreich mit Deutschland u. Frankreich, in Asien aber Persien vertreten sind. Ausgeführt werden besonders: Vieh, bes. Schweine (bis Elsaß), Schöpfe, Wolle, Ziegenhaare, rohe Seide, Baumwolle, Öl, Oliven, Reis, Tabak, Kaffee, Haute u. Felle (vom Bär, Dachs, Luchs u. Hasen), Honig, Wachs, Spanischer Pfeffer, Rosinen, getrocknete Zwetschen, Eichen-, Cedern- u. Buchsbaumholz, Färbehölzer, Galläpfel, Knoppern, gefärbtes Garn, Schildkrötenschalen, Kermes, wohlriechende Pasten u. Rosenwasser, Seife, Pottasche, Blutegel. Eingeführt werden besonders: Getreide, Metalle, bes. Eisen u. Stahldraht, Shawls, Luxusartikel aller Art, seines u. Mitteltuch, Baumwollenzeuge, Colonialwaaren, Töpfe, Porzellan u. Fayence, Glas u. Glaswaaren, Spiegel, Holz- u. Spielwaaren, Pulver, Munition, Waffen, Uhren, Bronzewaaren, Spitzen, Leinwand, Papier, Esel u. Maulesel etc. Die bedeutendsten Handelsplätze sind: Constantinopel, Adrianopel, Salonich, Galatz, Ibraila, Jassy, Bukarest u. Varna in Europa, Trapezunt, Smyrna u. Beirut in Asien, Alexandrien u. Kairo in Afrika. Die Grundlage des jetzigen handelspolitischen Systems der Pforte ist der unterm 16. Aug. 1838 (mit Zusätzen von 1841) mit England abgeschlossene Handels u. Schifffahrtsvertrag, nach welchem die Verträge mit Frankreich (1838 u. 1840), mit den Hansestädten (1839), Belgien (1839), Sardinien (1839 u. 1854), Schweden u. Norwegen (1840), Spanien (1840), Niederlande (1840), dem Deutschen Zollverein (1840 u. 1850), Dänemark, Neapel, Portugal, Rußland u. Griechenland (1855) gefolgt sind. Mit Österreich besteht ein Handelsvertrag seit 1784, mit Nordamerika seit 1830. Zur Förderung des Handels hat man auch Banken errichtet, zuerst 1848 in Constantinopel, dann in Smyrna, Jassy, Belgrad, Bukarest etc. Regelmäßige Dampfschiffverbindungen werden unterhalten durch den österreichischen Lloyd, die französische Mesagerie Imperiale, durch englische, russische u. italienische Dampfer, sowie durch die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft. Das Postwesen ist seit 1840 neu eingerichtet. Die Postverbindungen mit dem Auslande sind gut u. verhältnißmäßig wohlfeil, weil sie durch die Regierungen von Österreich u. Rußland landwärts u. durch die Lloydgesellschaft in Triest u. die französische Mesagerie Imperiale über Marseille bewirkt werden. Die Hauptpostlinien sind: von Constantinopel über Adrianopel nach Sophia, von Constantinopel nach Salonich u. von hier nach Janina u. Skutari. In Constantinopel u. Belgrad sind österreichische Postämter; s.u. Post S. 428. In Asien ist eine regelmäßige Postverbindung noch nicht hergestellt u. Briefe werden durch Boten (Tataren) gesendet. Eisenbahnen hat das T. R. erst seit allerneuester Zeit u. erst einige kurze Strecken (von Smyrna nach Aidin, von Tschernawoda nach Kustendsche u. zwischen Constantinopel u. Adrianopel), doch sind größere Strecken noch projectirt. Telegraphenlinien bestehen mehre u. zwar ist Constantinopel verbunden mit Varna (u. von hier mit der Krim), u. mit dem russischen System, ferner über Belgrad u. Bukarest mit den österreichischen Linien, mit Smyrna, Salonichi etc. Wirthshäuser: nach Art der europäischen nur in den größeren Städten, die Karawanserais u. Hans (s. b.) sollen sie ersetzen, doch findet man nichts als Wasser, die vier Mauern u. Obdach.
