- Syrakus [1]
Syrakus (Syracūsä), Stadt auf der Ostküste Siciliens am Fluß Anapus, hatte 180 Stadien (4 1/2 geographische Meilen) im Umfange, 3 Citadellen u. 2 Häfen u. bestand aus 4 (mit Hinzurechnung von Epipolä aus 5) Theilen. Sie hatte zur Zeit der größten Blüthe an 500,000 Ew. u. konnte 100,000 M. Fußvolk, 10,000 Reiter u. 500 Kriegsschiffe stellen. a) Der zuerst angebaute Theil war auf der nahe liegenden Insel Ortygia od. auch geradhin Insel (Nasos) genannt; hier die Quelle Arethusa, welche leichte Sachen, in Elis in den Alpheos geworfen, hier wieder gegeben haben soll u. welche noch jetzt nahe am Castell hervorsprudelt; dabei der Tempel der Artemis (von welchem man noch Überbleibsel gefunden hat), dann ein Tempel der Athene, das Schloß Hierons, später Gerichtsplatz der römischen Prätoren; die Getreidemagazine, welche auch als Festungen benutzt werden konnten. Von dem Festland war die Insel durch einen Kanal getrennt, welcher später mit Steinen ausgefüllt u. zu einem Damm erhöht wurde; noch später führte eine Brücke hinüber; unweit des Überganges lag die vom ältern Dionysius errichtete Citadelle od. Akropolis (welche Timoleon schleifen ließ). Zwischen der Nordseite der Insel u. dem Festland war der Kleine Hafen (Lakkios od. Marmorhafen), so groß, daß er eine Kriegsflotte aufnehmen konnte, u. von Schiffswerften u. Arsenalen umgeben. Zwischen der Südspitze der Insel u. der noch südlichern Spitze des Festlandes (Plemmyrion) war der 1/3 Meile weite Eingang zu dem Großen Hafen (j. noch Porto maggiore), im Innern gegen 80 Stadien (2 Min.) im Umfang, tief, sicher u. mit Ketten sperrbar, dessen südlichster, für die Schiffer sicherster Einschnitt Daskon hieß. b) Der zweite u. durch Größe wichtigste Theil war Achradina; viermal so groß als die Insel, grenzte südlich an den großen Hafen u. an die Insel, östlich u. nördlich an das Meer, westlich an die übrigen Theile von S. Hier war der meiste Verkehr u. die schönsten öffentlichen Gebäude, das große, mit bedeckten Gängen umgebene Forum, das Prytaneum, die großen Gerichtsgebäude (Basilica) für diesen Theil der Stadt, der Tempel des Zeus, von Hieron II. erbaut, ein Theater, die Katakomben u. Latomien (Steinbrüche, j. die Latomien der Kapuziner mit Gärten derselben). c) Nordwestlich schloß sich an Achradina Tyche, von einem Tempel der Tyche (des Glücks) so genannt, an; hier das weitläufige Gymnasium, übrigens von der niedern Volksklasse, von Arbeitern etc. bewohnt, daher der bevölkertste Theil der Stadt. d) Südlich davon, durch eine Mauer getrennt, u. südwestlich von Achradina war Neapolis; hier das große Theater (faßte 80,000 Menschen, mit einer Naumachie), Amphitheater, die Tempel der Libera (Proserpina) u. Demeter, auf der Anhöhe Temenites, der alte Tempel des Apollo. Diese Anhöhe war erst seit dem Athenischen Krieg in die Befestigung gezogen, um durch seine Nordspitze die Einschließung der Stadt zu erschweren. Auch hier waren Latomien, namentlich die jetzige Latomie des Grafen Casala u. bes. die großen, zum Theil noch vorhandenen Latomien, aus denen das Material zu den Bauten der Stadt gebrochen wurde. Es sind tief aufgeschlossene Kalksteinwände von 80–100 Fuß Höhe, zum Theil wie mit dem Messer ab- u. in regelmäßige Formen geschnitten, zum Theil, dem Anscheine nach, halb natürliche, halb künstliche Grotten; sie dienten zur Verwahrung der Kriegsgefangenen. In ihrer Nähe ist das sogenannte Ohr des Dionysius, wo der Tyrann nach der Sage die Gespräche der Gefangenen belauscht haben soll (vgl. Schall S. 84). Bis zu Gelons u. Hierons Zeiten waren Neapolis u. Tyche bloß Vorstädte von S. u. wurden erst befestigt u. zur Stadt gezogen, als man feindliche Angriffe zu besorgen hatte. Unter Dionysius I. wurden die Mauern beider Stadttheile niedergerissen, weil er die Vorstadt e) Epipolä mit zur Stadt zog u. mit einer starken Mauer umgab, wodurch er S. zu einer gewaltigen Festung machte. Epipolä war eine Höhe gegen Nordwest, wohin von der Seeseite sich die Stadt allmälig erhob; hier waren nur Gartenanlagen u. Steinbrüche, welche als Gefängnisse benutzt wurden. Die höchste nordwestliche Spitze der Epipolä war der Euryalos u. darauf das außerhalb der Mauer liegende Castell Labdalon. Die Wasserleitung war 6 Meilen weit nordwestlich von Labdalon in die Stadt geführt; südlich von Neapolis[156] lag an der, in den Anapus mündenden Quelle Kyane das Olympieion. Jetzt heißt die Stadt Siragossa, s.d. Als dorische Stadt hatte S. eine aristokratische Verfassung; die Gamoroi waren die Grundbesitzer, die Kyllikyrioi waren ihre Knechte; jene hatten die Regierung in den Händen, u. aus ihnen wurden die Magistrate u. Mitglieder des hohen Rathes gewählt. Über die Wechsel der Verfassung zwischen Republik u. Tyrannis, s. unten Geschichte, über die Maßregeln zum Schutz gegen prätendirte Übermacht zur Zeit der demokratischen Republik, s. Petalismus. Münzen von S. aus allen Zeiten sind noch viele vorhanden; sie zeichnen sich durch schönes Gepräg aus, die Vorderseite enthält das Haupt der Proserpina (od. Arethusa), die Kehrseite ein Viergespann, dessen Lenkerin von der Victoria gekrönt wird. Die Sprache der Syrakusaner war dorisch, ähnlich dem Dialekt, in welchem Epicharmos u. Sophron gedichtet haben; doch nach der Zeit vermischte sich der Syrakusanische Dialekt so schnell mit Atticismen, daß man 70 Jahre später, unter Timoleon, jenen ohne Erklärer gar nicht mehr verstand. Plan der alten Stadt in der Voyage pittoreque de Naples et de Sicile, u. im 3. Theil von J. H. Bartels Briefe über Calabrien u. Sicilien, Gött. 1792. Vgl. Bonanni, Delle antiche Siracuse, Palermo 1717, 2 Bde.; Letronne, Essai sur la typographie de Syracuse Par. 1812; Fr. Göller, De situ et origine Syracusarum, Lpz. 1818; Capodieci, Antichi monumenti di Siracusa, Syr. 1813, 2 Bde.; über die Verfassung Heyne Opuscula academ., Bd. 2, S. 256 ff.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.