- Dionysius
Dionysius. I. Fürsten: A) von Syrakus. 1) D. I. od. der Ältere, aus Syrakus, war der Sohn des Hermokrates u. 431 v. Chr. geboren. Er focht in dem Kriege der Syrakusaner gegen die Carthager, bes. bei Agrigent, u. wurde von seinen Mitbürgern zum Feldherrn erwählt. Er gewann die Soldaten, erhielt vom Volke eine Leibwache u. man erkannte ihn 406 v. Chr. als unumschränkten Herrscher (Tyrann) an. In Folge einer Niederlage bei Gela empörte sich zwar sein Heer gegen ihn, aber nachdem er mit den Puniern Frieden gemacht hatte, zog er fremde Miethstruppen in seine Dienste u. erhielt sich auf dem Throne. 397–392 führte er einen zweiten Krieg siegreich mit den Puniern (s. Syrakus). Nun zog er gegen Unteritalien u. besiegte dort die Krotoniaten u. eroberte 387 Rhegium. In den zwei folgenden Kriegen gegen die Punier war er nur abwechselnd glücklich, während seine Unternehmungen gegen Epirus u. Delphi ganz mißglückten. Er st. 367, als argwöhnisch, rachsüchtig u. grausam gehaßt. Aus Eitelkeit gab er sich den Schein eines Freundes der Wissenschaften u. verkehrte mit Plato, der sich längere Zeit in Syrakus aufhielt. Seine Versuche in der Dichtkunst fielen unglücklich aus, indem seine bei den Olympischen Spielen von einer Gesandtschaft vorgetragenen Verse nur den Spott der Griechen erregten. Er legte das Gefängniß in den Steinbrüchen an (Ohr des D., s.u. Syrakus). Von seiner Habsucht, Grausamkeit u. seinem Mißtrauen werden viele Anekdoten erzählt; z.B.: er hatte sich in seinem Schlafzimmer wie in einer Festung verschanzt; da er sich keinem Barbier anvertraute, so ließ er sich von seinen Töchtern den Bart mit glühenden Nußschalen absengen; zu Olympia ließ er der Zeusstatue den goldenen Mantel abnehmen u. einen wollenen umhängen, u. gab den scherzhaften Grund an, im Sommer sei der goldne dem Gotte zu schwer, im Winter zu leicht; der Äsculapstatue zu Epidauros ließ er den goldenen Bart abnehmen, weil es sich nicht schicke, daß ein bartloser Vater (Apollo) einen bärtigen Sohn habe. Er hatte 2 Weiber, Aristomache, eine Syrakusanerin, u. Doris aus Lokri; sein Freund, der Historiker Philistos, schrieb seine Geschichte. 2) D. II., der Jüngere, Sohn des Vorigen von Doris u. sein Nachfolger, ein ausschweifender, argwöhnischer Jüngling. Auf Dions Rath rief er den Plato nach Syrakus, allein die strengeren Sitten des Philosophen wurden D. bald überdrüssig, weshalb er 360 auf den Rath seines Schmeichlers Philistos den Dion verbannte u. Plato nach Athen zurückkehren ließ. Dion aber vertrieb ihn 357 v. Chr., während er in Lucanien kriegte, vom Throne u. aus dem Vaterlande. D. lebte nun in Lokris in Italien, eroberte zwar 349 Syrakus wieder, wurde aber wegen seiner Grausamkeit von den Syrakusanern u. Korinthiern unter Timoleon 343 wieder vertrieben, s.u. Syrakus (Gesch.). Er lebte nun (als Privatmann u., wie man sagt, aus Dürftigkeit als Kinderlehrer) in Korinth. Unter ihm ereignete sich die Geschichte mit Damon (s.d.) u. Phintias, welche der Bürgschaft von Schiller zu Grunde liegt. B) von Heraklea: 3) Sohn des Klearchos, Tyrann u. seit 321 König von Heraklea; starb 291. C) von Portugal: 4) D. der Gerechte (D. der Anbauer), König von Portugal, Sohn von Alfons III., geb. 1261, folgte seinem Vater 1279 bis 1325, s. Portugal (Gesch.); er ist Gründer der Universität zu Coimbra u. des Christusordens u. sandte die erste portugiesische Flotte auf Entdeckungen aus. Er war vermählt mit Isabella von Aragon.