Münzen, Maße u. Gewichte. Gerechnet wird im ganzen Reiche nach türkischen Piastern (bei den Türken selbst Grusch) zu 40 Paras à 3 Asper[17] also zu 120 Asper, man theilt jedoch auch den Piaster in 100 Asper od. Minas; der Werth dieses Piasters ist aber in neuerer Zeit immer schlechter geworden u. während er 1764 221/2 Sgr. (3/4 Thlr. preuß.), 1822 aber noch 5 Sgr. 6 Pf. betrug, kommen jetzt 5 Piaster auf 1 Franc, also 1 Piaster = 1 Sgr. 8 Pf.; große Summen werden nach Beuteln (Keser), s.d., zu 500 türkischen Piastern bestimmt; der Beutel Gold (Kitze od. Chise) zu 30,000 türkischen Piastern, früher auch wohl zu 15,000 Zechinen, ist nur bei Geschenken gewöhnlich. Juk, Juck od. Jux soll eine Summe von 100,000 Aspern, nach älteren Angaben von 12 Beuteln bedeuten. Wirklich geprägte Münzen: a) ältere Münzen in Gold: Fonduks (Sequins od. Zechinen) zu 5, halbe zu 21/2 u. viertel zu 11/4 alten od. Goldpiaster, die 5 Piasterstücke von 1835 (581 Stück auf die Rauhe, 697,2 auf die Feine Mark, 20 Karat sein) heißen Memduhié-Roudiësi; Altüns (Zerimahbubs, Zermahbubs, auch Zindsjerli) zu 31/2 u. halbe zu 13/4 Piaster, neuere Onekilik zu 12, Onlik zu 10, Jeremilik zu 20, Kirklik zu 40 Piaster. Die gegenwärtig allein ausgeprägten Goldmünzen sind Stücke zu 100 u. 50 Piaster. b) Ältere Münzen in Silber: Piaster od. Grusch zu 40 Paras, Iselota od. Doppel-Zolota (Almichlek, Altmischlik) zu 11/2, Ikilik (Ikigrusch) zu 2, Juzlik od. Juspara zu 21/2 Piaster; kleinere Münzen: Solota (Zolota) zu 30, Jarimlik (Ighirmischlik) zu 20, Onbeschlik (1/2 Zolota) zu 15, Onlik (Onpara) zu 10, Beschlik (Beslik) zu 5 Para, Paras zu 3 Asper u. Asper (Ahdsje), welche weggeblasen werden können. Die gegenwärtig im Verkehr befindlichen Silbermünzen sind Stücke zu 20, 10, 5, 2, 1 u. 1/2 Piaster. c) Kupfermünzen gibt es zu 1, 5, 10 u. 20 Para. Alle älteren Münzen zieht die Regierung ein. Papiergeld sind die Kaïmé, welche gegenwärtig ebenfalls eingezogen werden, u. die Essam (Singuler Sehim), welche als Schatzobligationen an Lieferanten ausgegeben werden. Maße: Längenmaße: die Draá, Pik, Elle für Seidenwaaren u. Tücher ist = 3/4 englische Yard, 0,6557876 Meter od. 304 Pariser Linien, 100 solche Draàs = 102,826 preußische Ellen; die Endaseh (Hendazéh) für alle übrige Mannfacte ist = 0,6525 Meter od. 289,235 Pariser Linien, 100 Endaseh = 98,830 preußische Ellen; der Halebi od. Arschin der Feldmesser ist = 27,9 englische Zoll = 0,708647 Meter od. 314,140 Pariser Linien, 100 Halebi = 106,254 preußische Ellen; die türkische Meile, Agatsch, ist = 0,72 od. ungefähr 3/4 geographische Meile, 205/6 auf den Grad des Äquators; von einer andern Meile, Bern, sollen 75,3, nach Andern 662/3, von den türkischen Seemeilen 842/3 u. dem armenischen Farsang 25 auf den Grad des Äquators gehen. Getreidemaß: der Fortin hat 4 Kiló (Kisloz, Kilóts), der Kiló ist = 35,266 Liter, 100 Kilós = 64,165 preußische Scheffel; der Kiló Reis soll 10, der Kiló Korn 21–24 Oka wiegen; seit dem 17. Nov. 1841 ist der Kiló von Constantinopel allgemein für das ganze Reich eingeführt u. der von Smyrna, Saloniki etc. sind aufgehoben, 3 Kilós in Constantinopel = 2 Kilós in Smyrna, 4 Kilós in Constantinopel = 1 Kiló in Saloniki. Flüssigkeiten werden meist nach dem Gewicht, der Oka etc. verkauft, im Kleinhandel ist für die Oka ein entsprechendes Maß, ungefähr wie das Wiener Seidel, gewöhnlich; die Alma od. Almud für Öl hält 5,20466 Liter, sie soll 8 Oka wiegen, 100 Alma = 454,543 preußische Quart, sie wird auch für einige andere Flüssigkeiten gebraucht. Gewichte: der Kantar (Centner, Cantaro) hat 44 Oke, auch 100 Rottel (Rotoli, Pfund, blos in Rechnungen gewöhnlich); die Oka (Ocka, im Plural Oke, Ocche) hat 400 Drachmen (Derhem, Dram) u. wiegt 1278,48 Gramm od. 26,000 holländische As, 100 Oke = 273,348 preußische Pfund; der Kantar Baumwollengarn wird zu 45 Oke gerechnet. Gold-, Silber-, Juwelen- u. Medicinalgewicht: das Cheky (Tscheki, Scheki), genau 1/4 Oka, hat 100 Derhems à 16 Killo od. Kara (Karat) à 4 Grän, 1 Cheky = 319,62 Gramm od. 6650 holländische As, 100 Cheky = 136,674 preußische Mark. Andere kostbare Waaren werden nach Metikal od. Medikal zu 11/2 Drachme gewogen, der Batman persische Seide hat 6 Oke, der Teffeh Seide von Brussa hält 610 Drachmen, ein Cheky Opium ist 250 Drachmen od. 21/2 gewöhnliche Cheky, für Kameelhaar 800 Drachmen, also 8 gewöhnliche Cheky od. 2 Oke; Mazzo bedeutet 50 Stück bei zählenden Gütern.
Vgl. J. H. Stöber, Historisch-statistische Beschreibung des Osmanischen Reichs, Hamb. 1784; P. W. G, Hausleutner, Das T. R. nach seiner Geschichte, Religions- u. Staatsverfassung, Sitten etc., Stuttg. 1788; von Tott, Mémoires sur les Turcs et les Tártares, Amsterd. 1785, 3 Thle. (deutsch mit von Peysonels Verbesserungen u. Zusätzen, Nürnb. 1788–89, 2 Thle.); W. Eton, Schilderung des T-n R-s, aus dem Englischen von J. A. Bergk, Lpz. 1805; G. A. Olivier, Reise durch die Türkei, Ägypten, Syrien u. Mesopotamien, aus dem Französischen von J. A. Bergk, Lpz. 1805, 2 Thle., von Sprengel u. Ehrmann, Weim. 1802–1808, 3 Bde.; Poucqueville, Reise durch Morea u. Albanien nach Constantinopel u. mehre andere Theile des Osmanischen Reichs, aus dem Französischen von K. L. M. Müller, Lpz. 1805, 3 Bde.; Th. Thornton, Das T. R. in allen seinen Beziehungen, aus dem Englischen übersetzt von F. Herrmann, Hamb. 1808; K. A. von Gruber, Das Osmanische Reich geographisch, statistisch u. geschichtlich dargestellt, Wien 1812; J. von Hammer, Die Staatsverfassung u. Staatsverwaltung des Osmanischen Reichs, ebd. 1815–1816, 2 Bde.; A. E. Castellan, Sitten, Gebräuche u. Trachten der Osmanen, Lpz. 1815, 3 Bde.; H. von Forbin, Reise nach dem Morgenlande, aus dem Französischen übersetzt von F. L. Rammstein, Prag 1823–25, 4 Lieferungen; J. Carne, Letters from the East, Lond. 1826, 5 Bde. (deutsch als Leben u. Sitte im Morgenlande, auf einer Reise nach Constantinopel durch das griechische Inselmeer, Ägypten, Syrien u. Palästina etc., von W. A. Lindau, Dresden 1826–27, 4 Thle.); d'Aubignosc, La Turquie nouvelle jugée au point où l'on amenée les réformes du Sultan Mahmoud, Par. 1829, 2 Bde.; Slade, Travels in Turkey 1829–31, 2. Aufl. Lond. 1833, 2 Bde.; Urquhart, Turkey and its resources, Lond. 1833; Frederick Smith, The present state of the Turkish empire, Lond. 1839 (ursprünglich französisch vom Marschall Marmont); Ami Boué, Esquisse géologique de la Turquie d'Europe, Par. 1840; Derselbe, La Turquie d'Europe, ebd. 1840, 4 Bde.; Reid, Turkey and the Turks, Lond. 1840; B. Poujoulat, Voyage à Constantinople, dans l'Asie mineure etc., ebd. 1840, 2 Bde.; Eusèbe de Salle, Pérégrinations en Orient historiques et politiques pendant les années[18] 1837–40, ebd 1840, 2 Bde.; Geographisch-statistische Übersicht des Osmanischen Reichs in Europa u. Asien etc., Lpz. 1844; Rigler, Die Türkei u. deren Bewohner, Wien 1852; A. von Bessé, Das Türkische Reich, Lpz. 1854; Wantery, On the religion, manners, customs and constitution of the Turk. empire, Lond. 1850; Michelsen, The Ottoman empire, 2. Ausg. Lond. 1854; Ubicini, Lettres sur la Turquie, Par. 1853; Derselbe, La Turquie actuelle, Par. 1855; Tchihatcheff, Lettres sur la Turquie, Brüssel 1859; Joanne u. Isambert, Itineraire descript., hist. et archéol. de l'Orient, Par. 1861.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.