II. Papst: 5) St. D., Papst, ein Grieche u. einige Zeit Anachoret; Papst seit 259, st. 269, s. Päpste (Gesch.); er schr. gegen die Ketzereien seiner Zeit; Tag der 26. Dec.
III. Heilige u. Bischöfe: 6) St. D. Areopagita, Beisitzer des Areopags in Athen, von Paulus zum Christenthume bekehrt u. angeblich später erster Bischof in Athen, soll den Petrus u. Paulus zu Rom im Gefängnisse besucht haben u. von da vom Papst Clemens nach Gallien geschickt, auch dort in Paris, wo er erster Bischof gewesen sei, auf dem Montmartre als Märtyrer enthauptet worden u. bis zu dem nach ihm benannten St. Denys mit dem Kopf in der Hand gegangen sein. Sein Tag ist der 9. October. Ihm legte man im Mittelalter mehrere Schriften bei, welche in großem Ansehn standen: De hierarchia coelesti, De hierarchia ecclesiastica, De theologia mystica u. m. a. (nicht vor dem 4. Jahrh. verfertigt), herausgegeben von Corder, Antwerp. 1634, Fol., deutsch von Engelhardt, Sulzb. 1823, 2 Bde.; über die von ihm veranlaßte Areopagitische Theologie, s.d. 7) St. D., Bischof von Korinth im 2. Jahrh.; schr. mehrere Briefe an Gemeinden, von denen Eusebios einige erhalten hat; er st. als Märtyrer; Tag der 8. April. 8) D. von von Alexandrien, seit 232 Vorsteher der Katechetenschule u. seit 248 Bischof daselbst; er st. 265. Sein Tag der 17. Nov. Er war Schüler u. Anhänger des Origenes[167] u. Gegner des von ihm bestrittenen Chiliasmus, welchen er durch sein Ansehn u. seine verlorene Schrift: Περὶ ἐπαγγελιᾰν, aus der Kirche verdrängte. Im Streit gegen Sabellius erklärte er den Sohn Gottes für ein Geschöpf des Vaters, gab aber, hart getadelt, die Homousie des Sohnes mit dem Vater mit Einschränkung zu. Von ihm hat man nur einen Brief u. ein Fragment seiner Apologie an den römischen Bischof Dionysius (beide in dem Werke des Athanasios). 9) St. D. (Zosimus), erster Bischof in Augsburg; st. durchs Feuer unter Diocletian 303; Tag der 26. Februar. 10) Einer der Siebenschläfer in Ephesos.
IV. Gelehrte: 11) D. aus Miletos, einer der ersten Logographen; lebte kurz nach 500 v. Chr. u. schr. eine Beschreibung der Erde, über die Argonautenfahrt, eine Geschichte der Perser; sämmtlich verloren. 12) D. aus Heraklea, Stoiker, Schüler des Zeno; heftig an den Augen (od. an den Nieren) leidend, ging er, weil er den Schmerz nicht mehr für etwas moralisches Gleichgültiges halten konnte, zu den Epikureern (od. Kyrenaikern) über u. erhielt deshalb den Beinamen Metathemenos (der Überläufer). 13) D. Jambos, griechischer Lyriker um 200 v. Chr., 2 Hymnen an Kalliope u. Apollo von ihm stehen im 2. Bde. von Bruncks Analecta. 14) D. aus Halikarnassos, Rheror u. Geschichtsschreiber, lebte seit 31 v. Chr. 22 Jahre lang in Rom, wo er den Umgang der gebildetsten Männer genoß u. die Staatsarchive benutzte; er kehr.: Ῥωμαϊκὴ ἀρχαιολογία (von der mythischen Geschichte der italischen Völker bis zur Zeit der Punischen Kriege) in 20 Büchern (übrig die ersten 11 Bücher [bis zum Jahr d. St. 312] u. Fragmente), herausgegeben von Robert Stephanus, Par. 1546 (1547), Fol., eine Synopsis von Grimm, Lpz. 1786, deutsch von Benzler, Lemgo 1771 f., 2 Bde. (was A. Mai als Dionysii Hal. romanae antiquitatis pars hactenus desiderata, Mail. 1816, Frkf. 1817 als neu entdeckte Fragmente der Archäologie herausgegeben hat, gehört nicht dazu; vgl. Groddeck, De nuperis inventis Mediolan., Wilna 1817, Fol.; Struve, Über die von Mai bekannt gemachten Bruchstücke etc., Lpz. 1820); Περὶ συνϑέσεως νομἀτων (de compositione verborum), herausgegeben von Upton, Lond. 1702 u.ö., von Schäfer, Lpz. 1808, von Göller, Jena 1816; Τῶν παλαιῶν χαρακτῆρες, herausgeg. von Holwell, Lond. 1766; Περὶ τῶν ἀρχαίων ῥητόρων, herausgegeben von Mores, Oxf. 1781, 2 Bde., französisch von Gros, Par. 1825–27, 3 Bde., deutsch von Becker, Wolfenbüttel 1829; Briefe, herausgegeben von Krüger, Halle 1823; Τέχνη ῥητορική (Ars rhetorica), herausgegeben zuletzt von Schott, Lpz. 1804. Sämmtliche Werke: zuerst lateinisch von Lampus Biragus, Treviso 1480, Fol., von Sylburg, Frankfurt 1586, 2 Bde., Fol., von Hudson, Oxf. 1704, 2 Bde., Fol., von Reiske, Lpz. 1774–77, 6 Bde., Handausgabe, ebd. 1824, 6 Bde.; deutsch von Schaller u. Christian, Stuttg. 1827 ff.; vgl. C. Fr. Matthäi, De Dion. Hal., Wittenb. 1789; Schulin, De Dionys. Hal., Heidelb. 1821. 15) D. Periegetes, aus Charax im Arabischen Meerbusen od. aus Byzanz, begleitete den C. Agrippa, Stiefsohn des Augustus, nach dem Orient u. schr.: Περιήγησις οἰκουμένης (Geographie in Versen); das Gedicht wurde commentirt von Eustathios (s.d.), metrisch ins Lateinische übersetzt von Avienus u. Priscianus (s. b.), u. herausgegeben zuerst Ferrara 1512, u.ö., zuletzt von Passow, Lpz. 1825, von Bernhardy, Lpz. 1828, 2 Thle. 16) D. Thrax, Schüler des Aristarchos, lebte um 60 v. Chr.; schr.: Τέχνη γραμματική, die erste wissenschaftliche griechische Sprachlehre, herausgegeben in Fabricius Biblioth. graeca, Bd. VI., u. in Villoisons Anecdota gr., Bd. II, in Imm. Beckers Anecdota gr., Bd. II.; Commentare dazu von Cheroboskos, Theodosios, Diomedes u. A.; die armenische Übersetzung ist vollständiger als der vulgäre Text. 17) D. aus Byzanz, schr. gegen das Ende des 2. Jahrh. einen Ἀνἀπλους Βοςπόρου, steht in dem 3. Bde. von Hudsons Geogr. graec. 18) D. von Antiochia, nach 484, Christ u. Sophist; übrig sind 46 in den von H. Stephanus, Par. 1577, herausgegebenen Epistolae u. in Epistolae graecanicae. Genf 1606, Fol., befindliche Briefe. 19) D. Cato, s. Cato 8). 20) D. der Abt, lebte im 5. Jahrh. in Rom, sammelte die Canones der allgemeinen u. Provinzialsynoden u. fügte die Entscheidungen u. Decretalen der Päpste über einzelne vorgelegte Fälle bei. 21) D. der Kleine (D. Exiguus), aus Scythien, war Abt in Rom u. Freund des Cassiodorus u. starb um 556. Er machte eine Collectia canonum ecclesiasticorum, entwarf einen Ostercyclus auf 95 Jahre u. berechnete darin zuerst die Jahre nach Christi Geburt, welche er 754 nach Roms Erbauung setzte u. bewirkte, daß von da an die Jahre wirklich von Christi Geburt an berechne wurden (Aera Dionysĭana, s. Jahresrechnung) Seine Sammlungen stehen in Justelii Bibl. iur. can. vet. Tom I. VII. 22) D. Gothofredus, s. Gothofredus.
V. Künstler: 23) D. aus Argos, um 498 v. Chr., Bildhauer, von welchem später auch Rom Kunstwerke, z.B. eine Juno in dem Tempel dieser Göttin, besaß. 24) D. Anthropographos, d.h. der Menschenmaler, von Kolophon, einer der größten alten Maler, wahrscheinlich zu Alexanders des Großen Zeit, der sich treuer Naturnachahmung, bes. im Portrait (daher sein Beiname), befleißigte.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.